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4. Tarzan, der Schreckliche
ОглавлениеAls Tarzan und Om-at zu dem Vorplatz der Höhle der Dunklen Blume zurückstiegen und sich zu Ta-den stellten, waren sie auf alles gefasst, was auch immer dem Tod Es-sats folgen mochte. Zu diesem Zeitpunkt berührte die Sonne, die hinter den östlichen Hügeln emporstieg, auch die Gestalt eines Schlafenden in einer fernen, dornenbedeckten Steppe, und weckte ihn zu einem neuen Tag mühsamer Verfolgung auf einer schwachen, rasch verschwindenden Spur.
Eine Weile herrschte Schweigen im Tal des Menschen. Die Männer des Stammes warteten. Vor dem toten Kadaver, der einmal ihr Häuptling gewesen, sahen sie sich gegenseitig an und schauten dann zu Om-at und den beiden, die an seiner Seite standen. Schließlich sprach Om-at.
»Ich bin Om-at«, rief er. »Wer sagt, dass Om-at nicht Häuptling ist?«
Er wartete, ob jemand die Herausforderung annahm. Ein oder zwei der jungen Krieger waren unruhig und sahen ihn prüfend an, aber niemand antwortete.
»Dann ist Om-at Häuptling«, sagte er abschließend. »Nun sagt mir, wo sind Dunkle Blume, ihr Vater und ihre Brüder?«
Ein alter Krieger antwortete ihm. »Dunkle Blume muss in ihrer Höhle sein. Wer sollte das besser wissen als du, der du da oben bist? Ihr Vater und ihre Brüder wurden fortgeschickt, die Kor-ul-lul zu erkunden. Aber keine dieser Fragen erregt unsere Herzen. Uns beunruhigt etwas anderes: Kann Om-at unser Häuptling sein und sich doch mit einem Ho-don und jenem schrecklichen Mann an seiner Seite gegen sein eigenes Volk zur Wehr setzen - mit jenem schrecklichen Mann, der keinen Schwanz hat? Übergib die Fremden deinem Volk, damit wir sie erschlagen können, wie es der Brauch der Waz-don ist, danach mag Om-at Häuptling sein.«
Weder Tarzan noch Ta-den sprachen, aber sie beobachteten Om-at und warteten auf seine Entscheidung. Die Spur eines Lächelns spielte um die Lippen des Affenmenschen. Ta-den jedoch wusste, dass der alte Krieger die Wahrheit gesprochen hatte - die Waz-don empfingen keine Fremden und machten keine Gefangenen anderer Rassen.
Da sprach Om-at. »Alles wird sich ändern. Sogar die alten Berge erscheinen jedes Mal anders - denn die strahlende Sonne, eine vorüberziehende Wolke, der Mond, ein Nebel, die wechselnden Jahreszeiten, die plötzliche Ruhe nach einem Sturm, alle diese Dinge bringen etwas Neues in unsere Berge. Von der Geburt bis zum Tode, Tag für Tag, sind auch wir in ewigem Wechsel begriffen, jeder von uns. Veränderung ist daher eines der Gesetze unseres Gottes. Und heute bringe ich, Om-at, euer Häuptling, einen neuen Fortschritt. Fremdlinge, die tapfere Männer sind und gute Freunde, sollen von den Waz-don nicht mehr erschlagen werden!«
Brummen, Gemurmel und eine rastlose Unruhe erfasste die Krieger. Einer schaute den anderen an, um zu sehen, wer zuerst gegen Om-at, den Umstürzler und Reformator, auftreten würde.
»Lasst eurer Gemurmel«, befahl der neue Häuptling. »Ich bin euer Häuptling. Mein Wort ist Gesetz. Ihr hattet keinen Anteil daran, dass ich Häuptling geworden bin. Einige von euch haben Es-sat geholfen, mich aus der Höhle meiner Ahnen zu vertreiben. Die anderen haben es geduldet. Ich schulde euch nichts. Nur diese beiden, von denen ihr verlangt, dass ich sie töte, sind mir ergeben gewesen. Ich bin Häuptling, und wenn einer von euch es bestreitet, so möge er reden - er kann nicht jünger sterben.«
Tarzan war zufrieden. Hier war ein Mann nach seinem Herzen. Er bewunderte die Furchtlosigkeit Om-ats. Er besaß genügend Menschenkenntnis um zu wissen, dass keine Schwachheit hinter Om-ats Worten zu finden war. Om-at würde, falls notwendig, bis zum Tode für sein Wort geradestehen und die Chancen, dass er nicht derjenige war, der unterliegen würde, standen für ihn. Offensichtlich war auch die Mehrzahl der Krieger der gleichen Ansicht.
