Читать книгу Pariser Nächte - Elke Bulenda - Страница 8
Zimmer 403
ОглавлениеLange hielt ich mich nicht mit dem Gedanken auf, was Sal in seinem Zimmer mit Cedric so alles anstellte. Selbst nach so langer Zeit, ist es mir immer noch ein Rätsel, welch tiefes Wissen mein Pseudo-Blutbruder besaß. Er war mir schon immer etwas unheimlich, selbst damals schon, als wir noch Jungvampire, und noch recht feucht hinter den Ohren waren. Was er sich damals alles in seinem Alchemie-Labor zusammengebraut hatte, war schon gruselig zu nennen. Gut kann ich mich daran erinnern, wie wir drei Tage lang auf allen Vieren herumgekrochen sind, weil er zuvor meinte, das Ergebnis dieses Umtrunks würden wir niemals vergessen. In der Tat, das habe ich wirklich nicht, nur die Wirkung, die er eigentlich haben sollte. Wahrscheinlich ein Vierfüßler-Trank ...
Es war schon weit nach Mitternacht und ich musste wieder früh raus. Also legte ich mich ins Bett, öffnete meine Flasche, nahm einen kräftigen Schluck und wollte gerade nach der Fernbedienung greifen, um mir das passende Programm zu suchen, als es an meine Tür klopfte. Das konnte nicht sein, oder doch?
Natürlich hatte ich Amanda meine Zimmernummer in der Hoffnung gegeben, dass sie mich besuchen würde, aber jetzt schon? Na, sie hatte es scheinbar wirklich nötig.
Schnell schlüpfte ich in Boxer-Shorts, und trabte zur Tür. Ja, davor stand eindeutig ein weibliches Wesen. So riss ich die Tür auf - und konnte noch gerade verhindern, dass ein Baseballschläger auf mich hernieder sauste. Ich blockte den Schlag und hielt den Schläger fest.
»Lass, los!«, fauchte Molly.
Etwas ungläubig schaute ich sie an. Dann den Baseballschläger und las, was darauf stand: - Schöne Grüße aus Flushing Meadows ...
»Weswegen gebührt mir diese Ehre?«, fragte ich leicht sarkastisch.
»Das ist für L.A.! Was hast du Trottel dir nur dabei gedacht? Du hättest draufgehen können! Du und deine wahnwitzige Aktion!« Molly kniff ihre Lippen aufeinander, ihr Mund bildete nur noch einen schmalen Strich.
»Das nächste Mal solltest du auf einen Golfschläger zurückgreifen, der hat eine größere Reichweite«, riet ich ihr und warf einen Blick in den Flur, wo sich eine Servicekraft näherte. »Komm rein!«, nickte ich Molly zu; ich wollte keinesfalls mit ihr im Flur diskutieren, unsere Lautstärke war nicht gerade gering und andere Gäste würden früher oder später, ebenfalls ihre Köpfe aus den Zimmertüren strecken und uns einen Schwall von Verwünschungen offenbaren.
Molly trat ein und blickte mich finster an. »Was sollte das in L.A.? Du kannst nicht so einfach draufgehen, du bist mein Ticket für die Unsterblichkeit! Deine Handlung war dumm und egoistisch!«
Schnell brachte ich ihr Präsent außer Reichweite.
»Moment, Fräulein! Du betrachtest mich als deine Freikarte, aber ich bin derjenige der egoistisch ist? Du hast sie doch wohl nicht mehr alle, oder was? Ich habe dir in New York schon gesagt, dass ich dich nicht in einen Vampir verwandeln werde ... «
Sie schnitt mir das Wort ab. »Noch nicht! Aber dass du es überhaupt nicht tun willst, davon sagtest du nichts, nur, dass ich noch zu jung wäre und erst mal ein wenig leben sollte.
Außerdem bist du wohl doch nicht der einzige Vampir, unser Boss ist auch einer.«
Schon klar, aber Sal würde sich ebenso weigern, wie ich es tat.
Beschwichtigend hob ich die Hände. Molly konnte sehr impulsiv reagieren, wenn man sie zu sehr reizte. »Hör mal, du bist hier, ich bin hier, ich weiß gar nicht, was die ganze Aufregung soll. Willst du etwas trinken?«
Die Kleine beruhigte sich wieder etwas. »Was hast du anzubieten?«, fragte sie mich skeptisch.
