Читать книгу Fatales Erwachen Epubli EPUB - Elke Bulenda - Страница 6
„Die Fortschritte der Medizin sind ungeheuer. Man ist sich seines Todes nicht mehr sicher.“
Оглавление(Hanns-Hermann Kersten)
Erwartungsfroh riss es Sal Ormond aus dem bequemen Stuhl, als sich die Tür des Saales öffnete. Sal ist ein schlanker, hochgewachsener Mann von unbestimmten Alter. Mal munkelte man, er hätte gerade die Dreißig überschritten, andere wiederum behaupteten, er wäre schon um die Fünfzig. Doch das würde wohl immer ein Geheimnis bleiben, denn Sal feierte niemals seinen Geburtstag. Keiner der Ringmitglieder hatte jemals danach gefragt. Und wenn es nach Sal ging, sollte es auch so bleiben. Er trug einen kurz geschorenen, gepflegten Vollbart und das fast schwarze Haar ungewöhnlich lang, sodass es ihm in dunklen Korkenzieherlocken weit über die Schultern fiel. Die weiblichen Angestellten fanden das irre sexy, viele der männlichen behaupteten allerdings, er wäre vom anderen Ufer. Vermutlich war es auch nur Neid derer, denen schon die Haare ausgingen, und nicht mit so einem wilden Haarwust gesegnet waren. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, kleidete Sal sich immer in einem schwarzen Nadelstreifenanzug. Der einzige optische Farbtupfer war ein farbiges Einstecktuch. Die Institutsmitglieder rissen ihre hausgemachten Witze darüber. Sie mutmaßten, dass Sal es so wie Albert Einstein hielt. Dieser trug immer die gleiche Garderobe und hatte von jeder Garnitur mindestens 7 Exemplare im Schrank. So brauchte er sich keinen Kopf zu machen, was er anziehen sollte. Sals Augen funkelten in einem warmen Haselnussbraun. Überhaupt schienen sie immer zu lachen. Nie trat ein bösartiger Ausdruck in diese Augen, was das weibliche Personal nahezu zum Schmelzen brachte. Im Grunde genommen sah Sal aus, als hätte er es von heute auf morgen aufgegeben ein Hippie zu sein. Man konnte sich gut denken, dass er seine Batik-Kleidung samt Gitarre, an den Nagel gehängt hatte, um diese gegen einen maßgeschneiderten Anzug und ein Handy einzutauschen.
»Und?« Sal rückte Amanda den Stuhl zurecht, damit sie sich setzen konnte. Auch eine Eigenschaft, die Sal hoch angerechnet wurde. Ein echter Gentleman, der durch und durch gute Manieren besaß. Er behandelte alle, ob nun Astrophysiker, oder Raumpflegerin, mit zuvorkommender Höflichkeit und Respekt. Dieser Umstand trug dazu bei, dass jeder gerne für Sal und die Organisation arbeitete.
»Ihr seht abgekämpft aus. Wie ist euer erster Eindruck?«
Sal und Simon nahmen fast gleichzeitig Platz, während eine nahezu unsichtbare Angestellte, Tee, Kaffee und Mineralwasser servierte. Dazu wurde ein Teller mit Gebäck gereicht.
Simon angelte sich einen Marmeladen-Keks und lutschte darauf herum, bis er sich entschloss ihn zu kauen, damit er Sal, Rede und Antwort stehen konnte. Als Amanda das Wort ergriff, nahm er sich einen weiteren Keks. Denn wenn sie erst einmal los wetterte, konnte es noch etwas dauern.
»Er ist ungehobelt, sexistisch und ein Psychopath. Er erschien mir ziemlich dumm. Aber das kommt ja oft vor, bei solchen Kerlen: Im Bizeps 1000 Volt, aber im Oberstübchen herrscht ein Kurzschluss.«
Sal lächelte wie eine Sphinx. Sagte nichts.
Amanda holte noch einmal Luft. »Dieser Vampir hat die Sensibilität eines Elefanten. Wir haben ihm fast unsere gesamten Vorräte an Ketamin verabreicht. Und er hatte trotzdem noch genug Energie, um unser Labor zu verwüsten. Übrigens Sal, du schuldest mir eine komplett neue Laborausrüstung! Der Typ hat sich sogar fast durch die Matratze gebrannt. Wenn du mich um meine offene und ehrliche Meinung bittest, sage ich dir, dass Ragnor ein öffentliches Risiko darstellt!«
Sal nippte an seinem Tee, stellte die Tasse ab und nickte Dr. Dr. Amanda Ferguson zu. »Wie ich sehe, bist du auch schon seinem atavistischen Charme erlegen. Selbstverständlich bekommst du schnellstens deine Ausrüstung ersetzt. Allerdings teile ich deine Zweifel nicht. Er ist ja erst erwacht, mit Sicherheit wird er sich auch wieder beruhigen.«
Amanda schnaubte. Die Aufmerksamkeit von Sal richtete sich nun auf Simon, der sich fast an seinem Keks verschluckte, hustete und versuchte seine Stimme wieder zu finden. Diese Kunstpause füllte Sal dadurch, dass er Simon fragte, wie es zu der Eskalation im Krankenzimmer kommen konnte. Derweil keuchte Simon immer noch. Sal nickte Amanda freundlich zu.
