Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 11 und 12 - Elda Drake - Страница 5
ОглавлениеKapitel 2
»Hallo Leute, wo steckt denn euer Boss?«
Die Männer musterten erstaunt den gutaussehenden blonden Hünen, der soeben durch die Hallentüre eingetreten war. Schließlich konnte auf dieses Gelände nur jemand kommen, der wusste welcher Pincode am Außentor eingegeben werden musste und das waren Kai und George. Wie also kam dieser Mann hier in die Halle?
Der lächelte vergnügt in die versammelte Runde und fügte hinzu. »Ich bin der Neue, ich soll hier singen!«
Kai hatte die Stimme gehört und trat aus dem Pulk heraus. »Schön, dass du tatsächlich gekommen bist.«
Dann stellte er den Neuankömmling vor. »Das ist Nat, ein alter Militärkamerad von mir. So wie es aussieht, hat er meinen Vorschlag angenommen und wird in Zukunft mit uns arbeiten.«
Nat grinste ihn an. »Du hast nichts von Arbeiten gesagt, nur von guter Bezahlung. Ich denke, ich sollte mir dein Angebot nochmal überlegen.«
Die Gruppe lachte. Dieser gutgelaunte Typ passte zu ihrer Gemeinschaft, wie die berühmte Faust aufs Auge. Und nun war es auch jedem absolut verständlich, warum er problemlos durch die Türe gekommen war. Denn er gehörte zu der ehemaligen Vierertruppe bei den Marines, die Kai angeführt hatte und war damit einer der wenigen Menschen, denen ihr Boss vorbehaltlos vertraute. George nickte vor sich hin. Kai hatte ihm schon erzählt, dass er Nat angeworben hatte. Der sollte allerdings nicht nur hier in Brisbane tätig sein, sondern die meiste Zeit im Außendienst eingesetzt werden, damit er selbst sich mehr um die Akquise neuer Aufträge kümmern konnte.
Während sie noch redeten, kam Hetty aus der Dusche zurück. Sie bemerkte erst, dass jemand Neues in der Halle stand, als Nat sich umdrehte und erstaunt ausrief. »Conny, was machst du denn hier?«
Er stürmte auf sie zu und umarmte sie begeistert. »Ich habe dich überall gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschluckt.«
Man hätte eine Stecknadel fallen hören, so leise war es in der Halle geworden. Als Hetty nur mit hängenden Armen dastand und ihn aus großen Augen ansah, wurde auch Nat bewusst, dass etwas nicht ganz so war, wie es sein sollte. Er ließ sie los und trat verunsichert einen Schritt zurück.
Bei Kai war inzwischen die Erinnerung an ein Gespräch mit seinem Freund zurückgekehrt. Damals hatte der ihm von einer Frau vorgeschwärmt, die er in Sydney kennengelernt hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte der ewige Frauenheld sich anscheinend tatsächlich richtig verliebt, zumindest hatten seine Bemerkungen nur diese eine Schlussfolgerung zugelassen. Er hatte von einer Conny erzählt und war eindeutig mehr als nur leicht interessiert gewesen. Kai hatte trotz seines Kummers leicht amüsiert festgestellt, dass sogar Nat, der Unverbesserliche, mal am Haken hing und sich Gedanken über eine feste Beziehung machte. Als er jetzt sah, wie Hetty momentan alle Farbe im Gesicht verlor, wusste er, dass sie diese Conny von damals war.
Er fuhr sich mit der rechten Hand durch die Haare und sah seinen Freund seufzend an. »Darf ich vorstellen – das ist Hetty meine Freundin!«
Die Freude, die in Nats Augen über die unverhoffte Begegnung aufgeleuchtet war, verschwand nun endgültig und machte einem Ausdruck völligen Unverständnisses Platz.
Hetty hatte sich inzwischen wieder gefangen und sah ihn entschuldigend an. »Tut mir leid.«
Kai packte Nat an der Schulter und schob ihn aus der Halle. »Kommt, wir fahren nach Hause, da können wir ungestört reden.«
Mit einem kurzen Nicken gab er Hetty das Zeichen, ihnen zu folgen.
