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Salomons Ring

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Der Siegelring des weisen Königs war

Der Talisman, der jedes Übel abhielt

(Auszug aus dem Gedicht von Ludwig Storch)

Ziemlich fluffig lag ich auf meiner Liege. Simon sprach in einen seltsamen Kasten, der neben der Tür hing. Kurz darauf kam ein Pfleger ins Zimmer, während ich mit dem Schlaf und einem völlig unwilligen Körper kämpfte. Der Mann in weiß schaltete die Geräte ab und entfernte die Schläuche. Jetzt war es wesentlich leiser. Nur das Brummen der Deckenbeleuchtung über meinem Kopf war noch zu hören. Nun wurden auch endlich meine Fesseln gelöst. Simon tätschelte mein Gesicht und grinste, als er sah, dass ich mich vollsabberte. Meine Ohren waren schon ganz nass.

»Ragnor, lauf nicht weg! Ich besorge dir schnell etwas zum Anziehen und für mich eine Kleinigkeit zu essen, ja?«

Des Sprechens nicht mächtig, lachte ich über seinen blöden Witz; belohnte ihn mit einem nicht gerade freundlich Funkeln und blubberte. Eigentlich sollte es das Wort "Rasiermesser" bedeuten. Sicher sein konnte ich mir nicht, ob er es auch nur ansatzweise verstanden hatte. Gemeinsam mit dem Pfleger verließ Simon den Raum.

Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich wieder allein.

Ha, ha ... Und ich sollte nicht weg gehen. Na, so ein Spaßvogel. Mit Armen und Beinen kämpfend, beschloss ich, dass es keine so schlechte Idee wäre, mir vielleicht doch ein wenig die Beine zu vertreten. So rollte ich mich nach links, dann nach rechts, wiederholte diese Prozedur so lange, bis ich von der Liege rollte und hart auf dem Boden aufschlug. Das hatte ja mal wieder ganz hervorragend funktioniert. Autsch … Nie zuvor war mir klar, dass Sitzen eine so anstrengende Angelegenheit sein konnte … Während dieser kräftezehrenden Tätigkeit musste ich wohl eingeschlafen sein.

Später ertönte die erstaunte Stimme meines Betreuers.

»Ragnor! Was machst du auf dem Boden? Und hat dir schon mal jemand gesagt, dass du schnarchst?«

Vorsichtig öffnete ich ein Auge. »Sitzen und ja.«

Simon stellte eine Tasche auf meiner Liege ab.

»Wo warst du so lange? Das hat ja eine Ewigkeit gedauert! Musstest du dir erst mal ein Reh jagen? Oder was?«, murrte ich ungehalten.

Das schlechte Gewissen in Person stand direkt vor mir und heißt Simon. Überhaupt hatte ich es bei ihm mit einem echten Sensibelchen zu tun. Wenn ich noch eine Weile weiter lamentiert hätte, wäre er bestimmt in Tränen ausgebrochen.

Unwirsch winkte ich ihm zu. »Sprich! Unwürdiger!«

»In der Kantine war es voll, ich musste leider etwas länger warten. Reh? Ich esse kein Fleisch!«

Kein Wunder, dass er so ein halber Hahn ist, vom Äsen allein wird man nicht sehr kräftig.

»Hier, ich habe dir Kleidung mitgebracht.« Etwas zirpte. »Da haben wir T-Shirt, Unterhose, Hose, Sweatshirt, Socken ...«

Während er die Wundertüte auspackte, hielt er das jeweils Erwähnte vor sich an seinen Körper, gerade so, als wolle er mir erklären, wo man das Kleidungsstück trug. Dass er nicht gänzlich dahinter verschwand, verdankte er nur seinen energischen Bewegungen, sowie seiner Gelenkigkeit.

»... Und Schuhe! Grundgütiger, die sind ja so groß wie Geigenkästen!«

Mir war nicht klar, was er damit meinte. Wenn ich mir seine kleinen Füße so ansehe, wundert es mich wirklich, dass er damit das Gleichgewicht halten konnte.

