Читать книгу 6 Punkte zum Glück? - Elfi Loth - Страница 10
7
ОглавлениеDie Fleischerei leerte sich. Der letzte Kunde zahlte an der Kasse sein Wurstpaket und ich fing an, die Theke auszuräumen. Feierabend, endlich! Der Tag war wieder lang:
Wurst verpacken und in den Kühlschrank stellen, Theke und Laden wischen, umziehen, zusperren.
Ich trat aus dem Seiteneingang der Fleischerei und wollte mich auf den Weg zu meinem Auto machen. Da stand er, Michael. Was zum Teufel machte der denn hier? Ich hatte ihm nicht verraten, wo ich arbeite. Das konnte nur Zufall sein. Ich versuchte unbemerkt an ihm vorbei zu huschen, doch es gelang mir nicht.
„Hey Ina, warte doch mal“, hörte ich seine Stimme hinter mir. An der Ampel hatte er mich eingeholt. Konnte die doofe Ampel nicht mal Grün sein, wenn ich es brauchte? Was sollte ich jetzt nur machen?
Gezwungenermaßen blieb ich stehen und tat überrascht.
„Hallo, was machst du denn hier? Äh … wie war noch mal dein Name?“
„Michael! Aus der Disco. Weißt du nicht mehr?“
Klar wusste ich noch, aber das musste ich ihm ja nicht gleich auf die Nase binden.
„Ach ja richtig und was machst du hier?“
„Ich habe auf dich gewartet“, sagte er lächelnd und sah mich mit seinen wundervollen Augen an. Sofort bekam ich weiche Knie. Heute hatte ich nichts getrunken und er gefiel mir immer noch, verdammt!
Warum wartete der Typ auf mich? Ich war ja nicht gerade höflich zu ihm und woher wusste er, wo ich arbeite?
„Hast du Zeit Ina? Wollen wir was trinken gehen?“
Eigentlich wollte ich gerade heimfahren und in meine Badewanne steigen, um den Wurstgeruch loszuwerden. Aber baden konnte ich auch später noch und zu Hause wäre ich alleine. Ich tat so, als würde ich überlegen, dabei hatte ich die Entscheidung längst getroffen.
„Ja okay, aber können wir auch was Anderes machen?“
„Was denn?“, fragte Michael, die Ampel war immer noch Rot.
Plötzlich fiel mir der Traum von letzter Nacht wieder ein..
„Kannst du Billard spielen?“
„Ja“
Die Ampel schaltete auf Grün und ich ging über die Straße. Michael kam hinter mir her.
„Wo steht dein Auto?“
Irritiert schaute er mich an.
„Etwas weiter weg, ich kenne mich hier nicht so aus, warum?“
„Weil meins gleich hier um die Ecke steht. Du kannst mit mir mitfahren.“
Das war die beste Lösung. So konnte mich keiner verschleppen, und wenn mir die Sache zu bunt werden würde, ging ich eben einfach.
Mein Siggi, ein beigefarbener Trabant 601, wartete am Parkplatz bereits auf mich. Michael kannte diese Autos nur von Bildern und betrachtete ihn skeptisch. In einem solchen Gefährt hatte er noch niemals gesessen. Wir stiegen ein und ich fuhr Richtung Spielhalle los.
Die ganze Fahrt saß Michael schweigend neben mir und beobachtete, wie ich die Lenkradschaltung bediente und sobald eine Ampel in Sichtweite kam, schon mal bremste, damit ich bei Rot auch zum Stehen kam. Jeder, der schon einmal einen Trabi gefahren ist, weiß, dass die Bremsen nicht die Stärksten sind. Aber das ist alles nur Gewöhnungssache. Ich liebte dieses Auto und für den Stadtverkehr reichte es allemal. Die Leute sagten immer: „Was, du fährst noch einen Trabi? Kannst du dir nichts anderes leisten? Die stinken doch immer so!“
Ich lächele dann nur milde und verteidigte meinen Siggi. „Ich fahre Trabi aus Leidenschaft. Leisten könnte ich mir auch ein anderes kleines Auto, will ich aber nicht. Und ein Trabi stinkt nur, wenn man hinterher fährt.“ Es stimmte schon, Zweitakter sind nicht gerade umweltfreundlich, aber wenn ich fuhr, und somit vorne saß, roch ich nichts! Mit Siggi hatte ich schon viel erlebt. Ja, ich liebte ihn.
