Читать книгу Die Mulgacamper Romane - Sequel - Band 11 und 12 - Elda Drake - Страница 6
ОглавлениеKapitel 3
Als sich Kai zum Abendessen an den Tisch setzte und den inzwischen eingetroffenen Patrick musterte, der Nat freundlich begrüßt hatte und nun munter mit den Anwesenden redete, stellte er, wie schon so oft, fest, dass man wirklich nicht lügen würde, wenn man behauptete, dass der Junge reichlich attraktiv war. Auch wenn er nur eine Körpergröße von nicht ganz 1.80 Meter aufwies und keines dieser schönen, fein geschnittenen Gesichter hatte, so konnte trotz allem niemand abstreiten, dass er das gewisse Etwas besaß. Hetty warf eine Bemerkung in die Runde und Patrick lächelte ihr zu. Kai nickte innerlich. Vor allem, wenn er dieses strahlende Lächeln aufsetzte, blieb wohl bei den meisten Frauen der Verstand stehen. Das war einfach umwerfend.
Er war schon gespannt, wie Patrick reagieren würde, wenn er erfuhr, dass Hetty und Nat sich in Sydney kennengelernt hatten. Sein rechter Mundwinkel verzog sich, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und der Reihe nach alle Anwesenden musterte. Das würde wieder einmal einer dieser Abende werden, bei denen er vielleicht eine Ecke mehr von diesem ewigen Geheimnis zwischen Hetty und Patrick erfahren konnte.
Der Verlauf der nächsten Stunden gab ihm mit seiner Einschätzung recht. Chrissie hatte sich von Nat ausgiebig umarmen lassen und ihm dann gesagt, er müsste sich unbedingt neben sie setzen. Der Freund ihres Ziehbruders war schon immer besonders nett zu ihr gewesen und sie hatte als Teenager ein kleines bisschen für ihn geschwärmt, was Kai natürlich nicht entgangen war.
Nat ließ seinen üblichen Charme spielen und machte ihr Komplimente. Was ihn bei dieser toll aussehenden Blondine, die, trotz fortgeschrittener Schwangerschaft, immer noch eine ausnehmend gute Figur aufwies, auch nicht die geringste Anstrengung kostete. Doch egal, wie intensiv die Unterhaltung zwischen den beiden wurde, Patrick blieb davon völlig unberührt. Da konnte Nat zu Chrissie sagen, was er wollte, ihr Mann wirkte nicht im Entferntesten beunruhigt.
Sobald Nat allerdings auch nur den Blick auf Hetty richtete, ließ er ihn auch nicht für einen Moment aus den Augen. Und als sich während des Gesprächs herausstellte, dass Nat Hetty in ihrer Amnesiephase in Sydney kennengelernt hatte, spannten sich seine Wangenmuskeln an. So wie es aussah, war er nicht im Geringsten eifersüchtig, wenn es seine Frau betraf, doch sobald es um Hetty ging, wollte er anscheinend ganz genau Bescheid wissen.
Kai fand es immer wieder faszinierend, wie perfekt Patrick seine Mimik beherrschen konnte. Man musste ihn schon sehr genau beobachten und die kleinen Anzeichen kennen, um zu wissen, dass hinter der harmlosen Fassade ganz andere Gefühle lauerten, als er nach außen hin zeigte. Außer ihm hatte keiner der Anwesenden die geringste Ahnung davon, wie sehr sich der Junge verstellte.
Noch nicht einmal Hetty wusste, dass Patrick nach wie vor damit kämpfte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings musste er ihm zugestehen, dass er sich seit Hettys Rückkehr, erstaunlich gut im Griff hatte. Anscheinend genügte es ihm tatsächlich, dass sie einfach nur da war und lebte, damit er zufrieden mit seinem Leben war. Nur das war wichtig und so wie es aussah, hatte er sich diese Einstellung zum Motto gemacht. Die Schatten, die hin und wieder über sein Gesicht liefen, wenn er zusehen musste, wie Kai und Hetty sich zum Abschied oder Begrüßung küssten, waren mit der Zeit immer leichter geworden.
Doch Kai machte sich nichts vor – Patrick war noch lange nicht über den Berg, dafür waren seine Gefühle zu stark. Und jetzt war leider Gottes mit Nat ein Störfaktor aufgetreten, der die eigentlich so gut verlaufende Wundheilung unterbrach.
Kai runzelte die Stirn. Heute würde sein Einsatz noch von Nöten sein. Der Junge war in Bezug auf Hetty eine tickende Zeitbombe und hier war wieder einmal genügend Zündstoff vorhanden, um ihn in die Luft gehen zu lassen. Und da war es besser, rechtzeitig die Lunte zu löschen.
Patrick hatte mittlerweile zum wiederholten Male festgestellt, dass gute Vorsätze in Gedanken leicht zu fassen waren, aber deren Umsetzung ins Reale meistens an Kleinigkeiten scheiterte. Noch vor einem Monat wäre er überglücklich gewesen, nur zu wissen, dass Hetty heil und gesund war. Hauptsache sie lebte, alles andere war völlig egal. Als sie dann wieder zurück war, hatte er sich fest vorgenommen, nur noch eine gute Freundschaft mit ihr zu halten.