»Die Unterhose kannst du gleich wieder mitnehmen! Ich trage keine Unterwäsche!«, knurrte ich genervt.

Ein enttäuschter Ausdruck trat auf sein Gesicht.

»Aber, es wäre besser w...«

Da mir nicht mehr ganz so matschig zumute war, versuchte ich mich vorsichtig aufzurichten. Simons Augen folgten dem Akt. Eine Welle der Übelkeit rollte über mich hinweg. Mir war schwindelig und ich schwankte, wie eine Tanne im Wind.

Er öffnete den Mund. Mal wieder ...

»Tja, ich wusste ja, dass du nicht gerade klein bist, aber in der Senkrechten...«

»Ach, halt einfach die Klappe, ja?«, grunzte ich. Auf der Liege kam ich bequem zu sitzen, zog die Socken, das T-Shirt und die Hose an und stutzte. Keine Schnüre, Haken oder Ösen. Nicht mal Knöpfe, na ja, einer war schon da, aber das konnte es doch wohl noch nicht gewesen sein.

»Wie schließt man das Ding?«

Ich zeigte auf den mir bisher völlig unbekannten Reißverschluss.

»Einfach an dem Zipper hochziehen!«, war seine Antwort. Gut, das klang ganz einfach und ...

»Arrrrgh!«, gab ich zu Protokoll. »Nun, gib schon die scheiß Unterhose her, ich habe es mir anders überlegt!!!..«

Wenig später saßen wir entspannt am Tisch. Zumindest war ich recht entspannt. Simon sah eher etwas verängstigt drein, aber das macht in meiner Gegenwart jeder, der mir zum ersten Mal gegenüber sitzt. In Anbetracht dessen, dass Vampire zehnmal schneller und stärker als Menschen sind, ist eine gewisse Voreingenommenheit nicht zu verübeln.Trotz seines offensichtlichen Muffensausens, knurrte sein Magen. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz herum und ergriff das Wort.

»Wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mein Abendessen zu mir nehmen.«

Nickend meinte ich: »Nur zu!«

Raschelnd entblätterte er ein Brot. Ein Käsebrot, aber was für Käse! Verwesungsgeruch? Kein Problem! Moder, Ruß, Staub, Schweiß, Sumpfgase? Macht mir nichts!

- Aber Simons Käse war eine echte Beleidigung für meine Sinne. Nicht nur, dass der Käse ziemlich zerlaufen aussah, er stank bis zum Himmel und wahrscheinlich auch noch bis in die letzte Ritze der Hölle. Angewidert verzog ich das Gesicht. Wenn ich daran dachte, dass ich in diesem Raum bleiben sollte ...

Tief in meinem Inneren machte sich so etwas wie Mordlust breit.

»Du solltest das Einschlagpapier besser wieder mitnehmen«, empfahl ich.

»Appenzeller! Ich weiß, stinkt grauenvoll, schmeckt aber ganz hervorragend!«

...Bei Odin, er konnte sich sicher sein, dass ich ihm nicht das Blut aussaugen würde, wenn dieses Zeug durch seine Adern waberte! Auf dem Tisch stand ein Karton. Darin steckte ein Trinkröhrchen. Schlürfend begann er daran zu saugen, ließ es aber gleich bleiben.

»Buah! Die Milch ist sauer! Ich werde mich in der Kantine beschweren!«

Mitleidig schüttelte ich den Kopf.

»Nein, so eine Sauerei ... Wo wir gerade beim Thema sind … Ist Amanda eigentlich eine Anbeterin des sapphischen Mondes?«

»Hä?«, war Simons geistreiche Antwort.

»Sappho, Lesbos! Ist sie eine Lesbe?«, machte ich ihm begreifbar.

»Ach so! Nein, sie ist verheiratet.«

Mit gespielter Ängstlichkeit biss ich mir in die Faust.