»Willst du ihm nicht helfen? Amanda?«
Amanda zog die Braue hoch: »Drei Minuten. Ein Mensch kann drei Minuten ohne Sauerstoff auskommen und er hustet erst seit einer halben.«
Sal stand auf und klopfte Simon behutsam auf den Rücken. Der Blonde wischte sich die Tränen aus den Augen und nickte seinem Chef zu.
»Danke, Sal.« Giftig traf sein Blick Amanda. »Danke Amanda! Das war wieder einmal sehr aufmerksam von dir!«
Schnippisch erwiderte sie: »Gern geschehen, Simon, das war für die Tür, die mir, dank deines großartigen Einfühlungsvermögens, um die Ohren geflogen ist.«
Diese Frau muss auch immer das letzte Wort haben! Seufzend nickte Simon und nestelte verlegen an seinem Sweatshirt.
»Okay, ich gebe es ja zu! Ich habe Mist gebaut!«
Er riss einen losen Faden ab und wickelte ihn um seinen Finger. »Ich hätte Ragnor noch etwas Zeit zum Akklimatisieren geben sollen. Aber was soll´s, er musste es ja so oder so irgendwann erfahren. Ich bin nun mal kein Psychologe. Hätte ich gewusst, dass er Frau und Kinder hatte ... Ich hätte diesem Projekt niemals meine Zustimmung gegeben. Er hat einen schweren emotionalen Schock erlitten.«
Sal nickte, damit Simon fortfahren konnte. Außerdem signalisierte er ihm damit, dass der junge Wissenschaftler mit keiner negativen Konsequenz zu rechnen hatte.
»Ich teile nicht Amandas Meinung. Ich konnte zu ihm durchdringen. Er unterhielt sich mit mir, hat gefragt und erschien, unter diesen Umständen, recht umgänglich. Wenn er sich gefangen hat, ließe sich mit ihm arbeiten. Und da ich zu seinem persönlichen Betreuer ernannt wurde, bin ich bereit, mich weiter mit ihm zu befassen. Er ist verwirrt und tief verletzt. Geben wir ihm einfach die Zeit, die er braucht, um mit uns warm zu werden.«
»Gut, das sehe ich auch so«, sagte Sal zuversichtlich. »Amanda, du übernimmst weiterhin die medizinische Betreuung und Simon hält unserem großen Kind die Hand, aber übertreibe es nicht, Simon.«
Amanda holte Luft.
Sal hob die Hand, um die sich anbahnenden Proteste, im Keim zu ersticken. »Er hat eine Menge aufzuarbeiten, hätschelt sein Ego, schmiert ihm Honig ums Maul, bewegt ihn dazu mit uns zu kooperieren. Je eher, desto besser. Wir sollten ihn sobald wie möglich ins Aufbau-Programm schicken. Belohnt ihn, wenn er etwas gut macht und tadelt ihn nicht zu sehr bei Fehlern. Er kommt aus einer anderen Zeit und wir müssen ihn so schnell wie möglich für dieses Zeitalter fit bekommen. Uns läuft leider die Zeit davon. Böse Kräfte sind am Werk und unsere wichtigstes Ziel ist nach wie vor, Menschenleben zu retten. Und Ragnor ist der Einzige, der laut Orakel-Aussage, diesen finsteren Kräften gewachsen ist.« Sal nickte den beiden zu. »Danke, das war´s. Abtreten. Es wartet eine Menge Arbeit auf euch.«
Verlegen wandte sich Amanda an Sal.
»Danke, dass du Blut gespendet hast. Wir waren ein wenig knapp, das war großartig von dir. Ich habe ja nicht ahnen können, dass der Vampir sich wie ein Schwamm, mit dem Zeug vollsaugt. Zum Glück haben wir Nachschub bekommen. Gut, ich gehe dann mal wieder.«
Sal nickte und meinte: »Gern geschehen, ich helfe doch immer gerne.« Und schloss hinter sich die Tür.
Simon und Amanda machten sich auf den Weg.
*
Etwas störte meinen Schlaf. Wenn ich es genauer betrachte, war es das Aufwachen. Mein Schöpfer, ein Verfechter der Selektiven Vampir-Wandlung, hatte mich leider dazu auserkoren, einen äußerst leichten Schlaf zu haben. Falls sich niemand etwas unter Selektiver Vampir-Wandlung vorstellen kann, werde ich das mal kurz erläutern.
