Читать книгу Fettnäpfchenführer Südafrika - Elena Beis - Страница 13

VORSICHT VERSUS WAHN

Оглавление

KEINE PANIK!

Auf einmal wird es sehr sehr hell und sehr sehr heiß. Zeit aufzustehen!

Silvie reißt die eh sehr lichtdurchlässigen Vorhänge auf, um Simon zu signalisieren, dass das Leben, sie und Kapstadt draußen auf ihn warten. Als sie auf dem Fenster schaut, bekommt sie eine Gänsehaut.

Wow. Aber wirklich WOW.

Der Tafelberg.

In natura wirkt er noch viel imposanter als auf den Fotos. Er ragt in unmittelbarer Nähe mitten aus der Stadt heraus. Der Anblick dieses riesigen, Ehrfurcht gebietenden Bergmassivs auf der einen Seite, die süße grüne Bergkuppe mit den vereinzelten schief wegstehenden Bäumen auf der anderen Seite und das phosphoreszierende Himmelblau drum herum lösen einen regelrechten Endorphinrausch in Silvie aus.

(Apropos: ›Signal Hill‹ schrumpft neben dem Tafelberg visuell tatsächlich zu einem Hügelchen zusammen, hat aber immerhin eine Höhe von 350 Metern. Mehr dazu siehe Lions Head & Signal Hill.)

Hätte sie keine so lange Liste an Sehenswürdigkeiten und To-Dos, die sie in den kommenden fünf Kapstadt-Tagen abhaken MUSS, würde sie sich jetzt die nächsten fünf Stunden auf den Balkon setzen, den Berg anschauen und die südafrikanische Sonne auf die Haut strahlen lassen.

Aber in ein paar Tagen geht es schon wieder weiter ins Landesinnere und von daher gilt es, keine Minute zu verschwenden! Und das mit dem fünfstündigen Sonnenbad auf dem Balkon geht an sich eh nicht. Claudia hat Silvie bereits vorgewarnt, was die Verbrennungsgeschwindigkeiten hier unten angeht. Anscheinend reicht das Ozonloch bis nach Südafrika und man verkohlt sich schneller als man einen Milchkaffee trinken kann.

»Schatz, kannst du bitte den Vorhang wieder zuziehen?«

Simon ist es nach dem monatelangen Sonnenentzug zu Hause nicht mehr gewohnt, dass ihn morgens das Licht blendet – die grausame Neon-Variante ausgenommen.

»Guten Morgen, Liebling. Zeit aufzustehen! Wir haben schon elf Uhr.«

Natürlich hat Silvie überhaupt keine Ahnung, wie spät es ist, aber sie sagt sicherheitshalber schon einmal elf, um ihren Freund aus dem Bett zu locken.

Nachdem sie sich eine halbe Tube ihrer fünf mitgebrachten 50+ Sonnenblocker großzügig auf Gesicht, Körper und Haar geschmiert hat, macht sie sich auf dem Weg zum Frühstück. Simon ist mittlerweile in die Gänge gekommen, hat aber, Gott sei Dank, noch nicht realisiert, dass es erst 8:30 Uhr ist. Umso besser! Dafür freut er sich gleich, wenn es das Frühstück noch aufs Haus gibt.

Als Simon die Treppen zum Frühstücksbereich hinunterschlurft, kann Silvie, die unten bereits am Tisch mit einer kalt gewordenen Tasse Kaffee auf ihn wartet, direkt an seinem Gesicht ablesen, dass er das Frühstück aufs Haus – hätte er denn die Wahl gehabt – gegen die Stunde Extraschlaf eingetauscht hätte.

»Ist dir eigentlich bewusst, dass es erst neun Uhr ist?«

»Tatsächlich? Na ja, umso besser, dann sehen wir ja heute noch etwas.«

Während Silvie ihren Reiseführer studiert, begutachtet Simon Silvies öligen Sardinenlook – Haare inklusive. »Ich verstehe nicht ganz, warum du mich aus dem Bett scheuchst, bevor du dich überhaupt fertiggemacht hast.«

»Wie bitte? Ich bin geduscht, geschminkt und startklar.«

»Oh, sorry. Sah nicht danach aus ...«

»Danke. Sehr charmant! DU solltest dich hier übrigens auch ordentlich eincremen, wenn du keinen Hautkrebs bekommen willst. Die Sonne ist hier nicht wie in Spanien.«

»Ich brauche keine Sonnencreme. Ich kriege nie Sonnenbrand.«

(Apropos: Am stärksten leiden Australien und Neuseeland unter dem antarktischen Ozonloch, aber auch Südafrika ist, vor allem in den Sommermonaten Oktober bis Februar, betroffen. Da die Sonne weitaus aggressiver auf Südafrika als zum Beispiel Südeuropa einstrahlt, sind Hautkrebs und schnelle Faltenbildung hier ein großes Problem. Wenn einem also an Haut und Augen etwas liegt, sollte man unbedingt Sonnencreme mit starkem Lichtschutzfaktor und eine qualitativ hochwertige Sonnenbrille mit UVA/UVB-Schutz einpacken.)