George und seine Männer sahen verblüfft auf die geschlossene Hallentür. Was war das jetzt gewesen? Eines hatten zumindest alle verstanden – Nat und Hetty kannten sich bereits. George runzelte die Stirn. Aber er hatte sie Conny genannt. Oh, oh! Also gehörte das Zusammentreffen in den Zeitabschnitt, als Hetty nicht gewusst hatte, dass Kai existierte. Zweimal oh, oh! Das war gar nicht gut. Und die Szene von vorhin ließ den Rückschluss zu, dass sich die beiden nicht nur einfach kurz auf einer Fähre begegnet waren.
Er warf einen Blick in die Runde. Bevor er den Mund öffnen konnte, riefen seine Leute im Chor. »Nein, wir wetten nicht!«
Vor der Halle sah Kai sich suchend um und entdeckte den Geländewagen, mit dem Nat gekommen war. »Gib mir deinen Autoschlüssel!«
Er reichte ihn Hetty, die immer noch reichlich benommen dastand und irgendwie überhaupt nicht mehr wusste, was jetzt zu tun war. »Fahr du mit Nats Wagen hinterher, ich kläre ihn inzwischen auf.«
Dankbar nahm sie die Gelegenheit wahr, die ihr von ihm geboten wurde. Während sie Kais schwarzem Wagen folgte, kehrte ihr Herzschlag langsam wieder zu seiner normalen Frequenz zurück. Kai hatte ihr zwar erzählt, dass er seinen Militärkumpel eingestellt hatte, aber sie war nicht im Traum auf die Idee gekommen, dass der Nat, von dem er sprach, der gleiche Nat sein würde, den sie in Sydney kennengelernt hatte.
»Diese Amnesie hat dir anscheinend einen Teil deiner Kombinationsfähigkeit genommen. Schließlich hat Nat doch erzählt, dass er lange im Ausland war und dass er ein Jobangebot hatte.«
Hetty konnte ihrem Verstand nur recht geben. Aber zu ihrer Schande musste sie sich eingestehen, dass sie Nat in dem Moment völlig vergessen hatte, als sie wieder wusste wer sie war. Und sie hatte noch nicht mal eine Sekunde an ihn gedacht. Sie seufzte tief auf. Aber bei Nat lag die Sache, so wie es aussah, wesentlich anders.
Womit sie vollkommen recht hatte. Nat hatte, wie befohlen, auf dem Beifahrersitz Platz genommen und versuchte vergeblich, seine Gedanken zu ordnen. Die Conny, welche er in Sydney vor acht Wochen kennengelernt hatte, war die vermisste Freundin von Kai, die er nie getroffen hatte? Die Hetty, welche mit einem Camper durch die Gegend fuhr und mit wenig Geld auskommen musste – sollte dieselbe Person sein, wie die Conny, welche in Sydney in einer Luxusvilla residierte und mit Leuten von der High Society auf du und du stand? Das Einzige, was übereinstimmte, war die Beschreibung, dass sie ein Mensch war, der faszinierte und den jeder gern haben musste. Aber nicht im Traum wäre er auf die Idee gekommen, dass Conny und Hetty dieselbe Frau waren.
Kai musterte seinen Freund von der Seite und startete den Wagen. Während er fuhr, erklärte er ihm, wie das alles zusammenhing. »Hetty ist angeschossen worden, dabei hingefallen und hat sich den Kopf angeschlagen. Das Resultat war ein völliger Gedächtnisverlust. Sie hat dann versucht herauszufinden, was mit ihr passiert war. Ihre Beinahe-Mörderin hat sich kurz nach dem Mordanschlag bei einem Unfall selbst eliminiert. Hetty hat, da sie mit deren Papieren gefunden wurde, zwangsgedrungen deren Identität angenommen, was an und für sich genau der Plan war, den umgekehrt Conny gehabt hatte.«
Kai verzog den Mund zu einem leichten Lächeln. »Das ist ihr allerdings nicht sonderlich schwer gefallen, da die Verstorbene einen Haufen Geld auf dem Konto hatte und sie sich dadurch ein luxuriöses Leben leisten konnte. Da sie als Conny fungierte und ich eine Hetty oder Britney suchte, konnte ich sie nicht finden.«
Nat hatte sich inzwischen gefasst und hörte ihm aufmerksam zu.
