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5. In der Wildnis

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Als Dunkle Blume über den Rand des Felsens der Schlucht sprang, erwartete sie, sofort auf den Felsen in der Tiefe zu zerschellen. Sie hatte diesen Tod den reißenden Zähnen des Löwen vorgezogen. Aber stattdessen hatte es das Schicksal anders bestimmt. Sie sprang an einer Stelle, wo sich der tosende Fluss dicht unter der überhängenden Klippe eine kurze Weile in einem tiefen Teich staute, bevor er erneut reißend in die Tiefe stürzte und seine Wasser gegen die Felsen donnerte.

In diesen eisigen Teich stürzte das Mädchen. Immer wieder sank sie unter die Oberfläche des Wassers, bis sie sich halberstickt aber besonnen einen Weg an die Luft erkämpft hatte. Mit kräftigen Schlägen schwamm sie zum entgegengesetzten Ufer. Sie zog sich die Böschung empor, wo sie atemlos und erschöpft liegenblieb, bis die heraufziehende Dämmerung sie daran erinnerte, sich einen Schutz zu suchen, denn sie befand sich im Land der Feinde ihres Stammes.

Sie stand auf und verbarg sich im Schutze der Vegetation, die sich so üppig in dem reichbewässerten Teil ausbreitete.

Inmitten der Pflanzen war sie dem Blick aller entzogen, die der Zufall die ausgetretene Fährte am Fluss entlangführen mochte. Hier suchte Dunkle Blume Ruhe und Nahrung. Die letztere wuchs in reicher Fülle rings um sie her in der Form von Früchten, Beeren und saftigen Knollen, die sie mit dem Messer des toten Häuptlings abschnitt.

Hätte sie nur gewusst, dass er tot war! Welche Prüfungen, Gefahren und Schrecken wären ihr erspart geblieben. Aber sie musste annehmen, dass er noch lebte und so wagte sie nicht zurückzukehren. Wenigstens nicht, solange seine Wut noch in Weißglut kochte. Vielleicht konnte sie es später riskieren, wenn ihr Vater und ihre Brüder zur Höhle zurückgekommen waren, aber nicht jetzt - nicht jetzt. Auch durfte sie nicht lange hier in der Nachbarschaft der feindlichen Kor-ul-lul bleiben. Irgendwo musste sie eine Zuflucht vor den wilden Tieren Anden, bevor die Nacht hereinbrach. Während sie auf dem Stamm eines gefallenen Baumes saß und eine Lösung auf die Frage ihrer Existenz suchte, drangen aus der Schlucht herauf die Stimmen von Männern an ihr Ohr - es war ein Lärm, den sie nur zu genau kannte. Es war das Kriegsgeschrei der Kor-ul-lul. Immer stärker näherte es sich ihrem Versteck. Durch den dichten Schleier des Blattwerks erspähte sie kurz drei Gestalten, die den Pfad entlang flohen, und hinter ihnen erhob sich immer lauter das Geschrei der Verfolger, die sich näherten. Sie konnte einen erneuten Blick auf die Flüchtenden werfen, als sie den Fluss unterhalb des Gefälles überquerten und sich dann ihren Blicken entzogen. Jetzt erschienen die Verfolger - schreiende Krieger des Kor-ul-lul, wild und unerbittlich. Es mochten vierzig oder fünfzig sein. Atemlos wartete sie, aber der Feind wich nicht von der Fährte und eilte an ihr vorüber, ohne zu ahnen, dass sie, auch ein Feind, wenige Fuß entfernt lag.

Dann erblickte sie wieder die Verfolgten - drei Waz-don-Krieger. Sie kletterten an einer Stelle des Felsens empor, wo ein Teil der Anhöhe niedergestürzt war und so einen sanften Hügel bildete, den sie mühelos erklimmen konnten. Plötzlich schien ihr Blick die drei festhalten zu wollen. War es möglich? O Jad-ben-Otho! Hätte sie es nur ein wenig früher gewusst. Als sie an ihr vorübereilten, hätte sie mit ihnen laufen können, denn es waren der Vater und die Brüder. Zu spät! Mit angehaltenem Atem und angespannten Muskeln verfolgte sie die Flucht. Würden sie die Anhöhe erreichen? Würden die Kor-ul-lul sie überholen? Sie kletterten gut, aber, ach, so langsam. Nun verlor der eine seinen Halt auf dem lockeren Schiefer und rutschte zurück! Die Kor-ul-lul stiegen hinauf - einer schleuderte seine Keule nach dem letzten der Fliehenden. Der große Gott war dem Bruder der Dunklen Blume wohlgesinnt, denn er ließ den Knüppel kurz vor seinem Ziel zu Boden sausen. Von da fiel und rollte er hinunter, schlug auf seinen Eigentümer, riss ihn um und ließ ihn in den Abgrund der Schlucht stürzen.