Schließlich bekam seine Frau ein Kind und somit war er gebunden. Da fiel auch die Nacht, die er mit Hetty nach ihrer Ankunft verbracht hatte, nicht ins Gewicht. Ganz abgesehen davon, dass sie ihm auch da am Morgen wieder erklärt hatte, dass sie ihn zwar nach wie vor liebte, aber eben nicht genug. Kai war bei ihr die absolute Nummer Eins und das hatte er schließlich von Anfang an gewusst. Und er konnte wirklich nicht behaupten, es schlecht getroffen zu haben. Denn er hatte ja seine Traumfrau Chrissie bekommen.
Patrick warf einen Blick auf seine Frau, die sich eindeutig freute, Nat nach so langer Zeit wiederzusehen. Und wie schon so oft, dachte er daran, dass es besser gewesen wäre, er hätte am Tag seiner Hochzeit einen Rückzieher gemacht. Denn da hatte er schon gewusst, dass sie nicht mehr den ersten Platz in seinem Herzen einnahm. Aber er hatte gedacht, das würde schon werden.
Doch der Ehealltag hatte vor allem eines bewiesen – er und Chrissie hatten nicht allzu viele gemeinsame Interessen. Sie hätten beide noch mehr Zeit gebraucht, um sich wirklich kennenzulernen. Vermutlich hätten sie dann über kurz oder lang festgestellt, dass keine ausreichende Basis vorhanden war, um eine lebenslange Beziehung einzugehen. Chrissie war mehr der Typ Partyfrau, die sich gerne mit Freunden traf, er blieb lieber zuhause und saß über seinen Computerprogrammen oder führte eine gute Unterhaltung mit Fritz. Die Verliebtheit der Tage vor der Hochzeit war verschwunden und tiefere Gefühle waren bisher nicht daraus entstanden.
Plötzlich war da nichts mehr vorhanden, das einem einen Grund gab, warum man genau mit diesem Menschen zusammen sein wollte. Wobei sich Patrick sehr wohl bewusst war, dass nicht nur er so empfand. Auch von seiner Frau kam in keinster Weise ein Versuch ihrer Beziehung wieder mehr Innigkeit zu geben, was eben mit der Grund dafür war, warum er selbst sich auch zurückhielt. Er war nicht der Typ, der einer Frau Intimitäten aufzwang und momentan ließ Chrissies Verhalten nur den Rückschluss zu, dass sie auch keine wollte. Wobei in diese Kategorie inzwischen sogar schon ein harmloser Kuss gehörte.
Vielleicht würde sich das nach der Geburt des Kindes ändern, doch im Augenblick waren sie eigentlich nur gute Freunde, die miteinander verheiratet waren. Wenn er an diese letzte Nacht mit Hetty dachte, musste er sich allerdings eingestehen, dass das wohl ein reiner Wunschtraum bleiben würde. Denn da hatte er als ausgewiesene Nummer Zwei bedeutend mehr an Gefühl und Zuwendung erhalten, als bisher in seiner ganzen Ehe. Worin der Unterschied bestand, war ihm eben auch in dieser Nacht endgültig bewusst geworden.
Ein lautes Lachen von Nat riss ihn aus den Gedanken. Und schon war er wieder am Anfang seiner Denkschleife. Tja, er hatte sich fest vorgenommen nur zufrieden zu sein, dass Hetty wieder da war. Und sich sonst nichts mehr zu wünschen – Hauptsache sie lebte. Das war das Einzige, was wirklich wichtig war. Aber dann waren sie und Kai vorübergehend auf die Farm gezogen. Auf der einen Seite war er überglücklich gewesen, denn er konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als Hetty dauernd um sich zu haben. Endlich jemand, der ihn verstand und mit ihm auf der gleichen Wellenlänge funkte.
Auf der anderen Seite war da aber noch Kai. Der hatte ihm bei ihrer ersten Begegnung einen langen, sehr sondierenden, Blick aus den strahlend blauen Augen zugeworfen, bei dem er das Gefühl gehabt hatte, dass er alle seine verborgenen Gedanken gelesen hatte. Und sofort wusste er, dass der eine sehr genaue Vorstellung davon hatte, was in der Nacht, bevor Hetty zu ihm zurückkehrte, vorgefallen war.
Doch Kai hatte ihn niemals darauf angesprochen, sondern stattdessen so getan, als ob Hetty direkt zu ihm gefahren wäre. Was auch unbedingt notwendig war, da ansonsten sein Schwiegervater und seine Frau erfahren hätten, dass er diese Nacht nicht bei einem Freund, sondern mit Hetty verbracht hatte. Sein Verhalten gegenüber Patrick ließ auch in keinster Weise darauf schließen, dass er sich über das Vergangene in irgendeiner Form noch Gedanken machte und offenbar hatte er keinerlei Problem mit dem Ganzen. Also hatte Patrick die Sache ebenfalls abgehakt und für sich festgestellt, dass Kai wohl immer nur als außerordentlich bezeichnet werden konnte.