»Nein! Wo wohnt sie? Ich erlöse den armen Kerl von seinen Qualen!«

Langsam wusste mein Gegenüber meinen Humor einzuschätzen. Grinsend erwiderte er: »Tja, Kumpel, Frauen sind wie Toiletten, entweder beschissen oder besetzt!«

Na, das war ja eine tolle Lebensweisheit! Trotzdem dauerte es eine Weile, bis sich meine Enttäuschung gelegt hatte. Simon ergriff erneut das Wort.

»Ragnor, sicherlich fragst du dich, warum wir dich hier her gebracht haben?«

Natürlich fragte ich mich ziemlich viel, aber schön, dass er jetzt mit der Sprache heraus kam. Charmant machte ich mit der Hand eine Geste, dass er reden sollte.

»Unsere Organisation nennt sich Salomons Ring. Ich weiß nicht, wie weit du literarisch bewandert bist. König Salomo hatte einen Ring, den er einsetzte, um Gutes zu tun. Um zu bewahren und zu behüten. Auch heißt es, dass er mit diesem Ring Dämonen gefügig machte und sie damit bezwang. Genau das ist unsere Aufgabe. Wir sind Humanisten und unsere Aufgabe ist es, die Menschheit vor Schaden zu bewahren. Vor Dämonen, Geistern und allem was schwarze Magie so hervor bringt.«

»Humanisten? Ich bin auch Humanist«, war meine Antwort. »Ich mag Menschen, vor allem ihr Blut!«

Simon fand das nicht witzig.

»Das ist etwas anderes!« Er schnaubte nun auch schon, das musste ansteckend sein.

Darauf hin bemerkte ich: »Dann seid ihr also Juden? Bei uns gab es auch viele Juden. Viele von ihnen wurden verhaftet, weil behauptet wurde, dass sie die Brunnen vergiftet hätten. Wir konnten ihnen nichts nachweisen. Warum sollten sie das auch tun? Viele unter ihnen waren Kaufleute und Geldverleiher. Was macht das für einen Sinn, wenn sie ihre zahlende Kundschaft umbringen? Mein Bankier war ebenfalls Jude und ich mochte ihn, er war ein verdammt schlauer Kopf. Er hat mein Geld immer gewinnbringend für mich angelegt.«

Wehmütig dachte ich an mein damals bei ihm investiertes Geld. Wenn ich jetzt nach so langer Zeit meine Zinsen abholen könnte, wäre ich gestopft wie eine Weihnachtsgans.

Blondie schüttelte den Kopf.

»Nein, wir sind keine Juden, das heißt, ein paar schon, aber auch Moslems, Christen, Hindus, Buddhisten und Atheisten. Religion spielt bei uns überhaupt keine Rolle. Wir sind auch nicht politisch, wir arbeiten mit fast jeder Regierung zusammen, wir sind sozusagen international. Sobald sich etwas ereignet, das sich nicht wissenschaftlich erklären lässt, kommen wir zum Einsatz.«

Ich fuhr meine Klauen aus und trommelte ungeduldig auf die Tischplatte, während Simons Augen sich leicht ängstlich weiteten.

»Und Simon? Was soll ich jetzt mit diesem ganzen Gewäsch anfangen?«

»Stell dich nicht dümmer als du bist, Ragnor. Entspann dich, du bist jetzt einer von den Guten. Ab heute bist du unser neuer Mitarbeiter, ist doch super, oder?«

Toll, jetzt hatte ich wieder einen Job, den ich eigentlich gar nicht wollte. Nichts mehr mit Rumhängen und Schlafen, die Drogen wären jetzt wohl auch gestrichen. Ob das jetzt so super war, musste ich mir erst überlegen. Im Grunde habe ich es nicht so gerne, wenn jemand anderes Entscheidungen für mich trifft. Und Mitarbeiter ist für mich nur ein Synonym für Gefangener. Deshalb war ich ein wenig – nein, Scheiße - tierisch sauer. Dem entsprechend steigerte sich meine Lautstärke.