»Ich werde euch ein guter Häuptling sein«, sagte Om-at, als er sah, dass sich niemand erhob, um sein Recht zu bestreiten. »Eure Frauen und Töchter werden sicher sein - sie waren es nicht, während Es-sat regierte. Geht nun an eure Arbeiten auf dem Felde und bei der Jagd. Ich gehe, um Dunkle Blume zu suchen. Ab-on wird Häuptling sein solange ich fort bin. Fragt ihn um Hilfe und mich um Rechenschaft, wenn ich wiederkomme - möge euch Jad-ben-Otho, unser Gott, freundlich zugeneigt sein.«
Darauf wandte er sich zu Tarzan und dem Ho-don. »Und ihr, meine Freunde, könnt euch unter meinem Volk bewegen. Die Höhle meiner Ahnen steht euch zur Verfügung, tut was ihr wollt.«
»Ich werde mit Om-at gehen, um Dunkle Blume zu suchen«, sagte Tarzan.
»Ich auch««, fügte Ta-den hinzu.
Om-at lächelte. »Gut!«, rief er aus. »Und wenn wir sie gefunden haben, werden wir zusammen die Pläne Tarzans und Ta-dens verwirklichen. Wo fangen wir an zu suchen? Er wandte sich an seine Krieger: Wer weiß, wo sie sein kann?«
Aber keiner wusste mehr zu berichten, als dass Dunkle Blume am vergangenen Abend mit den anderen zur Höhle gegangen war - es gab keinen Anhalt und keine Vermutungen darüber, wo sie sich befinden konnte.
»Zeige mir, wo sie schläft«, sagte Tarzan. »Lass mich etwas sehen, was ihr gehört - ein Kleidungsstück - dann kann ich dir zweifellos helfen.«
Zwei junge Krieger kletterten zu dem Vorsprung, auf welchem Om-at stand. Es waren In-sad und O-dan. Der letztere sprach.
»Häuptling«, sagte er. Wir möchten mit dir gehen und Dunkle Blume suchen helfen.
Dies war die erste Anerkennung der Häuptlings würde Om-ats, und sofort schien sich die Spannung zu lösen, die bisher über der Versammlung gelegen hatte - die Krieger sprachen laut, statt zu flüstern, und die Frauen kamen aus den Öffnungen der Höhlen, als ob sich ein plötzlicher Sturm verzogen hätte. In-sad und O-dan hatten die Initiative ergriffen, und nun schienen alle froh, ihrem Beispiel folgen zu können. Einige kamen, um mit Om-at zu sprechen und sich Tarzan aus der Nähe zu betrachten. Andere, Oberhäupter der Höhlen, versammelten ihre Männer und besprachen die Arbeit des Tages. Frauen und Kinder bereiteten den Abstieg zu den Feldern vor, ebenso die Jünglinge und Greise, deren Pflicht es war, sie zu beschützen.
»O-dan und In-sad werden mit uns gehen«, gab Om-at bekannt. »Mehr brauchen wir nicht. Komm, ich werde dir zeigen, wo Dunkle Blume schläft, obgleich ich nicht weiß, warum du das wissen willst - sie ist nicht da. Ich habe selbst nach ihr gesucht.«
Die beiden betraten die Höhle, wo ihm Om-at den Weg zu dem Gemach zeigte, in welchem Es-sat Dunkle Blume in der vergangenen Nacht überrascht hatte. »Alles in dieser Höhle gehörte ihr«, sagte Om-at, »nur die Keule auf dem Boden gehörte Es-sat.«
Der Affenmensch ging schweigend durch die Höhle. Das Vibrieren seiner feinen Nüstern war seinem Gefährten nicht bemerkbar. Dieser fragte sich vergebens, was man hier finden könne und beklagte den Aufschub.
»Komm!«, sagte der Affenmensch schließlich und schritt mit ihm zur äußeren Plattform voraus.
