Читать книгу Nun spricht Chandra: „Der Bart ist ab, die Weisheit wächst.“ - Elke Anna Maria Timm - Страница 9
Kapitel 3 Schreibt zusammen ein Buch
ОглавлениеAls ich am nächsten Morgen um 5:30 früh über meiner Abrechnung saß, kam mein geliebter, weiser Mann zur Tür herein, sah mir über die Schulter und fragte:
„Du hast ein großes Haus, eine Praxis, ein Büro, warum sitzt du hier in der Küche, um deine Abrechnung zu machen?“
„Weil ich hier das beste Licht habe, den schönsten Blick in den Garten und ich mit drei Schritten auf dem Balkon bin, wenn ich mal eine Verschnaufpause brauche. Wenn es nicht so windig wäre, würde ich dort sitzen. Im letzten Jahr hat sich fast mein ganzes Leben auf diesem Balkon abgespielt. Es war schon früh im Jahr sehr warm und das Wetter hielt sich bis Oktober. Die Coronakrise hat mir so viel frische Luft und Sonne beschert, wie noch in keinem anderen Jahr in meinem Leben.“
„Du scheinst nicht unglücklich darüber zu sein, dass dein Leben so eingeschränkt wird?“
Ich sah ihn fragend an.
„Nun, auch wenn ich nicht mehr auf der Erde lebe, entgeht es mir nicht, was hier vor sich geht.“
„Wenn es auch komisch klingt, für mich persönlich war oder ist diese Krise ein Segen. Sie hat mein Leben komplett entschleunigt. Nie hatte ich so viel Zeit für mich. Ich konnte all die Dinge tun, die mir früher schon sehr wichtig waren, für die ich aber keine Zeit mehr hatte.“
„Zum Beispiel?“
„Endlich kam ich mal wieder zum Nachdenken, hatte wieder mehr Zeit für meine Söhne und sie für mich, ich widmete mich wieder dem Lesen, Malen, Tanzen, Schlagzeug spielen…“
„Du spielst Schlagzeug, du, meine Lieblingsfrau?“
Heute hatte er scheinbar wieder den Schalk im Nacken.
„Lieblingsfrau? Ich hoffe doch einzige Frau – ich sah ihn drohend an - (er **++), sollten wir da vielleicht noch Klärungsbedarf haben, mein liebster, weiser Mann? **-- aber ja, ich spiele Schlagzeug, nicht besonders gut, aber leidenschaftlich gerne. Ich hätte es als junges Mädchen schon gerne gelernt, aber meine Mutter fand, dass es sich für ein Mädchen nicht schickt, und dass sie so einen Lärm in ihrem Haus nicht haben möchte. Als mein Sohn im Alter von 10 Jahren mir eröffnete, dass er gerne Schlagzeug spielen möchte, jubelte ich in meinem Inneren. Und als ich ihn in der Musikschule anmeldete, meldete ich mich gleich mit an. Es war herrlich, ich liebte es und ich lernte schnell, sehr schnell, zum Leidwesen meines Sohnes, der sich anfangs etwas schwerer tat. Als ich merkte, dass er den Spaß daran verlor, weil unser Lehrer ihn immer damit aufzog, dass seine Mutter ihm ganz schön was vormachte, meldete ich mich wieder ab.“
„Du hast aufgehört zu spielen, nur weil du deinen Sohn nicht frustrieren wolltest?“
„Natürlich, ich habe dann nur noch morgens, wenn er in der Schule war gespielt und irgendwann hatte ich keine Zeit mehr dazu und habe es ganz aufgegeben.“
„Und jetzt spielst du wieder?“
„Ja, seit etwas mehr als einem Jahr. Ich hatte zwar die Noten vergessen, es war ja mehr als zehn Jahre her, seit ich zum letzten Mal am Schlagzeug gesessen habe, aber ich brauche auch keine Noten. Ich spielte früher auch andere Instrumente nur nach Gehör und beim Schlagzeug ist es schon gar kein Problem. Es hat sogar einen ganz entscheidenden Vorteil: Ich kann die Musik so interpretieren, wie ich sie höre und fühle. Es gibt für mich nichts Entspannenderes. Das können die Meisten nicht verstehen, ein so lautes Instrument lässt in mir die vollkommene Stille entstehen.“
„Meditation hat eben viele Gesichter“.
