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Samstagabend. Ich stand gerade unter der Dusche, als es heftig an der Wohnungstür klopfte. Mist, wer sollte das denn jetzt sein? Mit meiner Kuhflecken Duschhaube auf dem Kopf stieg ich eilig aus der Wanne, wickelte mir ein Handtuch um meinen nassen Körper und öffnete die Tür. Eigentlich erwartete ich heute nur Moni, die mich zu unserem Discobesuch abholen wollte. Umso erstaunter war ich, als Peter vor der Tür stand. Ich wollte die Tür wieder zudrücken, doch er hatte bereits seinen Fuß in den Flur geschoben.

„Was willst du?“, fragte ich ihn unhöflich.

„Was ich will? Das war doch vorgestern nicht dein Ernst, Ina. Ich dachte, wenn ich mich zwei Tage nicht bei dir melde, merkst du schon, dass du mich brauchst.“

Der Typ hatte Nerven! Ich wollte heute ausgehen und musste mir noch die Beine rasieren, und da steht der da und meint, ich brauche ihn? Nee mein Lieber, der Zug ist abgefahren.

„Peter, das war mein voller Ernst. Es ist aus, ich ertrage dich und deine stinkenden Klamotten nicht mehr. Verschwinde.“

Ich öffnete die Wohnungstür weiter und versuchte ihn in Richtung der offenen Tür zu dirigieren.

„Ach, packen brauchst du auch nicht mehr. Das habe ich schon für dich erledigt.“ Kampfeslustig funkelte ich ihn an, aber er machte keine Anstalten zu gehen.

„Dann gib mir meine Sachen. Ich werde ein paar Tage bei meinen Eltern wohnen. Ruf mich an, wenn du dich wieder beruhigt hast.“

„Ich bin ganz ruhig und deine Sachen liegen hinten unter dem Balkon auf der Wiese.“

Jetzt schaute Peter mich ungläubig an und wedelte mit seiner Hand vor seinem Gesicht.

„Spinnst du? Bist du jetzt total durchgeknallt?“, fragte er, bevor er sich auf die Suche nach seinen Klamotten machte und somit endlich, ziemlich aufgebracht, meine Wohnung verließ. Mensch, der war ja richtig wütend, dabei hatte ich geglaubt, den könnte nichts aus der Ruhe bringen.

Schadenfroh verschwand ich wieder in meinem Bad, um mir endlich die Beine zu rasieren. Ich hatte noch so viel zu tun und musste mich ohnehin sehr beeilen. Wenn Moni kam, um mich abzuholen, wollte ich fertig sein.

Frisch rasiert, am ganzen Körper eingecremt und fertig geschminkt, zog ich das Schmuckstück von Overall an. Fantastisch, wie der sich auf meiner Haut anfühlt, dachte ich und schlüpfte in hochhackige, schwarze Pumps. Ich trat vor meinen Spiegel und sah mich von allen Seiten ganz genau an. Eine tolle Frau lachte mir entgegen, kein Vergleich zu der farblosen Person, die mir noch vor zwei Wochen aus meinem Spiegel entgegen sah. Ich hatte wirklich meinen Typ verändert und Anitas Schminktipps waren Gold wert. Zwar brauchte ich jetzt viel länger als vorher im Bad, um mich aufzuhübschen, aber das war es mir wert. Wer schön sein will, braucht Zeit … und Geld!

„Ina, du siehst toll aus. Heute ist dein Tag“, sagte ich zu mir, um mir Mut zuzusprechen und fühlte mich großartig.

Kurze Zeit später hupte Moni vor dem Haus. Als sie mich sah, fiel ihr die Kinnlade herunter.

„Ina? Mensch du siehst Klasse aus“, sagte sie mit staunendem Gesichtsausdruck zu mir. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen.

„Moni, der Overall ist total unbequem, aber ich finde auch, ich sehe gut darin aus.“ Augenzwinkernd stieg ich in ihr Auto ein.

„Ach ja? Na dann stört es dich ja nicht, dass du ihn mir morgen wieder zurückgibst, wenn er so unbequem ist“, meinte sie nur und zwinkerte in meine Richtung zurück, bevor sie losfuhr. Verdammt, Eigentor!