Malfurion, so heißt mein Schöpfer, verfolgte folgende These: Glotz dir das Frischfleisch an, und wir werden sehen, was dabei raus kommt! Vor allem die Repressalien des König und seiner Ritter des Lichtes, hatten die Reihen Malfurions Kämpfer arg ausgedünnt. So war er gezwungen, nicht nur irgendwelche Vampire zu erschaffen, sondern solche, die auch effizient genug waren. Wenn man ein Vampir wird, bekommt man Dunkle Gaben von seinem Schöpfer vererbt. Malfurion war der älteste, existierende Vampir im Land. Somit auch sehr mächtig. Es wäre in seinen Augen eine Verschwendung gewesen, wenn er seine Zeit und Kraft für unbrauchbare Vampire vergeudet hätte. Ich war damals Söldner und geriet während der Schlacht um die Vampir-Festung in vampirische Gefangenschaft. Und mit mir, unser Feldarzt Cornelius. Wir wurden vor die Wahl gestellt, entweder in Malfurions Speisekammer zu wandern, oder uns ihm anzuschließen und den Status des Vampirismus zu erlangen. Da wir nicht als Futter enden wollten, entschlossen wir uns zur Mitarbeit. Cornelius haderte mit sich selbst. Er konnte den Gedanken vom Humanismus, nicht mit dem ein Vampir zu sein, vereinbaren. Dieses Weichei! Mir dagegen machte es nichts aus, ob ich nun Menschen oder Vampire abschlachtete...
Alles was blutet kann man töten.
Seltsam fand ich es schon, dass uns Malfurion die Freiheit zum Wählen gab. Er hätte mit uns machen können, was er für richtig hielt. Aber ich finde es doch, selbst jetzt im Nachhinein denkwürdig, dass er uns überhaupt um unsere Meinung bat. Vielleicht wollte er unsere Gesinnung prüfen? Wer weiß...
Da ich schon als Sklave die Kampfarena der Hauptstadt überlebt habe und nahezu für den Kampf bestimmt zu sein schien, wandelte mich mein Schöpfer mit der Absicht, mich in seine Elitegarde einzureihen. Diese Garde war auch für den Schutz ihres Herren und seiner Feste bestimmt. Cornelius wurde mit der Gabe des Gestaltwandelns beschenkt, und der des Heilens. Zu meiner Ausstattung als Krieger, wurde mir die Dunkle Gabe der Telekinese gegeben. Da Malfurions Krieger zu allen Zeiten gebraucht wurden und nicht tagsüber schlafen durften, bekam ich eine Tageslicht-Resistenz und dazu einen verdammt leichten Schlaf. Niemals kam ich in den Genuss, so wie die meisten Vampire, dass ich in einen todesähnlichen, tiefen Schlaf fallen durfte.
… Genaugenommen, leide ich seit meiner Wandlung, an Schlafstörungen ...
Und deshalb weckte mich etwas aus meiner Betäubung. Es war ein Duft. Mandelduft. Ich verrenkte mir fast den Hals, als meine Nase dieser Duftspur folgte. In der Ecke des Raumes stand ein Behälter, aus dem ganz deutlich dieses liebliche Fluidum drang. Ja, sie war hier gewesen. Frau Dr. Dr. Amanda.
Meine Nahsicht war noch nicht ganz wieder hergestellt. Und wenn ich es zugeben muss, meine Gedanken waren auch noch recht wirr. Aber diese Fährte konnte ich ganz klar der hübschen Lady zuordnen. Ich ließ mich wieder zurückfallen, beschloss noch ein wenig zu dösen und mir dabei vorzustellen, wie die Ärztin wohl unter ihrem Kittel aussah. Dabei musste ich in tiefere Gefilde abgetaucht sein. Na ja, ich hatte scheinbar ziemlich viel Sedativum intus, die Geräte pumpten ständig etwas nach. Ein Schnippen und ein Schatten über meinen Kopf, rissen mich dann doch wieder aus Morpheus' Armen.
»Cedric?«...Wie kam Cedric hier her?
Mann war ich froh, dass ich nicht allein in diese schreckliche, neue Welt geworfen wurde. Er, mein einziger und wahrer Freund, war auch mit von der Partie!
»Cedric, ich weiß, dass ich immer ziemlich garstig zu dir war. Mir gingen deine aufdringlichen Freudenreaktionen schon immer auf den Geist. Erst recht dieses grausige Wangenreiben und Anspringen. Aber du bist mein einziger Freund und ich freue mich, dich zu sehen. Was machst du hier? Geht es dir gut?«
Erleichterung machte sich in mir breit, dass ich es ihm gesagt hatte. Cedric ist der Halbbruder meiner Frau, und eine wirklich schrecklich, naive Nervensäge. Er glaubt doch tatsächlich an das Gute in Jedem. Sein Motto ist: "Schönheit kommt von innen."
Echter Blödsinn! Ich habe schon viele aufgeschlitzt und was da so alles aus dem Inneren raus kam … Das ist nicht schön, überhaupt nicht schön. Aber nun war er hier und ich musste diese ganze Scheiße nicht allein durchziehen.
»Äh, Ragnor? Ich bin nicht Cedric, ich bin es, Simon. Geht es dir wieder besser?«
Da ich immer noch festgebunden war, schoss mein Kopf hoch, um ihm einen ordentlichen Dehnemann auf die Nase zu verpassen, diesem Pisser! Leider nicht mit der gewünschten Wirkung. Die war nämlich alles andere als erfolgreich. Nicht nur Simon schrie ein lautes »Aua!« - Auch ich brüllte.
»Verdammt Ragnor! Du hättest mir beinahe die Nase gebrochen!«
Worauf ich erwiderte: »Das war auch meine Absicht, du Vollpfosten! Nun erzähl mir mal, was das mit dieser blöden Kopfbinde auf sich hat! Wieso hat es nicht geknirscht?«
… Habe ich vergessen zu erwähnen, dass ich eigentlich seit meinem letzten Metamorphose-Schlaf vor ein paar hundert Jahren, zwei prächtige Hörner auf der Stirn hatte? Nein?...