Aufrecht, die Hände fest über ihre goldenen Brustplatten gepresst, verfolgte Dunkle Blume den Wettlauf um das Leben. Nun erreichte ein Bruder die Anhöhe. Er klammerte sich an einen Halt, den sie nicht sehen konnte, ließ seinen Körper und seinen langen Schwanz zum Vater hinabhängen. Dieser ergriff den Halt und streckte dem Sohn unter ihm seinen eigenen Schwanz entgegen - dem, der vorher ausgeglitten war - und so, auf dieser selbst geformten, lebenden Leiter erreichten die drei den Kamm des Felsens und verschwanden aus dem Blickfeld, bevor die Kor-ul-lul sie überholt hatten. Aber diese gaben die Verfolgung nicht auf. Weiter ging es, bis auch sie verschwunden waren. Nur ein schwaches Echo ihrer Schreie drang zur Dunklen Blume« und sagte ihr, dass die Verfolgung andauerte. Das Mädchen wusste, dass es hier fort musste. Jeden Augenblick konnten Jäger kommen, die in der Schlucht auf der Spur von kleineren Tieren, die dort schliefen oder Futter suchten, waren.

Hinter ihr waren Es-sat und die zurückkehrende Gruppe der Kor-ul-lul, die ihre Angehörigen verfolgt hatte, vor ihr, auf der anderen Seite des Grats lag der Kor-ul-gryf, die Heimat der entsetzlichen Ungeheuer, welche jedem Bewohner des ,Tal der Menschen« die Schauer der Furcht über den Rücken jagten. Unter ihr, im Tal, war das Land der Ho-don, wo sie nur Sklaverei oder Tod erwarten konnte, hier waren die Kor-ul-lul, uralte Feinde ihres Volkes und überall rings umher waren die wilden Bestien.

Einen Augenblick nur zögerte sie, aber dann wandte sie ihr Gesicht nach Südost und machte sich durch die Schlucht des Wassers auf den Weg zum Kor-ul-gryf. Dort gab es wenigstens keine Menschen.

Vorsichtig schlich sie zum Fuß der Felsen am jenseitigen Ende der Schlucht, und hier fand sie gegen Mittag einen ziemlich leichten Aufstieg. Sie stand schließlich am Rande des Kor-ul-gryf - des Schreckensortes in der Sagenwelt ihres Volkes. Dicht und geheimnisvoll wuchsen unten die Pflanzen. Beinahe auf gleicher Höhe mit dem Grat der Felsen schwenkten riesige Bäume ihre federartigen Wipfel und über allem brütete ein unheilverkündendes Schweigen.

Dunkle Blume lag auf dem Bauch, beugte sich über den Rand des Felsens und erforschte ihre Umgebung. Sie konnte die Höhlen sehen und die steinernen Haken, welche von ihren Vorfahren stammten. An den heimischen Feuern hatte sie in ihrer Kindheit die Geschichten gehört. Sie wusste, wie die Gryfs aus den Sümpfen jenseits der Berge gekommen waren, und wie die letzten ihres Volkes geflohen, nachdem viele von den scheußlichen Tieren überfallen und verschlungen worden waren. Ihre Höhlen standen schon so lange unbewohnt, dass kein Lebender genau sagen konnte, wann sich dieser Untergang abgespielt hatte. Einige sagten, dass der Gott Jad-ben-Otho, der ewig lebt, damals noch ein kleiner Junge war. Dunkle Blume schauderte, aber vor ihr lagen die Höhlen und sie würde dort sogar vor den Gryfs sicher sein.