Das Zusammenleben auf der Farm hatte sich dann, wider Erwarten, als ziemlich unproblematisch erwiesen. Kai und Hetty waren, genauso wie er und Fritz, tagsüber meist unterwegs. Die Abende verbrachten die beiden entweder auswärts oder sie saßen mit den restlichen Hausbewohnern gemütlich in der Bibliothek und redeten. Die Suite, die sie bezogen hatten, lag glücklicherweise auf der anderen Seite des Hauses im Westflügel, so dass man nicht mitbekam, was hinter den geschlossenen Zimmertüren ablief.
Allerdings hatte Patrick genug Phantasie, um sich vorzustellen, was passierte, vor allem, wenn er Kai am Morgen, mit einem eindeutig glücklich und zufrieden wirkenden Ausdruck in den Augen, am Frühstückstisch sitzen sah. Doch da sich auch die kurzen Gesten von Zärtlichkeit, die sie in der Öffentlichkeit austauschten, in einem erträglichem Rahmen hielten, hatte sich Patrick mit dem Zustand abgefunden und gedacht, er wäre über den Berg. Hauptsache, Hetty war am Leben und er konnte sie bei sich haben, das reichte ihm voll und ganz um, wenn auch nicht glücklich, so doch zumindest ganz zufrieden mit den Umständen zu sein.
Dass das ein Irrtum gewesen war, hatte er soeben erkennen müssen. Denn nun saß da dieser Nat am Tisch und erzählte, dass er Hetty in Sydney kennengelernt hatte. Obwohl Patrick ihn heute zum ersten Mal sah, wusste er von George, mit dem er schon seit längerem befreundet war, genügend über die Militärkameraden von Kai, um zu wissen, dass Nat zu der berühmt berüchtigten Vierergruppe gehört hatte.
Die beiden anderen Mitglieder waren Hashimoto, der beste Freund von Kai, der hier in Brisbane ein großes Firmenimperium leitete und Tim, der ehemalige Geschäftspartner von Kai. George hatte ihm erzählt, dass Tim immer der Brave von den Vieren gewesen war und schon sehr früh seine jetzige Frau Melanie gekannt hatte. Die drei anderen hatten sich einen Spaß daraus gemacht, im gegenseitigen Wettbewerb, möglichst viele gutaussehende Frauen flachzulegen.
George hatte den Kopf geschüttelt. »Am wildesten hat es Nat getrieben. Kai war es zwar auch immer egal, ob die Frauen verheiratet waren, aber der ist zumindest diskret gewesen. Nat scherte sich einen Teufel um die Konsequenzen.«
Dann hatte er grinsend hinzugefügt. »Deshalb ist er jetzt auch im Exil. Und er kann froh sein, dass er Australien noch bei guter Gesundheit und in einem Stück verlassen konnte. Wenn Hashimoto und Kai ihm nicht den Rücken freigehalten hätten, dann wäre ein Koffer voller Einzelteile ausgeflogen worden.«
Patrick musterte den gutaussehenden Hünen. Jetzt war er wieder da und sollte, soviel er bisher erfahren hatte, bei Kai in der Firma mitarbeiten.
George hatte nur mit den Schultern gezuckt und gemeint. »Kai hat mich informiert, bevor er Nat das Angebot unterbreitet hat. Meine Stellung ist nicht gefährdet. Nat soll vor allem Aufgaben im Außendienst übernehmen und einen Teil von Kais Tätigkeiten. Der will mehr Zeit für sich und Hetty haben. Und Nat war doch auch bei dieser Spezialtruppe bei den Marines und weiß genau, wie Kai arbeitet.«
Das konnte mal wohl sagen. Die Vier hatten sich damals mit ihren Sondereinsätzen die Dankbarkeit aller möglichen hohen Tiere gesichert. Wobei bis heute niemand aus der Öffentlichkeit erfahren hatte, was sie eigentlich getrieben hatten. Aber Patrick war sich ziemlich sicher, dass die Regierung sie nicht nur zum Brötchen holen geschickt hatte. Schließlich hatte Kai eine Ausbildung zum Kampfschwimmer, Scharfschützen und auch einen Helikopterschein. Von daher war Nat mit Sicherheit auch mit allen Wassern gewaschen und nicht zu unterschätzen.
Patrick sah, dass Nat Hetty immer wieder heimlich beobachtete. Aus eigener Erfahrung konnte er den Ausdruck in Nats Augen deuten. Da waren eindeutig Gefühle vorhanden. Und das bei so einem Windhund. Was war da in Sydney vorgefallen?
Langsam aber sicher kroch die Eifersucht in ihm hoch. Er konnte sich damit abfinden, dass sie Kai liebte. Das hatte er von Anfang an gewusst und damit musste er leben. Aber sie und Nat? Mühsam unterdrückte er die aufkommende Wut. Er war sich sehr wohl darüber im Klaren, dass er völlig irrational reagierte. Schließlich war er verheiratet und Hetty nicht seine, sondern Kais Freundin.
