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VIER

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Ich war richtig froh, als ich am Donnerstag wieder in die Schule durfte. Der Kampf mit den Schülern darum, ob sie etwas lernten oder nicht, ob sie sich das Essen im Unterricht verkniffen und aufpassten, lenkte mich wirklich wohltuend ab.

Brandes kam in der großen Pause auf mich zu und bat mich um eine Kopie meines letzten Arbeitsblatts für den Grundkurs. Ich stellte sofort die Stacheln auf. „Möchten Sie kontrollieren, ob es lehrplankonform ist?“ Ich reichte ihm ein ohnehin übrig gebliebenes Exemplar.

„Wie kommen Sie darauf? Hübsch gestaltet... Diese Pfeile, woher haben Sie die?“

„Aus dem Zeichenprogramm“, antwortete ich abgelenkt, weil ich gerade Kopierpapier nachfüllte.

„Rufen Sie im Menü Ansicht die Zeichenleiste auf, da kriegen Sie alle diese Symbole.“

Ich richtete mich wieder auf und knallte die Papierschublade zu. Surrend fuhr der Kopierer das Papier nach oben. „Und? Schon einen Fehler gefunden?“ Er sah mich verärgert an. „Nein. Was bringt Sie eigentlich darauf, dass ich nach Fehlern suche? Vielleicht suche ich Inspirationen?“

„Haha, als Fachbetreuer? Aber bitte, Sie dürfen es gerne verwenden!“

„Vielen Dank. Haben Sie heute noch eine Freistunde?“

„Ja, in der fünften – warum?“

„Sind Sie misstrauisch! Können Sie mir das mit der Zeichenleiste kurz zeigen? Im Silentiumraum?“

„Klar, kein Problem.“

Meine Laune hob sich, ich erklärte zu gerne anderen etwas in der Textverarbeitung – egal wem. Trotzdem war ich sicher, dass er nur nach etwas suchte, was er mir vorwerfen konnte, so wie bei den Exstapeln, die er nachzusehen hatte. Wenn allerdings meine Arbeitsblätter in die Beurteilung eingingen, konnte das auch nicht schaden, ich fand sie selber gut.

Zunächst nahmen wir in der 9 a die Weltwirtschaftskrise durch, aber das Fazit war nicht hundertprozentig nach meinem Geschmack: Kevin, gefragt, was er heute Wichtiges gelernt habe, antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Nie Aktien auf Kredit kaufen!“

„Ja, gut – und sonst?“

„Nichts sonst. Das kann man doch echt brauchen!“

Ich wandte mich an die anderen. „Und was versteht man unter antizyklischer Wirtschaftspolitik?“

Dumme Gesichter. Ich seufzte. Stand ja alles an der Tafel, aber bitte! „Was hat Brüning denn falsch gemacht?“

Na, wenigstens eine! „Sandra?“

„Gespart, statt die Wirtschaft anzukurbeln.“

„Wer sagt´s denn! Dann weißt du auch, was antizyklische Wirtschaftspolitik ist. Genau, was Brüning nicht gemacht hat, der hat sich zyklisch verhalten.“

Jetzt schossen die Finger aber hoch!

„Ich! Ich!“

„Also, Torsten?“

„Antizyklisch heißt in der Krise Geld raushauen und in guten Zeiten sparen!“

„Genau - abgesehen von der Formulierung. Und wie heißen die guten Zeiten korrekt?“

„Hochkonjunktur!“

„Und was haben wir gerade jetzt?“

Ratlosigkeit.

„Na, wie schaut die Börse aus?“

„Lässt nach... Ist das schon eine Rezession?“

Ich lachte. „Das wäre übertrieben, aber die Hausse scheint vorbei zu sein. Seid vorsichtig beim Börsenspiel!“

Ich traf Brandes im Silentiumraum, und er hatte sogar schon einen der vier Rechner hochgefahren, natürlich mit sicherem Griff den, bei dem Maus nicht richtig funktionierte. Ich sagte aber nichts, man sollte Lernwillige nicht vergrämen, sondern bat ihn nur, das Textverarbeitungsprogramm aufzurufen. Wir legten die Zeichenleiste auf den Bildschirm und ich übte mit ihm eine halbe Stunde lang den Umgang mit den Elementen.

Er war durchaus gelehrig; manche Kollegen stellten sich ja furchtbar an oder waren so ungeübt, dass sie anfangs nicht einmal die Mausbewegungen koordinieren konnten. Schließlich konnte er selbständig einen Text in eine Sprechblase einbauen und einen mit Schlagschatten verzierten Pfeil darauf richten. Damit schien er zufrieden zu sein - und ich auch.