Sie fand eine Stelle, an welcher die Haken bis zum Grat der Felsen führten. Langsam kletterte sie zur obersten Höhle hinunter. Die Plattform vor dem Eingang glich denen ihrer eigenen Höhlen. Der Boden war mit Zweigen, alten Nestern und Vogeldreck überstreut und der Eingang zur Höhle beinahe verstopft. Sie kletterte zum nächsten Felsvorsprung und zum übernächsten, aber bei allen hatte sich die gleiche Menge Unrat angesammelt. Es war klar, dass sie sich die weitere Suche ersparen konnte. Diese Höhle schien groß und geräumig. Mit ihrem Messer begann sie die Ablagerung wegzuräumen, indem sie den Unrat einfach über den Rand der Klippe schob. Von Zeit zu Zeit richtete sie ihre Augen in die schweigende Schlucht, wo die gefürchteten Bestien lauern mochten.

Andere Augen waren dort, Augen, die Dunkle Blume nicht sah, aber die sie sahen und jede ihrer Bewegungen verfolgten - wilde Augen, gierige Augen, listig und grausam. Sie beobachteten sie und eine rote Zunge leckte über schlaffe, hängende Lippen. Sie beobachteten sie und ein halbmenschliches Gehirn entwarf eifrig einen brutalen Anschlag.

Wie in ihrem eigenen Tal hatten die längst verwesten Erbauer der Höhlen die natürlichen Quellen über den Felsen so gelenkt, dass wie seit uralten Zeiten auch jetzt noch das frische, klare Wasser in unmittelbarer Reichweite vom Eingang der Höhlen herniedertropfte. Zur besonderen Schwierigkeit wurde jedoch die Beschaffung von Nahrung. Zu diesem Zwecke musste sie wenigstens alle zwei Tage das Risiko eines Abstiegs auf sich nehmen, denn sie war überzeugt, dass sie nahe am Fuß der Felsen Früchte, Knollen und vielleicht auch kleine Tiere, Vögel und Eier finden konnte. Die letzteren waren vielleicht sogar in den Höhlen zu finden. Hier konnte sie dann unbegrenzte Zeit leben. Ein gewisses Gefühl der Sicherheit überkam sie. Es war zweifellos von der sicheren Lage ihres Zufluchtsortes hervorgerufen, von der sie wusste, dass sie vor den gefährlichen Bestien Sicherheit bot, und vor den Menschen, da sie in dem verfluchten Kor-ul-gryf war.

Für Dunkle Blume war diese alte Höhle wohnlich und bald vertraut. Innen fand sich weniger Unrat als draußen und was sich fand, war meist nur Staub. Neben dem Eingang war die Nische, in der sich Holz und Zunder befunden haben mussten, aber auch hier gab es nur noch Staub. Aus dem Unrat auf der Plattform hatte sie jedoch einen kleinen Stapel Zweige gerettet. In kurzer Zeit entfachte sie ein kleines Feuer. Einen Zweig am anderen entzündend, hatte sie eine Fackel, mit deren Hilfe sie die inneren Höhlen erforschen konnte. Sie fand auch hier nichts Neues oder Fremdes, kein anderes Überbleibsel der früheren Bewohner als ein paar zerbrochene Steinteller. Sie hatte nach einer weichen Unterlage gesucht, auf der sie schlafen konnte, aber sie wurde enttäuscht. Offensichtlich war der Auszug der früheren Bewohner langsam vor sich gegangen, denn sie hatten ihre gesamte Habe mit sich genommen. Zwar gab es unten in der Schlucht Blätter, Gras und leichte Zweige, aber Dunkle Blume hatte nicht den Mut, nur um der Bequemlichkeit willen, in den scheußlichen Abgrund zu steigen - nur die Notwendigkeit, sich Nahrung 2u beschaffen, würde sie dorthin treiben. So versuchte sie, als die Schatten länger wurden und die Nacht hereinbrach, sich mit dem, was sie hatte, ein Bett zu bauen. Sie sammelte den Staub der Zeiten, trug ihn auf einen kleinen Haufen und streute ihn als Unterlage zwischen ihren weichen Körper und dem harten Boden - es war besser als nichts. Außerdem war sie sehr müde. Sie hatte seit zwei Nächten nicht mehr geschlafen und in der Zeit, die zwischen den Nächten lag, hatte sie viele Gefahren und Anstrengungen hinter sich gebracht. Es nimmt daher nicht Wunder, dass sie, trotz des harten Bettes, beinahe sofort eingeschlafen war, nachdem sie sich zur Ruhe gelegt hatte. Dunkle Blume schlief.