Er warf ihm einen kurzen Blick zu. Wie üblich saß der völlig gelassen da und hatte anscheinend nicht das geringste Problem damit, dass sein Militärkamerad und Freund, möglicherweise eine äußerst innige Beziehung zu Hetty gehabt hatte. Kurzzeitig wünschte er sich, genauso sein zu können. Über allem zu stehen und in sich selbst zu ruhen. Dafür bewunderte er Kai am allermeisten. Doch das war ihm leider nicht gegeben und so musste er hart an sich arbeiten, um seine gut gelaunte Miene aufrechterhalten, obwohl er am liebsten Nat am Hemdkragen aus dem Zimmer gezogen und von ihm Rede und Antwort gefordert hätte.
Was er nicht wusste war, dass Kai sehr wohl gemerkt hatte, dass er seine Gefühle verbarg, denn der erkannte das untrügliche Zeichen, das ihn auch bei Hetty immer darauf hinwies, dass etwas im Busch war. Und Patricks Augen drückten momentan rein gar nichts aus. Deshalb machte sich Kai bereit für einen Spionageeinsatz in eigener Sache. Denn sicher war sicher und er hatte so ein dumpfes Gefühl, dass heute noch ein Gespräch zwischen Hetty und Patrick stattfinden würde.
Er unterdrückte ein Aufseufzen, als er Nat ansah, der sich angeregt mit Hetty unterhielt. Als wenn es nicht reichen würde, dass er den ewigen Problemfall Patrick hatte, nein, jetzt saß noch ein zweiter Mann am Tisch, der nichts lieber getan hätte, als ihm seine Freundin auszuspannen. Wobei er zugegebenermaßen reichlich froh darüber war, dass Nat ihm gesagt hatte, dass außer ein paar Küssen wirklich nichts zwischen ihnen vorgefallen war. Insofern gab es da noch keine so tiefgehenden Gefühle, wie bei dem Jungen, der gerade Nat einen absolut gleichgültigen Blick zuwarf.
Kai ging jede Wette ein, dass Patrick kein einziger Ton zwischen den zweien entgehen würde. Er musterte Chrissie, die vergnügt am Tisch saß und immer wieder muntere Bemerkungen einwarf. Nur gut, dass seine Ziehschwester keine Ahnung davon hatte, was in dem Kopf ihres Mannes vorging. Und Patrick beherrschte seine Tarnung perfekt, das musste er ihm lassen. Soviel er mitbekommen hatte, war er der liebevollste Ehemann, den sich Chrissie wünschen konnte.
Kai starrte auf sein Rotweinglas. Mit Sicherheit waren diese Gefühle auch nicht vorgespielt, nur das, was da zwischen Patrick und Hetty einst vorgefallen war, stand nach wie vor als Thema an. Da war immer noch etwas vorhanden, was den Jungen dazu brachte, sich dumme Gedanken zu machen. Und er war sich nicht sicher, ob Hetty ihn, im Falle eines Falles, auch tatsächlich in die Schranken weisen würde. Denn es war ein großer Unterschied, ob man jemanden die kalte Schulter zeigte, mit dem einen keine Gefühle verbanden, oder ob man das Gegenüber von Herzen gern hatte.
Kai hatte nicht vergessen, dass Hetty Patrick zuliebe, erst einen Tag später bei ihm eingetroffen war. Wenn Patrick dachte, er hätte keine Rückschlüsse aus Hettys Verhalten gezogen, dann befand er sich im Irrtum. Kai musterte den Jungen, der sich inzwischen mit einem munteren Ton mit Nat unterhielt und musste zugeben, dass er sich trotz allem einesteils amüsierte. Denn Nat bemerkte nicht, dass Patrick ihm nach und nach sämtliche Informationen über seine Begegnung mit Hetty herauslockte. Kai kniff die Augen zusammen und nickte leicht mit dem Kopf. Der Junge war raffiniert und clever. Und er konnte seine wahren Gefühle noch besser verbergen, als Hetty. Doch wenn er glaubte, er könne ihn hinters Licht führen, hatte er sich schwer getäuscht.
Der Abend zog sich. Schließlich verabschiedete sich Fritz und kurz darauf meinte auch Chrissie. »Also ich geh jetzt ins Bett, wir zwei müssen schlafen.«
Dabei fuhr sie lächelnd über ihren schon ziemlich dicken Bauch. Patrick stand sofort auf und begleitete sie auf das Zimmer.
Nat warf Kai einen fragenden Blick zu. »Hast du etwas dagegen, ich würde mich gerne noch alleine mit Hetty unterhalten?«
Sein Freund zuckte nur mit den Schultern. »Nur zu, sprecht euch aus. Ich gehe auch ins Bett.«
Mit einem kurzen Handwinken verließ er das Zimmer und ging über die Treppe nach oben. In der Suite setzte er sich in einen der Stühle, legte die Beine hoch und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Sein Einsatz würde heute noch kommen. Ein leises Klicken verriet ihm, dass er sich momentan noch nicht nach unten begeben musste. Er schürzte die Lippen. Das war Patricks Zimmer gewesen. Der würde einen Teufel tun und Hetty und Nat alleine lassen. Wo immer sie auch hingingen, der Junge würde darauf aufpassen, dass nichts passierte. Kai zuckte mit den Schultern. Das war auch seine geringste Sorge. Nat hatte nicht die kleinste Chance nochmal bei Hetty zu landen. Alleine schon das Wissen, dass sie sich in Sydney zurückgehalten hatte, gab ihm diese Sicherheit. Doch er hatte die leise Ahnung, dass es von Vorteil war, den Wachhund zu bewachen.