Okay. Alles ist im Wandel. Wir Vampire fallen ab und zu in einen Metamorphose-Schlaf, um uns weiter zu entwickeln. Natürlich war ich wenig erbaut darüber, dass ich diese grässlichen Hörner bekam. Aber immerhin hatte ich auch die Pyrokinese bekommen. Was mich zusätzlich feuerfest macht. Und weil eben nie etwas wirklich perfekt läuft - leider auch diese hässlichen und lästigen Hörner. Egal was ich unternahm, ich wurde die Hörner nicht los. Die Axt brach, die Säge ging kaputt, selbst der Hufschmied war ratlos. Also musste ich mich damit abfinden, dass ich aussah wie der Leibhaftige, den die Kirche so fürchtete. Dieser Umstand verschaffte mir einen enormen Vorsprung in Sachen Respekt. Sehr zu meinem Leidwesen, aber auch den Spitznamen "Hornochse". Meine liebe Marla fand meine Hörner allerdings sehr erotisch. Und nun waren sie weg! Alle drei! Meine zwei Hörner und eine Marla ...
Näselnd antwortete dieser blonde Trottel.
»Wir haben sie entfernt, wir mussten extra einen stärkeren Laser bauen, und ich kann dir sagen, dieser Gestank hing noch mehrere Tage im Labor. Heutzutage sind Hörner out. Zu auffällig und zu gefährlich.«
...Was? Hä? Nee, ne?... So was Blödes habe ich noch nie gehört! Sie sollten doch gefährlich sein! Das allein ist der Sinn dieser Auswüchse! Jemanden damit aufzuspießen!
»Ja? Hörner sind out? Ich bin ein verdammter Vampir, und das waren MEINE Hörner! Das grenzt schon an Entmannung! Wenn ich könnte wie ich wollte, würde ich dir deinen Kopf von den Schultern reißen!«
Spontan beschloss ich ein wenig zu schmollen. Es gestaltet sich immer schwierig zu schmollen, wenn man sich nicht umdrehen kann, weil man angebunden ist. Nach einer Weile bekam ich einen steifen Nacken, und die Wand schien auch nicht sonderlich interessant zu sein. Aber ich hielt durch, auch wenn es sehr unangenehm war. Neben mir wurde Blödchen etwas unruhig.
»Glaub mir, ohne Hörner siehst du viel besser aus!«
»Glaube ich nicht. Ich werde mir vorkommen, als hätte ich eine Stirnglatze!«, erwiderte ich. »Spiiiiiegel!«, war mein eindeutiger Befehl. Worauf Simon los stiefelte, um den Spiegel über dem Waschbecken abzunehmen und ihn zu mir herüber zu tragen. Knarrend drehte ich meinen Kopf und begutachtete den Schaden, den diese Trottel angerichtet hatten. Krachend zeichneten sich die ersten Risse im Glas.
»Hm...Geht so, hättet trotzdem mal fragen können«, war meine knappe Antwort.
Innerlich jubilierte ich, weil ich diese sperrigen Dinger endlich los geworden war. Und noch etwas war glasklar. Ich brauchte dringend eine Rasur. Meine untere Gesichtshälfte sah aus, wie ein aufgeplatztes Sofakissen.
Simon betrachtete das Zerstörungswerk.
»Was hast du mit dem Spiegel gemacht? Er ist kaputt!«
Verdutzt starrte er den gecrashten Spiegel an. Sein Spiegelbild war völlig verzehrt. Echt lustig.
… Upps, ach ich vergaß ... Der Volksmund behauptete immer wieder, Vampire hätten kein Spiegelbild. Das ist totaler Blödsinn. Bei mir war es weniger das Problem eines fehlenden Spiegelbildes, als die blöden Spiegel an und für sich. Sie konnten mich einfach nicht ausstehen. Vielleicht gefiel ihnen nicht was sie sahen. Oder sie hatten eine ernsthafte Abneigung gegen mich. In meinem trauten Heim hatte ich nur extra dicke Spezialanfertigungen. Aber nicht nur Spiegel hatten eine Aversion gegen mich, auch Milch hatte mich zum Feind auserkoren. Als Mensch habe ich gern Milch getrunken. Nun, nachdem ich untot bin, wurde sie in meiner Nähe auf der Stelle sauer. Ob ihr es glaubt oder nicht. Ich hatte sogar schon erlebt, wie ein Becher mit Milch umkippte, der Inhalt sauer wurde und in versteifter Form von mir weg kriechend, über den Tisch flüchtete. Wenn das keine Abneigung ist? Das Gleiche passierte mir mit Blumen. Hänge mir einen Blumenkranz um den Hals und er ist in weniger als einer Minute Kompost. Es bedeutete für mich immer eine nahezu unlösbare Aufgabe, meiner Liebsten frische Blumen mit nach Hause zu bringen. Zum Glück hasste Marla Schnittblumen. Damit war das Problem gelöst und für mich nicht mehr relevant. Mein Schöpfer erklärte mir, es hätte etwas mit meiner Aura zu tun. Für mich scheint es eher ein schlechtes Karma zu sein …
»Ich? Ich habe gar nichts mit dem Spiegel gemacht! Du hast ihn von der Wand genommen!«
So schob ich diesem Simon einfach die Schuld in die Schuhe. Schnell lehnte er das lädierte Teil an die Wand.
