Читать книгу Nun spricht Chandra: „Der Bart ist ab, die Weisheit wächst.“ - Elke Anna Maria Timm - Страница 7

Kapitel 1 Wer bist du, Chandra Mohan Jain?

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Vorab: Chandra und ich, wir befinden uns, seit er in mein Leben getreten ist, in einem ständigen Austausch. Und da ich mich nicht andauernd wiederholen möchte, indem ich schreibe: – sagte Chandra – antwortete ich - oder umgekehrt, wähle ich, um es für uns alle angenehmer zu gestalten, für alles, was er sagt, die Kursivschrift und setze meine Antwort, ohne sie weiter als Antwort anzukündigen, in normaler, gerader Schrift dahinter.

Ich setzte mich, steckte ein Lesezeichen in das Buch, das noch aufgeschlagen vor mir auf dem Küchentisch lag, und schob es zur Seite.

„Was liest du da?“

„Philosophie Grundlagen.“

Er lächelte, wieder dieses Lächeln, bei dem ich nicht recht wusste, wie ich es interpretieren sollte, und nickte, immer noch lächelnd, mit dem Kopf. Überhaupt scheint dieser Mann sehr häufig zu lächeln und seine Augen funkeln dabei auf eine Weise, die mich schon etwas verunsichert.

„Philosophie Grundlagen, aha?“, er machte eine Pause, „warum liest du dieses Buch?“

„Weil ich jetzt, im Alter von 58 Jahren erst verstanden habe, was Philosophie überhaupt ist beziehungsweise was sie tut. Ich hatte sie Zeit meines Lebens offensichtlich in einen ganz falschen Topf geworfen. Ich habe sie immer nur in Zusammenhang mit der Lyrik oder Poesie gesehen, keine Ahnung wieso, vielleicht durch Shakespeare, - sein oder nicht sein…- du weißt schon. Erst jetzt, während der Coronakrise, las ich so viele Berichte und Bücher, verfasst von Professoren der Philosophie, dass mir schnell dämmerte, dass ich völlig auf dem Holzweg war mit meiner Ansicht über diese Wissenschaft.“ – Der Weise hob kaum merklich den Kopf, als wollte er etwas einwenden, aber ich kam ihm zuvor. „Ich weiß, dass man sich darüber streitet, ob die Philosophie eine Wissenschaft ist, meiner Meinung nach ist sie es, denn sie schafft Erkenntnisse und Wissen – wenn man überhaupt von Wissen sprechen kann, bzw. überhaupt klären kann, was Wissen“ – weiter kam ich nicht – mein Gegenüber lachte auf und hatte offensichtlich großes Vergnügen an meinen Überlegungen. Ich war kurz irritiert, angesichts seiner Reaktion und erzählte dann weiter. „Also schlug ich die Definition der Philosophie nach - Die Lehre von Erkenntnis und Wissen, die Liebe zur Weisheit, zur Wahrheit. Die Frage nach dem Sinn des Lebens… OK, Philosophie, dachte ich, offensichtlich mein Thema, und so kaufte ich mir Bücher und je mehr ich lese, umso mehr fesselt sie mich die Philosophie. Gerade im Zusammenhang mit der Coronakrise habe ich plötzlich angefangen, über so vieles nachzudenken, über das ich mir früher keine weiterführenden Gedanken gemacht habe. In den letzten Jahren habe ich meinen Schülern beigebracht, dass Toleranz und Flexibilität Schlüsselbegriffe sind, wenn es darum geht, sich weiterzuentwickeln. Doch jetzt, zu „Corona Zeiten“, hat das Wort Toleranz für mich eine völlig neue Bedeutung bekommen.“

„Wie meinst du das?“

„Nun ja, Toleranz – Duldsamkeit, also erdulden, gewähren lassen, gelten lassen – die Meinung anderer gelten zu lassen, obwohl ich weiß, dass sie in ihr Unglück rennen, dass sie größeren Schaden nehmen können, wenn sie sich beispielsweise impfen lassen, als das Coronavirus ihnen schaden könnte, wenn sie es bekämen. Hat hier das Wort Toleranz nicht einen sehr bitteren Beigeschmack? Würde man es hier nicht besser mit Gleichgültigkeit übersetzen? Und kann es mir gleichgültig sein, wenn Freunde, Patienten, Klienten, Schüler, weil sie nicht umfassend informiert wurden, Schaden nehmen? Ich kann es nicht, ich kann es einfach nicht. Ich sehe mich in der Verantwortung, sie zu informieren, sie wachzurütteln. Auch wenn ich damit anecke, na und, was soll‘s, das hat mich nie davon abgehalten zu sagen, was ich denke. Aufgeben ist keine Option. Und zu warten, bis das Leben sie lehrt, was es aus der ganzen Coronageschichte zu lernen gibt, halte ich in diesem Fall für sehr gefährlich. Denn dann war‘s das unter Umständen mit ihrer Gesundheit, dann ist es zu spät.