Ich würde mir was anderes einfallen lassen müssen, das war schon mal nichts.

„Und bis wann hast du heute Ausgang?“, fragte ich meine große Schwester. Steffen nannte immer eine genaue Uhrzeit, wann Moni zu Hause zu sein hatte und ich behielt den ganzen Abend die Uhr im Auge. Er blieb so lange wach, bis sie da war, nur um sie über den Abend auszufragen. Das konnte ganz schön nerven, zumal sie meistens zu spät kam und sich dann mitten in der Nacht Vorhaltungen anhören durfte wie: „Wo kommst du jetzt erst her?“, oder „Beim nächsten Mal stehen deine Koffer vor der Tür.“

„Heute soll ich spätestens um zwei da sein. Aber der kann mich mal. Ich bleibe, solange ich will", meinte Moni und konzentrierte sich wieder auf die Straße.

Ich hatte immer Angst um meine Schwester. Steffen hatte sie zwar noch nie geschlagen, oder ihre Klamotten vor die Tür gestellt, aber angedroht hatte er es ihr schon öfter und ich war mir fast sicher, irgendwann rastet er mal so richtig aus.

„Hoffentlich kommen wir heute durch die Gesichtskontrolle“, versuchte ich die angespannte Atmosphäre etwas aufzulockern.

„Mit dir sicher, du siehst rattenscharf aus. Was ist mit deiner Liste?“

„Na heute ist Punkt drei dran, Marktwert testen“, antwortete ich lachend und erzählte ihr von Peters Besuch und seiner Reaktion, als ich ihm sagte, wo sich seine Klamotten befinden.

„Ich hoffe, der hat geschnallt, dass es aus ist.“

„Das hoffe ich auch für dich Ina. Glaub mir, solche Typen können unberechenbar sein. Wenn der dich heute so gesehen hätte, der hätte dich eingesperrt.“

Das traute ich Peter nicht zu. Jedes Mal, wenn ich mit Moni ausgehen wollte und mir was Hübscheres, als Jeans und T-Shirt anzog, sagte Peter zu mir: “Du brauchst dir nichts einbilden. Guck dich doch mal an. Sei froh, dass du mich hast. Hübsch bist du nicht gerade. Du kriegst sowieso keinen Anderen mehr.“ Das hatte mir sehr wehgetan. In meiner Kindheit hörte ich das auch ständig von meiner Mutter. „Du bist hässlich, du bekommst nie einen Freund!“ Das war mir jahrelang eingetrichtert worden und irgendwann glaubte ich es.

Aber darüber wollte ich jetzt nicht weiter nachdenken. Ich strich Peter aus meinen Gedanken und damit war das Thema für diesen Tag erledigt.

Eine lange Menschenschlange hatte sich bereits vor der Disco versammelt und hoffte eingelassen zu werden. Nachdem wir endlich einen Parkplatz gefunden hatten, stellten wir uns hinten an und hielten Ausschau nach bekannten Gesichtern.

Nur langsam rückte die Schlange vorwärts und ich fing an zu frösteln. Ich wusste, dass auch Sommernächte kalt sein können, aber an eine Jacke hatte ich nicht gedacht. Nach einer gefühlten Ewigkeit standen wir endlich vor der Tür. Wir würden die Nächsten sein, wenn man uns denn einließe. Wir kamen zwar alle zwei Wochen her, um zu tanzen, aber manchmal mussten wir unverrichteter Dinge wieder abziehen. Es kam immer darauf an, wer an der Tür stand. Die Tür öffnete sich und ein glatzköpfiger, bulliger Türsteher, groß und breit wie ein Schrank, schaute uns abschätzend an. Oh nein, nicht der. Der hatte mich schon einmal nicht rein gelassen, weil ich keinen Ausweis mithatte und er mir nicht glauben wollte, dass ich schon 24 Jahre, und damit schon erwachsen war. Damals mussten wir wieder gehen.

Der bullige Türsteher öffnete die Tür weiter und ließ uns ein. Etwas erstaunt bezahlte ich den Eintritt für Moni und mich. Was eine Typveränderung ausmachte und Kleider machten wirklich Leute!

