Читать книгу Phänomenologie der Lebenswelt. Ausgewählte Texte II - Edmund Husserl - Страница 7
[16] 4. Die Beziehung von esse und percipi bei immanenter und transzendenter Wahrnehmung
ОглавлениеAll dergleichen gibt es nur für transzendente Gegenstände. Ein immanenter Gegenstand, wie ein Schwarz-Erlebnis, bietet sich als dauernder Gegenstand dar, und in gewisser Weise auch durch »Erscheinungen«, aber nur so wie jeder [23]Zeitgegenstand überhaupt. Die zeitlich sich extendierende Dauer erfordert die beständige Abwandlung der Gegebenheitsweise nach Erscheinungsweisen der zeitlichen Orientierung. Nun, ein zeitlicher Gegenstand ist auch der Raumgegenstand, also dasselbe gilt auch von ihm. Aber er hat noch eine zweite, besondere Weise zu erscheinen. Achten wir aber auf die Zeitfülle und im Besonderen auf die urimpressionalen Phasen, so tritt uns der radikale Unterschied der Erscheinung von transzendenten und von immanenten Gegenständen entgegen. Der immanente Gegenstand hat in jedem Jetzt nur eine mögliche Weise, im Original gegeben zu sein, und darum hat auch jeder Vergangenheitsmodus nur eine einzige Serie zeitmodaler Abwandlungen, eben die der Vergegenwärtigung mit dem sich darin wandelnd konstituierenden Vergangen. Der Raumgegenstand aber hat unendlich viele Weisen, da er nach seinen verschiedenen Seiten im Jetzt, also in originaler Weise erscheinen kann. Erscheint er faktisch von der Seite, so hätte er von andern doch erscheinen können, und demgemäß hat jede seiner Vergangenheitsphasen unendlich viele Weisen, wie sich seine vergangenen erfüllten Zeitpunkte darstellen könnten. Wir können danach auch sagen: Für den transzendenten Gegenstand hat der Begriff Erscheinung einen neuen und eigenen Sinn.
Betrachten wir ausschließlich die Jetztphase, so gilt, dass für sie bei dem immanenten Gegenstand Erscheinung und Erscheinendes sich nicht sondern lässt. Was im Original neu auftritt, ist die jeweilige neue Schwarzphase selbst, und ohne Darstellung. Und das Erscheinen sagt hier nichts anderes als ein ohne jede hinausmeinende Darstellung Zu-sein und im Original Bewusst-zu-sein. Andererseits: [24]Hinsichtlich des transzendenten Gegenstandes ist es aber klar, dass das im neuen Jetzt als Ding leibhaft Bewusste bewusst ist nur durch eine Erscheinung hindurch, das ist, es scheidet sich Darstellung und Dargestelltes, Abschattung und [17] Abgeschattetes. Vertauschen wir die bisher bevorzugte noematische Einstellung mit der noetischen, in der wir auf das Erlebnis und seine reellen Gehalte den reflektiven Blick wenden, so können wir auch so sagen: Ein transzendenter Gegenstand, wie ein Ding, kann sich nur dadurch konstituieren, dass als Unterlage ein immanenter Gehalt konstituiert wird, der nun seinerseits sozusagen substituiert ist für die eigentümliche Funktion der »Abschattung«, einer darstellenden Erscheinung, eines sich durch ihn hindurch Darstellens. Die in jedem Jetzt neu auftretende Dingerscheinung, sagen wir, die optische Erscheinung, ist, wenn wir nicht auf den erscheinenden Dinggegenstand achten, sondern auf das optische Erlebnis selbst, ein Komplex so und so sich ausbreitender Farbenflächenmomente, die immanente Daten sind, also in sich selbst so original bewusst wie etwa Rot oder Schwarz. Die mannigfaltig wechselnden Rotdaten, in denen sich z. B. irgendeine Seitenfläche