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Es gab einen Mann, der diese Aussage von Hilda Masters lesen mußte, überlegte Andy. Seit einiger Zeit schon hatte er den Verdacht, daß Mr. Salter mehr über seinen Freund Severn wußte, als er vorgab.

Er sandte ein Telegramm nach Beverley Hall und bat um eine Unterredung. Als er nach Beverley Green zurückkam, erwartete ihn dort eine Nachricht, daß er sofort kommen möge.

»Ich werde dich begleiten«, sagte Stella. »Ich kann ja solange in deinem Wagen warten.«

Der vorsichtige Tilling schien ängstlicher denn je zu sein.

»Sie müssen sehr behutsam sein, Herr Doktor. Er hat schlecht geschlafen, und der Arzt sagte zu Mr. Francis – das ist unser junger Herr –, daß jeden Augenblick mit einem Zusammenbruch zu rechnen sei.«

»Ich danke Ihnen, ich werde es berücksichtigen.«

Als Andy in das Zimmer trat, fand er, daß Tilling nicht übertrieben hatte. Salters Gesicht sah grau aus, trotzdem begrüßte er den Detektiv mit einem Lächeln.

»Sie wollen mir sicher mitteilen, daß Sie meinen Einbrecher gefunden haben«, meinte er. »Sie können sich die Mühe sparen – es war Ihr Juwelendieb!«

Andy war darauf nicht vorbereitet.

»Ich fürchte, es ist so, aber ich glaube, daß er nicht in böser Absicht herkam. In Wirklichkeit war er hinter einem Verbrecher her, der damals in Mr. Wilmots Haus einbrach.«

»Hat er ihn gefunden? Es soll doch ein geheimnisvoller Parkwächter sein?«

»Wie haben Sie denn das herausgebracht?«

Salter lachte, aber dann hatte er plötzlich Schmerzen. Andy sah es, und es tat ihm leid. Mr. Salter hatte Herzbeschwerden.

»Ich möchte Ihnen nichts vormachen«, erwiderte Boyd Salter, der sich über die Wirkung freute, die seine Worte hervorgerufen hatten. »Scottie – das ist doch der Name dieses Menschen – verschwand am nächsten Tag, ebenso Miss Nelson. Sie verkehrte in einem Haus in der Castle Street und pflegte dort jemand. Und wer anders sollte das gewesen sein als Ihr wenig ehrenhafter Freund?«

Plötzlich erkannte Andy die Zusammenhänge.

»Das haben Sie natürlich von Downer!«

Salter nickte lächelnd.

»Aber wie kamen Sie denn auf den Parkwächter?«

»Das weiß ich auch von Downer und von einem gewissen Big Martin, der auch ein Verbrecher ist.«

Andy war zu großzügig, um Downer die Bewunderung vorzuenthalten, die ihm gebührte.

»Ich werde Downer die Bearbeitung des Falles übergeben«, sagte Andy. »Er ist der beste Spürhund.«

»Er kam«, begann Salter, »und ich mußte alle meine Parkwächter rufen. Er fragte sie aus, und einer gab zu, daß er in der Küche war – wir lassen nämlich Kakao für sie kochen, wenn sie Nachtdienst haben – und das Haus etwa um die Zeit verließ, als Scottie ihn sah. Soviel weiß ich. Aber welche Neuigkeiten bringen Sie?«

»Ich habe Hilda Masters gefunden.«

Mr. Salter schaute auf. »Hilda Masters? Wer ist denn das?«

»Sie besinnen sich sicher, daß in einem Geheimfach in Merrivans Schlafzimmer ein Trauschein gefunden wurde?«

»Ja, er wurde auch in einer Zeitung erwähnt. Es war die Heiratsurkunde eines ehemaligen Dienstboten, die später von einer geisterhaften Erscheinung gestohlen wurde, von Ihnen Selim genannt. War das der Name der Frau, auf die sich die Urkunde bezog? Und Sie haben sie gefunden, wie Sie sagen?«

Andy nahm eine Kopie des Protokolls aus der Tasche und legte sie vor den Friedensrichter.

Mr. Salter schaute lange darauf, bevor er seine Hornbrille aufsetzte und zu lesen begann.

Er las sehr langsam, und es kam Andy vor, als ob er jedes Wort abschätzte. Einmal blätterte er zurück und las eine Seite noch einmal. Fünf – zehn – fünfzehn Minuten verstrichen in tiefstem Schweigen. Andy wurde ungeduldig, er dachte an Stella, die draußen im Wagen wartete.