Silvie schlägt eine Stadttour zu Fuß vor, und eine Stunde später stehen die beiden auch schon auf der Kloof Street, einer schönen belebten Straße mit vielen Cafés. Simon hat seine neue Digitalkamera mit Superobjektiv trotz Silvies Protesten eingepackt – wenn er auf der Stadttour keine Fotos schießt, wann dann?

Echt erstaunlich, wie sicher man sich hier fühlt! Die Stadt hat einen exotischen, aber auch irgendwie europäischen Flair. Während Simon Fotos von den drei Bergen, den kapholländischen Häuserfassaden und vielen liebevoll eingerichteten Cafés macht, behält Silvie die Situation im Blick:

# Schwarz, weiblich, mittleres Alter – keine Gefahr

# Weißes Pärchen – keine Gefahr

Ihr Geld hat Silvie in weiser Voraussicht in ihrer Socke versteckt. Für den Fall des Falles, dass die beiden angegriffen werden, ist zumindest das Bargeld gesichert! Dafür schwitzt sie sich jetzt in den Strümpfen und Turnschuhen bei 33 Grad Celsius einen ab.

# Zwei Männer, schwarz, jung –

Sehr suspekt! Silvies Gefahrendetektor schlägt völlig aus.

Ihr Herz schlägt schneller, denn DAS könnte sie sein, die gefährliche Situation, vor der alle Reiseführer warnen. Simon und sie sind hinter einem parkenden Laster versteckt, und außer den zwei vermutlichen Gangstern kann sie gerade niemand sehen – das heißt, niemand könnte zur Hilfe springen, würden sie angegriffen!

Silvie macht schlagartig kehrt um und marschiert mit Simon im Schlepptau in die entgegengesetzte Richtung, um hinter dem Laster rasch auf die andere Straßenseite zu flüchten. Kurzer Blick nach links, dann nach rechts, dann läuft sie schnell rüber ...

Tüt!!! Tüüüt!!! Tüüüüüüüüüüt!!!

Ein blauer Wagen mit Ladefläche bremst nur zwei Meter vor Simon und Silvie ab.

(Apropos: Zweisitzer mit abdeckbarer Ladefläche statt Rücksitzen und Kofferraum sieht man oft auf Kapstadts Straßen – man nennt sie hier ›bakkies‹. Ein paar Autowagenhersteller produzieren sie ausschließlich für den südafrikanischen Markt, weil sie hier so außerordentlich beliebt sind, wie zum Beispiel ›Opel Corsa Utility‹ oder ›Ford Bantam Bakkie‹.)

Mist, stimmt! Die haben ja hier Linksverkehr. Simon hat auch falsch herum geguckt. Das Straßenüberqueren kann hier ja ganz schön gefährlich werden. Dass der Fahrer aber auch nicht vorher abbremst? Der hat sie doch schon von weiter oben über die Straße laufen sehen! Silvie sind die südafrikanischen Autofahrer jetzt schon unsympathisch. Auf der anderen Straßenseite gibt ein Obdachloser, während er eine Mülltonne inspiziert, den beiden seinen Rat mit auf dem Weg: »You must luuuk before you cross the road! Luuuk here, luuuk there. This is very dangerous, you know.«

»Du sag mal, warum hetzt du mich auf einmal auf die andere Straßenseite?«

»Da kamen zwei total gefährlich aussehende Typen auf uns zu.« Unglaublich, Simon hat tatsächlich überhaupt kein Gefühl für Gefahrensituationen.

»They are going to drive right OVER you, if you don’t luuuk!«

»Echt? Ist mir gar nicht aufgefallen ...«

»Do you have some change, brother?«

»NO.«

(Apropos: Besser »Sorry, brother/bru/dude« oder »No, thanks«. Klingt netter.)

»A cigarette?«

»No.«

»Da, dreh dich um – DIE zwei Jungs dahinten!«

Simon ist sich nicht sicher. Er kann Afrikaner nicht so gut einschätzen. Könnte sein, dass das Kriminelle sind, könnte aber auch sein, dass das zwei ganz normale junge Männer auf dem Weg zur Arbeit sind. Als er sich wieder umdreht, bemerkt Simon, dass die obere Hälfte des Tafelbergs auf einmal hinter einer riesigen Wolke verschwunden ist.