»Schlussendlich ist sie dann nochmal zu dem Ort des Geschehens gefahren, um sich vielleicht doch noch zu erinnern. Durch Zufall ist sie ins Stolpern gekommen, hingefallen, hat sich dabei erneut den Kopf angeschlagen und in dem Moment war alles wieder da.«
Kai zuckte die Schultern. »Seit drei Wochen ist sie wieder zurück.«
Nat starrte aus dem Fenster. Sie hatte zu ihm gesagt, sie wäre zur Zeit nicht ganz sie selbst. Wahrere Worte waren wohl noch nie ausgesprochen worden.
Er sah Kai an, der ruhig dahinfuhr und einfach abwartete. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn sich sein Freund durch so eine Kleinigkeit hätte erschüttern lassen. Ganz abgesehen davon, dass er bekanntermaßen ein reichlich dickes Fell hatte und viele Dinge einfach von sich abprallen ließ, an denen andere Menschen verzweifelt wären.
»Es ist nichts passiert zwischen uns, nur ein paar Küsse, nicht mehr. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Sie hat gesagt, sie braucht noch Zeit.«
Kai bog in die Einfahrt zur Farm ein und hielt an, um den Pincode für das Tor einzugeben.
Seine strahlend blauen Augen musterten den Freund. »Wie fühlst du dich?«
Nat seufzte tief auf. »Beschissen wäre geschmeichelt!«
Kai sparte sich den Kommentar. Die Situation war wirklich nicht vom Feinsten. Nat tat ihm leid, aber er konnte ihm nicht helfen. Kopfschüttelnd fuhr er weiter. Hetty schaffte es aber auch immer wieder, irgendwie in Schwierigkeiten zu geraten. Nur gut, dass sie jetzt dauernd unter seiner Aufsicht stand, da konnten die wenigstens nicht mehr in lebensgefährliche Gegebenheiten ausarten.
Fritz sah erfreut auf, als er sah, welchen Gast Kai mitgebracht hatte. »Nat, schön dich zu sehen. Na, wie fühlt sich Australien an?«
Der hatte sich inzwischen wieder gefangen und gab Fritz lächelnd die Hand. »Es ist einfach gut, wieder zuhause zu sein.«
Fritz grinste ihn an und schmunzelte. »Ich hoffe, du machst in Zukunft einen großen Bogen um die Frauen von hohen Tieren. Zumindest solltest du dein persönliches Engagement etwas zurückfahren.«
Nat bekam einen leichten Anflug von Rot auf die Wangen. Der Grund seines langen und unfreiwilligen Auslandsaufenthalts, war seine Affäre mit der Frau eines ranghohen Militärs gewesen. Deren Mann hatte äußerst ungehalten reagiert, als er davon erfahren hatte und dafür gesorgt, dass Nat als Persona non grata betrachtet wurde. Ihm wurde nahegelegt, sich die nächsten Jahre besser nicht auf dem australischen Kontinent aufzuhalten und gesagt, er sollte sich an diese Empfehlung halten, wenn er ungeschoren aus der Sache herauskommen wollte.
Mittlerweile war genügend Zeit vergangen und die Wogen hatten sich geglättet. Er hatte die meiste Zeit im diplomatischen Dienst gearbeitet und sich dort seine Meriten verdient. Doch als er erfuhr, dass seiner Rückkehr nichts mehr im Wege stand, hatte er sich sofort in die nächste Maschine gesetzt, die Richtung Australien flog. Und er hatte sich fest vorgenommen, sich in Zukunft aus allen Schwierigkeiten herauszuhalten.