Hetty und Nat hatten sich inzwischen Richtung Schwimmingpool verzogen. Die Poolbar war gut genug bestückt, um für ausreichend Getränke zu sorgen und hier konnten sie ungestört reden.
Nat seufzte vernehmlich auf. »Ich habe aber auch ein Glück!«
Hetty lächelte ihn entschuldigend an. »Und ich habe eine Tendenz dafür unwahrscheinliche Vorfälle anzuziehen. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen in Sydney herumlaufen und dann treffe ich ausgerechnet auf dich.«
Nat nickte. »Stell dir vor, ich habe mich einmal mit Kai unterhalten und ihm erzählt, ich hätte da eine interessante Frau kennengelernt. Er sollte doch mitkommen, die würde ihn auch auf andere Gedanken bringen. Doch er hatte keine Lust.«
Hetty sah ihn mit offenem Mund an. »Das wäre dann der absolute Supergau gewesen. Stell dir vor – ich erkenne meinen eigenen Freund nicht!«
Nat lachte auf. »Das hätte sogar Kai mal völlig aus dem Tritt gebracht.«
Dann wurde er ernst. »Aber vermutlich hättest du in dem Moment schon wieder dein Gedächtnis zurückerhalten.«
Hetty zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Vielleicht wäre das auch das endgültige Aus gewesen. Denn dann hätte ich ja nur erfahren, wer ich gewesen bin und mich trotzdem nicht erinnert. So hat es eben noch eine Weile gedauert.«
Der Blick von Nat verriet ihr, dass er an den letzten Abend mit ihr dachte, als er sie zum ersten und einzigen Mal geküsst hatte. Jetzt wurde es wohl Zeit Farbe zu bekennen.
Hetty suchte seine Augen. »Ich glaube, am besten erzähle ich dir mal die ganze Geschichte.«
Die nächste Viertelstunde hörte Nat aufmerksam ihrem Bericht zu. Wie sie im Krankenhaus zu sich gekommen war und nur gewusst hatte, dass sie eben nichts wusste. Dass der Arzt Conny zu ihr gesagt hatte und sie von dieser Frau alle Papiere besaß. Wie sie festgestellt hatte, dass diese Conny nicht gerade unvermögend war und sie dann bald darauf herausfand, dass Conny eine Erpresserin war.
Dass ihre Ermittlungen dann zu Winifred den westaustralischen Gouverneur und dessen Frau Geraldine geführt hatten und zumindest einige Tatsachen ans Licht kamen. Nämlich, dass sie selbst aus Deutschland stammte, hier in Australien mit einem Camper durch die Gegend fuhr und Leute gegen Kostenbeteiligung mitnahm. Conny war ihr Fahrgast gewesen und hatte sie anscheinend mit dem Hintergedanken gebucht, dass sie ihre Identität annehmen wollte. Doch glücklicherweise hatte der Schuss, der sie töten sollte, sie nur gestreift und die echte Conny kurz darauf einen tödlichen Unfall gehabt. Da der Camper dabei ausgebrannt war, hatte man deren Leiche als Hettys identifiziert.
Nur Kai hatte nicht an ihren Tod geglaubt und sie gesucht. Denn an der verkohlten Leiche war keine Spur des Talismans zu finden gewesen, den er Hetty geschenkt hatte. Ein platiner Armreif, der mit einer Schlange und kleinen Fledermäusen verziert war und den Hetty nie abnahm. Auch jetzt drehte sie an dem Reif, eine Angewohnheit, die sie seit dem ersten Tag angenommen hatte, an dem sie ihn übergestreift hatte. Das half ihr beim Nachdenken und stellte irgendwie immer eine geistige Verbindung zu Kai her, was ihr die Ruhe gab, den Überblick zu bewahren, wenn es wieder einmal zu konfus in ihrem Leben wurde.
Hetty wedelte mit den Händen. »Ich selbst hatte mich, nachdem ich wusste, dass diese Conny nicht mehr zurückkommen würde, eigentlich ganz gut mit meinem Leben abgefunden. Das schöne Geld und das Haus in Sydney waren genau nach meinem Geschmack. Ich hatte mit Benny und seiner Clique einen neuen Freundeskreis gefunden und nicht die geringste Lust, zur Polizei zu fahren und zu sagen, ich sei noch am Leben. Denn dann hätte ich ja das Geld zurückgeben müssen und vielleicht war ja mein altes Leben richtig schrecklich gewesen – warum hätte ich sonst mein Gedächtnis verlieren sollen?«
Nat warf ein. »Und dann bin ich aufgetaucht.«
Hetty nickte. »Du hast allerdings nur eine Hetty in abgeschwächter Form kennengelernt.«
Sie schmunzelte. »Normalerweise bin ich bei hübschen Kerlchen noch nie so zurückhaltend gewesen.«
Nat wirkte etwas verlegen.