„Woher ziehst du deine Informationen über das Thema?“

„Aus Büchern von Experten, die jahrelang in der Forschung tätig waren und die man jetzt als Querdenker abstempelt, weil sie sich kritisch äußern. Ich recherchiere im Internet, informiere mich auf nicht zensierten Seiten und bilde mir daraus meine Meinung.“ Chandra hob seine rechte Hand und legte den Kopf schief, er wollte damit wohl sagen, dass die Anderen das auch tun könnten. Bevor er jedoch sprechen konnte, sprach ich weiter. „Natürlich hätten alle die Möglichkeit, sich eine Meinung jenseits der Medien, aus Büchern und Berichten von Experten zu bilden. Das weiß ich auch. Aber sie tun es nicht, sie glauben dem, was die Medien berichten. Viele können sich einfach nicht vorstellen, dass sie belogen werden. Ehrlich gesagt, konnte ich das anfangs auch nicht. Wenn es in mir, bei dem Gedanken an das Virus, nicht so total still gewesen wäre, ich so gar keine Resonanz auf das Ganze bekommen hätte, wäre ich wahrscheinlich auch nicht auf die Idee gekommen, dass man das alles so hochspielt. Ich zweifle nicht daran, dass es das Virus gibt, aber ich bekomme keine Resonanz darauf, dass es so gefährlich ist, dass man das Leben der Menschen durch Maßnahmen gefährden muss, die unter Umständen gefährlicher sind als das Virus selbst. Natürlich habe ich das alles auch bei der Geistigen Welt hinterfragt, sie bestätigen es, genau so, wie ich es von Anfang an gefühlt habe. Und deshalb kann ich nicht einfach duldsam sein, und zusehen…

„Welch eine Leidenschaft – wie heißt du eigentlich?“

Abrupter Themenwechsel. OK. Ich musste lächeln. Sauber ausgebremst und mich wieder zur Ruhe gebracht. Anders als sonst bringt dieses Thema mich wirklich auf die Palme und meine sonst eher besonnene Art kann schon mal hochkochen. Zwar nicht im Gespräch mit Schülern oder Klienten, aber im privaten Rahmen schon. Ach ja, mein Besucher fragte mich ja nach meinem Namen.

„Elke, Elke Anna Maria“ antwortete ich ihm nach einem tiefen Atemzug.

„Elke Anna Maria? Sie sagten mir, Sera Mira fragt nach dir.“

Er schaute mich fragend an.

„Sera Mira nennt mich nur die Geistige Welt. Mein weltlicher Name ist Elke Anna Maria.“

„Und wie soll ich dich nennen?“

„Nenne mich, wie du willst. Mittlerweile ist es mir egal. Such es dir aus.“

„Mittlerweile ist es dir egal? Magst du mir das erklären?“

„Als Merlin mich zum erstem Mal Sera Mira nannte, habe ich ihn gefragt, was das soll. Das ist nicht mein Name. Ich heiße Elke Anna Maria. Er lächelte und antwortete:

„Hier vielleicht, aber nicht bei und nicht für uns, Sera Mira.“ Da ich der festen Überzeugung bin, dass jede Seele sich ihren Namen selbst aussucht, bevor sie wieder inkarniert, und die Energie, die dieser Name trägt, Einfluss auf die Entwicklung des Namensträgers hat, blieb ich zunächst einmal stur und beharrte darauf, dass man mich mit dem Namen anspricht, den ich mir gewählt habe, als ich in dieses Leben ging. Merlin ließ dies zunächst einmal so stehen, es hielt ihn aber nicht davon ab, mich weiterhin Sera Mira zu nennen – genauso wenig wie all die anderen (Metatron, Michael, Ganesh, Jesus…)“

„Hast du dir einmal Gedanken darüber gemacht, dass du über deinen irdischen Namen hinausgewachsen sein könntest?“

„Natürlich habe ich mir Gedanken darüber gemacht. Und wahrscheinlich ist das der Grund, warum es mir egal geworden ist, wie sie mich nennen. Ich bin, die ich bin.

Also ist es egal, wie sie mich rufen.“ Chandra lachte laut und da war es wieder, dieses Lächeln, dieses Kopfschütteln und dieses Funkeln in seinen Augen.

„Aber jetzt frage ich dich, warum hast du dir diesen merkwürdigen Namen gegeben? Ich weiß, er bedeutet Lehrer. Aber Chandra klingt viel schöner und es bedeutet Mond - und bist du über den Mond hinausgewachsen oder hast du befürchtet, dass deine Schüler dich nicht als ihren Lehrer sehen, wenn du ihnen deine Funktion nicht schon im Namen vorgibst?“ Nun lachte er so, dass er kaum sprechen konnte. (Da ich im Mondzeichen geboren bin, hatte für mich der Name Chandra wahrscheinlich auch noch, abgesehen von Klang, eine besondere Bedeutung. Die zweite Andeutung diente lediglich dazu, ihn zu necken, ich war sicher, dass er das gewiss nicht nötig hatte)

„Sera, Sera, Sera Mira – du hast mir noch gefehlt, wo warst du nur vor 50 Jahren?“

„In der Grundschule, und ich habe mich damals schon oft gefragt, ob ich im falschen Film bin, ähnlich wie heute, wenn ich höre, was in den Medien gesprochen wird.“

Da gerade das Telefon klingelte, mussten wir unser Gespräch unterbrechen. Und obwohl es sich um ein sehr persönliches Gespräch handelte, blieb ich in der Küche und er hörte mir zu. Als ich mein Telefonat beendet hatte, sah er mich lange prüfend und schweigend an. Nach einer Zeit hielte ich sein Schweigen nicht mehr aus und fragte: „Was denkst du?“

„Sie hat großen Kummer, deine Freundin, es war doch deine Freundin, mit der du gesprochen hast?“

Ich nickte nur.