Der Mond stieg herauf, warf sein silbernes Licht auf das weiße Antlitz der Felsen und erhellte die Finsternis des dunklen Waldes und des grausigen Abgrundes. Lange herrschte Schweigen. Da kam aus den oberen Bereichen der Schlucht ein tiefes Bellen. Etwas bewegte sich in den Bäumen am Fuße der Felsen. Noch einmal hob sich das tiefe, unheilvolle Bellen. Es wurde unterhalb der verlassenen Siedlung beantwortet. Etwas fiel aus dem Laub der Bäume dicht unter der Höhle, in welcher Dunkle Blume schlief - fiel auf die Erde in den tiefen Schatten. Jetzt bewegte es sich vorsichtig. Es erreichte den Fuß der Klippe und nahm im Licht des Mondes Form und Gestalt an. Es schlich sich heran wie ein Geschöpf aus einem Alptraum - langsam, schwerfällig. Mit einem solch grotesken Pinsel malte der Mond, dass es ein riesiger Affe - oder ein seltsamer Mensch sein konnte.

Langsam stieg es an der Felsenwand empor - schlich dahin wie eine große Raupe. Aber nun berührte er das Licht des Mondes erneut, und plötzlich hatte es Hände und Füße, mit denen es sich an die Steinhaken klammerte und sich mühselig der Höhle entgegenarbeitete, in der Dunkle Blume schlief. Aus der Tiefe des Abgrundes kam wieder der bellende Laut und er wurde irgendwo über den Höhlen beantwortet.

Tarzan öffnete seine Augen. Er wurde sich der Schmerzen in seinem Kopf bewusst, und das war zunächst alles. Kurze Zeit später richteten sich seine zurückkehrenden Wahrnehmungen auf groteske Schatten, die sich vor ihm hoben und senkten. Schließlich erkannte er, dass er sich in einer Höhle befand. Ein Dutzend Krieger der Waz-don saßen umher und unterhielten sich. Eine unförmige Steinpfanne enthielt brennendes Öl, dessen Flamme die Höhle erleuchtete, und so wie die Flamme sich hob und senkte, tanzten die verzerrten Schatten der Krieger auf der Wand hinter ihnen.

»Wir haben ihn dir lebend gebracht, Häuptling«, hörte er einen von ihnen sagen, »denn niemals zuvor wurde ein solcher Ho-don gesehen. Er hat keinen Schwanz - er wurde ohne Schwanz geboren, denn es ist keine Narbe dort, wo der Schwanz sitzen müsste. Die Daumen an seinen Händen und Füßen sind ganz anders als die bei uns und den anderen Stämmen. Er ist stärker als viele Männer zusammen, und er greift mit der Furchtlosigkeit eines Löwen an. Wir haben ihn dir lebend gebracht, damit du ihn sehen kannst, bevor er erschlagen wird.«

Der Häuptling stand auf und ging zu dem Affenmenschen, der seine Augen wieder schloss und Bewusstlosigkeit vortäuschte. Haarige Hände packten ihn und er wurde nicht allzu sanft umgewendet. Der Häuptling prüfte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und machte besonders über die Form und Größe seiner Daumen und Zehen Bemerkungen.

»Mit diesen Gliedern und ohne Schwanz kann er nicht klettern«, sagte er.

»Nein«, stimmte einer der Krieger zu. »Er würde sicher von den Haken der Felsen fallen.«

»Ich habe noch niemals solch ein Wesen gesehen«, sagte der Häuptling. »Es ist weder ein Waz-don noch ein Ho-don. Ich möchte gern wissen, woher es kam und wie es genannt wird.«

Die Waz-don riefen laut »Tarzan, der Schreckliche!«

»Und wir dachten, dass sie diesen hier damit meinten«, sagte ein Krieger. »Sollen wir ihn töten?«

»Nein«, antwortete der Häuptling. »Wir werden warten, bis das Leben wieder in seinen Kopf zurückgekehrt ist, damit ich ihn befragen kann. Bleibe du hier, In-tan und bewache ihn. Wenn er wieder hören und sehen kann, rufe mich.«

