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Bonifaz von Canossa
ОглавлениеNach dem Tode Thedalds folgte ihm sein Sohn Bonifaz nahtlos in der Herrschaft nach. Wann genau Thedald verstarb, ist unklar, doch wird seiner in einer 1012 erfolgten Schenkung seines Sohnes an das Kloster Polirone gedacht. Bonifaz war nicht der einzige männliche Nachkomme gewesen, aber sein Bruder Thedald war früh für eine geistliche Laufbahn bestimmt worden und stieg zum Bischof von Arezzo auf; sein zweiter Bruder Konrad starb noch als junger Mann. So gelangte das canusinische Erbe ungeschmälert in Bonifaz‘ Hände.
Mit Kalkül hatte der alternde Thedald den um 985 geborenen Bonifaz zur Herrschaft erzogen und ihn bei passenden Gelegenheiten einer möglichst breiten Öffentlichkeit als Nachfolger vorgestellt. In einer überwiegend illiteraten Gesellschaft war es wichtig, körperliche Präsenz zu zeigen und sich durch demonstrative Akte in das kollektive Gedächtnis der regionalen Bevölkerung einzuprägen. Da die Canusiner besonderes Gewicht darauf legten, sich als Garanten einer stabilen, Sicherheit versprechenden Ordnung darzustellen, ließ Thedald seinen Sohn Ende September 1001 an einer Gerichtssitzung in Carpi teilnehmen. Die Verhandlung über den wenig bedeutenden Besitz Viniolo des Klosters Santa Giulia in Brescia geriet zur öffentlichen Demonstration. Neben dem Markgrafen und seinem präsumptiven Erben waren ein Königsbote Ottos III., mehrere Hofrichter und wichtige Vertreter der mächtigsten Familien der Po-Ebene, aus Modena, Bologna, Parma, Cremona und Bergamo anwesend. Man darf mit Sicherheit davon ausgehen, dass Thedald den illustren Kreis eigens organisiert hatte, um seinen Sohn würdig in das sorgsam ausbalancierte Machtgefüge der Po-Ebene einzuführen. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen ließ der hinfällige Markgraf auf seinem Sterbebett, so überliefert es wenigstens Donizo, seine Vassallen einen Eid schwören, künftig seinem Sohn die Treue ebenso zu halten wie ihm selbst.
Erbe canusinischer Macht: Nach dem Tode Thedalds übernahm Bonifaz die Amtsgeschäfte und sah sich sogleich in einen Bruderkrieg mit Konrad verwickelt. Darstellung aus Donizos Vita Mathildis.
Dennoch gab es Probleme bei der Machtübernahme. Donizo weiß zu berichten, dass die mit den Canusinern konkurrierenden Familien von Neid zerfressen gewesen seien und danach trachteten, Zwietracht zu säen. Angeblich hätten sie versucht, einen Keil zwischen die Brüder, vor allem aber zwischen Konrad und Bonifaz zu treiben. Dem jugendlichen Konrad sollen sie sogar eine lukrative Heirat in Aussicht gestellt haben. Glaubt man Donizo, dem einzigen Gewährsmann, so herrschte bald kriegsähnlicher Unfriede zwischen den Brüdern, da sich Konrad wohl übergangen fühlte. Der Zwist kulminierte in der Schlacht bei Coviolo. Bonifaz, dessen strategische Begabung hier erstmals zu Tage trat, ging als Sieger vom Platz; Konrad blieb offenbar schwer verwundet zurück und starb geraume Zeit später mittelbar an den Folgen seiner Verletzungen: Sein ausschweifender Lebensstil soll seinem geschwächten Körper den eigentlichen Todesstoß versetzt haben. Angeblich gab sich Konrad gewohnheitsmäßig reichlichem Essen und dem Spiel hin, wobei ihn wohl in einem Kampfspiel ein heftiger Schlag traf. Die im Ringen mit Bonifaz empfangene Wunde öffnete sich wieder und Konrad verstarb. Nun, da keine Gefahr mehr von ihm ausging, sorgte Bonifaz für ein ehrenvolles Begräbnis bei den Vorfahren auf der Burg von Canossa.