Wir bahnten uns einen Weg, durch die reichlich gefüllte Disco, bis zur Bar. Die Barkeeperin erkannte mich nicht gleich, aber dann stellte sie zwei Martini auf den Tresen.

„Ein Martini weiß und ein Martini rot, für Schneeweißchen und Rosenrot“, sagte sie und lächelte uns an. „Schneeweißchen, du siehst super aus.“

Wir waren völlig perplex. Das waren genau die Getränke, die wir hier immer bestellten, aber von unseren Spitznamen hatten wir bisher keine Ahnung. Moni bezahlte die Getränke und fragte die Barkeeperin, ob wir unser Geld, bei ihr unter der Theke lassen könnten.

„Na klar könnt ihr. Ich passe drauf auf“, meinte die junge Frau und wir verstauten unsere Portemonnaies.

„Die war ja nett, zu der gehen wir jetzt immer“, sagte Moni und wollte mich auf die Tanzfläche ziehen.

„Ne Moni, ich kann noch nicht tanzen. Ich brauche erst einen gewissen Alkoholspiegel. Das weißt du doch“, bremste ich sie in ihrer Euphorie.

„Okay, dann trinken wir erst was und schauen uns nebenbei die Männer an“, meinte sie und führte ihr Glas an die pink geschminkten Lippen. Moni hatte heute eine knallenge Jeans, die ihre tolle Figur prima zu Geltung brachte, und eine fast schon durchsichtige, weiße Bluse an. Natürlich so ein Nobelteil aus dem Laden, in dem sie arbeitet. In einer Disco leuchtet weiß ja immer und so konnte man ihren schwarzen BH deutlich sehen. Der Pinke Lippenstift, der eigentlich schon nicht mehr modern ist, bildete einen starken Kontrast zu ihrer ansonsten sportlichen Erscheinung und dem kurzen schwarzen haarspraygestärkten Haar. Er war ihr „Markenzeichen“. Sie hatte ihn immer auf ihren Lippen. Ich konnte mich nicht erinnern, sie je ohne diesen grässlichen Lippenstift gesehen zu haben.

Mit drei weißen Martinis im Blut hatte ich mir genug Mut angetrunken, um mich auf der Tanzfläche zur Musik zu bewegen. So richtig tanzen konnte ich noch nie gut. Ohne Alkohol war ich zu steif und bewegte mich als hätte ich einen Stock im Hintern. Traurig aber wahr. Der Alkohol ließ meine Hemmungen sinken und plötzlich war mir auch die Meinung anderer egal. Ich schloss die Augen und versuchte mich im Takt der Musik zu bewegen. Meiner Meinung nach sah das ganz akzeptabel aus, doch in die Spiegelwand bei der Tanzfläche traute ich mich trotzdem nicht zu schauen. Es konnte nur gut aussehen und mit diesem Edelfummel erst recht. Nach fünf Songs gönnten wir uns eine Pause und machten uns wieder auf den Weg zur Theke, um noch ein Getränk zu bestellen. Weil die nette Barkeeperin gerade nicht da war, beschlossen wir, zur Abwechslung einen Kaffee zu trinken. Leider befand sich die Kaffeebar am anderen Ende der Disco. Wir schoben uns durch die Menschenmassen und gelangten, nach einigem Schieben und Drängeln, in den langen, von gemütlichen Nischen gesäumten Durchgang, an dem sich die Kaffeebar anschloss. Die Kuschelnischen waren voll besetzt mit knutschenden und fummelnden Pärchen. Hatten die alle kein zu Hause? Moni zog mich, bis zur Kaffeebar, an der Hand hinter sich her, damit ich in der völlig überfüllten Disco nicht verloren ging.

„Zwei Kaffee schwarz bitte“, bestellte ich und tastete nach meinem Geld, um zu bezahlen.

„Mist, unser Geld liegt ja noch vorne unter der Theke der anderen Bar.“

Mit einem Kopfschütteln schaute Moni mich an.