»Ach, bin ich? Wieso kann ich mich gar nicht daran erinnern, dass ich darum gebeten hätte, mich einzustellen? Das ist etwas anderes, als jemanden in eine Taverne zu schleppen und ihn dann volltrunken einen Verpflichtungsvertrag unterschreiben zu lassen! Findest du es nicht berechtigt, dass ich auch ein Wort mitzureden habe? Und was heißt hier die Guten? Und was ist deiner Meinung nach Böse? Das ist doch alles nur Ansichtssache!... Und komm mir jetzt nicht mit Moral und so einem Gesülze!... Moral!... Bis vor Kurzem kannte ich das Wort Moral noch nicht einmal! Ich dachte, es wäre ein 15 Jahre alter Whiskey!«

Aufgebracht erhob ich mich von meinem Stuhl und plusterte mich zur vollen Größe auf. »Ich soll für euch also da raus gehen und meine Knochen für eure kruden Ideen hinhalten? Während ihr Sesselfurzer, euch einen schönen Tag macht und eure Bürzel reibt? Was ist, wenn ich ablehne?«

Wahrscheinlich hätte ich den Armen nicht so anschreien sollen, aber er wirkte trotzdem nicht so verängstigt, wie ich es beabsichtigt hatte. Leider war der Tisch nicht annähernd stabil genug um die "Aus-dem-Stand-auf-den-Tisch-spring-Nummer" abzuziehen.

Sinnierend blickte Simon in die Luft, klopfte sich mit seinem Schreibstift an die Schneidezähne und schüttelte den Kopf.

»Tja, Ragnor. Da gibt es keine weiteren Optionen. Wenn du nicht kooperierst, wirst du bis ans Ende der Zeit eingekerkert. Du wirst nur so viel Blut bekommen, dass du weiterexistieren musst. Gerade genug, dass du immer hungrig bleibst und qualvoll vor dich hin vegetieren musst. Vom immer und ewig währenden Blutdurst, in den Wahnsinn getrieben. Auch hier kann ich nur an deine Vernunft appellieren. Du hast die Wahl!«

… Das ist wirklich keine vielversprechende Alternative ...

»Okay! Wo muss ich unterschreiben?«, fragte ich, mich geschlagen gebend.

Grinsen machte sich in Simons Gesicht breit.

»Eine sehr kluge Entscheidung!«

Wenig später zog er ein kleines, flaches Ding aus seiner Tasche, drückte darauf herum und berichtete von seinem Erfolg, des soeben stattgefundenen Bewerbungsgespräches. Fasziniert betrachtete ich sein leuchtendes Ohr. Meinem neugierigen Blick folgend, zeigte er auf das Kästchen.

»Das ist ein Telefon, ich telefoniere.«

So etwas Ähnliches kannte ich bereits, ich schenkte Marla damals einen Flüster-Kobold. Ein schreckliches Ding, sehr einfallsreich in der Interpretation ...

Nachdem ich jetzt auf dem freien Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stand, verbesserten sich die Umstände meiner Unterbringung erheblich. Von zwei gleich gekleideten Schlägern begleitet, (ich beschloss spontan, die zwei Herzchen, Flimm und Flumm zu taufen) wurde ich in mein Quartier gebracht. Um mein Zimmer betreten zu können, musste ich den Kopf einziehen. Neugierig blickte ich mich in meiner neuen Bleibe um. »Gibt es in diesem Schuppen keine Fenster?«

Simon, der zwei Schritte hinter mir ging, verneinte.

»Wir befinden uns tief unter der Erde, wie willst du da ein Fenster einbauen? Außerdem besteht das Risiko, dass du dich zu einem kleinen Spaziergang entschließen könntest. Du musst schon ohne Fenster zurecht kommen.«

...Verdammt! Wie konnte er wissen, dass ich gern spazieren gehe? Vielleicht hatte er den Kerker der Ewigkeit, aus dem ich vor Urzeiten entkam, bewusst in meinem Lebenslauf unterschlagen?...