Nat warf einen Blick auf Hetty, die inzwischen auch angekommen war. Und prompt war er wieder in neue geraten. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte ihn eine Frau so sehr interessiert, dass er an eine feste Beziehung gedacht hatte. Wochenlang hatte er sich darum bemüht, bei Hetty zu landen. Doch als er schon glaubte, dieses Ziel erreicht zu haben, war sie urplötzlich aus Sydney verschwunden. Keiner wusste, wo sie abgeblieben war und in dem Briefkasten ihres Hauses stapelten sich die Werbebroschüren.
Schließlich hatte er seine Suche abgebrochen und beschlossen, das Angebot von Kai anzunehmen, das ihm dieser einige Wochen zuvor gemacht hatte. Nat schluckte. Er hatte nach dem letzten Abend mit Hetty noch daran gedacht, wie schlimm es Kai gehen musste, der endlich die Frau seines Lebens gefunden und dann wieder verloren hatte. Momentan hätte er dankend darauf verzichtet, dieselbe Erfahrung machen zu müssen.
Kai merkte, dass Nat ins Grübeln gekommen war und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Komm, ich zeig dir dein Zimmer.«
Fritz sah den beiden leicht irritiert nach. Nat wirkte eindeutig etwas bedrückt. Das hatte er bei diesem Hallodri noch nie erlebt.
Als er einen Blick auf Hetty warf, die ungewohnt stumm dastand, dämmerte ihm ein Verdacht. »Kennst du Nat schon länger?«
Hetty verzog den Mund. »Ich habe ihn, als ich Conny war, in Sydney getroffen. Er tauchte in der Kneipe auf, in der ich mich mit meinen Freunden aufhielt.«
Sie konnte ein Lächeln nicht zurückhalten. »Natürlich erkannte ich gleich, dass er ein Windhund ist, aber das hat mich früher ja nie gestört. Da ich aber nicht wusste, wer ich wirklich war, war ich ungewohnt zurückhaltend, was ihn wahrscheinlich dann erst recht gereizt hat.«
Als sie sah, dass Fritz die Augenbraue hob, schüttelte sie den Kopf. »Keine Sorge, da ist nichts vorgefallen. Aber ehrlich gesagt, war Nat dann der Grund, warum ich nochmal auf die Suche nach meinem wahren Ich gegangen bin. Schließlich hatte ich da ein hübsches Kerlchen vor der Nase, das ich eigentlich nicht von der Bettkante schubsen wollte.«
Hetty musste kurz unterbrechen, da Fritz sich bei ihrem letzten Satz verschluckt hatte und verzweifelt hustete, um wieder Luft zu kriegen.
Nachdem sie ihm auf dem Rücken geklopft hatte, fuhr sie fort. »Und als ich dann wieder alles wusste ...«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, hatte ich ihn komplett vergessen.«
Fritz schmunzelte. »Das kann auch nur dir passieren. Bei den vier Millionen Menschen, die es in Sydney gibt, triffst du ausgerechnet auf Nat.«
Er schmunzelte. »Aber mach dir mal keine Sorgen um ihn, vermutlich ist das ganz gut für seine Charakterbildung. Bisher hat immer er die zerbrochenen Herzen hinterlassen. Dann weiß er jetzt endlich einmal, was er da eigentlich veranstaltet.«
Hetty nickte und ging nach oben. Als sie die Türe zu der Suite öffnete, in der Kai und sie momentan wohnten, runzelte sie die Stirn. An und für sich war das hier momentan nur eine Übergangslösung, bis sie endgültig eine Entscheidung treffen würden, wo sie in Zukunft leben wollten.
Allerdings kristallisierte sich momentan immer mehr heraus, dass sie wahrscheinlich auf die Bitte von Kais Mentor eingehen würden, endgültig hier einzuziehen, denn die anderen Alternativen waren auch nicht das, was sie sich vorstellten.