„Ich sehe, es ist gut, hilfreich und gut, dich zur Freundin zu haben.“

„Ich weiß nicht, ich packe meine Freunde oder auch meine Schüler nicht immer in Watte, ich spreche oft Dinge an, die sie gar nicht gerne hören oder werfe ihnen ein Saatkorn hin, in der Hoffnung, dass sie es gießen und dass die Saat aufgeht.“

„Du bist gut, Sera Mira, du bist gut. Ich bin sicher, dass wir noch viele anregende Gespräche haben werden. Und was die Philosophie betrifft, ich glaube, du kannst dein Grundlagenbuch getrost zur Seite legen, es sei denn, du möchtest Philosophie studieren und es zu deinem Hauptberuf machen. Ansonsten wirst du darin nichts mehr finden, was du nicht eh schon weißt oder tust.“

Hielt kurz inne und sprach dann weiter:

„Außerdem hast du jetzt ja mich, wenn du Fragen hast, nur zu!“

Erst Tage später las ich in einem Bericht über ihn, dass er früher Philosophie unterrichtete, nun wusste ich, warum er so amüsiert war, als ich ihm von meinen philosophischen Betrachtungen erzählte. Aber gerade muss ich daran denken, was mein Sohn und meine beste Freundin gesagt haben, als ich ihnen meine ersten philosophischen Betrachtungen zum Thema Toleranz zu lesen gab. Ich hatte sie vor ein paar Wochen an einem Sonntagmorgen niedergeschrieben und sie anschließend an meine Schüler und Freunde geschickt, mit dem Schlusssatz „Einen schönen Sonntag wünscht euch, eure, nicht mehr so tolerante Elke“. Anders als den anderen hatte ich meinem Sohn und meiner Freundin gesagt, dass ich mich in Philosophie bzw. im Philosophieren übe. Beide haben das Gleiche geantwortet. „Ich kann nicht feststellen, dass irgendetwas von dem, was du hier geschrieben hast, anders ist als das, was du vorher so geschrieben hast.“ Und sie und Chandra haben Recht, ich habe wohl mein ganzes Leben lang schon philosophiert, ich wusste nur nicht, dass ich es tue. Jetzt hat meine Art, alles zu hinterfragen und den Dingen auf den Grund zu gehen, also einen Namen: Philosophie – schön, dass es sie gibt. Es war spät geworden und ich hatte einen langen Tag hinter mir.

„Du siehst müde aus, ich denke, wir sollten unsere philosophischen Gespräche auf morgen vertagen, falls du überhaupt noch mit mir philosophieren möchtest?“

Natürlich wollte ich, er ist ein faszinierender Mann, wenn ich auch immer noch nicht so genau wusste, wen ich da vor mir hatte. Ich nickte, er verabschiedete sich und weg war er. Ebenso wie alle aus der Geistigen Welt. Sie stehen irgendwann vor oder hinter mir und ebenso lautlos, wie sie kommen, sind sie dann auch wieder weg.

Anfangs hat mich das oft gestört, manchmal hat es mich sogar erschreckt, wenn ich nur aus dem Augenwinkel eine Bewegung hinter mir wahrgenommen habe.