Ansonsten war das Zimmer annehmbar. Zumindest war das Bett groß genug, darin eine ordentliche Nummer zu schieben, oder zu schlafen - ohne dass meine Füße über den Bettrand hingen. Daneben ein Nachtschränkchen. Außerdem gab es noch einen Schrank, den ich sofort öffnete und passende Kleidung vorfand. Dazu noch eine Kommode, ein großes gemütliches Sofa zum darauf herumlümmeln, mit dazugehörigem Sessel und einen flachen Tisch, der mit einer Obstschale dekoriert war, rundeten das Equipment ab. Obstschale? Was sollte ich mit Obst anfangen? Außerdem enthielt das Zimmer noch ein leeres Bücherregal und einen Schreibtisch mit Stuhl. Vermutlich gab es wohl keine Bücher mehr?

Wie anders sollte ich das leere Regal interpretieren?

Auch spähte ich eine Tür aus, gab allerdings schnell die Hoffnung auf, dass sie in die ersehnte Freiheit führen würde. Gegenüber der Sitzgruppe stand ein Sideboard, und darauf thronte ein sehr seltsames, riesiges Bild. Vermutlich handelte es sich um moderne Kunst, oder der Maler war eine faule Sau und hatte keine Lust ein Bild zu malen. Vielleicht überließen sie es auch mir, eins nach meinem Geschmack auszuwählen. Jedenfalls gähnte in dem Rahmen eine schwarze, matte Leere. Wenigstens war der Rahmen ganz interessant, er hatte ein rotes Licht im Sockel. Ich mag Rot. Rot ist meine Lieblingsfarbe. In dem Bord waren noch andere Kästen, die meine Aufmerksamkeit erregten.

Simon, der mich und meine Blicke genau beobachtete, gab mir einen jovalen Knuff mit seinem Ellenbogen, den er sich aber ganz schnell rieb, weil er auf etwas Hartes geprallt war.

Genauer gesagt, auf meinen Latissimus dorsi.

»Ich dachte mir, wenn du schon kein Fenster hast, würde dich das vielleicht ein wenig trösten.«

… Tolle Idee! Ich könnte mir ja die Zeit mit Malen vertreiben und ein Bild für diesen Rahmen schmieren!...

»Soll das ein Blick in meine Zukunft darstellen? Ich sehe nur Schwarz! Ganz toll, Simon, vielen Dank!«

Kichern ertönte. Simon winkte Flimm und Flumm, die sich zuvor links und rechts neben der Tür postiert hatten, mit einer Handbewegung aus dem Zimmer.

»Danke, meine Herren, wir kommen schon zurecht.«

Gut, dass sie freiwillig gingen. Liebend gern hätte ich sie mit ein paar saftigen Arschtritten aus meiner Suite komplimentiert. Alte Uniformen-Unverträglichkeit.

Mit ein paar Schritten war der Kleine beim Tisch und hob einen länglichen Gegenstand auf. Er hatte furchtbar viele Knöpfe.

… Nein, nicht Simon, sondern der Gegenstand! Muss ich denn alles ganz ausführlich erklären, oder was?...

»Hier, Ragnor. Drück mal den roten Knopf.«

Er nickte zum Bilderrahmen.

Sofort witterte ich eine Falle. Nur Berserker, todesverachtende Berserker, sind dafür bekannt, dass sie keine Furcht kennen und ich war ebenfalls so einer. Mit leicht zugekniffenen Augen, drückte ich den Knopf. Das leere schwarze Bild begann zu leben! Darin waren kleine Menschen!Schwer beeindruckt sah ich zu Simon.

»Magie! Sind das Kobolde, die Theater spielen? Ich wusste gar nicht, dass du Magier bist! Aber du sagtest ja, du hättest Magie selbst erlebt!«

Simon amüsierte sich wie ein kleines Kind.