»Tu den nicht weg, ich brauche ihn noch zum Rasieren!«, bemerkte ich.
»Seit wann rasieren sich Vampire?«, fragte er.
Ich hüllte mich in Schweigen.
… Seit wann ich mich als Vampir rasieren muss? Immer! Ich musste mich jeden Tag rasieren. Bevor mich Malfurion wandelte, war ich Tage und Nächte lang im Einsatz gewesen. Zum Rasieren und Schönheitspflege blieb da wenig Zeit. Und so wie man gewandelt wurde, würde man bis in Ewigkeiten bleiben. Oder auch nicht, schließlich sprach ich schon die Metamorphose an. Also hatte ich immer kurz nach der Rasur wieder einen Bartschatten. Kacke, meine Frau beschwerte sich ständig über das Kratzen meiner Stoppel. Dabei soll Peeling doch gut für die Haut sein ...
Simon nahm wieder Platz.
...Mann! Wollte er denn gar nicht wieder weg gehen?...
Er beugte sich vorsichtig zu mir hin.
»Frag´ mich ruhig etwas, wenn du willst.«
Wie ich dieses anbiedernde Fraternisieren hasse! Erst einschleimen und später kommt das dicke Ende.
»Nö«, war meine Antwort. Früher oder später würde Schwatzbacke alles erzählen, warum sollte ich mir also die Mühe machen?
»Willst du denn gar nicht wissen, wie wir dich gefunden haben? Das war nämlich gar nicht so einfach. Scheinbar war irgendjemand tierisch sauer auf dich und hat quasi alle deine Spuren verwischt. Du wurdest sozusagen aus der Geschichte entfernt. Und als wir das Hünengrab auf Høy Øya fanden, waren wir uns gar nicht sicher, ob du das überhaupt warst. Aber wir haben gut recherchiert. Außerdem hattest du ja die Hörner, die waren wirklich nicht zu übersehen. Kaum zu glauben, als wir deinen völlig vertrockneten Leichnam fanden, hätte niemand gedacht, dass aus dem mumienartigen Ding so ein stattlicher Kerl werden würde. Ohne das Wissen von Amanda wärst du immer noch mausetot.«
Soweit ist es also gekommen! Marla musste wirklich eine Stinkwut auf mich gehabt haben, weil ich nicht pünktlich nach Hause gekommen war, so wie ich es ihr versprochen hatte. Oder sie tat es, damit weder sie, noch die Kinder unter irgendwelchen Konsequenzen zu leiden hatten. Aber ich tippe da eher auf die erste Möglichkeit. Es ist schon hart für stolze Krieger, aus den Annalen der Geschichte gestrichen zu werden. Man sollte Heldenepen über uns schreiben, oder Moritaten von unseren Taten singen. Nichts ist schlimmer für einen wahren Schlachtenbummler, als von der Zeit tot geschwiegen zu werden. Und dieser Amanda hatte ich es zu verdanken, dass ich in diesem grauenvollen Schlamassel steckte. Schönen Dank auch, Weib! Und dann hat sie mich auch noch in diesem bemitleidenswerten Zustand gesehen ... Klein, hutzelig, vertrocknet. Wie viel muss man eigentlich noch ertragen? Bei den Göttern! Ach, Scheiße! Die halfen mir auch nicht weiter! Sie wollten nur angebetet werden und steckten ihre Opfer ein. Aber wenn es mal hart auf hart kam, pfiffen sie, guckten weg und polierten sich die Nägel. Sonst wäre ich jetzt in Walhalla und nicht hier in diesem Narrenhaus. Von den Göttern und der Welt enttäuscht, blieb mir nichts anderes übrig, als zu schmollen.
»Geh weg! Du weißt rein gar nichts über mich!«
Papier raschelte. Mein neuer Intimus begann zu lesen:
»Du wurdest so um die 800 unserer Zeitrechnung in...Das kann ja niemand aussprechen... Äh, in der Nähe von Sorgjosen, Sørgjosen? Nord Norwegen geboren ...«
Zum Glück bekam er den Namen, der heilige Stätte meiner Geburt, nicht auf die Reihe. Hätte er es getan, und ich die Hände frei gehabt … Na ja.
»Dein Vater war der Nordmann-Häuptling Skryrmir Einauge. Deine Mutter war eine Skythin, mit Namen Numa. Du bist das siebte Kind deines Vaters und das erste deiner Mutter. Seine vorherige Frau, Hildburga, war verstorben.«
… Donnerwetter! Dafür, dass ich aus der Geschichte getilgt wurde, hatte er eine Menge in Erfahrung gebracht. Woher hatte er das nur?...