So war, wenn auch mit erheblichen Schwierigkeiten, das canusinische Erbe ungeteilt auf Bonifaz übergegangen, der sich mit Feuereifer an die Vermehrung des familiären Besitzes und Einflusses machte. Hierzu war es vor allem nötig, so bald wie möglich eine gute Partie zu machen und für den Fortbestand der Familie zu sorgen. So heiratete Bonifaz wohl um 1010 Richilde, die Tochter des Pfalzgrafen Giselbert von Bergamo, die ihm eine gewaltige Mitgift im Nordwesten Italiens einbrachte, wo die Canusiner bislang eher schwach aufgestellt gewesen waren. Neben seinen Besitzungen am Po gebot Bonifaz nun auch über befestigte Siedlungen und Burgen im Umland Veronas; eine Genugtuung nach den Rückschlägen, die sein Vater in dieser Region hatte hinnehmen müssen.
Aber die Hochzeit wertete die Canusiner nicht nur materiell auf: Sie trug ihnen auch den Zugang zu den weitverzweigten politischen und regionalen Netzwerken der Obertenghi und der Markgrafen von Turin ein. Da die Hochzeit die prokaiserlichen Kräfte Oberitaliens stärkte, wurde Bonifaz zum geschätzten und gesuchten Partner. Das zahlte sich aus, als mit Konrad II. der erste Salier den Thron bestieg. Offenbar hatte Bonifaz nach dem Tode Heinrichs II. 1024 nicht mit jenen Kreisen geliebäugelt, die Italien eine eigenständige Position zu verschaffen und es – in letzter Konsequenz – vielleicht sogar vom Reich abzutrennen hofften. Unmittelbar nachdem die Nachricht vom Tod des letzten Ottonen bekanntgeworden war, hatten die Bürger von Pavia die innerstädtische Pfalz niedergerissen, das alte, freilich nicht mehr effiziente Verwaltungszentrum des Reiches in der Region. Von Konrad II. später zur Rede gestellt, verteidigten sich die Pavesen mit dem Hinweis, dass es zum Zeitpunkt des Abrisses keinen König im Reich gegeben habe und sie daher auch nicht dessen Rechte verletzt hätten. Der Biograph Konrads II., Wipo, überliefert die Antwort des Herrschers: Das Reich bestehe auch dann fort, wenn der König tot sei; ebenso wie ein Schiff auch dann weiter fahre, wenn der Steuermann gestorben sei. Solche transpersonalen Staatsvorstellungen waren den Pavesen fremd und stießen auf wenig Verständnis. Obwohl sich die Stadt schließlich unterwarf, verhinderte sie doch erfolgreich die Errichtung einer neuen Pfalz.
Pavia war kein Einzelfall gewesen, und vielerorts spürte man die Versuchung, die Herrschaft des Reiches abzuschütteln. Zudem sah sich Konrad II. in Oberitalien mit einem Phänomen konfrontiert, das er bislang nicht kannte: Streitigkeiten zwischen rivalisierenden Städten, in die der neue König hineingezogen wurde, sobald er die Alpen überschritt. So machte Konrad II. 1026 Bekanntschaft mit den Feindseligkeiten zwischen Ravenna und Mailand sowie mit dem Dauerstreit zwischen Pisa und Lucca. Rasch wurde klar, welch schwer kalkulierbare Risiken und Belastungen diese Städtefeindschaften für das kaiserliche Regieren bargen. Also suchte Konrad II. politische Partner vor Ort, die wenig oder gar nicht in das Gezänk der Städte involviert waren. Einen idealen Parteigänger fand er in Bonifaz, dessen Treue in der Folge reichen Lohn erfuhr. Wohl noch auf seinem Romzug Anfang 1027 hatte sich Konrad II. Gedanken über die Markgrafschaft Toskana machen müssen. Ihr Inhaber hatte sich gegen den König gestellt und ihm die Tore Luccas verschlossen. Nach kurzer Belagerung obsiegte der Salier. Ob Markgraf Rainer daraufhin abgesetzt wurde oder ob er sich unterwarf, ist unklar. Sicher ist jedoch spätestens ab 1032 Bonifaz von Canossa als Markgraf von Toskana bezeugt; sehr wahrscheinlich wurde er schon 1027 erhoben. Mit einem Schlag hatte sich der Machtbereich der Canusiner praktisch verdoppelt: Bonifaz beherrschte nun ein Gebiet, das vom mittleren Po bis zum Nordrand des römischen Dukats und in west-östlicher Richtung vom Gardasee bis zur Adria bei Comacchio reichte. Damit kontrollierte er maßgeblich die wichtige Via Francigena – jene Straße, auf welcher die Könige von alters her zur Kaiserkrönung nach Rom zogen.