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Ich spüre ihre Anwesenheit meist schon, bevor sie sichtbar in Erscheinung treten. Ein Gutes hat es, wann immer ich einen von ihnen rufe, er ist sofort da, das hätte ich mir von meinen Söhnen immer gewünscht, da hat das aber meist nicht funktioniert. An diesem Abend war ich seit langem das erste Mal wieder erstaunt und fasziniert und fragte mich, wie das alles bloß möglich war. Wie konnte es sein, dass ich Jesus nach diesem Gelehrten frage und Minuten später, als ich in meine Küche komme, steht er dort vor mir. Vor einigen Jahren konnte ich die geistigen Wesen nur schemenhaft wahrnehmen, heute ist es für mich so, dass sie so klar, so präsent sind, dass ich, wenn sie mir draußen auf der Straße begegnen würden, wahrscheinlich nicht mal mehr merken würde, dass sie nicht mehr aus unserer irdischen Welt stammen. Nicht nur wahrscheinlich, sondern es ist so, dass ich es nicht mehr unterscheiden kann. Gerade fallen mir da zwei Situationen ein, in denen es so war. Als ich vor längerer Zeit mal in unserem Ort auf dem Weg zu einem Hausbesuch war, traf ich eine frühere Patientin. Ich hatte sie lange nicht gesehen und freute mich, da ich sie sehr mochte, ihr mal wieder zu begegnen. Wir unterhielten uns eine Weile und ich wunderte mich noch, dass sie offensichtlich weggezogen war, denn als ich sie fragte, wie es ihr denn so ginge, sagte sie: „Gut geht es mir jetzt, sehr gut sogar, aber ab und zu muss ich doch nochmal herkommen und sehen, was meine Töchter so machen.“ Da ich, wie fast immer, im Terminstress war, konnte ich das Gespräch nicht vertiefen und verabschiedete mich mit den Worten. „Schade, ich hätte gerne noch etwas mit Ihnen geplaudert, aber ich muss weiter, meine Patientin wartet auf mich.“ Sie lächelte und sagte etwas, was ich in dem Moment überhaupt nicht verstand. „Schön, mal gesehen zu werden, aber ich wusste immer schon, dass sie etwas Besonderes sind.“ Tage später, im Gespräch mit einer Freundin, erzählte ich ihr, dass ich seit Jahren das erste Mal Frau … mal wieder getroffen hatte. Sie sah mich etwas merkwürdig an und erklärte mir, dass das wohl kaum möglich wäre, da diese schon vor zwei Jahren verstorben sei. Jetzt machten die Worte meiner ehemaligen Patienten für mich Sinn. Das zweite Mal erging es mir so mit einem früheren Geschäftsmann aus unserem Ort. Ich sah ihn auf der Treppe vor seinem früheren Geschäft sitzen und er grüßte freundlich, als ich vorbeiging. Auch hier erfuhr ich erst Wochen später, dass er, kurz nachdem er damals sein Geschäft aufgegeben hatte, verstorben war. Und wieder hatte ich das Gefühl, dass irgendetwas mit mir wohl nicht stimmte. Ich sah und redete mit Menschen, die schon lange nicht mehr leben, und sitze mit Erzengeln, Meistern und diesem weisen Mann an einem Tisch, um mit ihnen zu plaudern. Sie dürfen mich spätestens an dieser Stelle gerne für verrückt halten, vielleicht ist es ja auch so, aber eines ist sicher, es ist, wie es ist. Ich kann sie sehen, hören, fühlen. Und das von Jahr zu Jahr immer intensiver, so als würden sie wieder zu Materie. Ich kann, wenn ich ganz nah bei ihnen stehe, sogar die Wärme spüren, die von ihren Körpern ausgeht. Ich kann es oft selbst nicht fassen, aber es ist so und ich habe es so angenommen und lebe ganz gut damit.

Zurück zu diesem Abend. Nachdem Chandra gegangen war, lag ich trotz aller Müdigkeit noch lange wach. Ich kann gar nicht genau erklären, was dieser Mann in mir ausgelöst hatte. Egal was er sagte, und eigentlich sagte er so gut wie gar nichts, eigentlich sprachen mehr seine Augen als sein Mund, er hatte mich so in seinen Bann gezogen, dass ich nicht recht wusste, wie mir geschah. Als ich nächsten Morgen in aller Frühe meiner Freundin von der Begegnung mit diesem faszinierenden Mann erzählte und sie meine Aufregung spürte, sagte sie zum Abschluss des Gespräches nur: „Es bleibt spannend, ich erwarte deinen Anruf.“ Und es blieb spannend. Kaum hatte ich mein Telefonat beendet, ich war nicht einmal geduscht und angezogen, stand er schon wieder vor mir. Ich war etwas überrascht und fühlte mich nicht wirklich wohl dabei, in meinem Aufzug (Nachthemd) Herrenbesuch zu empfangen. Er bemerkte dies natürlich sofort, lächelte verstehend und fragte:

„Wäre es dir lieber, wenn ich dir Zeit ließe, bis du angezogen bist? Aber ist es nicht völlig egal, was du anhast? Spielt es eine Rolle, änderte sich etwas, wenn du in Jeans und Pullover vor mir stündest?“

Nun, ich dachte einen Moment darüber nach. Für mich schon, dachte ich, oder? Nein, eigentlich nicht, denn wie oft hatte ich schon im Nachthemd vor Jesus oder Ganesh gestanden und es hat mich nicht gestört. Warum sollte es mich jetzt stören? Also strich ich auch noch die Einschränkung „eigentlich“ und antwortete ihm mit einem klaren Nein. Er nickte und da war es wieder – sein Lächeln. Wie automatisiert ging ich zur Kaffeemaschine und drückte den Knopf und fragte: „Möchtest du auch einen Kaffee?“ Er war sichtlich verblüfft.

„Das hat mich lange niemand mehr gefragt, aber ja, ja ich möchte einen Kaffee.“

Natürlich weiß ich, dass er/sie weder essen noch trinken, wenn sie nicht gerade hier bei mir oder bei anderen Menschen sind, die wie ich, ich sage einfach mal, wie ich sind (um unnötige Beschreibungen für das zu finden, was ich bin und was ich tue). Es ist wohl die perfekte Illusion, wenn ich ihnen, also einem „Mitglied“ der Geistigen Welt, eine Tasse dampfenden, heißen Kaffee reiche und sie im gleichen Moment, in dem sie danach greifen, tatsächlich eine 100%ig identische Tasse mit dem duftenden, heißen Getränk in ihren Händen halten, oder ihren, auf ebenso verblüffendem Wege entstandenen Teller mit Speisen vor sich auf den Tisch stellen und diese dann genüsslich verspeisen. Das Beste daran ist, wie mein Sohn immer zu sagen pflegt, „sie sind wirklich gute Gäste, sie essen mir nichts weg, und wir brauchen nicht einmal ihr Geschirr wegzuspülen.“ Denn dies verschwindet auf genau die gleiche Weise, wie es zuvor entstanden ist. Wie das sein kann? Ich weiß es nicht, aber ich denke, sie halten für uns Menschen diese Illusion aufrecht, damit wir es leichter haben, mit all dem umzugehen, was beispielsweise ich hier, tagtäglich erlebe. Es macht sie für mich eben ein Stück weit menschlich, auch wenn ich mir durchaus bewusst bin, dass es eine Illusion ist. „Nimmst du deinen Kaffee mit Milch und Zucker?“ - Wieder kurz ein verblüfftes Gesicht.