»Nein, das ist keine Magie! Das ist ein Fernsehgerät, kurz Fernseher oder auch LCD-TV mit DVD Player.«

… Ach so. Deshalb waren die Menschen darin wohl auch so klein. Man sah sie aus der Ferne. Trotzdem würde ich der Sache beizeiten auf den Grund gehen. Vielleicht konnte ich dieses TV-Dings auseinandernehmen? Ich war hin und weg. Gebannt starrte ich auf die sich bewegenden Menschen, und als eine wohl gerundete Blondine einem fremdländischen Typen eine Ohrfeige verpasste, zuckte ich zusammen. Aber der Fremdländer zuckte mit keiner Wimper. Er war ganz eindeutig kein Weichei! Yeah, Alter! Hol sie dir!, feuerte ich ihn im Geiste an. Und als ob er meinen Rat beherzigt hätte, holte er die flüchtende Schöne ein, riss sie in seine Arme und knutschte die Tussi, bis sie schielte. Leider wurde die Scheibe wieder schwarz. Gerade als ich hoffte zu sehen, ob der Fremdländer dazu kam, ordentlich einen wegzustecken. Meine ungeteilte Aufmerksamkeit gehörte wieder voll und ganz Simon.

»Dieses Gerät dort unter dem Monitor ist eine Play-Station3 Blu-ray. Damit kann man spielen. Funktioniert mit Bluetooth.«

Er nahm einen Gegenstand in die Hand, der mich entfernt an einen Beckenknochen erinnerte, nur dass darauf ebenfalls Knöpfe waren. Er brabbelte und verlor sich in Details, die nur er allein verstand. Später zeigte Simon mir einen Kasten, den er Laptop nannte. Bisher kannte ich nur Topflappen, doch die waren weder so hart, noch so eckig und besaßen auch keinen Internetanschluss. Simon sagte, dass ich mit dem Laptop arbeiten würde, mit ihm recherchieren. Das war jetzt alles ein bisschen viel für mich und ich sehnte mich nach einem Bad und einer Rasur. Während Simon noch die Vorzüge von Blu-ray gegenüber handelsüblichen CDs betonte, von Gigabites und Arbeitsspeicher referierte, okkupierte ich das Bad, welches sich hinter der Tür befand, die ich vorhin so angeschmachtet hatte, wie der Fremdländer die Blonde im Fernseher. Zuerst öffnete ich die Tür. Das Licht ging an, ganz von allein. Als Zweites zersprang der Spiegel. Entnervt schloss ich die Tür hinter mir. Ich fand mich damit ab, dass ich mich zwar in einem wunderbar, weiß gefliesten Bad rasieren würde, aber vor einem kaputten Spiegel. Hinter mir ertönte eine Stimme.

»Was ist da drin passiert?« Die Tür wurde geöffnet und Simon sah die Bescherung. »Warum hast du den Spiegel zerschlagen?«

Beschwichtigend hob ich die Hände. »War ich nicht!«

Irgendwann müsste ich Simon in mein Spiegelproblem einweihen, wollte ich nicht ständig kaputte Spiegel betrachten.

»Okay, ich gebe es zu! Aber es war keine Absicht! Spiegel zerspringen, wenn ich mich darin spiegle. Also, je dicker der neue Spiegel ist, desto besser!«

»Gut!«, war seine Antwort. »Wir müssen eh noch ein paar Tests machen, du bekommst deinen neuen Spiegel. Und suche kein Rasiermesser, benutze einfach das Ding hier! Das ist ein Rasierer mit Barttrimmer.«

Auch hier zeigte er mir die Funktionen, allerdings hatte das Ding keinen Bluetooth.

»Ich werde dich jetzt allein lassen, Ragnor. Und versuch bitte, so wenig wie möglich kaputt zu machen. Unsere Organisation ist zwar nicht arm, aber wir nutzen die Ressourcen lieber für unsere Aufgaben, als sie jemanden in den Rachen zu stopfen, der es nicht zu würdigen weiß. Der Tag war wirklich lang und ich bin todmüde! Gute Nacht, Ragnor!«

Ich sah ihm hinterher, beobachtete wie er eine Karte durch den Schlitz eines Kastens an der Tür zog.

»` Nacht, Simon!«

Das müsste ich mir bei Zeiten doch etwas genauer ansehen...