»Ach!« Mr. Salter legte das Manuskript wieder hin. »Der Geist, der in diesem Tal umging, ist gebannt, Doktor Macleod.«

Andy verstand ihn nicht sofort. Mr. Salter sah seine Verwirrung und kam ihm zu Hilfe.

»Ich meine Selim. Hier ist er, enthüllt in seiner ganzen Gemeinheit. Er verkaufte Seelen, brach Herzen, spielte mit dem Leben.« Er tippte auf das Manuskript.

Andy entdeckte einen ungewöhnlichen Glanz in seinen Augen. Salters Gesicht sah nicht mehr eingefallen aus, und die tiefen Falten waren verschwunden. Er mußte eine geheime Klingel gedrückt haben, denn Tilling kam herein.

»Bringen Sie mir eine Flasche Portwein.« Als der Diener sich entfernt hatte, fuhr er fort: »Sie können sich beglückwünschen – Sie haben einen größeren Sieg davongetragen, als wenn Sie Ihre Hand auf die Schulter Albert Selims gelegt hätten. Wir müssen Ihren Erfolg feiern, Doktor.«

»Es tut mir leid, daß ich nicht länger bleiben kann – Miss Nelson wartet draußen in meinem Wagen.«

Salter sprang auf, wurde blaß und setzte sich wieder.

»Das bedauere ich aber wirklich sehr«, sagte er atemlos. »Es ist unverantwortlich von Ihnen, mir nichts davon mitgeteilt zu haben. Bitte bringen Sie sie doch herein.«

Andy sagte zu Stella: »Die Nachricht, daß du im Wagen wartest, hat ihn sehr mitgenommen. Er sieht sehr elend aus.«

Mr. Salter hatte sich inzwischen wieder etwas erholt. Er beobachtete Tilling, wie er den kostbaren Wein in die Gläser goß.

»Verzeihen Sie, wenn ich nicht aufstehe«, sagte Mr. Salter lächelnd, als Stella mit Andy eintrat. »Sie also haben den Mann gepflegt, der bei mir einbrach?«

»Hat Andy Ihnen das erzählt?« fragte sie bestürzt.

»Nein, Andy hat mir nichts davon gesagt. Aber Sie werden jetzt ein Glas Portwein mit mir trinken, Miss Nelson. Nein? Das war schon alter Wein, als Ihr Vater noch ein kleines Kind war.«

Er hob sein Glas und trank ihr zu.

»Was wird nun aus Miss Masters oder Mrs. Bonsor werden?«

»Sie wird wohl kaum in London bleiben. Sie hat ein schweres Verbrechen eingestanden – obwohl es schon so lange zurückliegt, daß es verjährt ist. Aus gewissen Anzeichen könnte man fast schließen, daß diese vielfach verheiratete Dame sich, zum viertenmal in das Eheleben stürzen wird.«

Salter nickte.

»Die arme Frau«, meinte er. »Die arme, getäuschte Frau!«

Andy hatte nicht erwartet, bei Mr. Salter Sympathie für Mrs. Crafton-Bonsor zu finden.

»Sie ist nicht besonders arm«, erwiderte er. »Scottie, der doch ein Kenner ist, schätzt den Wert ihrer Juwelen auf mindestens hunderttausend Pfund. Außerdem hat sie große Besitzungen in den Vereinigten Staaten. Ich bin aber eigentlich gekommen, um mit Ihnen über John Severn zu sprechen. Haben Sie eine Ahnung, wo er sein könnte? Ich bin fest überzeugt, daß Albert Selim diese Eheschließung zu seinem eigenen Vorteil ausnützte!«

»Das tat er. Selim teilte Severn mit, daß seine Frau gestorben sei. Severn heiratete wieder und hatte, soviel ich weiß, Kinder. Selim hatte die Beweise für seine frühere Bigamie in der Hand, wodurch er große Summen von ihm erpreßte. Der Kontrakt, den Sie fanden, war Schwindel. Selim hat meinem Freund keinen Pfennig gezahlt, er hat nur eine alte Schuld getilgt. Das ist ja auch in der Aussage von Mrs. Crafton-Bonsor angedeutet. Im Lauf der Jahre fand seine Habgier immer neue Methoden, Severn zu quälen. Sie sehen, Doktor, daß ich offen bin. Ich wußte mehr über Severn, als ich Ihnen damals mitteilte.«

»Daran habe ich nie gezweifelt«, sagte Andy lächelnd.

»Und Sie, Miss Nelson, sind nun auch eine große Sorge losgeworden. Aber auch Sie haben etwas dafür gefunden.«

Er schaute Andy an und dann Stella. »Es wird sich alles erfüllen, wie ich hoffe.«

Bald darauf verabschiedeten sie sich.