»Whiskey, Eierlikör, Whiskey mit Eierlikör ... Kannst auch Cola kriegen ... «
Bei den Worten "Whiskey" und "Eierlikör" verzog sie das Gesicht. Also schloss ich daraus, dass sie Cola wollte. Auch ich nahm mir Cola, verdünnte das Getränk allerdings mit Whiskey.
Und plötzlich war es da. Ein unangenehmes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Mir war dabei nicht wohl, denn nachdem sie einen kleinen Schluck Cola nahm, starrte Molly mich eindringlich an.
»Was ist?«, fauchte ich etwas ungehaltener, als zuvor beabsichtigt.
»Sag mal, kannst du dir gar nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die dich mögen? Hätten Trixie und ich uns nicht für dich eingesetzt und die ganze Innung verrückt gemacht, dann wärst du auf ewig eingekerkert und nur noch Geschichte.«
»Das war mein ganz eigener und persönlicher Entschluss gewesen, die Typen zu killen, also mach mir keine Vorhaltungen, dazu hast du einfach kein Recht. Und noch etwas. Mir ist es völlig schnurzpiepegal, ob es Menschen, Monstren oder Mutationen gibt, die mich mögen. Mir war es immer wichtiger, wen ich mag, nicht, wer mich mag.«
In der Tat war ich von je her nicht sonderlich beliebt. Nicht einmal meine eigenen Artgenossen konnten mich leiden. Ist klar, ich bin nicht gerade der Höflichste und habe obendrein die Gabe, in dumme Situationen zu geraten, in denen ich immer zwischen den Stühlen saß und mich durchlavieren musste. Im Großen und Ganzen hielten mich alle für einen ziemlich fiesen Opportunisten.
Mit finsterem Blick wurde ich für diese Aussage von Molly beäugt. »Du bist nicht nur egoistisch, sondern auch noch herzlos! Ich mag dich, aber nicht weil du ein Vampir bist, sondern weil ich dachte, wir wären Freunde«, schniefte sie.
Auch das noch, jetzt fing sie wieder mit ihrem Flunsch und diesem Geschniefe an. Sie stellte die Cola ab und wühlte aufgebracht in ihrer Handtasche herum. Offensichtlich suchte sie nach einem Taschentuch. Als sie keines fand, gab sie ihrer Handtasche einen Tritt, sodass sie durch das Zimmer segelte. Schleunigst stand ich auf, huschte ins Bad und riss ein paar Blätter Klopapier ab. - Und dass alles binnen Sekunden. Als ich so unvermittelt mit dem Papier vor ihr auftauchte, zuckte sie zusammen und entriss es mir. »Hör auf mit dieser Angeberei, und erschrecke mich nicht so!«
Zuerst trocknete sie ihre Tränen, danach schnäuzte sie sich lautstark die Nase. Und ich stand vor ihr, wie der letzte Trottel, weil ich sie mit meiner groben Art verletzt und zum Weinen gebracht habe. Da ich nicht recht wusste, wie ich mich verhalten sollte, setzte ich mich brav auf das Bett und legte tröstend einen Arm um sie. Und Molly nutzte diese Situation schamlos aus, indem sie sich an mich kuschelte. Sie roch so gut, nach Shampoo und Bodylotion. Und nur mit meinen Boxer-Shorts bekleidet, konnte ich nicht verbergen, wie mein Körper auf ihre Nähe reagierte. Auch das registrierte Molly sofort.
»He, hast du eine Banane in der Tasche, oder freust du dich mich zu sehen?«, grinste sie.
… Oh, diese Weiber! Ihnen entgeht aber auch nicht das Geringste!...
»Äh ... Ich glaube das ist mein Handy«, witzelte ich.
Tja, was soll ich sagen. Eben war sie noch traurig und schon war sie brünstig, oder war ich es? Also brünstig ...
Das Ergebnis war, dass wir uns plötzlich gegenseitig die Kleider vom Leib rissen, wobei es für mich wesentlich mehr zu tun gab als für Molly. Zum Glück tragen die Frauen von heute echt praktische Sachen, die sich leicht öffnen lassen, und so blieb mir das verhasste Unterkleider-Gezutzel erspart. Früher brauchte man schon mal ein Messer, um die Dame des Herzens aus dem Gewirr von Schnüren und Schleifen herauszuschneiden. Wir fielen übereinander her, wie Verhungernde. Mittendrin hielt Molly inne.