Hier erwarteten sie ihre drei Gefährten. Tarzan ging zur linken Seite und prüfte die Haken, welche dort lagen. Er sah sie zwar an, aber es waren nicht seine Augen, die sie prüften. Schärfer noch als seine ausgezeichneten Augen war der wunderbar entwickelte Geruchssinn, der von frühester Kindheit an unter der Leitung seiner Pflegemutter, Kala, der Äffin, geschult worden war, und der im Leben des grausigen Dschungels vom besten aller Lehrmeister - dem Selbsterhaltungstrieb, die letzte Vollendung erfahren hatte. Von der linken Seite des Vorsprungs wandte er sich zur rechten. Om-at wurde ungeduldig.
»Lass uns gehen«, sagte er. »Wir müssen Dunkle Blume suchen, wenn wir sie finden wollen.«
»Wo sollen wir suchen?«, fragte Tarzan.
Om-at kratzte seinen Kopf. »Wo?«, wiederholte er. »Nun, im ganzen Land des Menschen, falls notwendig.«
»Das ist eine große Aufgabe«, meinte Tarzan. »Komm««, fügte er hinzu, »hier ist sie hochgestiegen.« Er kletterte die Haken empor, die zum Gipfel des Felsens führten. Hier konnte er der Spur sehr leicht folgen, da seit der Flucht der Dunklen Blume noch niemand diesen Weg genommen hatte. An der Stelle, wo sie die festen Haken verlassen und sich auf denjenigen fortbewegt hatte, die sie bei sich führte, hielt Tarzan an. »Sie hat diesen Weg zur Anhöhe genommen«, rief er Om-at zu, der dicht hinter ihm war, »aber hier befinden keine Haken!«
»Ich weiß nicht, woher du weißt, dass sie diesen Weg gewählt hat«, sagte Om-at, »aber wir werden Haken bekommen. In-sad, geh zurück und hole Kletterhaken für uns.«
Der junge Krieger war bald zurück und verteilte die Kletterhaken. Om-at gab Tarzan fünf Stück und erklärte ihren Gebrauch. Der Affenmensch gab einen zurück. »Ich brauche nur vier«, sagte er.
Om-at lächelte. »Was für ein wunderbares Geschöpf könntest du sein, wenn du nicht verkrüppelt wärest«, sagte er und schaute voller Stolz auf seinen eigenen starken Schwanz.
»Ich gebe zu, dass ich im Nachteil bin«, erwiderte Tarzan. »Ihr anderen müsst voraus gehen und die Haken für mich stecken lassen. Ich fürchte, dass wir sonst sehr langsam vorankommen werden, da ich die Haken nicht in den Füßen halten kann wie ihr.«
»Gut«, stimmte Om-at zu. »Ta-den, In-sad und ich werden vorausgehen, du folgst und O-dan bildet den Schluss.«
Auf der Anhöhe des Felsens nahm Tarzan dicht neben dem knorrigen Baum die Spur wieder auf. Auch hier war die Fährte ebenso gut zu finden wie auf der Wand des Felsens, und der Affenmensch schritt rasch am Rande der Schlucht voraus.
Schließlich blieb er stehen und wandte sich an Om-at. Hier ist sie gelaufen, sie rannte aus Leibeskräften, und, Om-at, sie wurde von einem Löwen verfolgt.
»Das kannst du aus dem Gras lesen?«, fragte Om-at, als sich die anderen um den Affenmenschen scharten.
Tarzan nickte. »Ich glaube nicht, dass der Löwe sie gefasst hat««, fügte er hinzu. »Aber das werden wir sehr schnell feststellen können. Nein, er hat sie nicht bekommen - sieh!« Er deutete nach Südwesten.
»Was ist es?«, fragte Om-at. »Ist sie es?« - Und er wollte darauf zueilen.
»Warte«, riet Tarzan. »Es ist der Löwe, der sie verfolgt hat.«
»Du kannst ihn sehen?«, fragte Ta-den.