eines roten Würfels und ihr unverändertes Rot darstellt, sind immanente Daten. Andererseits hat es aber mit diesem bloß immanenten Dasein nicht sein Bewenden. In ihnen stellt sich in der eigenen Weise der Abschattung etwas dar, was sie nicht selbst sind, im Wechsel der im Sehfeld immanent empfundenen Farben stellt sich ein Selbiges dar, eine identische räumlich extendierte Körperfarbe. All die noematischen Momente, die wir in der noematischen Einstellung auf den Gegenstand und als an ihm aufweisen, konstituieren sich mittels der immanenten Empfindungsdaten und [25]vermöge des sie gleichsam beseelenden Bewusstseins. Wir sprechen in dieser Hinsicht von der Auffassung als von der transzendenten Apperzeption, die eben die Bewusstseinsleistung bezeichnet, die den bloß immanenten Gehalten sinnlicher Daten, der sogenannten Empfindungsdaten oder hyletischen Daten, die Funktion verleiht, objektives »Transzendentes« darzustellen. Es ist gefährlich, hierbei von Repräsentanten und Repräsentiertem, von einem Deuten der Empfindungsdaten, von einer durch dieses »Deuten« hinausdeutenden Funktion zu sprechen. Sich abschatten, sich in Empfindungsdaten darstellen ist total anderes als signitives Deuten.
»Immanente« Gegenständlichkeiten sind ihrerseits also nicht bewusst durch Apperzeption; »im Original bewusst sein« und »sein«, »percipi« und »esse« fällt bei ihnen zusammen. Und zwar für jedes Jetzt. Hingegen in weitem Umfang sind sie Träger von [18] apperzeptiven Funktionen, und dann stellt sich durch sie und in ihnen ein Nicht-Immanentes dar. Jetzt trennt sich das esse (für transzendente Gegenstände) prinzipiell vom percipi. In jedem Jetzt der äußeren Wahrnehmung haben wir zwar ein Originalbewusstsein, aber das eigentliche Perzipieren in diesem Jetzt, also das, was daran Urimpression ist (und nicht bloß retentionales Bewusstsein der vergangenen Phasen des Wahrnehmungsgegenstandes), ist Bewussthaben von einem sich originaliter Abschattenden.3 Es ist nicht ein schlichtes Haben des Gegenstands, in dem Bewussthaben und Sein sich deckt, sondern ein mittelbares Bewusstsein, sofern unmittelbar nur eine Apperzeption gehabt ist, ein Bestand von Empfindungsdaten, bezogen auf kinästhetische Daten, und eine apperzeptive Auffassung, durch die eine darstellende [26]Erscheinung sich konstituiert; und durch sie hindurch ist also der transzendente Gegenstand bewusst als originaliter sich abschattender oder darstellender. Im Prozess des kontinuierlichen Wahrnehmens haben wir in jedem Jetzt immer wieder diese Sachlage, prinzipiell bleibt es dabei, dass in keinem Moment der äußere Gegenstand in seiner originalen Selbstheit schlicht gehabt ist. Prinzipiell erscheint er nur durch apperzeptive Darstellung und in immer neuen Darstellungen, die im Fortgang aus seinen Leerhorizonten immer Neues zur originalen Darstellung bringen. Indessen, wichtiger ist für unsere Zwecke zu beachten: Es ist undenkbar, dass so etwas wie ein Raumgegenstand, der eben nur durch äußere Wahrnehmung als abschattende Wahrnehmung seinen ursprünglichen Sinn erhält, durch immanente Wahrnehmung gegeben wäre, gleichgültig ob einem menschlichen oder übermenschlichen Intellekt. Das aber beschließt in sich, dass es undenkbar ist, dass ein Raumgegenstand, dass all dergleichen wie Gegenstand der Welt im natürlichen Sinn sich von Zeitpunkt