»Was ist?«, fragte ich leicht irritiert.
»Mach mich zum Vampir!«, meinte Molly und zog mich dichter zu sich heran.
»Können wir das nicht ein andermal besprechen?«, fragte ich leicht entnervt.
»Du brauchst keine Bange haben, dass man dich bestraft, ich habe eine Einverständniserklärung in meiner Handtasche, die beglaubigt, dass es mein ganz eigener und persönlicher Wunsch ist, von dir zum Vampir gewandelt zu werden.«
Ehrlich jetzt ... Wenn man einem Vampir gegenübersteht, der nicht gerade ein Zwerg ist, und die Kraft von zehn ausgewachsenen Männern besitzt, dann ist es nicht gerade glaubwürdig, dass jemand ein Formular schreibt, indem er bekundet, er wolle freiwillig sterben, um als Untoter wieder aufzuerstehen. Das könnte ich ihr auch in die Feder diktiert haben, während ich ihr gerade die Kehle abquetschte.
Aber Molly war so fordernd und so weich und roch so gut ...
Ich musste mir dringend etwas ausdenken ...
Die wenigsten Menschen wissen, wie es wirklich funktioniert, ein Vampir zu werden. Sie denken, der Biss eines Vampirs sei so etwas, als würde man sich mit einem Schnupfen anstecken - und zack!...
Mitnichten! So geht das bei einem Werwolf, aber ein Vampir zu werden, ist weitaus komplizierter. Der Vampir muss fast gänzlich sein Opfer aussaugen. Kurz bevor das Herz stehen bleibt, muss der zukünftige Vampir das Blut von mir, seinem Schöpfer trinken, damit es ihn ebenfalls zu einem Vampir wandelt. Das ist eine sehr gefährliche Angelegenheit und klappt nicht immer, vielleicht weil der werdende Vampir ein schwaches Herz hat, oder einfach stirbt, ehe er das Blut seines Schöpfers getrunken hat. Es ist also mit einem großen Risiko verbunden. Und das wollte ich nicht auf mich nehmen. Wenn ich Molly dabei tötete, würde es mir laut des Kodex von Salomons Ring an den Kragen gehen. Also beschloss ich, ein wenig Blut von Molly zu trinken, um sie in dem Glauben zu lassen, dass sie dadurch zu einem Vampir werden würde.
»Okay, Molly, du hast mich überredet, aber du könntest dabei drauf gehen ... «
»Ich weiß, aber dieses Risiko werde ich eingehen, wenn mir dadurch die Ewigkeit winkt«, entgegnete sie mutig, dann fragte sie: »Äh? Hast du das schon mal gemacht?«
… Ich hasse es, wenn Frauen im Bett so viel quatschen! ...
»Ja, aber erst zweimal. Deshalb kann ich für nichts garantieren«, flüsterte ich verschwörerisch und rückte noch ein wenig näher. Dann fiel mir etwas ein. »Äh, könnten wir nicht erst mal, na du weißt schon, ich stehe nicht auf Nekrophilie, wenn du verstehst was ich meine.«
Ha, dieses Argument war wirklich unumstößlich und wir gingen in den direkten Clinch. Was soll ich sagen? Molly bestand darauf, dass ich sie hinterher beißen sollte. Was ich auch tat. Natürlich habe ich es auf die schmerzlose Art und Weise getan, indem ich zuerst ihren Hals ableckte, um mit meinem Speichel die Bissstelle zu betäuben. Dann trank ich ein paar Tropfen, tat so, als sei es ein ganz besonders kompliziertes Vorgehen und danach gab sie Ruhe und meinte, sie würde schon etwas merken.
»Molly, du wirst jetzt sehr müde werden, weil dein Körper sich verändert; du fällst in einen tiefen Schlaf und wenn du erwachst, bist du ein Vampir«, flunkerte ich.
Ja, sie war auch mächtig müde, lächelte, gab mir einen dankbaren Kuss und schlief in meinen Armen ein.
… Ich hingegen stellte meine innere Uhr, um schleunigst aus dem Haus zu sein, bevor Molly erwachte, um den Betrug zu bemerken ...
Womöglich würde sie sich wie eine wilde Furie erheben und den nächsten Sportausstatter ansteuern, um sich einen mächtig-ausgewogenen Golfschläger zu besorgen ...
*