»Nein, aber ich kann ihn riechen.«
Die Gesichter der anderen drückten ihr Erstaunen und ihren Unglauben aus. Aber die Tatsache, dass es sich um einen Löwen handelte, war bald unumstößlich. Das Gesträuch öffnete sich und die Bestie, den Blick auf sie gerichtet, trat ihnen entgegen. Es war ein mächtiger Löwe, groß, mit einer prächtigen Mähne und mit den glänzenden Leopardenflecken, durch die diese Art deutlich und gleichmäßig gekennzeichnet wurde. Eine kurze Weile nur sah das Tier sie an, und dann, noch immer gereizt über den Verlust seiner Beute in den frühen Morgenstunden, griff es an.
Die Männer lösten ihre Keulen und warteten auf das Tier, das ihnen entgegenraste. Tarzan zog sein Jagdmesser und kauerte sich auf den Weg. Die erboste Bestie hatte ihn beinahe erreicht, als sie sich nach rechts wandte und Om-at ansprang, der sie mit einem schmetternden Hieb auf den Kopf zu Boden schickte. Beinahe sofort war sie wieder auf, und obgleich die Männer furchtlos hinzusprangen, gelang es ihr, die Waffen mit ihren mächtigen Pranken zur Seite zu schlagen. Ein einziger Hieb riss O-dan den Knüppel aus der Hand, der gegen Ta-den schlug und ihn zu Fall brachte. Diese Gelegenheit wahrnehmend, sprang der Löwe auf, um sich auf O-dan zu stürzen. Aber im gleichen Augenblick warf sich Tarzan auf seinen Rücken. Starke weiße Zähne schlugen sich in den gefleckten Nacken. Kraftvolle Arme umschlangen die wilde Kehle, und die sehnigen Beine des Affenmenschen umklammerten den mageren Leib.
Die anderen waren machtlos zu helfen und standen atemlos, als sich der große Löwe hierhin und dorthin wandte und umsonst nach dem wilden Kämpfer biss und schlug, der sich auf seinen Rücken geklammert hatte. Wieder und wieder überschlugen sich die beiden, und nun sahen die Zuschauer, wie sich eine braune Hand über der Seite des Löwen hob - eine braune Hand, die eine scharfe Klinge führte. Sie sahen sie fallen, sich heben und wieder fallen - es war jedes Mal ein Stoß mit gewaltiger Kraft, und ein purpurner Strom begann den prächtigen Pelz des Löwen hinunter zu rinnen.
Jetzt hob sich aus der Kehle des Löwen ein entsetzliches Brüllen des Hasses, der Wut und des Schmerzes. Er verdoppelte seine Anstrengungen, um seinen Peiniger aus seinem Sitz zu werfen und zu bestrafen. Aber stets blieb der zerzauste schwarze Kopf halb in der dunkelbraunen Mähne des Löwen vergraben, und der mächtige Arm hob und senkte sich, um das Messer immer wieder in die Seite der sterbenden Bestie zu stoßen.
Die Krieger standen schweigend in Staunen und Bewunderung. Selbst tapfere Männer und mächtige Jäger, waren sie als solche auch bereit, einem Überlegeneren Anerkennung zu zollen.
»Und ihr wolltet, ich sollte ihn erschlagen!«, rief Om-at und sah In-sad und O-dan an.
»Jad-ben-Otho, unser Gott, belohne dich dafür, dass du es nicht getan hast«, sagte In-sad.
Plötzlich fiel der Löwe zu Boden und nach ein paar krampfhaften Zuckungen lag er still und reglos. O-dan ging rasch auf Tarzan zu. Eine Hand auf dem eigenen Herzen, legte er die andere auf Tarzans Brust. »Tarzan, der Schreckliche«, sagte er. »Ich kenne keine größere Ehre, als dich um deine Freundschaft zu bitten!«
»Und ich keine andere, als die Freundschaft von Om-ats Freunden«, gab der Affenmensch bescheiden den Gruß des anderen zurück.
»Glaubst du«, fragte Om-at, während er sich Tarzan näherte und ihm die Hand auf die Schulter legte, »dass er Dunkle Blume bekommen hat?«
»Nein, mein Freund. Es war ein hungriger Löwe, der uns angegriffen hat.«
»Du musst sehr viel von Löwen wissen«, sagte In-sad.
»Wenn ich einen Bruder hätte, ich könnte ihn nicht besser kennen«, gab Tarzan zurück.
»Wo aber kann sie sein?«, fragte Om-at erneut.