Und die Bezeichnung Farm war schließlich nur eine Gewohnheit aus alten Tagen, als an diesem Platz tatsächlich noch ein kleines Farmgebäude gestanden hatte. Das jetzt dessen Stelle einnehmende, große ausufernde Gebäude, wirkte wie eine, erstaunlicherweise äußerst gelungene Kreuzung, zwischen einem französischem Chateau, einem englischen Herrenhaus und einem australischen Overlander. Seine Räumlichkeiten boten Platz für eine ganze Kompanie und die hätten sich in ihren Zimmern nicht mit einfachen Stockbetten begnügen müssen. In der äußerst schön angelegten Gartenanlage gab es einen Schwimmingpool, dessen Länge stolze fünfzig Meter maß und der locker als Trainingsbecken für einen kleinen Killerwal gereicht hätte. Dann waren da noch ein gut bestückter Reitstall und genügend Personal vorhanden, das dafür sorgte, dass man sich nicht mit so profanen Dingen, wie Waschen und Putzen, beschäftigen musste.
Neben Fritz, der den Teenager Kai nach dem Tod seiner Eltern unter seine Fittiche genommen hatte und als sein Mentor und Ziehvater agierte, lebten hier noch dessen hübsche blonde Tochter Chrissie mit ihrem Mann Patrick.
Und genau Chrissie war die Ursache dafür, weshalb sie mit Kai zusammengetroffen war. Hetty war gebürtige Deutsche und hatte vor einigen Jahren eine kleine, unverhoffte Erbschaft gemacht. Dadurch hatte sie die Möglichkeit sich ihren Lebenstraum vom Reisen durch Australien mit einem Camper zu erfüllen. Um ihr geringes Budget aufzubessern, nahm sie auf ihren Touren manchmal andere Frauen gegen Kostenbeteiligung mit und Chrissie war ihr allererster Fahrgast gewesen.
Hetty schloss die Türe und ging zu ihrem Queen Size Bett. Nachdem sie es sich darauf bequem gemacht hatte, schloss sie die Augen, um weiter zu sinnieren. Momentan war ihr die Vergangenheit bedeutend lieber, als die Gegenwart.
Chrissie war entführt worden und sie hatte es mit viel Glück geschafft, sie wieder aus den Händen der Verbrecher zu befreien. Doch auf der anschließenden Flucht waren sie dann von den Verbrechern eingeholt worden und sie hatte Chrissie weggeschickt, um Hilfe im nahen Dorf zu holen. Sie selbst hatte versucht die Entführer mit einer Pistole aufzuhalten und war dabei angeschossen worden. Dass sie jetzt hier liegen konnte, hatte sie Kai zu verdanken der, wie in einem gut geschriebenen Märchen, im letzten Augenblick aufgetaucht war und sie gerettet hatte.
In ihrem durch Blutverlust und Dehydrierung geschwächten Zustand hatte sie gedacht, ihr Traumprinz wäre gekommen und phantasiert. Kai hatte ihr daraufhin den Spitznamen „Prinzessin“ verpasst. Kurz darauf konnte sie im Gegenzug Kai davor bewahren, dass er getötet wurde und damit wurde eine Folge von unwahrscheinlichen Vorfällen in Gang gesetzt, bei denen jeder Drehbuchautor gesagt hätte, das könnte er nicht schreiben, weil es zu unwahrscheinlich war.
Fast zwei Jahre lang war es dann dabei geblieben, dass sie immer wieder in Schwierigkeiten verwickelt wurde und Kai im letzten Moment zu Hilfe kam. Sie hatte von Anfang an erkannt, dass hier der Mann ihres Lebens vor ihr stand, aber nie im Leben geglaubt, dass Kai ihre Gefühle erwidern würde. Hetty lächelte kopfschüttelnd vor sich hin. Wie sollte sie auch auf diesen verqueren Gedanken kommen – bei neun Jahren Altersunterschied, ihrem durchschnittlichen Aussehen und mageren Geldbeutel, war sie sich absolut sicher gewesen, bei so einem reichen, gutaussehenden Mann nicht die geringste Chance zu haben und hatte ihr Gefühle für ihn negiert und verborgen. Glücklicherweise hatte Kai nicht aufgegeben und schließlich ihre Tarnung durchschaut. Seitdem schwebte sie auf Wolke Sieben und auch ein fester Hieb auf ihre Rippenbögen, brachte sie nicht dazu, auf den harten Boden der Realität zurückzukommen.