zu Zeitpunkt abgeschlossen darstellen könnten, mit ihrem gesamten Merkmalgehalt (als voll bestimmtem), der in diesem Jetzt ihren zeitlichen Inhalt ausmacht. Man spricht in dieser Hinsicht auch von adäquater Gegebenheit gegenüber der inadäquaten. Man erweist, um dies drastisch auszudrücken, und in theologischer [19] Wendung, Gott einen schlechten Dienst, wenn man es ihm zubilligt, 5 gerade sein zu lassen und jeden Widersinn zur Wahrheit machen zu können. Wesensmäßig gehört der Raumdinglichkeit die inadäquate Gegebenheitsweise zu, eine andere ist widersinnig. In keiner Phase der Wahrnehmung ist der Gegenstand als gegeben zu denken ohne Leerhorizonte und, was dasselbe sagt, ohne [27]apperzeptive Abschattung und mit der Abschattung zugleich Hinausdeutung über das sich eigentlich Darstellende. Eigentliche Darstellung selbst ist wieder nicht schlichtes Haben nach Art der Immanenz mit ihrem esse = percipi, sondern partiell erfüllte Intention, 〈die〉 also unerfüllte Hinausweisungen enthält. Originalität der leibhaften Darstellung von Transzendentem beschließt notwendig dies, dass der Gegenstand als Sinn die Originalität der apperzeptiven Erfüllung hat und dass diese unabtrennbar ein Gemisch von wirklich sich erfüllenden und noch nicht erfüllten Sinnesmomenten in sich birgt, sei es nur der allgemeinen Struktur nach vorgezeichneten und im Übrigen offen unbestimmten und möglichen, sei es schon durch Sondervorzeichnung ausgezeichneten. Darum ist die Rede von Inadäquation, zu deren Sinn der Gedanke eines zufälligen Manko gehört, das ein höherer Intellekt überwinden könnte, eine unpassende, ja völlig verkehrte.
Wir können hier einen Satz formulieren, der in unseren weiteren Analysen zu immer reinerer Klarheit kommen wird: Wo immer wir von Gegenständen sprechen, sie mögen welcher Kategorie immer sein, da stammt der Sinn dieser Gegenstandsrede ursprünglich her von Wahrnehmungen, als den ursprünglich Sinn und damit Gegenständlichkeit konstituierenden Erlebnissen. Konstitution eines Gegenstandes als Sinnes ist aber eine Bewusstseinsleistung, die für jede Grundart von Gegenständen eine prinzipiell eigenartige ist. Wahrnehmung ist nicht ein leeres Hinstarren auf ein im Bewusstsein Darinsteckendes und durch irgendein sinnloses Wunder je Hineinzusteckendes: als ob zuerst etwas da wäre und dann das Bewusstsein es irgendwie umspannte; vielmehr für jedes erdenkliche [28]Ichsubjekt ist jedes gegenständliche Dasein mit dem und dem Sinnesgehalt eine Bewusstseinsleistung, die für jeden neuartigen Gegenstand eine neue sein muss. Für jede Grundart von Gegenständen ist dafür eine prinzipiell verschiedene intentionale Struktur erfordert. Ein Gegenstand, der ist, aber nicht, und prinzipiell nicht Gegenstand eines Bewusstseins [20] sein könnte, ist ein Nonsens. Jeder mögliche Gegenstand eines möglichen Bewusstseins ist aber auch Gegenstand für ein mögliches originär gebendes Bewusstsein, und das nennen wir, mindestens für individuelle Gegenstände, »Wahrnehmung«. Von einem materiellen Gegenstand eine Wahrnehmung von der allgemeinen Struktur einer immanenten verlangen, umgekehrt von einem immanenten Gegenstand eine Wahrnehmung von der Struktur der äußeren Wahrnehmung verlangen, ist absurd. Sinngebung und Sinn fordern einander wesensmäßig, was die Wesenstypik ihrer korrelativen Strukturen anbelangt.