Endlich allein, genoss ich die Ruhe und rasierte mich zum ersten Mal mit einem Barttrimmer. Eigentlich wäre mir ein Rasiermesser und Seife lieber gewesen, doch scheinbar traute man mir nicht über den Weg. Offensichtlich glaubten sie, dass ich anderen damit die Kehle durchschneiden könnte.

Aus dem zersprungenem Spiegel glotzte mich ein hohlwangiger, hässlicher Kerl, mit etwas zu großen Augen an. Ja, ich war wirklich nicht in Form. Nachdem ich endlich meinen Rauschebart losgeworden war, sah das Waschbecken aus, als wäre darin ein großes, rotes Tier verendet. Es wurde würdevoll von mir im Mülleimer beerdigt. Das Duschbad funktionierte auch zufriedenstellend. Schon beeindruckend, wenn das Wasser direkt aus der Wand kommt. Nur bei dem Ding mit dem Deckel, da wollte sich mir dessen Sinn nicht so ganz erschließen. Ein Kochtopf war es nicht, obwohl dort Wasser drin war. Ich drückte die Taste und es rauschte. Aha! Jetzt war es mir klar. Das Ding ist bestimmt zum Haare waschen. Jedenfalls würde ich mich nicht so tief bücken, nur um mir den Kopf zu waschen. So etwas tat ich lieber unter der Dusche. Zumindest war dort das Wasser wärmer.

… Ach egal, scheiß drauf!...

Etwas ratlos tigerte ich umher, setzte mich aufs Bett und griff nach meiner Hose. Vorsichtig zog ich die Gummihandschuhe, die ich heimlich aus dem Mülleimer des Aufwachraumes gefischt hatte, aus der Hosentasche und entfaltete einen davon ...

… Und sog den Duft von Mandelöl ein und schloss die Augen.

… Bis irgendetwas klingelte ... Panisch versuchte ich mir den Handschuh aus der Nase zu ziehen. Bei meiner heimlichen Tat, von einem Klingeln ertappt zu werden - da hatte ich wohl ein wenig zu tief nach Luft geschnappt. Fluchend folgte ich dem Verursacher des Lärms. Der Obstkorb enthielt kein richtiges Obst. Es war viel zu glasig. Und als ob mich das Schicksal verhöhnte, klingelte ausgerechnet die Banane! Ratlos nahm ich sie in die Hand. Wieder musste ich an Simon und seine frivole Geste denken, als er sich die Banane in den Mund steckte. Ich drückte einfach so lange auf den Knöpfen herum, bis eine Stimme ertönte. »Hallo? Simon?« Ich schüttelte den Kopf, keine Reaktion am anderen Ende. Jetzt fiel mir ein, dass man in ein Telefon hinein sprechen muss.

»Nein! Hier ist Ragnor! Simon ist nicht da!«, pampte ich.

Wieder erklang diese Stimme.

»Gut, gut! Ich wollte sowieso mit dir sprechen. Mein Name ist Sal Ormond, ich bin der Leiter dieser Organisation. Wie geht es dir? Ist alles zu deiner vollsten Zufriedenheit?«

Jetzt war es an mir, zu schnauben.

»Hör gut zu, Sally! Was ist das überhaupt für ein blöder Name? Ist das eine Abkürzung von Salomo?«, redete ich mich in Rage.

»Wie sollte es mir gehen? Man hat mich hier her verschleppt, ich bin eure Geisel! Meine Hörner hat man mir auch gestohlen. Man hat mich gefesselt, betäubt, gefoltert und meinem Hintern die Jungfräulichkeit geraubt! … Und, es ist unglaublich ... Ich telefoniere mit einer Banane! Was soll dieses blöde Fragerei?«

Leider ließ sich mein Gesprächspartner nicht so leicht provozieren, er blieb völlig ruhig.