Hetty fuhr fort. »Doch schließlich musste ich erst mal abklären, wie es in Sachen Verhütung bei mir aussah. Ich hatte nicht die geringste Lust, irgendein Risiko einzugehen. Also hieß das zuerst noch einen Frauenarzt aufsuchen und abchecken lassen, wie der Stand der Dinge bei mir war. Schließlich hatte ich keine Ahnung, ob ich nicht irgendwelche Krankheiten hatte, oder so.«
Nat starrte sie etwas irritiert an. Anscheinend war er es nicht gewöhnt, dass eine Frau so offen über dieses Thema sprach.
Hetty schmunzelte. »Zu meinen alten Zeiten hätte ich dich schon am ersten Abend abgeschleppt, aber da ich eben nicht wusste, was Sache war ...«
Sie sah, dass Nat zusammenzuckte. Tja, das war wohl etwas sehr direkt gewesen. Aber es war besser, wenn er die Wahrheit ungeschminkt erfuhr und in der Richtung hatte sie noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. »Als schließlich klar war, dass da keine Hindernisse im Weg lagen, hatte ich dann eigentlich nicht vor, noch länger zurückhaltend zu sein. Dein Pech war, dass mich eine Fledermaus erschreckt hat, als wir uns gerade küssten.«
Das Gesicht von Nat war wirklich sehenswert. Der verstand momentan nur noch Bahnhof.
Hetty grinste. »Seit ich Kai das erste Mal gesehen habe, hatte er bei mir den Spitznamen Graf Dracula weg. Wegen seiner ewig schwarzen Kleidung, dem blassen Teint und weil er die enervierende Gewohnheit hat, urplötzlich aus dem Nichts aufzutauchen.«
Nat nickte. Der Vergleich war nicht von der Hand zu weisen. Eigentlich fragte er sich, warum er und seine Kumpel nicht selbst darauf gekommen waren, vor allem da ja der Familienname von Kai hier auch noch perfekt passte.
Hetty fuhr fort. »Meinen Camper habe ich nach der ersten Reise generalrenovieren lassen müssen. Dabei hat er eine komplett neue Lackierung von einem Airbrusher bekommen – hat echt toll ausgesehen. Eine Dschungellandschaft die sich über den kompletten Wagen erstreckte und auf beiden Seitenflächen war eine Schlange abgebildet – das bezog sich auf Sssisssi meinen Schlangenschutzengel. Und ganz versteckt gab es dann noch einen Flughund mit blauen Augen und einer Narbe über der Wange. Dreimal darfst du raten, wer damit gemeint war.«
Nat brauchte nur einmal und das war nicht geraten. »Kai natürlich!«
Hetty nickte. »Und deshalb hat wohl mein Unterbewusstsein die Bremse angezogen.«
Nat seufzte innerlich. Er wusste noch genau, dass er Spaß gemacht und gesagt hatte: „Graf Dracula ist unterwegs, komm her, ich werde dich beschützen“. Und damit hatte er sich selbst ins Aus geschossen. Er hatte bis dato noch nicht geahnt, dass der Spruch „Sätze, die die Welt verändern“ tatsächlich auf Tatsachen beruhte. Momentan wollte er gar nicht daran denken, was er hätte haben können, wenn er sich diese scherzhafte Bemerkung gespart hätte.
Hetty hatte gesehen, dass er verstand. »Ich habe zuhause überlegt und mich dann doch nochmal auf den Weg gemacht, um mein altes Ich zu suchen. Mit meinem üblichen Dusel habe ich es dann geschafft auszurutschen, mit dem Hinterkopf an einen Stein zu knallen und dann war die ganze Erinnerung wieder da.«
Nat drehte sein Glas in der Hand. »Und mich hast du vergessen!«
Seine blauen Augen richteten sich nachdenklich auf Hetty. »Hast du denn überhaupt nicht an mich gedacht?«
Diese Kröte konnte sie ihm leider nicht ersparen, die musste er schlucken.
Hetty schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, bin ich in der letzten Zeit überhaupt nicht viel zum Denken gekommen. Meine plötzliche Rückkehr hat ziemlich viel Staub aufgewirbelt und ich musste mich überall zurückmelden. Und da sind mir zuerst meine ganzen alten Freunde eingefallen.«
Eine Aufmunterung konnte sie ihm zumindest geben. »Ich war auch noch nicht wieder in Sydney. Da weiß noch keiner, wer ich eigentlich wirklich bin. Kai und ich überlegen noch, wie wir das Ganze so drehen können, dass ich das Geld behalten kann.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Denn das steht mir meiner Meinung nach zu, schließlich wollte mich das Miststück töten. Ganz abgesehen davon, dass sie mir vier Monate meines Lebens geklaut hat. Wir müssen auch noch eine Lösung finden, wie ich offiziell wieder von den Toten auferstehen kann, denn für die Behörden liege ich, nach wie vor, tot und begraben in Alice Springs und muss alles, was eine Signatur verlangt, mit Conny unterschreiben.«
Nat hatte inzwischen seine Schlussfolgerungen gezogen. »Also wäre ich für dich sowieso nur eine kurze Episode gewesen. Sehe ich das richtig?«
Hetty nickte zustimmend. »Ja, ich hatte nicht vor eine feste Beziehung mit dir einzugehen. Ich fand dich nett und angenehm, aber mehr an Gefühlen war da bei mir nicht vorhanden.«
Tja, jetzt wusste er Bescheid. Hetty runzelte die Stirn. War das jetzt wirklich diplomatisch gewesen? Sonderlich anders hätte ihm das Kai auch nicht gesagt. Nur in wesentlich kürzerer Form, denn der Meister der Kurzangebundenheit übertraf sich gerne selbst darin, alles so kompakt wie möglich zusammen zu fassen. Aber wie sonst konnte man jemandem erklären, dass man ihn nicht liebte?