„Ich nehme ihn, wie du ihn nimmst. Es spielt heute keine Rolle mehr, ob oder wie, so verändern sich die Dinge, Sera, so verändern sie sich.“

Er hatte sich offensichtlich für den Namen Sera entschieden, gut, mal schauen, wie er reagiert, wenn ich ihn mal nicht bei seinem selbst erwählten Namen nenne. Aber das werde ich später herausfinden müssen, denn jetzt ist es Zeit, mich fertig zu machen, denn um 8:00 Uhr beginnt mein Praxisbetrieb und es ist schon 7:30 Uhr. Ich verschwand also schnell in meinem Bad, kleidete mich dann an und ging zurück zu ihm in die Küche. Er saß immer noch vor seiner Tasse Kaffee, die er bereits fast geleert hatte, und schaute mich erstaunt an, als ich eine neue Maske aus meinem Schrank nahm und diese schon mal mit dem Gummi an meinem Ohr festklemmte.

„Du trägst eine Maske in deiner Praxis?“

„Ja, natürlich, das ist zurzeit Pflicht und sich zu widersetzen könnte richtig teuer werden.“ Er nickte zunächst, dann schüttelte er den Kopf.

„Hältst du es denn für weise, diese Maske zu tragen?“

Und da ich keine Lust hatte, mich auch mit ihm darüber auszutauschen, ob ich die Maßnahme für sinnvoll oder nicht halte, antwortete ich: „Was spielt das für eine Rolle? Es ist Pflicht. Außerdem kann ich sie wieder abnehmen, du trägst deine rund um die Uhr. Warum eigentlich haben Männer solche Bärte? Habt ihr Angst, man könnte an eurer Mimik mehr ablesen, als es euch lieb ist? Versteckt man sein Gesicht nicht hauptsächlich, wenn man etwas zu verbergen hat?“ Lächelnd verließ ich den Raum. „Bis später.“

„Sera , Sera, Sera. Bis später, aber darüber müssen wir noch einmal reden.“

Ich war gespannt, was er darauf antworten würde. Als ich Stunden später zur Mittagspause nach oben kam, war ich fast ein bisschen enttäuscht, ihn nicht in meiner Küche vorzufinden. Stattdessen kam Jesus gerade zur Tür herein und fragte, nach einem kurzen Gruß, wie es mir denn so erginge mit meinem neuen Gast.

„Frag mich etwas Leichteres. Keine Ahnung, er ist“ ich musste erst einmal kurz darüber nachdenken, was er war, und vollendete meinen Satz mit „er ist außergewöhnlich.“ Jesus schien der gleichen Ansicht zu sein, denn er nickte nur und lächelte mich an. Da er offensichtlich nicht vorhatte, etwas dazu zu sagen, fragte ich:

„Was hältst du von ihm, ich kann ihn irgendwie gar nicht richtig einordnen. Er tut, ohne zu tun, und spricht, ohne zu sprechen. Nur seine Augen, die sprechen Bände. Er ist unglaublich, ich brauche mich nicht mehr zu wundern, dass er so viele Menschen in seinen Bann gezogen hat. Man kann sich ihm irgendwie gar nicht entziehen, er hat eine Präsenz, die ist…“ Weiter kam ich nicht, denn jetzt ergriff Jesus doch das Wort. „Du hast Recht Sera Mira, dieser Mann, oder vielmehr sein Geist, revolutioniert alles, selbst uns. (lächelt) Unterhaltungen mit ihm sind mehr als erfrischend für den Geist. Auch uns versetzt er immer wieder in Staunen. (lächelt und schüttelt den Kopf) Es ist unglaublich, er ist unglaublich. Aber das ist es, was die Welt braucht – die irdische wie die geistige. Nichts ist allgemeingültig, nichts hat ewig Bestand, außer der Gewissheit, dass alles fließt. Dass alles in Bewegung ist, niemals endet und niemals feststeht. Und der Geist braucht Nahrung, braucht Bewegung und immer wieder neue Erkenntnisse und Einsichten, um sie dann wieder durch neue zu ersetzen, zu erweitern. Und das ist das Einzige was feststeht, nichts hat ewigwährend Bestand, alles ist im Fluss. Und daher ist es so wichtig, immer im Jetzt zu sein. Nur so erlangt man die Achtsamkeit, derer es bedarf, um sich auf alles Neue einstellen zu können. Du wirst noch viel Spaß haben mit ihm, Sera Mira, er wird dir Nahrung im Überfluss geben - an Denkanstößen, die du ja so liebst. So sei es. Gott zum Gruße.“ Und weg war er. Na dann, dachte ich, mal sehen, wann er wieder auftaucht (Chandra meine ich), um meinen Geist zu beflügeln – oder vielleicht auch zu überfordern? Schauen wir mal. Und er tauchte auf, bzw. war gar nicht abgetaucht, denn als ich die Tür zu meinem Meditationszimmer und gleichzeitig Schlafzimmer öffnete, um eine Energiekarte zu holen, lag er da - mit einem breiten Grinsen im Gesicht, auf meinem Bett.

„Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich es mir hier bequem gemacht habe?“

Hatte ich? Ich bin mir nicht sicher. „Normalerweise finde ich keine Männer in meinem Bett vor, wenn ich von der Arbeit nach oben komme. Aber was ist hier, oder besser bei mir, schon normal?“

„Was für ein Versäumnis.“ lachend und kopfschüttelnd „Was für eine Zeitverschwendung.“

Ich zog die Augenbrauen hoch und sah ihn fragend an.

„Dich nicht schon früher kennengelernt zu haben. Komm leg dich zu mir, wir haben noch etwas zu klären – den Bart, die Maske? – du weißt.“

Ich drehte mich auf dem Absatz um und ging zurück in die Küche. Da er mir nicht gleich folgte, rief ich ihn: „Wolltest du nicht über deinen Bart sprechen, nun ich bin bereit.“ Er kam, wie immer lächelnd und nickend – ach, wissen Sie was, es ist echt nervig – nicht Chandra mit seinem Lächeln und Nicken – aber es immer wieder zu schreiben. Weglassen ist keine Option, da dieser Mann mehr lächelt als er spricht (was ihn nicht unsympathisch macht – im Gegenteil), also, wie sollte ich Ihnen sonst die Stimmung vermitteln, die hier herrscht, wenn ich es einfach weglasse? Aber um mir den Schreibfrust und Ihnen den Lesefrust zu ersparen, mache ich künftig – immer, wenn er lächelt und nickt - nur zwei Sternchen und zwei Pluszeichen **++, und wenn er lächelt und den Kopf schüttelt, zwei Sternchen und zwei Minuszeichen

**-- OK? Und wenn Sie auf Seite 100 nicht mehr wissen, was Nicken oder Schütteln bedeutet, dann waren Sie jetzt wohl nicht mit der vollen Aufmerksamkeit, oder besser Achtsamkeit (Chandras Lieblingswort – oder zumindest eines seiner Lieblingswörter) dabei. Ein kleiner Tipp von mir. Wenn ich ein Buch lese und der Autor mir abverlangt, dass ich mir etwas merken soll, dann mache ich mir eine kleine Randnotiz.

Kleiner Scherz!

Eigentlich wollte ich diese Passage wieder löschen, aber Chandra amüsiert sich gerade so königlich. Er besteht darauf, dass ich sie lasse. Na dann!


**--„Sera, Sera, Sera, du bist ??? **

„Was bin ich?“ - Keine Ahnung was ich bin, er hat es mir bisher noch nicht verraten. Das ist bis jetzt schon die dritte Antwort, die er mir schuldig bleibt.

1. warum er nicht Chandra genannt werden will,

2. warum er diesen Bart trägt und

3. was ich bin?

Nun ja, ich werde nicht aufgeben.

„Also, was ist nun mit dem Bart?“

„Du lebst alleine?“

Dieser Mann treibt mich zur Verzweiflung. Mal wieder ein abrupter Themenwechsel. Und wenn es damit nicht genug wäre – wenn er tatsächlich einmal spricht – also mehr als einen Satz, dann schafft er es, sich in zehn Minuten mindestens dreimal selbst zu widersprechen. Wenn ich ihn dann zur Abwechslung mal **end und -- end (ich übersetze – lächelnd und kopfschüttelnd) anschaue und ihn frage, ob er denn jetzt bald wisse, was er eigentlich wolle, antwortet er **end und ++end:

„Guuut, du hast aufgepasst, du hast mir tatsächlich zugehört. Und hat nicht alles mehrere Seiten? Ich gebe zu, ich vergesse manchmal die Überleitung beim Richtungswechsel anzukündigen, aber ich möchte es dir auch nicht zu einfach machen. Die größten Lernerfolge erzielt man, wenn man sich seine Erkenntnisse selbst erarbeitet. Oder siehst du das anders, meine kleine Philosophin?“

OK. Jetzt nicht nur Richtungswechsel, jetzt auch mal ein Namenswechsel.

„Du hast mir noch nicht geantwortet. Du lebst alleine?“

„Mit meinen beiden erwachsenen Söhnen, du hast sie bereits kennengelernt.“

„Kein Ehemann, kein Freund oder Lebensgefährte?“

Nun, es ist jetzt wohl an der Zeit, den Spieß einmal umzudrehen, dachte ich so bei mir und antwortete: „Und was war jetzt mit deinem Bart? Wollten wir nicht darüber sprechen?“

„Du bist gut, Sera, wirklich gut, du lernst schnell.“ **++ **-- „Also gut, mein Bart, was glaubst du wohl, warum ich diesen Bart trage?“

Kann dieser Mann nicht einmal einfach eine Frage beantworten? – Obwohl, eine von dreien hat er eben beantwortet – ich bin gut. Na immerhin.

„Na, da gibt es ja wohl mehrere Möglichkeiten:

1.Weil man mit einem langen Bart Weisheit assoziiert?