„Und jede Krise auch ihre guten Seiten, man muss nur offen sein und sie finden. Für viele hat sie aber auch viel Kummer und Leid gebracht, dessen bin ich mir bewusst und ich bitte die Geistige Welt jeden Tag darum, dass sie diesen Menschen beisteht, und vor allem, dass sie die Kinder vor diesem Impfwahnsinn beschützt.“
„Und du glaubst daran, dass sie das können?“
„Nein, ich glaube nicht daran, ich weiß es. Aber du, mein Lieblingsweiser, lass uns später darüber reden, jetzt muss ich mit meiner Abrechnung weitermachen, sonst gibt es die nächsten Wochen nichts mehr zu essen.“
„Mein Lieblingsweiser? Ich merke, das Thema ist noch nicht vom Tisch?“
„Natürlich nicht, und es wird dir auch nichts nutzen, mir einfach Recht zu geben, denn das wird meine Meinung in diesem Fall gewiss nicht ändern.“ Da ich merkte, dass er meine Anspielung nicht verstand – „Ich scheine deine Zitate besser zu kennen als du selbst. (wenn ich auch ganz wenig über ihn gelesen habe, diese Zitate fand ich richtig gut, und es steckt viel Wahres darin). Warst du es nicht, der gesagt hat – „Wenn du willst, dass eine Frau ihre Meinung ändert, dann gebe ihr Recht?“ Schallendes Gelächter
„Das kann gut sein.“ **++
„Grundsätzlich erkenne ich mich darin, aber nicht in diesem Fall.“
„Du erkennst dich darin, das aus deinem Mund? Du erkennst dich darin?“
„Aber ja, denn wenn ich einen Standpunkt vertrete, dabei auf Widerstand stoße und du eine gegenteilige Ansicht dazu hättest, wird das immer dazu führen, dass ich meinen Standpunkt auf seine Tragfähigkeit überprüfe. Dieser Prozess wird auch dann nicht unterbrochen, wenn du mir plötzlich Recht geben würdest. Sollte ich also bei meiner Überprüfung feststellen, dass deine Einwände und Argumente berechtigt sind, würde ich meine Meinung revidieren. Also würdest du mit deiner Meinung letztendlich Recht behalten, nur die Gründe für meine Meinungsänderung bzw.
Meinungsanpassung sind nicht dort zu suchen, wo du sie offensichtlich vermutest. Philosophie, oder?, du mein Lieblingsphilosoph und weiser Mann.“
„Also wenn ich dich nicht schon gefunden hätte, dann müsste ich mich spätestens jetzt nach dir auf die Suche machen. Bist du eifersüchtig, du meine einzige und liebste Frau?“
„Ja, es schmerzt mich nichts mehr, als betrogen zu werden. Aber geht das nicht jedem so? Ich weiß, dass du anderer Meinung bist, aber die freie Liebe, wie auch immer du sie rechtfertigen wirst, funktioniert für mich nicht. Wenn ich liebe, dann liebe ich mit Leib und Seele. Das macht mich verletzlich und ein Vertrauensbruch würde mir das Herz brechen.“
„Ich glaube, du verwechselst da etwas, Sex mit -.“
„Stopp, du brauchst gar nicht weiterzureden. Ich habe niemals Sex. Sex ist für mich etwas rein Körperliches und hat so wenig mit Liebe zu tun wie ein Hamster mit einer Bratpfanne. Und ohne Liebe entsteht in mir kein Verlangen danach, Zärtlichkeiten mit einem Mann auszutauschen. Verstehst du, dann würde ich lieber eine Stunde Squash spielen, um mich da körperlich abzureagieren. Wenn ich mich also mit einem Mann auf ein Liebesspiel einlasse, dann nur, weil ich ihn liebe. Und jetzt würde ich dieses Thema gerne abschließen.“
„Liebes, wer hat dich bloß so verletzt?“
„Ich selbst, weil ich eben mit Leib und Seele liebe. - Ich bin für die nächste halbe Stunde nicht zu sprechen, ich gehe runter ans Schlagzeug.“ Denken Sie, was Sie wollen, wenn Sie ein ehemaliger Schüler von ihm sind, werden Sie wahrscheinlich jetzt den Kopf schütteln. Aber es gibt eben nicht nur eine Wahrheit und jeder muss seine eigene finden. Als ich vom Schlagzeug spielen wieder nach oben kam, saß mein geliebter, weiser Mann auf dem Bett und sah sehr nachdenklich aus.
„Komm her zu mir, Liebes.“
Ich setzte mich auf die Bettkante und er strich mir sanft mit seiner Hand über die Wange. Unglaublich, wie intensiv ich seine Berührung spüren konnte.