Simon fuhr fort. »Du warst viel auf See, hast früh geheiratet. Nachdem euer Dorf von den Rittern des Lichts ausgetilgt wurde, nahm man dich bei eurem Vergeltungsschlag gefangen. Du wurdest als Sklave in die Reichshauptstadt gebracht, wo dich ein Kerl erwarb, der Kämpfe für die Arena ausrichtete. Scheinbar warst du wirklich gut, denn Jahre später wurdest du in alten Pergamenten erwähnt. Nach deiner Freilassung hattest du dich als Söldner von den Lichtrittern des Königs anwerben lassen. Warum hast du die Seiten gewechselt?«
Erwartungsvoll sah er mich an. Ich zuckte mit den Schultern.
»Von irgendwas muss man leben. In der Armee gab es genug zu essen, man konnte kämpfen und wenn man gut war, kam man wieder heile da raus. Du hast wohl nie Hunger gelitten, was? Wenn du in der Gosse lebst, bist du froh, wenn du etwas im Magen hast und ein Dach über dem Kopf! Ich bin nun mal ein Frontschwein und kein Kesselflicker!«
Diese Antwort schien ihn zu befriedigen. Er leierte weiter.
»Dann bist du verschwunden, ich schätze mal, dass du da zum Vampir wurdest. Danach tauchst du erst wieder 250 Jahre später auf, als dich die Lichtritter in der Schlacht bei den großen Steinen gefangen nahmen. Scheinbar warst du für sie wertvoll, denn dein Dienst endete erst ca. 250 Jahre danach. Der Lord hatte dich auf deinen Wunsch hin entlassen. Du wurdest... Privatier? Auf Høy Øya? Warum bist du wieder in die Hauptstadt gekommen? Um Lord Seraphim den Garaus zu machen? Nach diesem seltsamen Zwischenfall warst du verschollen. Tja, und hier bist du wieder.«
Befriedigt lehnte sich mein Quälgeist in den Stuhl zurück.
»Ganz schön lückenhaft dieser Lebenslauf, aber dafür dass ich aus der Geschichtsschreibung radiert wurde, habt ihr eine Menge Informationen. Wer hat das herausgefunden?«
Simon grinste. »Das hat Sal recherchiert. Er hat dafür ein echtes Händchen, sicher wirst du ihn bald kennenlernen, wenn du dich gut benimmst. Er fand sogar heraus, dass ein naher Verwandter deiner Sippe später sogar König wurde. Harald Blauzahn, nach ihm wurde die Bluetooth-Technologie benannt! Witzig was?«
… Bluetooth? Was sollte denn das sein?... Die Quasselstrippe auf dem Stuhl gab keine Ruhe. »Wieso hattest du Kinder? Ich denke Vampire schießen nur mit Platzpatronen? Übrigens, der Verlust den du erlitten hast, das tut mir wirklich leid.«
Das Bürschchen meinte es aufrichtig, er schien ebenso traurig zu sein wie ich.
»Simon, ich kann nicht darüber sprechen ... Noch nicht und weiß nicht, ob ich es jemals wieder kann. Aber es hat mit Magie zu tun. Halte mich nicht für verrückt, aber es gibt sie wirklich. Es ist keine Sache des Glaubens. Sie ist real!«
Simon nickte: »Ich weiß! Ich habe es selbst erlebt. Amanda kommt gleich, sei nett zu ihr. Denn wenn sie will, kann sie dich ziemlich piesacken!«
Freudige Erwartung machte sich im mir breit. Wenn Frau Doktor kam wurde es immer lustig. Und hübsch war sie noch obendrein. Zwar stehe ich nicht auf die Dunkelhaarigen, aber diese Frau hat Klasse. Für mich ist es zwar ungewohnt, dass Frauen einen Doktortitel tragen, aber das zeigt nur, dass sie mehr können, als das Kochen und Nähen. Und da kam sie auch schon. Ihr Duft erfüllte den Raum. Sie roch sauber und nach Mandelöl.Um ihr zu imponieren, setzte ich mein schönstes Haifisch-Grinsen auf.
»Hallo Schätzchen! Was verschafft mir die Ehre?«
Zornig funkelte mich dieses Prachtstück von Weib an.
»Ich bin Molekularbiologin, kein Schätzchen. Ich brauche Haar- und Gewebeproben.«
... Und ich war begeistert!...
»Bedien dich!« … Großzügig war ich schon immer.
Schwungvoll zog sie das Laken zur Seite und warf einen kritischen Blick auf meinen Körper. Während sie das tat, winkte ich ihr. Wer sich mit der männlichen Anatomie etwas auskennt, wird feststellen, dass Mann sehr wohl, auch mit festgebundenen Händen, winken konnte. Ihre Reaktion darauf ließ nicht auf sich warten. Amanda schenkte mir einen vernichtenden Blick und ein abfälliges Schnauben. Trotzdem bemühte sie sich um Sachlichkeit.
»Keine Körperbehaarung, da werde ich eindeutig keine Probe bekommen. Nicht rasiert, auch keine Haarfollikel. Wieso hast du keine Körperbehaarung?«
Schulterzucken meinerseits: »Weil ich sie einfach nicht brauche. Wir Vampire stehen in der Entwicklungsstufe über euch Menschen. Wir sind an der Spitze der Nahrungskette. Ihr dagegen braucht Haare, weil ihr friert, schwitzt und sterbt. Für uns seid ihr nichts anderes als Vieh!«… Touché! Das hatte gesessen.