Die sich öffnende Zimmertüre unterbrach ihre Gedankengänge.
Kai trat in den Raum und setzte sich zu ihr aufs Bett. Sein rechter Mundwinkel zog sich nach oben, als er sie ansah. Das war ein untrügliches Zeichen dafür, dass er ein Lächeln unterdrückte. »Wie bin ich nur auf die krude Idee gekommen, ab jetzt würde alles ganz locker laufen?«
Hetty sah ihn seufzend an. »Für locker laufen, musst du dir eine andere Freundin aussuchen. Du weißt doch, ich habe ein Händchen für Schwierigkeiten.«
Jetzt lächelte Kai tatsächlich. »Tja, das kann ich wirklich bestätigen.«
Hetty schmunzelte. Wenn nicht er, wer dann sonst. Schließlich hatte er sie bisher acht Mal vor der schönen Zukunft bewahrt, die nächsten tausend Jahre an einem warmen Plätzchen namens Hölle zu verbringen und Kohlen für das Feuer zu schaufeln.
Kai beugte sich vor und seine strahlend blauen Augen begannen zu funkeln. »War Nat das Kerlchen, für das du gerne einen Gutschein gehabt hättest?«
Hetty verkniff sich ein Lächeln. Ihr großer Meister merkte sich grundsätzlich alles, was sie zu ihm sagte. Er funktionierte in der Hinsicht, wie ein bemerkenswert gut eingestellter Computer, ohne jegliche Speicherprobleme. Da ging noch nicht einmal das kleinste Bit verloren. Als sie nach ihrer Rückkehr gebeichtet hatte, dass sie die Nacht, bevor sie zu ihm gekommen war, damit verbracht hatte, Patrick zu trösten, war er außergewöhnlich kulant gewesen und hatte ihr keine Vorwürfe gemacht.
Die Hauptursache für seine Großzügigkeit lag allerdings darin begründet, dass er die Zwischenzeit auch nicht alleine im stillen Kämmerlein vor sich hin geweint, sondern sich offenbar mit zahlreichen Frauen die Zeit vertrieben hatte. Und unterschwellig war ihr von ihm dabei auch noch vermittelt worden, dass er anscheinend schon kurz nach ihrer Abreise damit begonnen hatte, sich eine entsprechende Ersatzbefriedigung zu gönnen. Die Ansage, dass er es auch in Zukunft bei längeren Abwesenheiten von ihr so handhaben würde, war unmissverständlich gewesen.
Hetty hatte diese Informationen, aufgrund ihres eigenen Fehltritts, mit einem Schulterzucken weggesteckt und nur hinzugefügt, sie hätte sich einen Gutschein verdient, da sie so ein hübsches Kerlchen vor der Nase gehabt hätte und abstinent geblieben sei. Kai hatte gemeint, das könne sie vergessen und dafür gesorgt, dass ihre Gedanken seitdem keine Sekunde mehr auf andere Männer gerichtet waren. Aber er hatte sich diesen Satz natürlich gemerkt.
So nickte Hetty jetzt zustimmend. »Du musst zugeben, er ist genau das, was man unbesorgt für einen Abend mitnehmen kann. Hat genügend Erfahrung und ist heilfroh, wenn man nichts mehr von ihm will, als ein paar gymnastische Übungseinlagen.«
Kai schmunzelte. »Ich werde ihm sagen, dass du ihn nur als Sportgerät betrachtet hast. Das muntert ihn sicher auf.«
Hetty senkte den Kopf. »Überlass das lieber mal mir, ich wähle da die schonendere Variante.«
Als Kai die Augenbraue hob, setzte sie hinzu. »Inzwischen hat mir Fritz schon bestätigt, dass Nat ein unverbesserlicher Windhund ist. Auf eine andere Idee wäre ich bei ihm sowieso nicht gekommen. Allerdings hat er sich mir gegenüber komplett anders verhalten und ich finde, er hat es deshalb auch verdient, dass ich ihm gegenüber ehrlich bin und selbst mit ihm rede.«
Sie sah Kai an. »Ohne dabei auf ihn einzuprügeln. Das kann man auch diplomatischer formulieren.«
Der Grund, warum Kai bei dieser Aussage innerlich leicht zusammenzuckte, lag in dem bisher noch nicht in Erscheinung getretenen Mann von Chrissie begründet. Patrick kam üblicherweise erst kurz vor dem, meist späten Abendessen nach Hause. Aus dem ehemaligen Buchhalter und Programmierer war mittlerweile der Geschäftsführer der Erzmine geworden und das forderte seine ganze Arbeitskraft und ließ ihm nur noch wenig Freizeit. Denn als Fritz gesehen hatte, dass er sich auf den Jungen voll und ganz verlassen konnte, hatte er ihm immer mehr von seinem eigenen Verantwortungsbereich übertragen, damit er selbst endlich etwas kürzer treten konnte. Das bedeutete für Patrick allerdings eine enorme Belastung, denn er wollte auch sein altes Aufgabengebiet nach wie vor betreuen, da das eigentlich die Arbeit war, die er liebte.