(Apropos: Der Tafelberg ist ein Schauspiel für sich. Obwohl er sich mitten in der Stadt befindet, verschwindet er im Winter oftmals völlig hinter einer weißen Nebeldecke. In den Sommermonaten wiederum bedeckt manchmal eine schmale Wolkenschicht seinen oberen Teil. Kapstädter nennen dieses Phänomen ›table cloth‹, also Tischtuch, denn es sieht so aus, als hätte man eine weiße Tischdecke über die lange Bergtafel ausgebreitet. Das ›Tischtuch‹ besteht aus feuchten Luftmassen, die vom offenen Meer aus den Tafelberg überströmen. Aus diesen zum Aufstieg – und damit zur Abkühlung – gezwungenen Luftmassen bilden sich Wolken. Da aber im Sommer an den Hängen des Berges gleichzeitig ein trocken-warmer Fallwind weht, ›verrutscht‹ das kühle Wolkentuch nicht nach unten.)

Sieht völlig surreal aus! Als er gerade ein Foto knipsen will, reißt ihm Silvie mir nichts, dir nichts die Kamera aus der Hand und steckt sie in ihre Korbtasche.

»Nicht hier!«

»Warum?«

»Da kommt schon wieder so ein zwielichtiger Typ auf uns zu.« Die beiden stehen mitten an einer Riesenkreuzung, was soll denn HIER schon passieren? Ein älterer, gepflegter Mann mit weißem Bart, Uralt-Anzughose und freundlichem Gesicht geht an den beiden vorbei und sagt »Hello, how are you«, als er bemerkt, dass die zwei ihn anstarren.

Simon wundert sich, was Silvie an diesem alten Mann mit Mandela-Ausstrahlung nicht geheuer findet. Wahrscheinlich ist es einfach die Tatsache, dass man hier auf einmal mit so vielen völlig anders aussehenden Menschen umgeben ist.

»Schatz, wir sind hier in Afrika! Nicht jeder Schwarzafrikaner, der uns entgegenkommt, ist ein Gangster.«

STREETWISE VS. STREETWAHN

Jeder Südafrikaner wird Ihnen raten, sich streetwise zu verhalten, um Kriminellen nicht zum Opfer zu fallen. ›Streetwise‹ bedeutet ›Straßen-clever‹. Heißt: aufmerksames und umsichtiges Verhalten, sobald man sich außerhalb der eigenen vier Wände bewegt. Tagträumerisch durch die Straßen spazieren geht in einem Land wie Südafrika nicht. Ein bisschen Aufmerksamkeit reicht aus, um Gefahren auf ein Minimum zu reduzieren. Hier sind ein paar grundsätzliche Tipps:

Man sollte sich ausschließlich in sicheren Gegenden bewegen und im Zweifelsfall Einheimische, Hotelbesitzer und Gastgeber fragen, welche Stadtteile und Vororte man lieber aussparen sollte. Manche Stadtteile sind zum Spazierengehen und Sightseeing tagsüber in Ordnung, sollten aber abends gemieden werden.

Wertgegenstände gehören in den Hotelsafe. Handys, Geldbörsen und alles andere, was man bei sich trägt, sollte man in einer Tasche verstauen. Egal ob im Zimmer, im Auto oder unterwegs – nichts von Wert sollte sichtbar sein. Beim Parken sollte man ALLES in den Kofferraum räumen – auch Pullis und Supermarkttüten, wenn man eine eingeschlagene Scheibe verhindern will.

Wer ist um mich herum? Darauf sollte man jederzeit ein Auge behalten. Vor sich hin träumen macht man lieber, wenn man wieder zu Hause ist. Wenn man ein komisches Gefühl hat, sollte man auf Nummer sicher gehen und die Straßenseite wechseln oder umkehren.

Als Tourist benutzt man am besten keinen Zug – Busse und Minitaxen sind okay, aber nur unter der Woche und nur wenn es hell ist.

Sollte man tatsächlich überfallen werden, gilt: Ruhe bewahren und ALLES WIDERSTANDSLOS ABGEBEN – egal was und wie viel es ist. Wegen eines Fotoapparats sein Leben aufs Spiel zu setzen, ist völlig irrsinnig. Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die meisten Gangster unberechenbar und sind und bei Widerstand auch wegen fünf Euro nicht zögern werden, ein Messer zu ziehen. Deswegen bringt man sich am besten von vornherein gar nicht erst in solche Situationen.