„Sanat war eben hier. Es tut mir leid, ich wusste nicht, was vor ein paar Monaten - „
„Schon gut, das ist Schnee von gestern – und ja, ich habe es verarbeitet – und nein, es hat mit meiner Einstellung zu dem Thema, über das wir eben gesprochen haben, überhaupt nichts zu tun, die hatte ich schon vorher.“ Er nickte und ließ es dabei bewenden. „Sag mal, warum wolltest du nicht in den Kreis der Aufgestiegenen Meister aufgenommen werden? Es fehlte dir doch nur noch eine „Einweihung“.
„Woher weißt du das?“
„Buddha hat es mir gestern erzählt, als ich ihn unten am Fluss getroffen habe.“
„Hier?“
„Nein, drüben.“
„Du warst gestern drüben? Du hast mir gar nichts davon erzählt.“
„Wisst ihr nicht sowieso immer, wo ich mich aufhalte?“
„Die Erzengel vielleicht, oder, ja bestimmt, die Aufgestiegenen Meister, - es ist anzunehmen, ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht.“
Ich sah ihn verständnislos an. Er lebt unter ihnen und tut, als wäre er ahnungslos?
„Hat eigentlich nie einer oder eine/r deiner Schüler/Schülerinnen Kontakt zu dir aufgenommen, seit du oben bist?“
„Elke, ich habe schon Jahre vor meinem Tod kaum noch gesprochen.“
Was hatte ich getan, was hatte ich gesagt, das ihn so verärgert oder verletzt hatte? Er hat mich Elke genannt und sein Gesicht war verschlossen, seine Augen leer. Ich legte meine Hand auf seine, aber er zog sie weg. Dann stand er auf und verließ den Raum. Als ich in die Küche kam, sah ich, dass er regungslos am Geländer meines Balkons stand und in den Himmel schaute. Ich setzte mich und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er sich zu mir umdrehte. Jetzt lächelte er, aber er sah traurig aus. Er setzte sich mir gegenüber und endlich brach er das Schweigen.
„Was machst du nur mit mir? Ich kenne mich selbst nicht mehr. Niemals in meinem ganzen Leben, nicht im irdischen und auch später nicht - “
Er brach mitten im Satz ab und ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Es war das erste Mal, seit ich ihn kennengelernt hatte, dass ich überhaupt nicht spüren konnte, was ihn so bewegte. Merkwürdig, je näher wir uns kamen, um so verschlossener wurde er. Mac und Merlin kamen gerade zu uns auf den Balkon, als Chandra Luft geholt hatte, um etwas zu sagen. Er atmete stattdessen hörbar wieder aus.
„Dicke Luft bei euch?“ fragte Merlin. Wir schüttelten beide gleichzeitig den Kopf. Mac kam auf mich zu, drückte mir einen Kuss auf die Stirn und sagte: „Hi, meine Süße, habt ihr Lust, mit rüber zu Dian zu kommen. Er grillt.“ Weiter kam er nicht, denn in dem Moment sprang Chandra von seinem Stuhl auf, stieß Merlin fast um und weg war er. Wir sahen uns an, ich zuckte mit den Schultern und Merlin ließ ein „Oh ,oh!“ vernehmen.
„Das heißt wohl eher nein?“ Mac sah mich fragend an.
„Keine Ahnung, ich sehe erst einmal nach Chandra und komme später nach.“
„Soll ich dich abholen?“ „Nein, nicht nötig, vielleicht hat mein Weiser ja doch Lust mitzukommen, wenn nicht, finde ich den Weg auch alleine.“ Nun werde ich ihn zunächst einmal suchen. Im Schlafzimmer war er nicht. Als ich in den Flur kam, hörte ich von unten, wie die Bass Drum in schnellem Rhythmus immer wieder anschlug.
Kurz darauf - ein Trommelwirbel auf den Toms. Chandra übte sich offensichtlich im Schlagzeug spielen. Na, dann. Hoffen wir, dass das Schlagzeug spielen bei ihm den gleichen Effekt hat wie bei mir. Als er wieder zu mir in die Küche kam, sah er schon deutlich entspannter aus.
Er kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und hauchte mir ins Ohr: „Ich liebe dich.“
Und wieder bekam ich weiche Knie und mein Herz raste wie wild, während gefühlt 100 Schmetterlinge in meinem Bauch zu tanzen begannen. Ich sah zu ihm hoch, küsste ihn ganz sanft: „Ich liebe dich.“ Wir standen noch eine ganze Weile so da, dann fragte ich ihn, ob er noch kurz mit rüber zu Dian käme. Er schüttelte den Kopf.