Andy schlief den ganzen Nachmittag, und sobald es dunkel wurde, begab er sich auf seinen Wachtposten in das lange, leere Arbeitszimmer Mr. Merrivans. Die Nacht ging ohne Zwischenfall vorüber. Kurz nach Tagesanbruch sah er Stella über den Rasen kommen. Sie trug etwas in der Hand. Sie kam direkt auf das Haus zu und klopfte zu seinem größten Erstaunen an.

»Ich habe dir etwas Kaffee und ein paar Brötchen gebracht, Andy. Du Armer, du mußt doch entsetzlich müde sein.«

»Woher wußtest du denn, daß ich hier bin?«

»Das vermutete ich. Als du gestern abend nicht kamst, wußte ich, daß du Geisterdienst hattest.«

»Du kluges Mädchen! Ich hatte es dir absichtlich nicht gesagt.«

»Hast du nicht wieder den schlimmsten Verdacht gehabt, als du mich so früh am Morgen hierherkommen sahst?« Sie zog ihn am Ohrläppchen. »Du hast doch nichts gesehen und gehört?«

»Nichts.«

Sie schaute den düsteren Gang entlang und schüttelte den Kopf. »Ich möchte kein Detektiv sein. Andy, fürchtest du dich nicht manchmal?«

»O doch, oft. Wenn ich zum Beispiel daran denke, wie ich es fertigbringen soll, dir ein Heim einzurichten, das gut genug für dich ist –«

»Wir wollen ein wenig darüber plaudern«, sagte sie, und sie saßen zusammen, bis die Sonne durch die Fenster schien. Sie sprachen von Häusern und Wohnungen und von den hohen Kosten, die man für eine Einrichtung zahlen muß.

Es war Andy nichts von der schlaflosen Nacht anzusehen, als er um elf Uhr im Metropolitan-Hotel stand. Er hatte noch mehrere Punkte aufzuklären.

»Mrs. Crafton-Bonsor ist abgereist«, sagte der Empfangschef.

»Abgereist?« fragte Andy erstaunt. »Wann?«

»Gestern nachmittag, Sir. Sie und Professor Bellingham reisten zusammen ab.«

»Hat sie auch das Gepäck schon mitgenommen?«

»Es ist alles fort.«

»Wissen Sie, wohin sie gereist ist?«

»Ich habe nicht die geringste Ahnung – sie sagte, sie wolle für einige Tage an die See gehen.«

Das war eine Überraschung für Andy.

Er fuhr zur Castle Street, um vielleicht Scottie dort zu finden, aber er traf nur den etwas verwirrten Mr. Martin an.

»Nein, Doktor Macleod, Scottie war nicht hier. Er ist seit drei Tagen nicht mehr hiergewesen.«

»Hat er Ihnen denn keine Anweisungen hinterlassen, wie Sie diese Diebsherberge bewirtschaften sollen?«

»Nein, Sir.« Big Martin sagte das aber in einem Ton, daß Andy sofort wußte, er log. Es hatte keinen Zweck, ihn weiter auszufragen. Andy fuhr nach Beverley Green zurück und legte sich schlafen.

Um neun Uhr abends ging er wieder in Merrivans Haus. Johnston hatte einen bequemen Lehnsessel in das Arbeitszimmer gebracht. Er war so weich, daß Andy mehrmals einschlief.

Das hat keinen Zweck, sagte er sich schließlich und ging zu dem vorderen Fenster, öffnete es und ließ die frische Nachtluft hereinströmen.

Die Kirchturmuhr in Beverley schlug eins, und es war nichts von dem nächtlichen Besucher zu sehen.

Er hatte den Riegel von dem hinteren Fenster zurückgezogen. Er war sicher, daß der Fremde auf diesem Weg ins Haus gekommen war, als Johnston ihn gesehen hatte.

Andy wartete. Jetzt schlug es zwei Uhr. Er saß wieder im Lehnsessel, und sein Kinn war auf die Brust gesunken. Er träumte von Stella und Mrs. Crafton-Bonsor.

Aber dann hörte er plötzlich ein Geräusch und war sofort ganz wach. Er schaute nach dem hinteren Fenster und sah, wie sich draußen eine dunkle Gestalt abhob. Die elektrische Leitung war auf seine Bitte hin wieder in Ordnung gebracht worden, und er schlich sich leise zum Schalter. Der Mann öffnete langsam das Fenster und gleich darauf hörte Andy Schritte im Zimmer. Aber er drehte das Licht noch nicht an, er wartete noch. Plötzlich ertönte eine merkwürdige Stimme.