2.Weil man „Makel“ im Kinnbereich verdecken möchte? – Dann bräuchte er aber nicht so lang zu sein. Warte –

3.Weil man seinen Hals verstecken möchte? - Das wäre eine Erklärung für die Länge des Bartes, oder

4.Was ich heute Morgen schon mutmaßte, dass man sich wie hinter einer Maske verstecken möchte? Oder?“

„Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass er mir einfach gefällt, mein Bart?“

Mein Gesicht muss wohl Bände gesprochen haben, denn nun lachte er so schallend auf, dass er sich den Bauch halten musste.

„Also bis gestern dachte ich noch, dass du ein unglaubliches Feingefühl besitzt. Aber...“ er machte eine Gedankenpause, **--

„Aber?“

„Ein bisschen mehr Respekt, junge Frau.“

„Danke fürs Kompliment (junge Frau), aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass man - nun, wie sage ich es, ohne wieder respektlos zu erscheinen? OK. Ich mag keine langen Bärte, aber ich gebe zu, das ist Geschmackssache. Dennoch, ich glaube, dass du ohne ihn besser aussehen würdest. Aber was ich sagen muss, du siehst heute, also ich meine jetzt, da du nicht mehr unter den Lebenden beziehungsweise Irdischen befindest, sehr viel jünger, erholter und gesünder aus als auf den Fotos, die ich von dir gesehen habe. Ohne dich kränken zu wollen, du sahst wesentlich älter aus, als du warst. Ich habe mich gefragt, wie das möglich ist? Du bist mit 58 Jahren gestorben, also in dem Alter, in dem ich jetzt bin –“ nun machte ich eine Pause – so eine wie „wie sag ich‘s meinem Kinde?“

„Sag es ruhig Sera, und ich sah wesentlich älter aus als du mit deinen 58 Jahren. Man merkt dir, obwohl du, so wie ich damals, dich häufig auf höheren Schwingungsebenen bewegst, das wirklich nicht an. Ich war, als ich dich zum ersten Mal sah, wirklich erstaunt. Ich hatte etliche Vorinformationen – wer du bist, was du so tust – und ich war wirklich erstaunt. Irgendetwas scheinst du anders zu machen, wahrscheinlich besser als ich damals. Ich habe ab einem gewissen Zeitpunkt meinen Körper sehr vernachlässigt.“

„Könnte es vielleicht auch daran liegen, dass du gar nicht mehr auf der Erde leben wolltest?“

„Wie kommst du darauf?“

„Es ist einfach so ein Gefühl. Ich weiß nicht viel über dich, ich habe mir nur deine Fotos im Internet angeschaut, zwei oder drei Seiten mit Zitaten von dir gelesen und einen kurzen Bericht über deine Lebensphilosophie bzw. dein Lebenswerk. Bei den letzten Aufnahmen von dir hatte ich das Gefühl, dass deine Augen ihren Glanz verloren hatten – du sahst, trotz deines Lächelns, irgendwie traurig aus.“

(Zum ersten Mal verdunkelten sich seine Augen für einen Moment und er sah nachdenklich aus.) „Wenn ich es vergleiche, wie du jetzt hier vor mir sitzt ...“

Er unterbrach mich, sein Blick und sein Lächeln hatten sich wieder verändert, er wirkte jetzt fast melancholisch, fing sich aber gleich wieder und da war es wieder, das strahlende Lächeln.

„Wie sitze ich denn heute vor dir? Was sagen dir meine Augen?“

„Sie haben wieder Feuer, sie funkeln übermütig, du siehst glücklich aus, – und wenn du diesen Bart nicht hättest, würdest du richtig, wirklich richtig gut aussehen - und jünger.“ Schallendes Gelächter

„Netter Versuch, Sera, aber danke fürs Kompliment“. **--

In dem Moment tauchte Merlin auf und fragte: „Na ihr Beiden, ihr scheint euch gut zu tun. Ihr seht irgendwie...“ Er schien nach einem passenden Wort zu suchen -

„Amüsiert aus, Merlin?“

Sie ist “ Jetzt suchte offensichtlich er nach einer Beschreibung.

„Sie ist durch eine harte Schule gegangen, ich unterrichte sie seit dreißig Jahren fast täglich.“

„Nun wundert mich nichts mehr, ich führte lange keine so anregenden und erheiternden Gespräche mehr und jetzt weiß ich auch, wieso es ihr hin und wieder an dem gebotenen Respekt mir gegenüber fehlt.“

Während er sprach, beobachtete er mich die ganze Zeit und sein Gesicht nahm eine gewisse Strenge an – oberlehrerhaft, könnte man es auch nennen. Doch seine Augen funkelten verschmitzt. Ich hatte noch nie zuvor einen Menschen gesehen, der ein so ernstes Gesicht machen und mit den Augen gleichzeitig lachen konnte. Er ist wirklich ein bemerkenswerter Mann. Merlin tat überrascht:

„Respektlos, meine Sera Mira? - Nein, das kann ich gar nicht glauben.“ Er grinste sein breitestes Grinsen, das ich bislang je an ihm gesehen hatte. In den ersten Jahren, als er mich unterrichtete, hatte ich gehörigen Respekt vor ihm. Er war unglaublich streng und ließ überhaupt nicht mit sich reden, wenn ich ihn bat, einen Gang zurückzuschalten. Er verlangte mir manchmal so viel ab, dass ich all meine Kraft und Konzentration zusammennehmen musste, um seinem Tempo standhalten zu können. Widerspruch duldete er überhaupt nicht, Einwände wurden kategorisch abgelehnt. Manchmal hat er mich einfach stehen- oder sitzenlassen mit den Worten: „Wenn du keine Lust zum Arbeiten hast, gut, aber ich verschwende hier nicht meine Zeit.“ Und weg war er.