„Ja okay, du wartest hier, ich hole schnell das Geld.“

Und schon drängelte sie sich wieder durch die vielen Leute zurück.

„Meine Schwester holt das Geld“, erklärte ich der Kaffeemaus, welche daraufhin die zwei Tassen Kaffee ein Stückchen von mir weg zog. Sie schien Angst zu haben, ich trinke den Kaffee noch vor dem Bezahlen aus.

Wo Moni nur blieb? Ja, die Disco war brechend voll und es konnte dauern, bevor sie mit unserem Geld wieder zurück war, aber so lange? Ehe die wieder da sein würde, hätten wir kalten Kaffee. Schönheitskaffee! Den brauchte ich heute eindeutig nicht. Ich fühlte mich großartig, aber langsam wurde mir die Warterei unangenehm. Die junge Frau hinter dem Tresen bediente fleißig die anderen kaffeedurstigen Discobesucher. Ab und zu schaute sie zu mir und fragte: „Na, wird das jetzt was?“ Ich zuckte nur noch mit den Schultern und hoffte, dass meine Schwester jeden Moment mit dem Geld zurückkäme. Am Liebsten wäre ich jetzt unsichtbar. Die Leute guckten mich schon an und wunderten sich, dass ich so lange herumstand, ohne mit dem Kaffee, der schon seit geraumer Zeit in meiner Reichweite stand, zu verschwinden. Moni, komm endlich, flehte ich innerlich, aber sie erschien nicht auf der Bildfläche. Ich stand da, wie bestellt und nicht abgeholt. Peinlich! Mein angetrunkenes Selbstwertgefühl schien sich auch langsam aufzulösen und meiner bisher erfolgreich unterdrückten Unsicherheit Platz zu machen.

Plötzlich tippte mir jemand von hinten auf die Schulter. Gott sei Dank, Moni, endlich. Ich drehte mich um, doch ehe ich etwas sagen konnte, hörte ich eine eindeutig männliche Stimme:

„Wenn du den Kaffee zu uns an den Tisch trägst, bezahle ich ihn.“

Ich war total verwirrt. Wer, zum Kuckuck, war denn das? Der Mann bezahlte, drückte mir eine Tasse in die Hand und bedeutete mir, ihm zu folgen. Wie in Trance trottete ich hinter ihm her. Bei einem Stehtisch, ganz in der Nähe der Kaffeebar, blieb er stehen und lächelte mir aufmunternd zu.

„Hallo, ich bin Ralf und das ist Michael“, stellte er mir seinen Begleiter und sich vor, während er mir seine Hand vor die Nase hielt. Ich nahm die mir angebotene Hand und schüttelte sie zaghaft. Was war nur los mit mir? Da stand ich hier, mit zwei wildfremden Männern und war immer noch vollkommen verwirrt. Dabei hatte Ralf mich sozusagen aus einer peinlichen Situation gerettet. Ein Danke wäre wohl angebracht.

Ich murmelte ein „Danke“ vor mich hin und sah mir die Zwei genauer an. Hatte ich mich überhaupt vorgestellt? Wie unhöflich von mir meinem Retter gegenüber.

„Hallo, ich bin Ina“, sagte ich und schon war mir der Gesprächsstoff wieder ausgegangen. Wo Moni nur blieb? Ich machte mir inzwischen Sorgen. Sollte ich sie suchen gehen? Aber ich konnte die beiden hier auch nicht einfach stehen lassen, schließlich hatten sie mir gerade aus der Patsche geholfen. Moni ist alt genug, der passiert ganz sicher nichts, versuchte ich mich zu beruhigen und schob Ralf eine Kaffeetasse vor die Nase.