»Komm heraus, Albert Selim, du verfluchter Hund!«

Die Stimme klang unheimlich hohl in dem leeren Raum.

»Komm heraus!«

Andy drehte das Licht an.

Ein Mann in einem gelben Schlafrock stand, den Rücken dem offenen Fenster zugekehrt, im Zimmer. In seiner ausgestreckten Hand hielt er eine lange Pistole, die er gegen einen unsichtbaren Feind gerichtet hatte.

Es war Salter! Boyd Salter!

Andy stockte der Atem. Dann war also Boyd Salter der kühle, gewandte Mann, der ihn so lange und so geschickt getäuscht und der seine Rolle so sicher gespielt hatte!

Seine Augen waren weit geöffnet und blickten starr ins Leere.

Er war nicht bei sich. Andrew hatte es gleich bemerkt, als er seine undeutliche, mißtönende Stimme gehört hatte.

»Das ist für dich, du verdammter Schuft!«

Salter zischte diese Worte durch die Zähne, und Andy hörte, wie die Pistole knackte. Dann sah er, wie Salter sich niederbeugte – zu der Stelle, wo sie Merrivan gefunden hatten. Dann kniete er langsam nieder und seine Hände befühlten einen Körper, den er zu sehen meinte. Er sprach dauernd mit sich selbst.

Salter durchlebte das Verbrechen noch einmal. Nacht für Nacht war er hergekommen. Es war unheimlich zu sehen, wie er das Pult absuchte, das nicht dastand, wie er den Schrank aufschloß, der längst entfernt war. Andrew beobachtete ihn genau. Jetzt steckte der Mann ein Streichholz an und glaubte die Papiere zu entzünden, die er seiner Meinung nach in den Kamin gelegt hatte. Dann blieb er an der Stelle stehen, wo man den Brief gefunden hatte.

»Du wirst keine Briefe mehr schreiben, Merrivan, du verdammter Kerl! Du wirst keine Briefe mehr unter meine Tür stecken – der war wieder für mich bestimmt – wie?« Er wandte sich wieder dorthin, wo die Leiche gelegen hatte. »Für mich?«' Seine Blicke schweiften umher, und er schien etwas aufzuheben. »Ich muß den Schal des Mädchens mitnehmen«, sagte er dann leise. »Arme Stella! Dieser Teufel wird sie nicht mehr quälen. Ich will ihn mitnehmen.« Er steckte seine Hand in die Tasche, als ob er etwas hineinstecken wollte. »Wenn sie ihn finden, denken sie, daß sie hier war, als ich ihn niederschoß.«

Andrew folgte atemlos allen Bewegungen und Worten.

Nun war ihm plötzlich alles klar. Albert Selim und Merrivan waren ein und dieselbe Person, und der Drohbrief, der allem Anschein nach an Merrivan gerichtet war, stammte von diesem selbst. So war es! Merrivan wollte in der Nacht den Brief nach Beverley Hall bringen. Er hatte ihn geschrieben und zusammengefaltet, aber er hatte keine Zeit mehr gehabt, einen Umschlag zu adressieren, bevor ihn sein Schicksal ereilte.

Salter ging langsam durch den Raum und war ein paar Sekunden später durch das Fenster verschwunden. Er schloß es hinter sich. Gleich darauf war auch Andy im Garten und folgte dem Schlafwandler, der durch den Obstgarten ging. Plötzlich hörte er ihn wieder sprechen.

»Geh aus dem Weg, du verdammter Hund!«

Und wieder knackte der Pistolenhahn.

So war also Sweeny ums Leben gekommen! Sweeny war dort gewesen. Er hatte wahrscheinlich auch die Identität Selims mit Merrivan entdeckt und das Haus in jener Nacht beobachtet. Es war jetzt alles so einfach. Merrivan hatte Salter erpreßt. Aber wer mochte Severn sein – Severn, der Mann von Hilda Masters?

Er folgte Salter durch den Obstgarten, durch ein Tor in der Hecke. Salter war nun auf seinem eigenen Grund und Boden und bewegte sich weiter in jener merkwürdig behutsamen Art, die Schlafwandlern eigen ist. Andrew ließ ihn nicht aus dem Auge. Salter hielt sich auf einem Pfad nach Spring Covert, bog plötzlich unvermittelt nach links ab und überquerte die Wiese vor Beverley Hall.

Kaum war er hier ein Dutzend Schritte gegangen, als plötzlich ein heller Lichtschein aus dem Gras aufblitzte und eine Explosion folgte. Salter taumelte vornüber und fiel zu Boden.