So gehört auch zum Wesen der ursprünglich transzendenten Sinngebung, die die äußere Wahrnehmung vollzieht, dass die Leistung dieser originalen Sinngebung im Fortgang von Wahrnehmungsstrecke zu Wahrnehmungsstrecke und so in beliebiger Fortführung des Wahrnehmungsprozesses eine nie abgeschlossene ist. Diese Leistung besteht nicht nur darin, immer Neues vom fest vorgegebenen Sinn anschaulich zu machen, als ob der Sinn von Anfang an schon fertig vorgezeichnet wäre, sondern im Wahrnehmen baut sich der Sinn selbst weiter aus und ist so eigentlich in beständigem Wandel und lässt immerfort neuen Wandel offen.
Es ist hier zu beachten, dass wir im Sinn einer einstimmig synthetisch fortschreitenden Wahrnehmung [29]immerfort unterscheiden können unaufhörlich wechselnden Sinn und einen durchgehenden identischen Sinn. Jede Phase der Wahrnehmung hat insofern ihren Sinn, als sie den Gegenstand im Wie der Bestimmung der originalen Darstellung und im Wie des Horizontes gegeben hat. Dieser Sinn ist fließend, er ist in jeder Phase ein neuer. Aber durch diesen fließenden Sinn, durch all die Modi »Gegenstand im Wie der Bestimmung« geht die Einheit des sich in stetiger Deckung durchhaltenden, sich immer reicher bestimmenden Substrates x, des Gegenstandes selbst, der all das ist, als was ihn der Prozess der Wahrnehmung und alle weiteren möglichen Wahrnehmungsprozesse zur Bestimmung bringen und bringen würden. So gehört zu jeder äußeren Wahrnehmung eine im Unendlichen liegende Idee, die Idee des voll bestimmten Gegenstandes, des Gegenstandes, der durch und durch bestimmter, durch und durch gekannter wäre und jede Bestimmung an ihm rein von aller Unbestimmtheit; und die volle Bestimmung selbst ohne jedes plus ultra an noch zu Bestimmendem, offen Verblei[21]bendem. Ich sprach von einer im Unendlichen liegenden, also unerreichbaren Idee, denn dass es eine Wahrnehmung geben könnte, (als einen abgeschlossenen Prozess kontinuierlich ineinander übergehender Erscheinungsverläufe), die eine absolute Kenntnis des Gegenstandes schüfe, in der die Spannung zwischen dem Gegenstand im Wie der sich wandelnden relativen und unvollkommenen Bestimmtheit und dem Gegenstand selbst dahinfiele, das ist durch die Wesensstruktur der Wahrnehmung selbst ausgeschlossen; denn evidenterweise ist die Möglichkeit eines plus ultra prinzipiell nie ausgeschlossen. Es ist also die Idee des absoluten Selbst des Gegenstandes und seiner absoluten und [30]vollständigen Bestimmtheit oder, wie wir auch sagen, seines absoluten individuellen Wesens. In Relation zu dieser herauszuschauenden unendlichen Idee, die aber als solche nicht realisierbar ist, ist jeder Wahrnehmungsgegenstand im Kenntnisprozess eine fließende Approximation. Den äußeren Gegenstand haben wir immerfort leibhaft (wir sehen, fassen, umgreifen ihn), und immerfort liegt er doch in unendlicher Geistesferne. Was wir von ihm fassen, prätendiert sein Wesen zu sein; es ist es auch, aber immer nur unvollkommene Approximation, die etwas von ihm fasst und immerfort auch mit in eine Leere fasst, die nach Erfüllung schreit. Das immerfort Bekannte ist immerfort Unbekanntes, und alle Erkenntnis scheint von vornherein hoffnungslos. Doch ich sagte »scheint«, und wir wollen uns hier 〈nicht〉 gleich an einen voreiligen Skeptizismus binden.