„Vielen Dank für den Unterricht. Gehen Sie noch mit, auf eine Zigarette?“

„Danke, aber ich muss noch etwas kopieren“, lehnte ich ab und sein freundlicher Blick verschleierte sich etwas, bevor er aufstand und es mir überließ, den Rechner wieder herunterzufahren. Stoffel! Aber sonst war er so blöde auch wieder nicht. Konnte nicht schaden, mit dem Fachbetreuer auf friedlichem Fuß zu stehen – wenn er mich ließ. Ich war kaum mit dem Computer fertig und wollte gerade gehen, als Holzner hereinkam und mir einen miesen Blick zuwarf. Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und verließ den Raum, um wirklich noch etwas für den Deutsch-Grundkurs zu kopieren. „Mit solchem Quatsch können Sie herumspielen, aber anständig kochen nicht!“

Ich sah ihn verblüfft an. Welche Schwachköpfigkeit sich hinter dem ganz normalen Aussehen verbarg!

„Ich kann kochen, wieso?“

„Und nähen?“

„Für den Hausgebrauch reicht es. Und ein Auto reparieren, Videokanäle einstellen und Lampen anschließen. Sonst noch Fragen?“

„Wozu brauchen Sie dann noch einen Mann?“

Ich tat so, als überlegte ich. Was würde ihn am meisten aus den Latschen hauen?

„Eigentlich für nichts, Männer sind doch auch zu nichts zu gebrauchen, oder? Höchstens fürs Bett...“

Ich zwinkerte ihm schmutzig zu. Das musste den Frömmler doch begeistern? Er schnaufte so laut, dass ich das erstickte Geräusch vom ersten Tisch nebenan fast überhört hätte. Da amüsierte sich eine(r), sehr gut! Dann hatte ich doch für das, was jetzt gleich kam, wenigstens einen Ohrenzeugen... „Hure Babylon!“, zischte er und trabte davon.

Ich sank hilflos kichernd zu Boden und wischte mir die Augen. Bettina kam angesprungen und versuchte mir aufzuhelfen. Brandes war plötzlich auch da. „Hat er Sie geschlagen?“ Das hättest du wohl gerne...

„Was? Aber nein, ich musste nur so furchtbar lachen... Gott, ist der blöde! Soll ich ihn bei der Chefin verpetzen? Ach, was soll´s!“ Ich konnte mein Kichern schon wieder nicht mehr unterdrücken.

„Wenn du in Zukunft immer einen Lachkrampf kriegst, wenn du ihn siehst, haben wir doch schon viel erreicht...“

Brandes sah verständnislos drein, aber das war mir egal. „Göttlich“, keuchte ich und kopierte schnell fertig, während Bettina mir zuflüsterte: „Hast du gesehen, er hat jetzt eine andere Tasche, so ein Plastikding – der Räucherhering scheint gewirkt zu haben.“

Das brachte mich nur noch mehr zum Lachen.

Vielleicht war es ganz gut, dass ich am Freitag keine Freistunden hatte, sonst hätte ich wahrscheinlich wieder bei Holzners Anblick hysterische Anfälle bekommen. So absolvierte ich meine Stunden einigermaßen mit Stil, erklärte zum hundertsten Mal, dass ich nicht beim Friseur gewesen war, gab der ganzen Bande ordentlich etwas auf und verzog mich dann ins Wochenende.

Schon wieder zweieinhalb freie Tage – und ich hatte nichts zu korrigieren! War das nun gut oder würde mich das wieder zur zum Nachgrübeln anregen, Nachgrübeln darüber, womit ich eigentlich so unzufrieden war? Nun, zuerst kümmerte ich mich mal um die Wohnung und kaufte fürs Wochenende ein. Die Stunden für die kommende Woche sollten auch noch vorbereitet werden, einige Arbeitsblätter könnte ich noch basteln – und Brandes immer eine Kopie ins Fach legen, er würde es noch bereuen, dass er sie kontrollieren wollte. In Papier ersticken sollte er!

Befriedigt packte ich meine Tasche für Montag und kochte mir dann eine Tütensuppe. So gut kochte ich nun auch nicht, wie ich es Holzner gegenüber behauptet hatte. Nähen konnte ich aber wirklich, allerdings hatte ich meine Nähmaschine vor zwei Jahren Bettina geliehen, die sie dringender brauchte.