Stammbaum der Salierfamilie: An der Spitze thront Konrad II., der seit 1024 römisch-deutscher König und ab 1027 Kaiser war, mit Reichsapfel und Krone. Darunter Heinrich III., Heinrich IV., dessen zweite Ehefrau Adelheid von Kiew, Heinrich V. und Konrad. Aus Ekkehard von Aura, Chronicon universale, Bl. 81 verso.
Glaubt man Donizo, so hatten Konrad II. und Bonifaz einen durchaus einzigartigen Pakt geschlossen, denn – so der Geschichtsschreiber – der Salier habe dem Canusiner bei der Belehnung mit der Toskana einen Treueid abverlangt, nur um diesem – seinem Vasallen! – sogleich seinerseits einen Treueid zu leisten mit dem Versprechen, Leib und Leben seines Gefolgsmannes zu schützen. Damit hätte sich Konrad II. auf eine Stufe mit seinem Lehnsmann gestellt, was schwer vorstellbar ist und daher erhebliche Zweifel an der Darstellung Donizos aufkommen lässt. An einer ganz besonders engen Bindung zwischen dem Kaiser und dem Canusiner ist aber indessen nicht zu zweifeln.
Richilde verschaffte Bonifaz aber nicht nur unschätzbare weltliche Kontakte, sondern auch die Bekanntschaft mit einem gewissen Geistlichen, die der Canusiner in jeder Hinsicht zu nutzen verstand. Angeblich auf Richildes Einladung hin ließ sich der aus Armenien stammende Simeon nach Jahren der freiwilligen Pilgerschaft (peregrinatio), die ihn nach Jerusalem, St. Martin in Tours und Santiago de Compostela geführt hatte, in einer Büßerklause nahe Polirone nieder. Glaubt man Donizo, so verließ Simeon seine kärgliche Bleibe eines Tages, um Bonifaz und Richilde in Mantua einen Besuch abzustatten, wo der Markgraf einen Löwen in seinem Palast hielt. Umringt von einer Menge Gläubiger entdeckte der Heilige das wilde Raubtier, streichelte es und steckte ihm sogar seine Hand in den Rachen, worauf der Löwe sich wie ein zahmes Lamm zu Füßen Simeons legte. Ob sich Bonifaz tatsächlich einen Löwen als höchst ausgefallenes Haustier hielt, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit sagen; es ist eher unwahrscheinlich. Aber die Vita des heiligen Simeon hält es durchaus für möglich, dass ein so mächtiger Mann sich mit exotischen Tieren schmückte, die seinen Rang unterstrichen und die Gefährlichkeit ihres Besitzers gleichsam für jedermann augenfällig machten. Zudem beleuchtet die Episode die Bedeutung Simeons für die Canusiner. Der fromme Eremit wurde zum persönlichen Heiligen des Markgrafen und zum Schutzherrn derjenigen, die Bonifaz beherrschte. Die Legende berichtet daher von gelegentlichen Ausflügen Simeons, die stets mit Wundertaten verbunden waren. So besuchte er bei Eiseskälte Bonifaz in Mantua und schenkte auf dem Weg dorthin seinen warmen Mantel einem Bettler. Wer würde hierbei nicht sofort an den heiligen Martin denken, der seinen Mantel ebenfalls mit einem Bettler geteilt hatte – einem Bettler, der kein geringerer war als Christus selbst? Eine andere Reise führte Simeon nach Fidenza (damals noch Borgo San Donnino genannt), wo er eine Wunderheilung vollzog. Bei Gonzaga gebot er sogar einem Sturm Einhalt, der Schiffer auf dem Po in Lebensgefahr gebracht hatte. In Parma wohnte er der feierlichen Reliquientranslation bei, bei der die Gebeine der heiligen Felicula in das neue Nonnenkloster San Paolo überführt wurden. Simeon wurde zum geistlichen Arm und Aushängeschild des oftmals allzu weltlichen Markgrafen Bonifaz; zu einer Persönlichkeit, deren integrative Wirkung kaum überschätzt werden kann. In der Verehrung des schon zu Lebzeiten als Heiligen geachteten Simeon verschmolzen die Bewohner des canusinischen Machtbereiches zu einer Einheit.