Die Sarkasmusabteilung mischte sich ein. »Nat kann froh sein, dass du ihn nicht liebst, sonst wäre deine Diplomatie wieder voll aus dem Ruder gelaufen!«
Hetty verzog den Mund. Das galt der Episode mit Patrick. Der hatte ihr damals, in der Nacht vor seiner Hochzeit mit Chrissie gestanden, dass er sie liebte. Und voller Entsetzen hatte sie ihm daraufhin erklärt, er wäre für sie nur ein netter Zeitvertreib gewesen. Tief verletzt hatte er dann am nächsten Tag aus lauter Trotz Chrissie das Jawort gegeben, nur um am Tag darauf von ihr zu erfahren, dass sie ihn sehr wohl liebte, aber eben nicht genug.
Seit damals wusste sie, dass man manche Dinge niemals aussprechen sollte, auch wenn sie stimmten. Vor allem sollte man einmal gemachte Aussagen nicht mehr widerrufen. Denn damit hatte sie Patrick die Möglichkeit genommen, endgültig mit ihr zu brechen. Es wäre besser gewesen, ihn in der Meinung zu belassen, sie hätte ihn nur als Spielzeug betrachtet. Doch als er sich bei ihrer Abfahrt auch noch dafür entschuldigt hatte, ihr vorgeworfen zu haben, dass sie ihm Gefühle vorgespielt hatte, da konnte sie nicht anders. Sie wollte nicht, dass er so von ihr dachte und hatte unüberlegt dann doch die Wahrheit gesagt.
Nats Stimme holte sie aus der Erinnerung zurück. »Danke, dass wir wenigstens darüber geredet haben. Zumindest weiß ich jetzt, wie ich das alles einordnen muss.«
Seine Miene wirkte nicht gerade fröhlich. Schließlich war er es nicht gewohnt zurückgewiesen zu werden, das konnte einen Mann schon treffen.
Hetty meinte tröstend. »Du kannst Kai fragen, das Leben mit mir ist alles andere als einfach. Wie gesagt, du hast nur eine Seite von mir kennengelernt. Ich kann auch ganz anders und da braucht es tatsächlich einen Kai, um damit fertigzuwerden.«
Nat stand auf. »Ich werde es sicher überleben, aber jetzt muss ich erst mal eine Nacht darüber schlafen.«
Hetty nickte. »Glaube mir, du hast dir eine Menge erspart.«
Kai hörte die Schritte auf der Treppe. Aha, Nat kam zurück. Nachdem er noch eine Weile gewartet hatte, stand er auf. Es wurde Zeit nachzusehen, wo Hetty und Patrick abblieben. So sehr er sich bei Nat sicher gewesen war, dass nichts passieren würde, so wenig verließ er sich darauf, dass Patrick kontrollierbar war. Wie hatte der Junge einst in einem Gespräch gesagt. „Wie konnte sie glauben, dass ich es bei einem Kuss belassen würde?“
Und Kai wusste mit Sicherheit, dass diese eine Nacht, die Patrick damals zugegeben hatte, gewiss nicht die einzige mit Hetty gewesen war. Der hatte einmal die Gelegenheit genutzt und würde sich auch später nicht zurückgehalten haben.
Patrick wartete ab, bis Nat im Haus verschwunden war. Er hatte das Gespräch der beiden aus der Ferne beobachtet. Worte hatte er zwar nicht verstanden, aber die Reaktion von Nat ließ doch auf einiges schließen. Vor allem hatte der, als er ins Haus ging, nicht gerade glücklich gewirkt. Hetty stand am Pool und starrte ins Wasser.
»Was war zwischen dir und diesem Kerl?«
Hetty drehte sich um und musterte leicht irritiert den Jungen, dessen Augen sie wütend anfunkelten. Warum hatte sie nicht daran gedacht, dass Patrick ihr nachgehen würde.
»Weil du das Kerlchen immer wieder unterschätzt.«
Jawohl, genau das war es. Patrick kannte sie einfach viel zu gut und wusste genau, wie sie tickte.
Da sie keine Antwort gegeben hatte, hakte er nochmal nach. »Was war da los?«
Eines musste sie sich inzwischen eingestehen. Aus dem schüchternen Jungen von früher, war mittlerweile ein sehr selbstbewusster Mann geworden. Und den konnte sie nicht mehr mit irgendwelchen Tricks abspeisen. Also bekam er zumindest die Halbwahrheit geliefert.