Anfangs war ich recht eingeschüchtert, aber im Laufe der Jahre begann ich mich zu wehren. Und das schien ihm zu gefallen, denn er wurde deutlich umgänglicher.

Heute haben wir ein, falls man das so sagen kann, mehr als freundschaftliches Verhältnis. Ich habe ihm unglaublich viel zu verdanken und das nicht nur in spiritueller Hinsicht. Er ist ein guter, ein wahrhaft weiser Lehrer. Nun wieder zurück zu dem, was Chandra bemängelt hatte.

„Respektlos? Soso, du findest, dass ich dir gegenüber nicht genügend Respekt zeige? Respekt. Wieder so ein Wort, bei dem ich ins Grübeln komme, was es mir denn sagen will. Man könnte es mit Anerkennung übersetzen – oder? Ich soll also dich, beziehungsweise das, was du geleistet hast, anerkennen? Und das, ohne genau zu wissen, wer du bist und was du geleistet hast? Was ich bisher weiß, das habe ich den Informationen aus dem Internet entnommen. Das Erste, auf das ich stieß, als ich deinen Namen eingab, waren die Begriffe – „Sektenführer“ und „Sex- Guru.““ Während ich sprach, hielt ich die ganze Zeit Blickkontakt mit ihm, für einen Moment glaubte ich, ein Zucken an seinem Mundwinkel gesehen zu haben – dieser blöde Bart, wäre er ab, wüsste ich jetzt vielleicht, was er gerade denkt. Merlin blickte von dem einen zum anderen und er war offensichtlich gespannt, wo dieses Gespräch hinführen würde. Es dauerte eine ganze Zeit, bis Chandra das Wort ergriff. Nach einem ausgiebigen **++ und **-- und wieder **++, sprach er:

„Du hast Recht, Respekt will erarbeitet sein. Aber woher willst du wissen, dass ich ihn mir nicht verdient habe, wenn du nichts über mich weißt?“

„Ich weiß es nicht, wenn überhaupt, könnte ich es mutmaßen, aber da ich nicht dazu neige, mir vorschnell ein abschließendes Urteil zu erlauben, werde ich damit warten, bis ich dich wirklich kenne.“

„Du glaubst, du wirst mich irgendwann wirklich kennen? Ich kenne mich selbst bis heute manchmal nicht – dann willst du mich kennen oder besser, erkennen?“

„Du solltest sie nicht unterschätzen, mein Lieber, sie blickt dir in die Seele, ohne dass du es bemerkst. Du glaubst gar nicht, wie oft diese kleine, aufmüpfige Frau mich in Erstaunen versetzt hat – also sei auf der Hut, denn auch wenn sie hin und wieder noch sehr menschliche Züge zeigt ...“

Chandra unterbrach Merlin:

„Ich unterschätze sie nicht, ich necke sie, und es bereitet mir ein großes Vergnügen. So wie ihr offensichtlich, wenn sie versucht, mich aus der Reserve zu locken. Ach, ist das schön, früher wäre ich ganz anders damit umgegangen – aber heute? Es hat doch einen großen Vorteil, wenn man sich nicht mehr beweisen muss, es macht es so einfach. Wisst ihr, auch wenn ich früh als erleuchtet galt, in mir - unmerklich für die Anderen, meist gar für mich selbst - spürte ich einen Druck, der erst vollständig von mir abgefallen ist, als mein Herz stehen blieb und ich meine irdische Hülle hinter mir ließ. Heute weiß ich, erst da war ich wirklich frei. Du hast Recht Sera Mira, es war eine Traurigkeit in mir, ich war müde geworden in den letzten Jahren vor meinem irdischen Tod und ich sehnte mich nach der Leichtigkeit, die ich früher verspürte, wenn ich unterrichtete, Reden hielt und Menschen auf den Weg in die Freiheit brachte.“

Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen, ich konnte so gut verstehen, wie es ihm damals erging. Und ich wusste schon jetzt genau, wenn einer meinen Respekt verdient hat, dann er, und fast hätte ich ihm das in diesem Moment gesagt, aber eben nur fast. Merlin war, ohne dass ich es bemerkt hatte, verschwunden und Chandra entschloss sich mal wieder zu einem abrupten Themenwechsel.

„Du hast mir immer noch nicht verraten, warum es, abgesehen von deinen beiden Söhnen, keinen Mann in deinem Hause gibt?“

„Darf ich dich Chandra nennen?“ Langes Schweigen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es Zeit war, dass ich mich wieder in meine Praxis begab. Also ließ ich den noch immer Schweigenden in meiner Küche zurück. „Bis später.“ Er nickte nur. Gerade hatte er mir eine ganz neue Seite von sich gezeigt. Der sonst so souveräne Mann hatte mich tatsächlich in seine Seele blicken lassen und ich spürte seinen Schmerz, seine Traurigkeit, und wieder trieb es mir die Tränen in die Augen.

Nun spricht Chandra: „Der Bart ist ab, die Weisheit wächst.“

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