„Wenn du ihn schon bezahlt hast, kannst du ihn auch trinken“, verkündete ich und betrachtete die beiden von neuem

Ralf war groß und schlank, eindeutig zu alt für mich, er hatte schon graue Haare. Sein kantiges Gesicht, mit den buschigen Augenbrauen war auch nicht mein Geschmack. Michael dagegen könnte mir gefallen. Ich schätzte ihn auf 1. 80m bis 1.90m. Da konnte ich aber auch gewaltig daneben liegen. Schätzen war nicht gerade meine Stärke. Auf jeden Fall war er größer als ich, also schon mal über 1.64m. Er hatte schwarzes, kurzes Haar mit Seitenscheitel. Irgendwie erinnerte er mich sofort an Clark Kent im Bürooutfit, nur die Brille fehlte. Am liebsten würde ich mal einen Blick unter sein Hemd werfen. Ob sich da Muskel an Muskel reihte, oder hatte er ein Sixpack? Erst jetzt bemerkte ich, wie mich seine dunklen, fast schon schwarzen Augen amüsiert beobachteten. Er hatte gemerkt, dass ich ihn von oben bis unten taxierte, und tat gerade dasselbe mit mir. Das war mir jetzt aber doch etwas unangenehm. Verlegen schob ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und versuchte eine Konversation zu beginnen. Mein Gott konnte ich schüchtern sein!

„Na, was macht ihr denn beruflich?“, fiel ich gleich mit der Tür ins Haus. Die beiden schauten sich verwundert an, und beantworteten mir, zu meinem Erstaunen, die Frage.

Innerlich griff ich mir an die Stirn. Wie blöd war ich denn? Konnte mir nichts Besseres einfallen? Da rannte doch jeder Mann gleich davon, bei so direkten Fragen, erst recht wenn es um die Existenz ging. So wurde das aber nichts mit Marktwert testen. Irgendwie war ich nervös und meistens laberte ich dann nur Blödsinn. Autsch!

Die Zwei schienen mir aber nicht böse zu sein und plauderten munter drauf los. Ralf war in der Holzbranche, was immer das heißen mochte. Da kam ja vom Sägewerkbesitzer, über Tischler, bis hin zum Drechsler oder Forstarbeiter alles in Frage. Ralf sah eher nach Bürotyp als nach handwerklicher Arbeit aus. Ich glaubte ihm kein Wort. Der verscheißerte mich sicher. Geschah mir ganz recht. Was stellte ich auch so eine dumme Frage. Angeblich kam er nicht von hier und war nur zu Besuch bei Michael. Na klar! Der brauchte nun wirklich keine Angst vor mir „männermordendem Vamp“ zu haben, Ralf war ganz und gar nicht mein Typ. Da sah die Sache bei Michael schon anders aus.

Michael kam angeblich auch nicht von hier, er wohnte ein paar Städtchen weiter und machte gerade seine Meisterschule. Aha!

„Was machst du genau, ich meine, auf welchem Gebiet machst du deinen Meister?“, wollte ich, neugierig wie ich war, von ihm wissen.

„Ich bin Optiker, ich mache meinen Optikermeister“, erzählte er und ich wäre am liebsten sofort im Erdboden verschwunden. Nach dieser Eröffnung konnte ich ihn nicht mehr anschauen. Ich blickte auf die Stehtischplatte und merkte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Auch das noch, ein Optiker. Der sah doch gleich, dass ich einen Augenfehler hatte. Na prima. Dabei gefiel er mir wirklich gut. So ein Pech aber auch.

Ich griff nach meiner Kaffeetasse, als wie aus dem Nichts, Moni neben mir auftauchte.

„Wo ist mein Kaffee?“, fragte sie frech und schaute sich suchend nach ihrer Tasse um. Na endlich, da war sie ja und ihr war nichts passiert. Oder doch? Sie sah irgendwie anders aus. Ihre Bluse war etwas knittrig und die kurzen, schwarzen Haare lagen nicht mehr haarspraystarr an Ort und Stelle. Zu ihren geröteten Wangen fiel mir nur ein Spruch ein. Warum bist du so errötet? Hat dich jemand …? Na egal, Hauptsache sie, war wieder da und ich nicht mehr, mit zwei fremden Männern, alleine. Meine Schwester schnatterte munter drauf los und schmiss sich mächtig an Ralf ran. Ihr schien er zu gefallen.

Ich traute mich nicht Michael anzusehen und unterhielt mich widerwillig mit gesenktem Blick. Bitte sprich mich nicht auf meinen Augenfehler an, bettelte ich innerlich.

„Und was machst du so beruflich?“, wollte Michael von mir wissen und sah mich neugierig an.