Als Simeon am 16. Juli 1016 starb, wusste Bonifaz, was zu tun war. Unverzüglich betrieb er die offizielle Heiligsprechung ‚seines‘ Santo; ein besonders frühes Beispiel für einen Fall, in dem ein Laie ganz maßgeblich ein solches Verfahren vorantreibt! Papst Benedikt VIII. genehmigte den Bau einer Kirche zu Ehren des neuen Santo. So sehr sich die einfache Bevölkerung für Simeon begeistern konnte, so unwillig sahen andere die canusinischen Aktivitäten auf geistlichem Gebiet. Obwohl viele Jahre später Papst Leo IX. die Bischöfe von Modena und Mantua ausdrücklich aufforderte, höchstpersönlich die Gebeine des Heiligen in der ihm gewidmeten Kirche zur Ehre der Altäre zu erheben, widersetzten sie sich der Aufforderung zu Lebzeiten des Bonifaz. Ihr Widerstand richtete sich dabei keineswegs gegen Simeon, dessen Heiligkeit niemand in Zweifel zog, sondern gegen den Canusiner, der die beiden Diözesen nach Strich und Faden ausplünderte, ohne dass sich die Bischöfe wirkungsvoll dagegen wehren konnten. Einen canusinischen Hausheiligen, der für ihre eigenen territorialen Pläne nur schädlich sein konnte, wollten die geistlichen Herren angesichts dieser Situation nicht auch noch unterstützen. Erst nach Bonifaz‘ Tod beugten sie sich einem neuerlichen Schreiben aus Rom, diesmal unterfertigt von Papst Alexander II., der ihnen die Mitwirkung bei der Reliquientranslation zur unbedingten Pflicht machte.
Doch auch der trotzige Widerstand der beiden Bischöfe konnte nicht verhindern, dass Bonifaz sein geistliches Engagement immer weiter ausdehnte und die Klöster viel stärker in sein Herrschaftskonzept einband, als dies seine sämtlichen Vorgänger getan hatten. Von diesem ‚Tätigkeitsschwerpunkt‘ zeugen 26 Urkunden, darunter allein 13 Schenkungen, aber auch Gerichtsurkunden, Tauschgeschäfte, Lehnsbriefe und ein Versprechen, fürderhin die Besitzungen einer Abtei, in diesem Fall San Salvatore und Santa Giulia in Brescia, nicht mehr zu schädigen. Darf man hieraus auf die Frömmigkeit des Markgrafen schließen? Wohl kaum! Religiöse Schwärmerei dürfte Bonifaz zeitlebens ferngelegen haben, doch besaß er einen klaren und unbestechlich scharfen Blick für die Strukturierung seiner Machtbereiche: Als Machtpolitiker von Rang erkannte er das diesbezügliche Potential der Mönche. Dabei vergab Bonifaz seine Gunsterweise keineswegs nach dem ‚Gießkannenprinzip‘, sondern wog in jedem Fall den wirtschaftlichen und machtspezifischen Nutzen der Begünstigten für seine eigene Herrschaft sorgfältig ab.