Andy war sofort an seiner Seite. Salter lag bewegungslos.

Andy machte seine Taschenlampe an und rief um Hilfe. Gleich darauf antwortete ihm aus einiger Entfernung der Parkwächter Madding, den er schon von früher her kannte.

»Was ist geschehen, Sir? Sie müssen sich in einem Draht verfangen und einen Alarmschuß ausgelöst haben. Wir haben verschiedene ausgelegt, um die Wilddiebe zu fangen ... Mein Gott«, rief er plötzlich erschrocken, »das ist ja Mr. Salter!«

Sie legten ihn auf den Rücken. Andy öffnete seine Pyjamajacke und legte das Ohr auf seine Brust.

»Ich fürchte, er ist tot.«

»Tot?« fragte der Parkwächter erschrocken. »Es war aber doch keine scharfe Patrone in dem Selbstschuß!«

»Er ist durch die Explosion erwacht, und der Schreck hat ihn sicher getötet. Und es ist wohl gut, daß er auf diese Weise starb.«

*

Andy ließ sich müde auf einen Sessel in Nelsons Wohnzimmer nieder.

Stella setzte sich neben ihn und legte ihre Hand auf seine Schulter. Andy nahm einen Zeitungsausschnitt aus seiner Tasche.

»Das fand ich in Salters Geldschrank. Sein Sohn hatte es ruhig aufgenommen. Man erwartete ja ein solches Ende. Er wußte, daß sein Vater Schlafwandler war, er hatte den Schmutz an seinem Pyjama entdeckt und hielt infolgedessen die Tür bewacht. Aber das alte Haus hat ein halbes Dutzend geheimer Wendeltreppen, und er ist jedesmal entkommen. Was hältst du davon?«

Sie las den Zeitungsausschnitt. Er war aus der ›Times‹.

*

›In Übereinstimmung mit den Anordnungen des Testaments des verstorbenen Mr. Philipp Boyd Salter wird sein Neffe, Mr. John Severn, der einzige Erbe seines Onkel, den Namen und Titel John Boyd Salter führen. Eine diesbezügliche gerichtliche Erklärung erscheint in den amtlichen Bekanntmachungen dieser Nummer auf Seite 8.<

»Hier haben wir also die Aufklärung. Severn und Boyd Salter waren ein und dieselbe Person. Wenn ich so vernünftig gewesen wäre, das Testament des Onkels nachzusehen, hätte ich das schon vor einem Monat wissen können. Er ist als ein glücklicher Mann gestorben. Seit Jahren hatte er unter dem Druck seiner Schuld und der Erpressungen Selims gelebt. Durch Merrivans Verrat hätte sein Sohn den Titel und das Vermögen verloren, die nur an einen rechtmäßigen Erben übergehen können. Aus der Aussage von Hilda Masters – sie hat übrigens vor ihrer Abreise Scottie tatsächlich geheiratet – ging ja die Rechtmäßigkeit seiner Ehe mit der Mutter seines Sohnes deutlich hervor. Merrivan war der größte Schrecken für seine Mitmenschen. Um die Zukunft seines Sohnes sicherzustellen, tötete ihn Salter. Aus demselben Grund drang er, als Parkwächter verkleidet, in Wilmots Haus ein, stahl den Trauschein und verbrannte ihn.«

»Woher wußte er, daß das Dokument dort zu finden war?«

»Downer verriet doch die Sache in dem Artikel, den er über uns schrieb.«

»Und was wird nun. aus Selims großem Vermögen? Fällt es an Artur Wilmot?«

»Nein, an Mrs. Bellingham. Es ist beinahe tragisch.«

Sie lachte und legte ihren Arm um seinen Nacken.

»Scottie ist doch eigentlich sehr geschickt«, meinte sie.

»Ja, aber wie kommst du gerade jetzt darauf?«

»Denk doch daran, wie schnell er sich – die Heiratspapiere beschafft hat –«

Eine Woche später erfuhr Mr. Downer eine Neuigkeit. Er war weder betrübt noch erfreut darüber, denn er war in erster Linie Geschäftsmann, und Hochzeiten und Morde hatten für ihn denselben Wert. Er rief sofort das ›Megaphone‹ an und sprach mit dem Chefredakteur.

»Haben Sie schon gehört, daß Macleod Miss Nelson geheiratet hat? Ich könnte Ihnen darüber eine Spalte schreiben und die ganze interessante Vorgeschichte dieser Ehe berichten – ja, ein Bild von ihr kann ich auch beschaffen. Wie? Zwei Spalten? Geht in Ordnung!«

Edgar Wallace - Gesammelte Werke

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