„Heute nicht.“
„OK, aber ich habe es versprochen, ich werde aber nicht lange bleiben.“
„Bitte geh jetzt nicht, Liebes.“
Drehte sich um und ging ins Schlafzimme. Ich nahm Kontakt zu Merlin auf und bat ihn, Dian auszurichten, dass ich, wie auch an allen anderen Tagen, erst nachts rüberkäme. Ich glaube, schon erwähnt zu haben, dass ich eigentlich zwei Leben lebe. Eines tagsüber, hier auf der Erde, und ein anderes nachts, in einer anderen Dimension. Manchmal wechsele ich auch am Tage die Welten - wie gestern Morgen, als ich Buddha am Fluss traf - aber seit Chandra hier bei mir ist, gestaltet sich das eher schwierig, er scheint sich in meiner zweiten Heimat nicht wirklich wohl zu fühlen. So weit, so gut. Vielleicht ergibt es sich ja zu einem späteren Zeitpunkt, dass ich Ihnen etwas mehr darüber erzähle. Ich ging rüber ins Schlafzimmer und setzte mich zu meinem Chandra, der lang ausgestreckt auf dem Bett lag und die Decke anstarrte.
„Du bleibst?“
„Aber, ja.“
„Warum?“
Statt ihm zu antworten legte ich mich zu ihm und nahm ihn einfach in den Arm. Als wir so dalagen, ging mir so vieles durch den Kopf und plötzlich wurde mir klar: Ich muss dieses Buch schreiben. Jesus hatte schon Tage zuvor zu uns (Chandra und mir) gesagt: „Schreibt zusammen ein Buch. Schreibt den Menschen, was ihr denkt, was ihr fühlt. Schreibt es, damit sie wissen, was aus Chandra geworden ist und wer er jetzt ist, und, Sera Mira, sag ihnen, wer du bist.“ Und ich hatte längst begonnen zu schreiben, in meinem Kopf sind die Kapitel wie ein Film abgelaufen, zu jeder Stunde, zu jeder Minute, jeder Sekunde. Und ich hatte längst die Zeilen zu Papier gebracht, die Sie jetzt lesen.
Am nächsten Morgen wachte ich auf und war völlig aufgewühlt. Als ich in die Küche kam, stand Jesus schon da und sah mich mit seinem so unfassbar liebevollen Lächeln an. „Ich weiß, Sera Mira, ich weiß. Es ist nicht einfach für dich.“ Sofort brach ich in Tränen aus. „Jesus, wenn ich das alles schreibe, wenn ich das alles nach außen gebe, dann lege ich fremden Menschen meine Seele zu Füßen. Jesus, was ist, wenn sie einfach drauftreten? Kann ich dann damit leben? Kann ich das?“ Jesus kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Und da war sie wieder, diese wunderbare Liebe, dieses „Eingehülltsein“, diese Geborgenheit, die ich schon so oft erleben durfte, fühlen durfte, wenn er mich in Momenten der Zweifel, der Unsicherheit in den Arm nahm. Als Jesus gegangen war, rief ich eine Freundin an, ich musste einfach mit einem Menschen darüber sprechen, was mich bewegte. Und noch bevor sie abhob, war ich schon wieder in Tränen aufgelöst. Ich erzählte ihr von meinen Ängsten. Ich erzählte ihr, wie ich mich fühlte, was in mir vorging, wenn ich dies alles schrieb, in dem Buch, das Sie jetzt lesen. Ich fragte sie: „Was soll ich tun? Kann ich dieses Wagnis eingehen? Kann ich das wirklich?“ Sie antwortete mir:
„Natürlich musst du damit rechnen, dass es Menschen gibt, die dich für verrückt halten, die dich vielleicht sogar angreifen. Aber es wird auch diejenigen geben, die es verstehen.“ Und plötzlich fiel mir wieder ein, was Chandra ganz am Anfang, als wir uns kennenlernten, gesagt hatte, als es auch darum ging, was Andere über uns denken. Er sagte:
„Mach dir keine Sorgen um das, was Andere über dich denken, es hat keine Bedeutung, Sera, es hat keine Bedeutung.
Wichtig ist nur, was du selbst über dich denkst. Nur das zählt.“
Und wieder wird mir bewusst, was für ein weiser Mann er ist und wie oft ich selbst schon Ähnliches zu Freunden und Schülern gesagt habe. Merkwürdig ist, wenn es um die eigene Verletzlichkeit geht, dass man es dann plötzlich (zumindest für eine kurze Zeit) vergisst. Aber jetzt weiß ich es wieder, also schreibe ich weiter.
Du bist da,
hier bei mir