»Sal ist eine Abkürzung für Salvatore. Hiermit entschuldige ich mich für alle Unannehmlichkeiten, die dir widerfahren sind. Die Welt ist nun einmal ein gefährlicher Ort. Aber die Natur erschafft nichts, was nicht einen eindeutigen Sinn hätte. Glaubst du an so etwas wie Bestimmung?«

Wütend stierte ich ins Telefon. Sal fuhr fort. »Jeder hat seine Bestimmung. Und deine ist es, deine Fähigkeiten zu nutzen. Und diese brauchen wir nun einmal. Es passieren schlimme Dinge. Unschuldige Menschen verschwinden und böse Menschen verschwinden ebenfalls. Ganz eindeutig braut sich da etwas zusammen. Unsere Aufgabe ist es, sie zu finden und sie vor dem drohenden Unheil zu schützen. Unsere Organisation ist sozusagen das letzte Bollwerk, welches dem Bösen Einhalt gebieten kann. Hör zu, wir haben nicht viel Zeit. Ganz offen gestanden, brauchen wir deine Hilfe. Unser Orakel sagt, dass du der Richtige für diese Aufgabe bist.«

… Aha. Er entschuldigte sich, er erklärte sich und sie hatten ein echtes Orakel … Rhetorisch gewandt wie ich nun einmal bin, sagte ich: »Äh, Entschuldigung angenommen.«

»Fein! Simon wird dich in alles einweisen. Ach, und noch etwas ... Das mit deinen Kindern und Marlies tut mir wirklich leid. Ich beende jetzt das Gespräch und du musst den Knopf mit dem waagerechten Hörersymbol drücken.«

Das Telefon tutete, und kein Sal war mehr zu hören. So drückte ich die Taste mit dem benannten Hörer. Eine Weile starrte ich noch den Hörer an, ehe ich die Banane wieder auf ihre passende Hälfte legte. Ein Schauer überlief meinen Rücken und mein Nackenhaar stellte sich auf, denn Misstrauen machte sich in mir breit. Natürlich konnte es sich um einen ganz simplen Zufall handeln, aber ich kannte nur einen, der Marla immer Marlies genannt hatte.

Da mich diese Grübelei zu nichts führte, beschloss ich ein wenig den Fernseher zu testen. Einfach schrecklich verwirrend, dieses TV. Es wurde darin diskutiert, geliebt, gekämpft und noch viel mehr. Rastlos schaltete ich durch die Programme, bis ich etwas fand, das mir gefiel. Ein Kerl nahm es ganz allein mit einer Meute Gegner auf. Mit zerrissenem Unterhemd und barfuß. Immerzu schrie er den Namen "Holly". John McClane war sein Name - ein ganz harter Hund!

Nebenbei schnüffelte ich an meinem Fetisch-Handschuh und ließ mich voll und ganz von der Handlung im Fernsehgerät fesseln. Gerade als es spannend wurde, kam Werbung. Wenn die neue Welt wirklich alles bereit hielt, warum wurden dann so viele Waren feil geboten? Während der Werbung erfuhr ich auch, was es mit dem Ding im Bad auf sich hatte. Es nennt sich WC und man muss ständig Reiniger hineingeben, weil Bakterien, Keime und Kalk diesen Ort in ihrer Gewalt haben. Wieso man sich so ein unheilvolles Ding ins Bad stellt, bleibt mir nach wie vor ein Rätsel. Plötzlich ertönten über mir Glocken.

»Ding-Dang-Dong. Sehr geehrte, ach was sage ich? Hochverehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in fünf Minuten wird das Licht gelöscht. Begeben Sie sich in ihre Betten. Wir wünschen Ihnen eine geruhsame Nacht!«

Schnell lokalisierte ich, dass diese Laute aus der Decke kamen und ein rundes Ding mit Löchern diese Töne verbreitete. Licht aus? Kein Problem. Ich sehe ganz hervorragend in der Dunkelheit. Müde war ich nicht, also würde ich mir die Zeit mit diesem TV vertreiben. Nach kurzer Zeit erklang wieder das Glockenläuten. Es wurde dunkel … und der Fernseher auch … och nö!...

*

Fatales Erwachen Epubli EPUB

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