Wir hatten Glück und es war noch ein Billardtisch frei. Michael holte die Kugeln und ich schnappte mir schon mal zwei Queues.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mit ihm Billard spielen zu fahren? Bei meinem Silberblick traf ich bestimmt keine Kugel, ans Einlochen war gleich gar nicht zu denken. Am Ende würde ich die Lachnummer des Abend sein. Michael schien meinen Augenfehler nicht zu bemerken, zumindest sprach er mich nicht darauf an und dafür war ich ihm sehr dankbar.
Clark, äh ... Michael, kam mit dem Kasten Billardkugeln und zwei Colas an den Tisch.
Ich hasste Cola, aber woher sollte er das wissen. Nett von ihm, mir was zu Trinken mit zu bringen. So unauffällig wie möglich beobachtete ich ihn aus den Augenwinkeln. Mann sah der Typ gut aus, ein echter Leckerbissen!
Ich baute die Kugeln auf und er ließ mich anfangen. Ich zielte, um möglichst beim Anstoß eine Kugel zu versenken, und stieß mit voller Wucht drauflos. Daneben. Die weiße Kugel hüpfte über den Tisch, ohne auch nur wenigstens eine Kugel einzulochen. Ich konnte von Glück sagen, das bei meinem Anstoß der Stoffbezug des Billardtisches heil geblieben war.
Bei Michael klappte es auf Anhieb. Schon beim Anstoß versenkte er eine Kugel und dann noch eine und noch eine … Ob ich hier auch mal drankäme? Es sah nicht so aus.
Er beugte sich mit seinem Queue über den Billardtisch, visierte die weiße Kugel an und sagte, „Äh … ich muss dir noch was sagen. Ich bin nicht mehr lange hier …“
Und ich antwortete wie ferngesteuert: „Ja ich weiß, du gehst in die Schweiz.“, während ich seinen knackigen Hintern bewunderte.
Michael hielt inne und sah mich irgendwie komisch an, oder bildete ich mir das nur ein?
„Also, ich bin mir sicher, dass ich dir DAS nicht erzählt habe", sagte er verwundert.
Warum konnte ich nicht einmal meine Klappe halten. Schon meine Mutter sagte früher zu mir: „Ina, erst nachdenken, dann Mund aufmachen!“
Ich konnte ihm jetzt schlecht erzählen, dass ich genau diese Situation geträumt hatte. Was soll’s. Ich beschloss, die Wahrheit zu sagen. Wenn er dann vor lauter Angst wegrannte? Auch gut. Dann kam ich früher in meine Badewanne.
Michael schaute mich immer noch verwundert an und ich konnte in seinem Gesicht die Frage lesen, die er gleich stellen würde.
„Äh …, also, ich weiß nicht, wie ich das jetzt sagen soll und du hältst mich dann wahrscheinlich für verrückt, aber … äh, naja … ich habe es geträumt.“ Endlich war es raus. Michael sagte keinen Ton.
Da interessierte sich mal ein wirklich gutaussehender Mann, mit knackigen Hintern, für mich und ich machte wieder alles kaputt. Mensch sag was, irgendetwas!
„Bist wohl eine Hexe? Da muss ich mich ja in Acht nehmen“, hörte ich ihn sagen, bevor er weiter spielte und natürlich gewann.
Ich war echt froh, dass er so reagiert hatte.
Der Abend wurde noch sehr lustig, auch wenn ich nie gewann. Michael erzählte mir von seinen Zukunftsplänen. Er würde nicht mehr lange hier sein. In spätestens drei Monaten war er weg und dann unerreichbar für mich. Er hatte sogar schon ein Jobangebot aus der Schweiz.