»Aha, dann wird das Vieh...bei dir einen oralen Abstrich machen.«
Königliches Nicken meinerseits. »Nimm dir soviel Ohr wie du brauchst, Schätzchen, ich meine Frau Dr. Dr. Schätzchen. Ich bin ganz Ohr!« Nicht schlecht staunte ich allerdings, als sie sagte: »Mund auf!«
Und so etwas wollte Ärztin sein? Ich blieb brav, bekundete aber: »_as is_ nich _ein Oaaa!«
Verschlusslaute konnte ich keine bilden, weil sie mir so ein langes Stäbchen in den Mund rammte und kräftig damit umrührte. Dabei achtete sie sorgfältig darauf, dass ich nicht nach ihr beißen konnte. Es war etwas unangenehm, wie sie so in meinem Mund herum schubberte. Doch wurde ich mit einem Blick belohnt, den ich in ihr wohlgeformtes Dekolleté werfen konnte. Geschäftig packte sie das Stäbchen in eine Hülle und verstaute es in einem glänzenden Koffer.
»Jetzt brauche ich noch die Haarprobe.«
Offensichtlich ist sie eine ziemlich unterkühlte Person. Als sie hinter mich trat, verdrehte ich die Augen, um sie im Fokus zu behalten.
»Was soll das eigentlich für eine Frisur sein? Jack Sparrow, aus Fluch der Karibik oder was?«, mokierte sie sich.
… Jack wer?...
»Kriegerzöpfe! Das sind Kriegerzöpfe!«
Aber davon hat sie wohl noch nichts gehört.
»Sieht für mich aus wie die Frisur eines Rastafari!«
Mir war wirklich nicht danach, mit ihr über Frisuren zu diskutieren.
»Nimm dir einen Zopf und dann ist gut, aber lass noch etwas dran!«
Und sie nahm sich einen Zopf! Bei Thors Hammer! Im Grunde ging ich eigentlich davon aus, sie würde ihn abschneiden. Aber das Miststück riss ihn mir aus!
»Urgh!«...bemerkte ich.
»Danke, da habe ich auch schon die Gewebeprobe!«, sagte sie ganz schnippisch zu mir. Wenigstens hat sie sich bedankt, aber man muss ja nicht gleich so grob werden.
»Jetzt brauche ich noch Körperflüssigkeiten. Blut, Sperma ... Tja, Urin gibt es ja keinen.«
… Sperma?... Freude!...
Ich zwinkerte Simon zu.
»Simon? Hast du nicht irgendetwas Dringendes zu erledigen? Geh, lass uns allein, jetzt sofort! Husch, husch ...«
Zwinker, zwinker, nick, nick, in Richtung Tür.
Amanda schüttelte den Kopf.
»Simon bleibt hier, oder ich muss einen Herrn vom Sicherheitsdienst anfordern.«
… Oh ...
»Simon wird sich umdrehen«, tröstete sie mich. Und machte sich wieder an ihrem Koffer zu schaffen. Nicht dass mir das in irgendeiner Form peinlich gewesen wäre, aber immerhin ging es hier um die Ehre einer Dame.
Zuerst nahm sie mir Blut ab. Ja und dann war das Sperma dran.
»Ich bin fixiert, also spring auf!«, drängte ich. Es war mehr Befehl als Bitte. Wenn Blicke töten könnten, sie hätte mich bestimmt mehrmals umgebracht. Enttäuschung meinerseits.
»Was ist? Wie jetzt? … Nicht mal ein Mitleids-Fick?«
Wieder dieses Schnauben. Ich finde es wirklich süß, so animalisch.
»Ich bin Ärztin und kein Freudenmädchen. Ich brauche lediglich eine Spermaprobe, um sie zu untersuchen.«
Ach, wie schade. Maßlose Enttäuschung.
»Hier ist ein Becher!«
Beinahe rammte sie mir das Behältnis ins Gesicht.
»Ich bin ja nicht schwer von Begriff, Lady ... Aber freihändig und dann auch noch treffen? Das ist jetzt aber ein bisschen viel, was du verlangst!« Lüsternd hoffte ich auf Abhilfe des Problems.
»Gut, ich helfe nach. Entspann dich.«
Jau! Ich freute mich schon riesig. Es würde bestimmt ein Genuss werden, wenn sie meinem kleinen Freund die Glatze polierte. Entspannen? Kein Problem, ich hatte an der richtigen Stelle genug Spannung. Der Rest konnte sich in die weiche Matratze sinken lassen. Sie riss mir die Beine auseinander.
… Junge, sie hat Temperament!...
Ehe ich mich versah, rammte sie mir etwas in mein Rektum.
»Arrrrrgh!- OUOUOUUUUUFFFF!«
Zitternd blickte ich in den befüllten Becher.
»Das wird reichen. Elektro-Ejakulation. Das macht man in der Veterinärmedizin z. B. bei Bullen, aber auch in der Humanmedizin, wie bei Koma-Patienten, oder Querschnittsgelähmten, zum Absamen. Nun weiß ich nicht so genau in welche Kategorie ich dich einordnen soll, bei dir trifft im Moment sowohl das eine, als auch das andere zu. Übrigens … Gut bei Stimme!«, bemerkte sie hämisch und tätschelte mein Bein.