Einen Augenblick prüfte Tarzan den Boden zur Rechten und zur Linken, dann richtete er sich auf, sah Om-at an und deutete in den Abgrund.
Kurz nur schaute der Waz-don hinab, wo ein reißender Fluss in die Schlucht hinunterstürzte, dann schloss er die Augen, um seinen Schmerz zu verbergen und wandte sich ab.
»Du - meinst - sie ist gesprungen?«, fragte er.
»Um dem Löwen zu entgehen«, erwiderte Tarzan. »Er war dicht hinter ihr - schau, du kannst noch sehen, wo seine vier Pranken sich in den Boden gedrückt haben, als er seinen Angriff am Rande des Abgrunds bremste.«
»Besteht eine Möglichkeit...«, begann Om-at, um plötzlich von einer warnenden Handbewegung Tarzans unterbrochen zu werden.
»Runter«!, flüsterte der Affenmensch. »Viele Männer kommen. Sie rennen.« Er legte sich sogleich flach auf den Bauch ins Gras, und die anderen folgten seinem Beispiel.
Ein paar Minuten lagen sie so, wartend, und dann hörten auch die anderen das Geräusch laufender Füße und einen wilden Ruf, dem viele andere folgten.
»Es ist der Kriegsruf der Kor-ul-lul«, flüsterte Om-at. »Der Jagdschrei von Menschen, die Menschen jagen. Wir werden sie sogleich sehen und wenn Jad-ben-Otho, unser Gott, uns wohl gesinnt ist, werden sie uns nicht zu sehr überlegen sein.«
»Es sind viele«, sagte Tarzan. »Vierzig oder fünfzig, nehme ich an. Aber wie viele verfolgt werden und wie viele verfolgen, kann ich nicht erraten, nur, die letzteren sind den ersteren bedeutend überlegen, sonst würden sie nicht derart schnell laufen.«
»Dort kommen sie«, sagte Ta-den.
»Es sind An-un, der Vater von Dunkle Blume, und seine beiden Söhne«, rief O-dan aus. »Wenn wir uns nicht beeilen, werden sie an uns vorüberlaufen, ohne uns zu sehen«, fügte er hinzu und sah Om-at, den Häuptling, an, um Zeichen zu erhalten.
»Kommt!«, rief dieser, erhob sich und lief rasch den drei Fliehenden entgegen. Die anderen folgten ihm.
»Fünf Freunde!«, rief Om-at, als An-un und seine Söhne sie entdeckt hatten.
Die Verfolgten hielten kaum inne, als diese unerwartete Verstärkung zu ihnen stieß, aber sie warfen erstaunte Blicke auf Ta-den und Tarzan.
»Es sind viele Kor-ul-lul«, rief An-un. »Ich wollte, wir könnten anhalten und kämpfen, aber erst müssen wir Es-sat und unser Volk warnen.«
»Ja«, sagte Om-at. »Wir müssen unser Volk warnen. Es-sat ist tot«, sagte In-sad.
»Wer ist Häuptling?«, fragte einer der Söhne An-uns.
»Om-at«, erwiderte O-dan.
»Das ist gut«, rief An-un. »Dunkle Blume sagte, dass du zurückkehren würdest, um Es-sat zu erschlagen.«
Jetzt kam hinter ihnen auch der Feind in Sicht.
»Kommt!«, rief Tarzan. »Lasst uns wenden und sie angreifen, indem wir ein großes Kampfgeschrei erheben. Die Verfolgten waren nur drei Mann. Wenn sie nun acht sehen, die ihnen entgegenstürzen, werden sie glauben, dass viele zum Kampf gekommen sind. Sie werden annehmen, wir sind mehr als sie sehen. Dann wird einer, der schnell ist, Zeit haben, die Schlucht zu erreichen und dein Volk zu warnen.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Om-at. Id-an, »du bist schnell - bringe unseren Kriegern die Botschaft, dass wir die Kor-ul-lul auf dem Grat angreifen und warne unseren Stamm.«
Id-an, der Sohn An-uns, eilte schnell zu den Höhlen, während die anderen auf die Kor-ul-lul losstürmten. Das Kriegsgeschrei der beiden Stämme hob und senkte sich mit einer grausigen Harmonie. Der Vortrupp der Kor-ul-lul hielt beim Erscheinen der plötzlichen Verstärkung an. Offensichtlich warteten sie auf die Zurückgebliebenen. Vielleicht wollten sie auch zunächst etwas über die Stärke des Feindes erfahren, der ihnen nun gegenüberstand. Die Anführer, schnellere Läufer als ihre Gefährten, waren ziemlich weit voraus, während der Rest der Krieger noch nicht aus dem Dickicht heraus war. Als nun Om-at und seine Gefährten sie mit einer Wildheit überfielen, die von der Notwendigkeit bestimmt war, wichen sie zurück.