Irgendwie schade, der Mann sah nicht nur sexy aus, der roch auch lecker. Er kam meiner Vorstellung von Traummann sehr, sehr nahe. Das war ja wie früher im Ferienlager oder im Urlaub. Die besten Jungs lernte man immer erst am letzten Tag kennen. Warum nur?
Nach fünf verlorenen Spielen - ich hatte einfach keine Chance - fuhr ich Michael zu seinem Auto.
„Ina, das war ein sehr schöner Abend. Ich würde dich gerne wieder sehen.“
Wir saßen in meinem Trabi und er sah mich erwartungsvoll an.
„Hast du wirklich kein Telefon?“, fragte Michael.
„Würdest du denn jedem gleich deine Nummer geben?“, fragte ich zurück.
„Nein, natürlich nicht. Du bist mir eine", belustigt lächelte er vor sich hin.
„Na okay“, sagte ich und durchwühlte meine Handtasche nach einem Stift. Dann schrieb ich ihm mit einem schwarzen Edding meine Telefonnummer auf den Handrücken. Wenn man mal einen Kuli brauchte, war keiner im Handtaschenchaos zu finden. Der Mann hatte sogar schöne Hände. Heute Abend würde er beim Händeschrubben ganz bestimmt an mich denken. Die Vorstellung gefiel mir.
„So, jetzt kannst du mich mal anrufen.“
„Das werde ich machen“, meinte Michael, gab mir ein Küsschen auf die Wange und stieg aus.
Kaum hatte er die Tür zugemacht, gab ich Gas. Sein Abschiedskuss brannte auf meiner Wange und in meinem Bauch kribbelte es. Ich war so in innerlichem Aufruhr, dass ich ganz vergaß, nach seinem Auto zu schauen.
Auf der Heimfahrt blinkte ich in alle möglichen Richtungen, dabei ging es geradeaus.
Was hatte er nur mit mir gemacht? Ich war verwirrt.
Zu Hause ließ ich die Badewanne volllaufen und legte mich mit meinem Telefon ins warme Wasser. Woher wusste Michael, wo ich arbeite? Diese Frage stellte ich mir schon den ganzen Abend. Hatte er eine Freundin? So wie der aussah, bestimmt. Was wollte er von mir? Würde er mich wirklich anrufen? Ich grübelte eine geschlagene Stunde. So kam ich nicht weiter. Ich musste mit jemandem darüber reden. Moni! Ich wählte ihre Nummer und lauschte in den Telefonhörer.
„Scherz?“, meldete sich Steffen, Monis Mann, mein Schwager.
„Hallo Steffen, Ina hier, ist Moni da?“
„Ina! Sag mal, warum hast du denn beim letzten Discobesuch Moni nicht nach Hause fahren lassen?“
„Hä?“ Was erzählte der denn da? Ich hatte doch zur Heimfahrt gedrängelt, damit meine Schwester auch ja rechtzeitig zu Hause war.
„Nicht hä! Sie kam gegen drei Uhr hier an und meinte, du hättest dich mit irgendwelchen Typen unterhalten und wolltest nicht nach Hause fahren. Ich habe ihr gesagt, dass sie dich das nächste Mal eben da lassen soll.“ Ich hörte, wie Steffen nach Moni rief. Wenig später hatte ich sie an der Strippe.
„Ina, Süße …“
„Sag mal Moni, Steffen hat mich gerade rundgemacht. Warum? Ich verstehe nur Bahnhof. Du warst doch pünktlich zu Hause!“
„Später, okay?“
Ah, sie konnte gerade nicht reden. Wahrscheinlich stand Steffen die ganze Zeit neben ihr, um uns zu belauschen.
„Ja, na klar, ich komme nachher zu dir“, hörte ich sie antworten. Ich hatte gar nichts gesagt oder gefragt. Als ob ich heute nicht schon verwirrt genug war. Was sollte das alles?
„Bis dann Süße“, sagte Moni gerade und legte auf.