Sie seufzte. »Nicht das, was du denkst. Ich habe ihn in Sydney kennengelernt, aber das war auch schon alles. Bevor es zu mehr kommen konnte, wollte ich wissen wer ich bin und den Rest der Geschichte kennst du ja.«
Damit würde er sich wohl zufrieden geben. Doch Patrick ahnte, dass das nicht die ganze Wahrheit war und hakte nach. »Es ist also überhaupt nichts vorgefallen? Gar nichts? Das kannst du jemand anderem erzählen.«
Hetty wurde langsam wütend. »Mit welchen Recht nimmst du dir heraus mir Vorschriften zu machen? Die Sache geht dich überhaupt nichts an!«
Doch Patrick ließ sich von ihr nicht mehr einschüchtern. Er hatte einmal in seinem Leben den Fehler gemacht, ihr ihren Willen zu lassen, das würde ihm nie wieder passieren.
Er packte Hetty an den Schultern und zwang sie ihn anzusehen. »Und wie mich das etwas angeht. Und du weißt ganz genau, dass ich alles Recht dieser Welt habe, die Wahrheit zu wissen.«
Hetty sah die große Traurigkeit in seinen Augen und gab nach. »Nur ein paar Küsse, mehr ist wirklich nicht vorgefallen. Du brauchst dir nichts dabei zu denken, da gibt es keine verborgenen Gefühle.«
Patrick hielt ihren Blick fest. Als er sah, dass die grünen Augen wirklich nichts verbargen, war er erleichtert. Hetty bemerkte seinen Stimmungsumschwung und wollte sich aus seinem Griff lösen. Doch Patrick machte das, was er immer machte, wenn er eine kleine Chance sah. Er küsste sie.
Was er sonst noch vorgehabt hatte, löste sich in Rauch auf, als er Schritte hörte. Kai, der um die Ecke bog, sah nur noch zwei Menschen, die mit ausreichendem Abstand nebeneinander standen.
Der wissende Blick, den er Hetty zuwarf, gab ihr allerdings deutlich zu verstehen, dass er sehr wohl eine genaue Vorstellung davon hatte, was da gerade vorgefallen war. Alleine schon, dass er nicht wie üblich aus dem Nichts aufgetaucht war, sondern sich vernehmlich laut genähert hatte, war aussagekräftig. Vorausschauend hatte er dafür gesorgt, dass er in keine kompromittierende Situation geraten würde. Patrick ignorierte er komplett.
»Zeit ins Bett zu gehen!« Er legte Hetty den Arm um die Schulter und schob sie Richtung Haus.
Patrick blieb alleine zurück und schluckte, während er zusah, wie die beiden weggingen. Kai hatte diese Formulierung mit Sicherheit bewusst gewählt. Und würde jetzt genau das tun, was er sich so sehr wünschte. Diese Kampfansage war eindeutig gewesen. Frustriert ballte er die Hände zu Fäusten. Und er konnte nichts, rein gar nichts, dagegen unternehmen.
Damit hatte er auch so ziemlich recht, allerdings fand Kai, dass vorher noch ein ausgiebiges, klärendes Gespräch angesagt war.
Was bei ihm bedeutete, dass er mehr als einen Satz als Kommentar abgab. »Geh dem Jungen die nächste Zeit aus dem Weg. Du vergisst, dass er in ein paar Monaten Vater wird und verheiratet ist.«
Hetty seufzte tief auf. »Wenn du glaubst, diese Begegnung war Absicht, dann täuscht du dich. Aber Patrick will immer alles genau wissen, was mich betrifft. Irgendwie ist er der Meinung, er hätte ein Recht darauf.«
Kai kniff die Augen zusammen. »Wie kommt er denn auf die Idee?«
Hetty sah ihn bittend an. »Können wir das Thema fallen lassen?«
Und wieder fand sie einen Grund mehr, warum sie ihren Lebensgefährten so sehr liebte. Anstatt, dass er nun erst recht wissen wollte, was los war, zuckte er nur mit den Schultern und nickte. »Wie du meinst.«
Mit einem leisen Lächeln erwiderte er den Kuss, der auf diese Aussage folgte. Es hatte eindeutig einen Vorteil großzügig zu sein, diese Nacht würde er noch lange nicht zum Schlafen kommen.
Am nächsten Morgen musste er sich am Frühstückstisch ein Lächeln verkneifen. Die Nacht war bei ihm mit Sicherheit am kürzesten gewesen, aber wenn er die Mienen der beiden anderen Kontrahenten betrachtete, mit Gewissheit die angenehmste.
Nat hatte sich anscheinend damit abgefunden, dass hier nichts mehr zu holen war und seine Hoffnungen begraben. Patrick sah ihm mit einem so gleichgültigen Blick in die Augen, dass er sich sicher war, der Junge rannte innerlich die Wände hoch.
Kai wurde ernst. Die Baustelle Patrick würde noch nicht so schnell fertig werden. Und es war eigentlich kontraproduktiv, den Jungen auch noch eifersüchtig zu machen. Doch diesen deutlichen Hinweis am Abend zuvor, hatte er sich einfach nicht verkneifen können. Er hatte diese Nacht vor Hettys Rückkehr akzeptiert, aber eine Fortsetzung würde er nicht zulassen.