Feierabend!

Ich setzte mich auf den Boden und schaltete den Fernseher ein. Oh, gut, ein klassischer Freitagskrimi. Die übliche Haushälterin hatte den üblichen Toten in der üblichen Villa gefunden und alle – den triefäugigen Oberinspektor eingeschlossen – wiederholten jede Aussage ad infinitum. Nur so konnte der poplige Fall eine Dreiviertelstunde dauern. Bestimmt war´s der dubiose Geschäftspartner, der hatte das beste Alibi... Jacques Breuer, wie immer.

Mittendrin läutete es an der Tür. Nein, nicht im Krimi, in echt. Ich erschrak richtig: Hatte es bei mir schon jemals geläutet – abgesehen von den Zeugen Jehovas? Wer konnte das sein? Ich linste durch den Spion und riss dann die Tür auf.

„Neil! So eine Überraschung! Komm doch rein!“

„Hab ich dich beim Fernsehen gestört? Tut mir Leid.“

Er setzte sich schon bereitwillig, um mitzugucken. „Willst du was trinken?“

„Hast du ein Bier?“

„Ja... noch nicht mal abgelaufen. Hier!“

Ich reichte ihm Flasche und Glas. Er schenkte sich ein und trank durstig, ohne den Blick vom Bildschirm zu lassen. Hatte man ihm den Fernseher gepfändet? „Was liegt denn an? Du bist doch sicher nicht zum Fernsehen gekommen, oder?“

Er lächelte mich liebevoll an. „Karen, du änderst dich nie. Alles muss einen Zweck haben, ja?“

„Naja... Bist du zufällig in der Gegend und mein Klingelschild hat hier geschrien?“

„Nicht ganz. Ich wollte dich mal wieder sehen. Wie geht´s dir so?“

< xml:lang="EN-GB">„Danke, gut! Thank God it’s Friday, you know? “

Er lachte. „Stimmt, du bist ja jetzt berufstätig. An welcher Schule eigentlich?“

„Leo. Und wie geht´s dir so?“

Das interessierte mich wirklich. Als wir uns getrennt hatten, waren wir beide fast fertig gewesen, und das war sieben Jahre her.

„Hm... ich promoviere, bei Stahlmann.“

„Immer noch? Das hattest du doch vor sieben Jahren schon vor?“

„Ich bin bald fertig, nach dem nächsten Semester bestimmt.“

„Wie alt bist du jetzt? Einunddreißig?“

„Zweiunddreißig. Noch nicht vergreist! Sei nicht so streng mit mir!“ Er sah mir tief in die Augen. Was sollte das werden? Eine aufgewärmte Affäre? Hatte seine Freundin heute etwas Besseres vor?

„Sag mal, willst du mich hier anbaggern?“ Ich lachte spöttisch, um zu zeigen, dass ich das nicht wirklich glaubte.

Er grinste kurz. „Vielleicht?“

„Wie geht´s deiner Freundin – Hella, nicht?“

„Hella ist schon lange passé. Zurzeit bin ich solo...“

Wieder ein tiefer Blick aus seinen braunen Augen. Sooo treuherzig! Wie bei Fabian aus der Kollegstufe. Ich musste lachen.

„Was ist?“

„Du erinnerst mich an einen meiner Schüler. Der guckt auch so Mitleid heischend, wenn er nichts gelernt hat...“

Neil rückte beleidigt ein Stückchen zur Seite, dann überlegte er es sich wieder anders und legte mir einen Arm um die Schulter. Der wollte tatsächlich was von mir! Das musste ich mir näher angucken! „Also – und nun reaktivierst du die abgelegten Damen?“

„Aber nein! Wir haben uns doch immer gut verstanden, oder? Ich wollte dich einfach gerne mal wieder sehen...“

Noch ein treuer Blick, der immer näher kam. Ach, warum eigentlich nicht? Vielleicht war es ja das, wonach ich mich sehnte. Als er mich küsste, erwiderte ich seinen Kuss nachdenklich. Ja, schon recht nett, wirklich. Der nächste Kuss fiel schon etwas intensiver aus. Er sah mich forschend an. Ich gab den Blick entsprechend zurück.

„Komm, der Boden ist so hart!“

Er zog mich hoch und nahm mich fest in die Arme, bevor er mich noch einmal küsste. Seine Hände auf meinem Rücken – nein, das war schon eher mein Hintern – waren immer noch vertraut. Ich ließ meine Hände ebenfalls ein bisschen wandern und spürte sofort die Wirkung. Zweiunddreißig, ja, aber noch nicht tot... Gar nicht tot.