(Ganz anders verhält es sich natürlich mit den immanenten Gegenständen, die Wahrnehmung konstituiert sie und macht sie mit ihrem absoluten Wesen zu eigen. Sie konstituieren sich nicht durch beständige Sinneswandlung im Sinn einer Approximation – nur sofern sie in eine Zukunft hinein werden, haben sie Behaftung mit Protentionen und protentionalen Unbestimmtheiten. Was aber als Gegenwart im Jetzt konstituiert worden ist, das ist ein absolutes Selbst, das keine unbekannten Seiten hat.)
Wir versagten uns einem voreiligen Skeptizismus. In dieser Hinsicht müsste jedenfalls zunächst Folgendes unterschieden werden. Wenn ein Gegenstand zur Wahrnehmung kommt und im Wahrnehmungsprozess zu fortschreitender Kenntnis, so mussten wir unterscheiden den jeweiligen Leerhorizont, der durch den verlaufenen Prozess vorgezeichnet ist und mit dieser Vorzeich[22]nung der [31]momentanen Wahrnehmungsphase anhängt, und einen Horizont leerer Möglichkeiten ohne Vorzeichnung. Die Vorzeichnung besagt, dass eine leere Intention da ist, die ihren allgemeinen Sinnesrahmen mit sich führt. Zum Wesen solcher vorzeichnenden Intention gehört, dass bei Einschlagen passend zugehöriger Wahrnehmungsrichtung erfüllende Näherbestimmung oder, wie wir noch besprechen werden, als Gegenstück Enttäuschung, Sinnesaufhebung und Durchstreichung eintreten müsste. Es gibt aber auch partiale Horizonte ohne solche feste Vorzeichnung; das sagt, neben den bestimmt vorgezeichneten Möglichkeiten bestehen Gegenmöglichkeiten, für die aber nichts spricht und die immerfort offenbleiben. Z. B., dass in meinem Sehfeld, etwa bei der Wahrnehmung des gestirnten Himmels, irgendeine Lichterscheinung aufleuchtet, eine Sternschnuppe u. dgl., das ist, rein aus der Sinngebung der Wahrnehmung selbst heraus gesprochen, eine völlig leere Möglichkeit, die im Sinn nicht vorgezeichnet, aber durch ihn eben offengelassen ist. Halten wir uns also an die positive Sinngebung der Wahrnehmung mit ihren positiven Vorzeichnungen, so ist die Frage verständlich und naheliegend, ob denn im Überleiten der unanschaulichen, leeren Vorzeichnung in erfüllende Näherbestimmung gar kein stehendes und endgültig bleibendes Selbst des Gegenstandes erreichbar ist, ob m. a. W. nicht nur immer neue gegenständliche Merkmale in den Horizont der Wahrnehmung eintreten können, sondern im Prozess der Näherbestimmung auch diese schon erfassten Merkmale in infinitum eine weitere Bestimmbarkeit mit sich führen, also selbst wieder und immerfort den Charakter von unbekannten x behalten, die nie eine endgültige Bestimmung gewinnen [32]können. Ist denn die Wahrnehmung ein »Wechsel«, der prinzipiell nie einlösbar ist durch neue, ebensolche Wechsel, deren Einlösung also wieder auf Wechsel führt und so in infinitum? Erfüllung der Intention vollzieht sich durch leibhaftes Darstellen, freilich mit leeren Innenhorizonten. Aber ist an dem schon leibhaft Gewordenen gar nichts, was Endgültigkeit mit sich führt, so dass wir in der Tat in einem wie es scheint leeren Wechselgeschäft steckenbleiben?
Wir fühlen, dass es so nicht sein kann, und in der Tat stoßen wir, uns in das Wesen der Wahrnehmungsreihen tiefer hineinschauend, auf eine Eigentümlichkeit, die dazu berufen ist, zunächst für die Praxis und ihre anschauliche sinnliche Welt die [23] Schwierigkeit zu lösen. Im Wesen der eigentlichen Erscheinungen als Erfüllungen vorgezeichneter Intentionen liegt es, dass sie auch bei unvollkommener, also mit Vorweisungen behafteter Erfüllung auf ideale Grenzen als Erfüllungsziele vordeuten, die durch stetige Erfüllungsreihen zu erreichen wären. Das aber nicht gleich für den ganzen Gegenstand, sondern für die jeweils schon zu wirklicher Anschauung gekommenen Merkmale. Jede Erscheinung gehört hinsichtlich dessen, was in ihr eigentliche Darstellung ist, systematisch irgendwelchen in kinästhetischer Freiheit zu realisierenden Erscheinungsreihen an, in denen mindestens irgendein Moment der Gestalten seine optimale Gegebenheit und damit sein wahres Selbst erreichen würde.