Oftmals, wenn man dann in Südafrika vor Ort ist und feststellt, dass das Land nicht den Horrorbildern entspricht, die man aus den Medien kennt, schlägt die Angst in Selbstüberschätzung um, und man kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es ein Kriminalitätsproblem gibt, wird unachtsam, zieht abends mit der Kamera um den Hals und dem teuren Smartphone in der Hand alleine um die Straßen und so weiter.

Man sollte jederzeit achtsam bleiben. Wenn man sich an die einfachen, oben genannten Vorsichtsmaßnahmen hält, ist man auf der sicheren Seite.

DIE BERGE VON KAPSTADT: TAFELBERG, DEVIL’S PEAK, LION’S HEAD UND SIGNAL HILL

Kapstadts Mittelpunkt ist der Tafelberg. Alle Stadtteile sind um den Berg herum gruppiert. Fragt man einen Kapstädter nach dem Weg, entlockt man ihm nur selten eine konkretere Wegbeschreibung als ›zum Berg hin‹, ›vom Berg weg‹ oder ›auf der anderen Seite des Berges‹ – was für einen nicht Tafelberg-kundigen Europäer auf der Suche nach beispielsweise Sea Point ganz schön verwirrend sein kann. Kapstädter orientieren sich nicht nur in puncto Wegbeschreibungen, sondern auch bei Wetterprognosen am Tafelberg. Überhaupt wird über das Wetter, den Wind und den Berg in Kapstadt immer lange und ausgiebig gesprochen.

Der höchste Punkt des Tafelbergs, Maclear’s Beacon, liegt einen circa 45-minütigen Spaziergang von der Bergstation der Seilbahn entfernt.

Der Tafelberg ist 600 Millionen Jahre alt, 1.086 Meter hoch, 1.400 Pflanzenarten reich (mehr als in ganz Großbritannien zusammengenommen!) und umfasst 6.000 Hektar unberührter Klippen, Ströme und einheimischer Vegetation, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Man schätzt, dass er früher, bevor ihn Wind und Wasser zurechtgestutzt haben, fünf Mal so hoch war wie heutzutage.

Die Ureinwohner von Kapstadt nannten den Tafelberg Hoeri (Meeresbucht). Im Jahr 1503 wurde er vom portugiesischen Seefahrer Saldana zu Taboa do Cabo (Tafel des Kaps) umbenannt. Der Admiral war im Übrigen auch einer der ersten Europäer, der den Tafelberg 1503 über Platteklip Gorge erklomm.

Nicht nur die Kapstädter lieben ihren Berg. Der Tafelberg ist die meistbesuchte Touristenattraktion in Südafrika. (Wandertipps siehe Kapitel 15.) Signal Hill und Lion’s Head (Löwenkopf) sind die zwei markanten grünen Bergkuppen neben dem Tafelberg.

Lion’s Head ist 669 Meter hoch und nichts für Couch Potatoes – er ist nur zu Fuß zu besteigen. Die Belohnung für den relativ gut bewältigbaren 1,5 Stunden langen Aufstieg ist ein spektakulärer 360 Grad Blick auf die Stadt und die Atlantikküste – eine fantastische Sonnenuntergangs-Wanderung. Aus der Distanz betrachtet, ähnelt er einem Löwenkopf. Die Form vom Signal Hill, oder ›Löwenrumpf‹, gleicht wiederum dem ruhenden Körper des Tieres.

Der runde Signal Hill verdankt seinen Namen der ›Noon Gun‹, der Kanone, die seit dem 17. Jahrhundert das Ankommen eines neuen Schiffes signalisiert. Heute wird sie nur noch aus Traditionsgründen jeden Tag um zwölf Uhr abgefeuert. Auf den 350 Meter hohen Berg kann man mit dem Auto fahren. Die Aussicht ist grandios. Je nachdem auf welcher Seite man herunterschaut, kann man die Strände von Clifton, die City Bowl oder die Waterfront mit der Tafelbucht im Hintergrund sehen.

An der Ostseite des Tafelberges liegt der 1.002 Meter hohe Devil’s Peak (Teufelsspitze). Einer Legende nach hat sich der Pirat van Hunks um 1700 auf den Devil’s Peak zurückgezogen, um dort zu leben. Eines Tages tauchte ein Unbekannter auf und forderte ihn zu einem Rauchwettbewerb heraus, der bis heute andauert. Der Unbekannte entpuppte sich als der leibhaftige Teufel. Da niemand den Wettbewerb bisher gewonnen hat, setzen ihn die beiden bis heute fort. Die ›Rauchdecke‹ über dem Tafelberg, das ›table cloth‹, sieht man bis heute immer wieder.

Fettnäpfchenführer Südafrika

Подняться наверх