Er wandte sich um und ging aus der Höhle, alle anderen, ausgenommen In-tan, folgten ihm. Als sie an ihm vorbei und aus dem Raum gingen, erhaschte Tarzan Bruchstücke ihrer Unterhaltung, denen er entnehmen konnte, dass Om-at und seine herbeigeholten Krieger die Kor-ul-lul-Männer überfallen und verjagt hatten. Die raschen Füße Id-ans hatten also den Kampf für die Krieger Om-ats entschieden. Der Affenmensch lächelte. Dann öffnete er ein Auge und beobachtete In-tan. Der Krieger stand am Eingang der Höhle und sah nach draußen - den Rücken dem Gefangenen zugekehrt. Tarzan prüfte die Fesseln, die seine Handgelenke umschlossen. Sie schienen nicht allzu fest zu sein, und sie hatten ihm die Hände nicht hinter dem Rücken gefesselt! Das war in der Tat ein Beweis dafür, dass die Waz-don wenige - falls überhaupt - Gefangene machten. Vorsichtig hob er seine Hände, bis er die Riemen prüfen konnte, die ihn fesselten. Ein grimmiges Lächeln flog über seine Züge. Sofort machte er sich mit seinen starken Zähnen ans Werk, immer ein lauerndes Auge auf In-tan, den Krieger des Kor-ul-lul gerichtet. Endlich war der letzte Knoten gelöst. Als sich der Krieger umwandte und einen forschenden Blick auf seinen Schützling warf, waren Tarzans Hände frei. In-tan sah, dass sich die Haltung des Gefangenen geändert hatte - er lag nicht mehr auf dem Rücken wie sie ihn verlassen hatten, sondern auf einer Seite und die Hände waren zum Gesicht gezogen. In-tan kam näher und beugte sich vor. Die Fessel schien sehr locker auf den Gelenken des Gefangenen zu liegen. Er streckte eine Hand vor, um sie mit den Fingern zu prüfen. Sofort sprangen beide Hände aus ihren Fesseln - eine ergriff das Handgelenk, die andere die Kehle des Mannes. So unerwartet und katzengleich kam der Angriff, dass In-tan nicht einmal Zeit blieb, zu schreien, bevor ihn die stählernen Finger endgültig zum Schweigen brachten. Tarzan riss ihn plötzlich nach vorn. In-tan verlor das Gleichgewicht, rollte über den Gefangenen und auf den Boden, wo Tarzan ihm sofort auf der Brust kniete. In-tan versuchte sich zu befreien - kämpfte, um sein Messer zu ziehen, aber Tarzan ergriff das Messer vor ihm. Der Schwanz des Waz-don packte die Kehle des Affenmenschen und umschlang sie - er konnte auch würgen. Aber mit dem Messer des Waz-don-Kriegers schlug Tarzan durch einen furchtbaren Hieb den Schwanz vom Körper ab.

Die Kraft des Waz-don-Mannes ließ nach - ein Schleier legte sich über seinen Blick. Er wusste, dass er starb. Einen kurzen Augenblick später war er tot. Tarzan erhob sich und setzte einen Fuß auf die Brust des toten Feindes. Wie es ihn drängte, den Siegesschrei seiner Art auszustoßen! Aber er wagte es nicht. Er entdeckte, dass man das Seil nicht von seinen Schultern entfernt hatte und auch sein Messer wieder in die Scheide gesteckt hatte. Er hatte es in seiner Hand gehalten, als er zu Boden stürzte. Seltsame Wesen! Er wusste nicht, dass sie eine abergläubische Furcht vor den Waffen eines toten Feindes hegten. Wenn der Tote ohne seine Waffen bestattet wurde, so glaubten sie, musste er seinen Mördern ewig nachstellen, bis er sie gefunden hatte. Wenn er sie fand, musste auch der Mann, durch den er das Leben verloren hatte, sterben. An der Wand lehnte ein Bogen und der Köcher mit den Pfeilen.