Als Grundgerüst des Wahrnehmungsgegenstandes fungiert das Phantom als sinnlich qualifizierte körperliche Oberfläche. Dieselbe kann in kontinuierlich vielfältigen Erscheinungen sich darstellen, und ebenso jede sich abhebende Teilfläche. Für jede haben wir Fernerscheinungen [33]und Naherscheinungen. Und wieder innerhalb jeder dieser Sphären ungünstigere und günstigere, und in geordneten Reihen kommen wir auf Optima. So weist schon die Fernerscheinung eines Dinges und eine Mannigfaltigkeit von Fernerscheinungen auf Naherscheinungen zurück, in denen die oberflächliche Gestalt und ihre Fülle im Gesamtüberblick am besten erscheint. Diese selbst, die wir etwa für ein Haus durch Betrachtung von einem gut gewählten Standpunkt haben, gibt dann einen Rahmen für Einzeichnungen von weiteren optimalen Bestimmungen, die ein Nähertreten, in dem nur einzelne Teile, aber dann optimal gegeben wären, 〈beibringen würde〉. Das Ding selbst in seiner gesättigten Fülle ist eine im Bewusstseinssinn und in der Weise seiner intentionalen Strukturen angelegte Idee, und zwar gewissermaßen ein S〈ystem〉 aller Optima, die durch Einzeichnung in die optimalen Rahmen gewonnen würden. Das thematische Interesse, das in Wahrnehmungen sich auslebt, ist in unserem wissenschaftlichen Leben von praktischen Interessen geleitet, und das beruhigt sich, wenn gewisse für das jeweilige Interesse optimale Erscheinungen gewonnen sind, in denen das Ding so viel von seinem letzten Selbst zeigt, als dieses praktische Interesse fordert. Oder vielmehr es zeichnet als praktisches Interesse ein relatives Selbst vor: Das, was praktisch genügt, gilt als das Selbst. So ist das Haus selbst und in seinem wahren Sein, und [24] zwar hinsichtlich seiner puren körperlichen Dinglichkeit, sehr bald optimal gegeben, also vollkommen erfahren von dem, der es als Käufer oder Verkäufer betrachtet. Für den Physiker und Chemiker erschiene solche Erfahrungsweise völlig oberflächlich und vom wahren Sein noch himmelfern.
[34]Nur mit einem Wort sagen kann ich, dass alle solchen höchst verzweigten und an sich schwierigen intentionalen Analysen ihrerseits hineingehören in eine universale Genesis des Bewusstseins und hier speziell des Bewusstseins einer transzendenten Wirklichkeit. Ist das Thema der konstitutiven Analysen dies, aus der eigenen intentionalen Konstitution der Wahrnehmung, nach reellen Bestandstücken des Erlebnisses selbst, nach intentionalem Noema und Sinn die Weise verständlich zu machen, wie Wahrnehmung ihre Sinngebung zustande bringen und wie durch alle leere Vermeintheit hindurch sich der Gegenstand als sich immer nur relativ darstellender optimaler Erscheinungssinn konstituiert, so ist es das Thema der genetischen Analysen, verständlich zu machen, wie in der zum Wesen jedes Bewusstseinsstromes gehörigen Entwicklung, die zugleich Ichentwicklung ist, sich jene komplizierten intentionalen Systeme entwickeln, durch die schließlich dem Bewusstsein und Ich eine äußere Welt erscheinen kann.