Dumm war er nicht, obwohl er noch nie hier war, wusste er, wo das Schlafzimmer war, und dirigierte mich sacht dorthin. Mittlerweile war die Stimmung schon etwas hitziger geworden; sobald wir aufs Bett gefallen waren, wühlten wir uns gegenseitig hastig aus unseren Klamotten und sahen uns schwer atmend an, bevor Neil sich über mich beugte. Er küsste kurz meine Brüste und kam dann zur Sache, nachdem er noch schnell ein Kondom aus seiner Jacke gefischt hatte - offenbar allzeit bereit!

Als er in mich eindrang, keuchte ich erfreut auf. Schon ganz schön lange her... Dann schlang ich meine Beine um seinen Rücken wie früher und ließ mich auf den Rhythmus ein, der sich allmählich steigerte. Natürlich kam er vor mir – nichts hatte sich geändert. Doch, er machte noch ein bisschen weiter, bis ich ebenfalls zum Orgasmus kam. Hatte diese Hella ihm das beigebracht? Ich sollte mich direkt bei ihr bedanken, überlegte ich vage. Neil lag nun neben mir und starrte an die Decke. Schon ein gutes Gefühl, hinterher, überlegte ich. Aber das war es nicht gewesen, wonach ich mich sehnte. Ich bräuchte jemanden, der mich hinterher im Arm hielt – aber nicht Neil... „Schöne Wohnung“, murmelte er nachdenklich.

Oha! Wollte er hier einziehen? Kam ja gar nicht in Frage!

„Danke“, antwortete ich misstrauisch.

„Hast du auch ein Arbeitszimmer?“

„Sicher. Gegenüber.“

Er sprang aus dem Bett und lief hinüber. Ich sah ihm nach. Immer noch eine gute Figur, vielleicht etwas fester um die Hüften als früher. Dafür auch breiter in den Schultern... Er konnte sich noch sehen lassen.

„Superrechner“, stellte er lakonisch fest, fiel wieder ins Bett und schlang den Arm um meine Schulter.

„Den brauch ich selbst“, war meine ungnädige Antwort. Neil lieh sich gerne etwas aus, und man sah es meistens ewig nicht wieder – wenn überhaupt.

„Nein, ich will ihn gar nicht ausleihen.“

„Du willst ihn aber benutzen?“

„Nein... Kannst du mir nicht schnell was tippen?“

Ach Neil! Jetzt wusste ich wieder, warum ich damals gar nicht so traurig war, als er mit einer anderen abzog: Neil machte furchtbar viel Arbeit. „Was denn?“

„Naja, also ich brauche doch noch einen Schein, nicht?“

Ich wartete in finsterem Schweigen. „Und ich dachte, die Seminararbeit...“ Angesichts meines Blicks verstummte er kläglich. Ich sah ihn kopfschüttelnd an. „.Ich tippe doch nicht dreißig Seiten für eine Nummer! Zieh dich an und verschwinde, ja?“

„Aber Karen - “

„Komm, verpiss dich!“ Den Zorn musste ich spielen. Das hätte ich mir wirklich denken können, ich kannte Neil doch - ohne giftigen Blick war er aber nicht loszuwerden. Hastig schlüpfte er in seine Sachen und hüpfte zur Tür, den zweiten Schuh zubindend. Ich lehnte, noch nackt, in der Schlafzimmertür und sah ihm zu.

„Find ich echt ungefällig von dir, Karen...“

Die Tür fiel hinter ihm zu. Ich fiel aufs Bett zurück und lachte hysterisch. Typisch Neil, hielt seine Bettleistungen für so toll, dass er sie eintauschen wollte. War das eigentlich Prostitution? Ach Neil, du Trottel, hättest du nur vorher gefragt... Trotzdem, die kleine Vögelei hatte mir ganz gut getan, wenn es auch nicht annähernd an die Szenen aus Bezaubert hinkam. Aber das schaffte die Wirklichkeit wohl nie.

Wer der Mörder war, hatte ich jetzt auch verpasst. Egal. Ich entsorgte das Kondom, duschte schnell und ging ins Bett. Immerhin, gut zu wissen, dass ich´s noch konnte. Konnte man Sex überhaupt verlernen? Blöder Gedanke.