Tarzan trat vorsichtig aus der Öffnung der Höhle und sah hinaus. Von den näher gelegenen Höhlen kamen Stimmen und der Geruch gebratener Speisen drang an seine Nase. Er sah nach unten und war erleichtert. Die Höhle, in welcher er gefangen gehalten worden war, befand sich in der untersten Reihe - kaum dreißig Fuß vom Boden entfernt. Sofort schickte er sich an, unverzüglich hinabzuklettern.

Noch hatte er keinen genauen Plan. Er wusste, dass sich die Herzen der Kor-ul-lul mit irrer Wut füllen mussten, wenn sie entdeckten, was er getan hatte. Er wusste aber auch, dass sich diese Wut mit Furcht mischen würde, mit Furcht vor ihm. Diese Furcht vor Tarzan hatte ihn zum Herrn vieler Dschungel gemacht - aber diese Furcht konnte man nur mit grausamen Mitteln wecken. Unterhalb des Dorfes kehrte Tarzan wieder an den Fuß der Felsen zurück, wo er nach einer Stelle suchte, an der er zum Grat aufsteigen und so ins Dorf der Waz-don zurückkehren konnte. Endlich kam er zu einer Stelle, wo der Fluss so dicht an die Felswand herantrat, dass er gezwungen war, auf der Suche nach einem anderen Weg ans andere Ufer zu schwimmen. Hier fanden seine empfindlichen Geruchsnerven sofort eine bekannte Spur. Es war der Geruch der Dunklen Blume, er stand an der Stelle, wo sie aus dem Teich geklettert und den Schutz der Dschungel aufgesucht hatte.

Sofort änderten sich die Pläne des Affenmenschen.

Dunkle Blume lebte, oder hatte doch zumindest den Sprung von dem Felsen überlebt. Für Om-at, seinen Freund, hatte er die Suche nach ihr aufgenommen, und für Om-at würde er weiter auf ihrer Spur bleiben, die er nun durch einen, glücklichen Zufall wiedergefunden hatte. Sie führte ihn zum Dschungel, durch die Schlucht und dann zu der Stelle, wo Dunkle Blume den Aufstieg zum gegenüberliegenden Felsen begonnen hatte. Er wusste, dass er ihn beim Aufstieg an der steilen Felswand hindern würde. Affenartig kletterte er nach oben, mühelos folgte er der Spur. Die Fährte führte ihn über die Anhöhe und den Grat. Den ausgezeichneten Sinnen des im Urwald geschulten Spürers war sie wie ein offenes Buch.

Tarzan wusste nichts von Kor-ul-gryf. Sehr undeutlich hatte er im Schatten der Nacht seltsame, ungeheure Gestalten gesehen, und Ta-den wie Om-at hatten von großen Kreaturen gesprochen, die von allen Menschen gefürchtet wurden.

Wieder einmal endete die Spur der Dunklen Blume am Rande eines Felsens. Aber diesmal waren keine Anzeichen für einen Sprung in die Tiefe vorhanden.

Nach kurzer Suche fand der Affenmensch die Steinhaken, an denen sie herabgestiegen war.

Als er auf dem Bauche liegend über den Rand der Felsen spähte und die Haken prüfte, wurde seine Aufmerksamkeit auf etwas am Fuße der Klippe gelenkt. Er konnte nicht erkennen, was es war, aber er sah, dass es sich bewegte und langsam nach oben stieg, offensichtlich an ebensolchen Haken, wie sie dicht unter ihm waren. Er beobachtete genau, wie es höher und höher kam, bis er die Gestalt deutlicher unterscheiden konnte. Das Ergebnis seiner Prüfung überzeugte ihn, dass es sich mehr um einen großen Affen als um ein Geschöpf niedrigerer Rangordnung handelte. Aber es hatte einen Schwanz und schien auch in anderer Hinsicht kein echter Affe zu sein. Langsam stieg es zu der oberen Reihe der Höhlen und verschwand in einer davon. Sofort nahm Tarzan die Spur der Dunklen Blume wieder auf. Er folgte ihr auf den Steinhaken hinunter zur nächsten Höhle und dann weiter der oberen Reihe entlang. Der Affenmensch hob seine Brauen, als er die Richtung erkannte, in der die Spur verlief. Er beschleunigte seine Schritte. Er hatte schon beinahe die dritte Höhle erreicht, als das Echo der Berge durch einen schrillen Schrei des Entsetzens geweckt wurde.

TARZAN IN GEFAHR

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