Mittlerweile hatten sie eine Lösung gefunden und einen zusätzlichen Mitarbeiter eingestellt, der ihm zur Hand ging. Allerdings musste der erst in sein Sachgebiet eingearbeitet werden, was momentan nochmals mit einem vermehrten Zeitaufwand verbunden war. Dafür würde Patrick dann in Zukunft nur noch den Teil der Geschäftsführung innehaben, der ihn interessierte. Ansonsten konnte er wie früher die Oberhoheit in der Buchhaltung übernehmen, seine Computerprogramme entwickeln, die der Firma enorme Kostenersparnisse brachten und ein überwachendes Auge auf seine rechte Hand werfen. Damit wurde die Belastung für ihn zwar nicht geringer, aber wenigstens wieder erträglich.
Inzwischen hatte er sich zumindest daran gewöhnt, Mann einer Millionenerbin zu sein. Allerdings hatte er auf einen Ehevertrag bestanden, der ihm keinerlei Anrecht auf Chrissies Vermögen gab. Patrick war alles, aber sicher kein Mensch, der Geld zum Glücklichsein brauchte. Das war auch der große Hinderungsgrund gewesen, warum er sich lange Zeit nicht getraut hatte, Chrissie seine Liebe zu gestehen. Erst als Hetty bei ihrem ersten Besuch auf der Farm erkannt hatte, was da lief, oder besser gesagt nicht lief, war die Sache ins Rollen gekommen.
Kai runzelte die Stirn. Nur leider waren ihre Aufmunterungsversuche in eine Affäre mit Patrick ausgeartet von der, außer den beiden, nur er selbst noch etwas wusste, wobei er bei seinem Wissen meistens von sehr gut begründeten Annahmen ausgehen musste. Denn was genau zwischen ihnen vorgefallen war, hatte ihm keiner der beiden je erzählt und so redselig Hetty sonst auch war – über diese Angelegenheit schwieg sie sich aus.
Und diese Affäre hatte zu allem Überfluss auch noch Nachwirkungen hinterlassen. Denn Patrick hatte sich dabei in Hetty verliebt und auch sie hatte ihn auf alle Fälle mehr als nur etwas gern. Das Ganze war dann in einen fürchterlichen Streit am Abend vor Patricks Hochzeit mit Chrissie eskaliert. Kai wusste bis heute nicht, was der Grund dafür gewesen und um was es dabei eigentlich gegangen war, allerdings hatte Patrick am nächsten Tag, wie erwartet, Chrissie geheiratet und die Geburt des ersten Kindes der beiden stand demnächst bevor. Damit war die Sache dann hoffentlich endlich auf einer normalen Basis angekommen und endgültig beendet.
Doch es war sinnlos, sich Gedanken über Dinge zu machen, die man nicht ändern konnte. Und er war noch nie jemand gewesen, der sich lange mit alten Geschichten aufhielt. Schließlich lebte er im Hier und Jetzt und da gab es bedeutend interessantere Dinge.
Kai warf einen Blick auf seine Uhr und beugte sich dann vor, um Hetty zu küssen. »Wie wärs mit Sport?«