Simon kicherte in seiner Ecke. Leicht ungehalten brüllte ich zu ihm rüber. »Schnauze, sonst Beule!«
Grabesruhe. Sofortiges Schweigen trat ein.
»Gut...es war zwar ein recht flüchtiges Vergnügen, aber jetzt ist der Druck wenigstens etwas weg - und wir hatten Sex!«, grinste ich.
Wieder dieses Schnauben.
»Nein, wir hatten kein Sex! Das war nur eine medizinische Stichprobe deines Ejakulats! Wir hatten keinen Sex, nicht mal ein ganz kleines bisschen, merk dir das!«
Aufgebracht, fuchtelte sie bei jedem Wort, mit dem Finger in meine Richtung. Wie eine Hundedompteurin … und ich war der Hund - der abgesamte Hund. Eine Dame, die abstreitet mit mir Sex zu haben? So etwas macht mich wütend.
»Hey! Ich habe Hunger! Sex macht mich immer hungrig! Wann bekomme ich endlich eine ordentliche Mahlzeit? Darf ich dir vielleicht auch mal eine Blutprobe abnehmen? Und warum brauchst du Spucke von mir? Kannst froh sein, dass ich dir nicht ins Gesicht gerotzt habe, aber das ist nicht passiert! Nur zu gut weiß ich, wie man sich einer Lady gegenüber zu benehmen hat!«
… Behandelt man so seine Gäste?... Mein Magen knurrte, ich wurde erniedrigt und angeschnaubt. Dafür wollte ich wenigstens eine kleine Belohnung. In den eiskalten Augen der Ärztin trat so etwas wie Mitgefühl.
»Simon wird dir etwas geben, ich habe ihm schon deine Portion mitgebracht. Und wirklich nett von dir, dass du mich nicht "angerotzt" hast. Wir untersuchen deinen Speichel auf spezielle Wirkstoffe, die vielleicht kranken Menschen helfen könnten. Schließlich verheilen damit die Bisswunden, die Vampiren ihren Opfern beibringen. Und er macht willenlos, dem müssen wir auf den Grund gehen. Okay, vielleicht war ich etwas grob zu dir, aber du machst es mir auch nicht gerade leicht meinen Job zu machen. Wir sehen uns, bald, zum Messen und Wiegen!« Sie verließ den Raum.
Simon kam wieder zu mir an die Liege.
Ich fragte: »Messen und Wiegen!? Wieso kann ich mich nicht wirklich darauf freuen?«
Der Blonde antwortete: »Klang irgendwie wie eine Drohung, nicht?«
Scheinbar hatte ich einen Bruder im Geiste gefunden.
»Du sagst es, du sagst es! Jetzt gib mir was zu trinken, ehe ich noch verwelke!«
*
Natürlich war ich nicht erbaut darüber, dass ich wie ein Baby gesäugt wurde. Über eine blanke Brust hätte ich mich gefreut, aber trinken mit einem Schlauch? Aus einem Beutel? Wenigstens hatte das Blut eine angenehme Temperatur und war nicht kalt. Nichts hasse ich mehr, als kaltes Blut, außer Kruste. Igittigitt, bäh! Für den Moment war ich zwar erst mal satt, aber aber auch ziemlich schlapp. Genauer gesagt, fühlte ich mich, als wären mir Arme und Beine amputiert worden.
»Eine Erklärung wäre jetzt fein, Simon! Habt ihr mich vergiftet?«, nuschelte ich.
Das Zusammenspiel von Zunge, Zähnen und Gaumen funktionierte nicht mehr richtig. Die Zunge hing kraftlos im meiner Mundhöhle herum.
»In dem Blut ist eine Muskelrelaxans, Pipecuronium, das ist normalerweise nicht mehr verfügbar, aber wir mussten auf eine lange Wirkdauer bauen. Du wirst dich jetzt nicht mehr sonderlich gut bewegen können. Ich kann nur hoffen, dass ich dir vertrauen kann, aber ich habe mich abgesichert. Wie du weißt, ich bin der Leiter der technischen Abteilung. Wir haben eine nette Überraschung für dich, denn dir wurde eine Sonde eingesetzt. Wenn du jemanden Schaden zufügen solltest, wird sie aktiviert. Erst bekommst du schlimme Kopfschmerzen und anschließend explodierst du.Wenn du mich töten solltest...Bäng! Solltest du ausbrechen...Bäng! Du hast die Wahl, entweder du hast dich im Griff...«
… Das blöde Bäng ging mir auf den Keks ...
»Jaha ... Ich habe verstanden … Oder Bäng!«
Unverschämt grinsend, nickte Simon ...
»Wir können dich überall damit orten ... Ja, und es ist eine Analsonde!... Und die milde Version dieser Wirkung hast du heute am eigenem Leib erfahren. Wenn ich dir schon nicht vertrauen kann, appelliere ich hiermit an deine Vernunft!«
Und wenn es mir an Vernunft fehlte?
Eins ist klar ...
Ich würde einen ziemlich spektakulären Abgang haben.
*