Durch diesen ersten Erfolg ermutigt, folgte Om-at ihnen in das Dickicht, und seine tapfere kleine Truppe kämpfte tapfer zu beiden Seiten. Laut und schrecklich waren die wilden Schreie, als sie den fliehenden Feind verfolgten. Das Gesträuch wuchs nicht so dicht, um die Verfolgung zu behindern, war jedoch von solcher Höhe, dass es die Mitglieder einer Truppe vor den anderen verbarg, wenn sie sich auch nur wenig voneinander trennten. Das Ergebnis war, dass Tarzan, der stets schnell und voller Kampflust war, dem Feind sehr bald schon, den anderen weit voraus, folgte - ein Mangel an Klugheit, der zu seinem Fall beitragen sollte.
Es schien Tarzan, als ob nur ein einziger Krieger hinter der entfliehenden Truppe zurückblieb, aber indem dieser sich langsamer zurückzog, lockte er Tarzan hinter sich her. Plötzlich wandte er sich um und ging mit Keule und gezogenem Messer auf den Affenmenschen los. Als Tarzan sich zum Kampf stellte, sprang eine Horde der Waz-don aus dem umliegenden Gesträuch. Sofort, aber dennoch zu spät, erkannte der Affenmensch die Gefahr. Vor sein geistiges Auge trat das Bild seiner verschwundenen Gattin, und ein Gefühl unendlichen, schmerzlichen Bedauerns überkam ihn mit der Gewissheit, dass, falls sie noch lebte, keine Hoffnung mehr für sie war. Obgleich sie vielleicht nie von dem Tod ihres Mannes erfahren würde, die Tatsache an sich musste unvermeidbar ihr Geschick besiegeln.
Aus diesen Gedanken aber wuchs ein blinder, wütender Hass auf diese Kreaturen, die es wagten, sich seinen Absichten entgegenzustellen und das Schicksal seiner Gattin zu bedrohen. Mit wildem Schrei warf er sich auf den Krieger vor ihm, entriss die dicke Keule der Hand des Gegners, als ob dieser ein kleines Kind sei und mit der linken Faust, hinter der das Gewicht und die ganze Energie seines großen Körpers lag, schmetterte er einen fürchterlichen Hieb in das Gesicht des Waz-don - ein Hieb, der die Knochen zerbrach und den Mann zu Boden sinken ließ. Dann wandte er sich mit dem Knüppel des zerschmetterten Kriegers gegen die anderen und schlug gnadenlose Hiebe nach links und rechts. Zu beiden Seiten fielen sie unter seinem Knüppel. So rasch folgte ein Schlag dem anderen, so katzengleich richtete Tarzan sich immer wieder auf, dass er in den ersten Augenblicken des Kampfes unverwundbar schien. Aber es konnte nicht von langer Dauer sein - sie waren ihm zwanzigfach überlegen und seine Niederlage wurde schließlich durch einen geschleuderten Knüppel besiegelt, der ihn am Hinterkopf traf. Eine kleine Weile stand er schwankend, und dann schlug er zu Boden.
Ein Teil der Kor-ul-lul waren vorgestürmt, um die anderen Männer von Om-ats Truppe anzugreifen. Der Lärm des Kampfes kam aus geringer Entfernung und es ließ sich erraten, dass die Kor-ul-lul langsam zurückwichen. Während ihres Rückzuges rief Om-at nach dem Vermissten: »Tarzan, der Schreckliche! Tarzan, der Schreckliche!«
»Der Schreckliche, fürwahr«, erwiderte einer der Kor-ul-lul, als er sich von der Stelle erhob, wohin ihn Tarzan geschleudert hatte. Tarzan, der Schreckliche! Er war schlimmer als das.