„Ich bin Verkäuferin in einer Fleischerei“

Ich wollte hier weg. Hilfe suchend sah ich zu Moni, doch die war so in ihr Gespräch mit Ralf vertieft, dass sie mich gar nicht bemerkte.

„Aha, kann man dich auch woanders treffen?“, fragte Michael.

Nee lieber nicht, dachte ich gerade, als ich meine eigene Stimme „Ja klar, wann denn?“, sagen hörte. War ich hier im falschen Film? Ich konnte mich doch nicht mit einem Optiker treffen.

„Gibst du mir deine Nummer?“ Oh Mann, Michael meinte das wirklich ernst.

„Äh … ich habe kein Telefon“, log ich ihn an und hoffte, nicht rot zu werden. Der dachte bestimmt, ich bin plemplem. Wer hat denn heutzutage kein Telefon, so was gibt es doch gar nicht mehr, oder? Irgendwie musste ich diesen, zugegebenermaßen, gut aussehenden Mann, los werden.

„Moni kommst du? Ich muss aufs Klo?“, unterbrach ich einfach ihr Gespräch und deute ihr mit Mimik und Gestik an, dass ich jetzt hier weg musste, und zwar auf der Stelle. Frauen gingen ja bekanntlich immer gemeinsam aufs Klo.

„Ja, Moment, ich komme gleich. Geh schon mal vor“

Ich verabschiedete mich mit gesenktem Blick von Michael. Mit einem unverbindlichen „Vielleicht sieht man sich ja mal“, verschwand ich eilig in Richtung Toilette.

Vor dem Klo wartete ich auf Moni. Zwei Minuten später stand sie vor mir. Ich zerrte sie in eine freie Pipibox und machte meinem Unmut Luft.

„Sag mal, wo warst du denn so lange? Wo hast du denn unser Geld geholt? Du kannst mich doch da nicht so einfach alleine stehen lassen. Ich stand da wie ein Trottel und die Kaffeemaus war schon sauer. Dann musste ich mich auch noch zu den zwei Typen stellen, weil die den Kaffee bezahlt haben und dann kommst du und fragst auch noch, wo dein Kaffee ist? Wo warst du?“

Moni lächelte mich an.

„Ich versteh nicht, warum du dich so aufregst. Die waren doch ganz schnuckelig. Dieser Michael steht auf dich.“

„Lenk doch nicht ab. Wo warst du?“

„Mensch Ina, ich habe da wen getroffen und mich verquatscht. Sorry, sei nicht mehr sauer.“

„Verquatscht? Seit wann zerknittert vom Reden die Bluse? Mit wem hast du denn geredet und mich dabei vergessen?“, jetzt wollte ich es aber ganz genau wissen.

Moni schaute an sich herunter und versuchte ihre Knitterbluse glatt zu streichen.

„Äh … kennst`e nicht, und wir haben im Auto gequatscht“, versuchte sie mir weiszumachen.

Die glaubte wohl, ich war auf der Nudelsuppe daher geschwommen? Sonst erzählte sie mir doch auch alles. Warum diesmal nicht? Das bekam ich schon noch raus.

Ein Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es bereits kurz vor zwei Uhr war.

„Moni, wir müssen, sonst macht Steffen wieder Theater.“

Ich zeigte auf meine Uhr und zog sie in Richtung Ausgang. Komischerweise musste ich heute nicht lange betteln und sie begleitete mich.

Die zwei Typen hatten wir nicht mehr gesehen. Besser so dachte ich und stieg in Monis Auto ein.

Meinen Marktwert musste ich ein andermal testen. Das war wohl nichts.

In dieser Nacht träumte ich von Michael. Er hatte mehr Eindruck bei mir hinterlassen, als ich mir eingestehen wollte.

In meinem Traum, waren wir Billard spielen. Als ich mich gerade fragte, wie wir hier gelandet sind, beugte er sich mit seinem Queue in der Hand über den Tisch, sah mich bedauernd an und sagte: “Ich bin nicht mehr lange hier, ich gehe in die Schweiz.“

6 Punkte zum Glück?

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