Das Wochenende vertrödelte ich gemütlich; am Sonntag ging ich mit Bettina und Emma in den Tierpark. Emma betete die Meerschweinchen an, die gleich hinter dem Eingang untergebracht waren, so dass wir uns ungestört unterhalten konnten. Bettina erzählte von Volker, den sie auch in der Woche insgesamt höchstens eine Stunde gesehen hatte, als er sich frische Kleidung holte und schnell duschte.

„Er faselte vom totalen Durchbruch und sah richtig fiebrig aus. Dabei haben die eine Cash-burn-Rate, dass es einen grausen kann. Ich glaube, die stehen auch schon auf dieser Todesliste. Vielleicht ist er deshalb so durch den Wind. Das Geld reicht höchstens noch drei Monate, wenn nicht bald ein Auftrag kommt.“

„Und das erzählt er dir alles beim Duschen?“

„Quatsch. Das hab ich von seiner Mitarbeiterin, Conny. Die passt ja auch in meinem Auftrag auf, dass er ab und zu mal isst und schläft. Ich glaube, ich bin froh, wenn der Laden eingeht. So macht´s Volker nicht mehr lange.“

„Du hängst ja doch noch an ihm?“

„Na, ich weiß nicht – aber er ist Emmas Vater. Ich wünsche ihm nichts Böses. Und was liegt bei dir an?“

Ich kicherte bei der Erinnerung und erzählte ihr von Neils missglücktem Coup.

„Fühlst du dich nicht ausgenutzt?“

„Nein, warum – ich hatte doch keine Arbeit damit. Eigentlich war er der Ausgenutzte. Er hat investiert und nichts zurückbekommen. Aber solche Nummern bringen nicht viel, das ist mir doch aufgefallen. Man soll nichts aufwärmen.“

„Sex mit dem Ex?“

„Genau, das führt zu nichts, wenn man den Ex nicht wieder haben will. Und Neil brauche ich so nötig wie eine Ratte in der Wand.“

„Männer!“, seufzte Bettina, aber da kam Emma angerannt und wollte ganz dringend und ganz sofort auf den Spielplatz. „Ach, Emma, der ist doch noch viel scheußlicher als der bei uns um die Ecke!“

„Der ist ganz toll, da gibt´s doch das Netz – und die Eisenbahn!“

„Also gut...“ Während Emma in dem Netz auf Tauen herumkletterte und mit der Bahn rund um den Spielplatz fuhr, unterhielten wir uns weiter. „Vermisst du nicht manchmal einen Mann in deinem Leben – ich meine, einen, der auch da ist?“, fragte ich sie.

Sie zuckte die Achseln. „Vielleicht – aber auf den müsste ich mich dann auch wieder einlassen. Und das hab ich schon so oft gemacht und es hat sich nie gelohnt. Nur Volker, der hat mir wenigstens Emma eingebracht. Suchst du nach dem idealen Mann?“

„Weiß ich nicht. Ich weiß zurzeit überhaupt nicht, was ich will. Nur eins: Der Gedanke, noch fünfunddreißig Jahre lang auf demselben Platz im Lehrerzimmer zu sitzen, erschreckt mich etwas. Du hast Emma und siehst, wie sie aufwächst. Mir scheint die Zukunft so gleichförmig...“

„Vielleicht brauchst du ein Kind...“ Bettina zündete sich eine Zigarette an und sah ihrer vergnügt kreischenden Tochter auf dem Klettergerüst zu.

„Brauchen – das arme Kind, als Beschäftigungstherapie für mich?“

„Phh! Was glaubst du, warum die meisten Frauen in unserem Alter und darüber Kinder kriegen? Wie ein neues Hobby! Alles ausprobiert, alles erlebt, leicht angeödet – jetzt mal ein Kind! Warum haben wir denn so viele seltsame Fünftklässler?“

„Grässlicher Gedanke... Nein, ein Kind will ich nicht unbedingt, das ist es nicht.“

Ich sah sie ganz verzweifelt an. „Ich weiß nicht, was ich will, das ist es ja!“

„Du solltest dich ein bisschen mehr herumtreiben, vielleicht tauchen dabei Optionen auf. Wenn du immer brav zu Hause sitzt und korrigierst, kommst du doch nie auf die zündende Idee.“

„Vielleicht hast du Recht.“

Als Emma endlich genug hatte, schlenderten wir langsam wieder nach Hause. Nun hatte ich wieder Stoff zum Nachdenken, aber weitergeholfen hatte mir das Gespräch eigentlich auch nicht.

Ein anstrengender Sommer

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