Zusätzliches Gewicht erhielten die Klöster, als Bonifaz – wohl 1027 – zum Dank für seine treuen und verlässigen Dienste die Markgrafschaft Toskana übertragen wurde. Mit einem Schlag verdoppelte sich der Machtbereich der Canusiner. Angesichts mangelhafter Kommunikations- und Administrationsstrukturen war die Beherrschung eines derart weitgespannten Gebietes, das von den südlichen Grenzen Veronas bis Florenz reichte, kaum zu bewältigen. Neben weltlichen Mandatsträgern musste Bonifaz daher auch dringend geistliche Kräfte für seine Zwecke mobilisieren. Da er in der Toskana nicht über Eigenbesitz verfügte, also auch nichts verschenken konnte, musste er seine kreative Phantasie spielen lassen, um den toskanischen Konventen etwas zugute kommen zu lassen: um sie auf seine Seite zu ziehen. Dabei ging er äußerst selektiv und ressourcenschonend vor und konzentrierte sich auf Klöster, die im Zentrum seines politischen Interesses lagen; in erster Linie also in und um Florenz. So erklärt sich die große Aufmerksamkeit, die er San Miniato und der davon abhängigen Zelle San Pietro a Ema angedeihen ließ, vor allem aber sein Eingreifen in die inneren Wirren der Badia Fiorentina. Allerdings bewies Bonifaz hier mehr Durchsetzungskraft als Feingefühl, denn er behandelte die altehrwürdige Badia wie ein canusinisches Eigenkloster und demütigte dadurch den Stolz der Traditionsabtei. Angesichts des skandalösen Niedergangs des Konvents setzte er kurzerhand einen neuen Abt ein: Maurilius, einen aus Reims stammenden Eremiten. Aus dieser Personalentscheidung hat die Forschung auf eine Hinwendung des Markgrafen zur Kirchenreform schließen wollen, die auf den maßgeblichen Einfluss seiner zweiten Frau zurückzuführen sei. Für diese Deutung gibt es indessen schlechterdings keinen einzigen Beleg!
Vielmehr erkannte Bonifaz die Autonomiebestrebungen der Florentiner Bürger, die er mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte. Da er aus der Emilia um die Bedeutung innerstädtischer Konvente wusste, versuchte er durch seine Förderung der Badia gleichsam einen Fuß in die sich stetig und letztlich unaufhaltsam schließenden Stadttore von Florenz zu setzen.
Daneben gibt es nur wenige Verfügungen zugunsten toskanischer Konvente, doch darf man sich von der geringen Zahl nicht täuschen lassen: Die Position Markgraf Bonifaz‘ war so stabil, dass er es nicht nötig hatte, in allen Regionen seines Machtbereiches persönlich oder durch Privilegierungen gegenwärtig zu sein. Gerade in der Toskana ließ er sich häufig von Machtboten vertreten, die für ihn den Kontakt zur Reformabtei Vallombrosa hielten und in seinem Namen einen Rechtsstreit des Klosters Farfa entschieden. Der Einsatz von missi, die mit oder ohne Verhandlungskompetenz den Willen des Markgrafen in dessen Abwesenheit durchsetzten, wirft ein in dieser Klarheit seltenes Licht auf das Funktionieren des „stato canossiano“. Leider bleiben die Machtboten sehr oft namenlos oder werden ohne Hinweis auf ihre Herkunft genannt, so dass nicht deutlich wird, aus welchen Teilen seines Herrschaftsbereiches Bonifaz diese Emissäre rekrutierte, welche Ausbildung sie genossen hatten oder wie der Markgraf auf sie aufmerksam geworden war beziehungsweise sich ihrer Dienste versichert hatte. Ebensowenig gestattet es die Quellenlage, festzustellen, in welchen Gegenden seines Herrschaftsbereiches der Markgraf schwerpunktmäßig Machtboten einsetzte, oder ob es Regionen gab, in denen er seine persönliche Anwesenheit für unverzichtbar hielt. Völlig verschlossen blieben Bonifaz und seinen Mandatsträgern zeitlebens die bedeutenden Adelsklöster der Toskana; die dort führenden Familien mussten sich zwar politisch mit dem Markgrafen arrangieren, aber in ihren geistlichen Zentren duldeten sie keinerlei Einmischung.
Trotz aller urkundlichen Tätigkeit war Bonifaz kein selbstloser Förderer der Kirchen und Klöster; vielmehr war er ein gefürchteter, von manchem wohl gar gehasster Fürst, welcher dank der Rückendeckung, die er zu allen Zeiten von Konrad II. erfuhr, zu einer wahren Heimsuchung für geistliche Institutionen werden konnte. So presste er dem Bischof von Modena die Übertragung dreier großer curtes (Gutshöfe) ab. Dafür erhielt der Bischof zwar einen gleichwertigen Ersatz, musste diesen jedoch Bonifaz praktisch im gleichen Atemzug als Feudalemphyteuse – eine Art Erbpacht – auf drei Generationen zurückgeben, wobei ausdrücklich das Erbrecht von Töchtern, Enkelinnen und Nichten verbrieft wurde – diese Liegenschaften sah das Bistum Modena niemals wieder! In einem Brief bat der große Vordenker der Kirchenreform Petrus Damiani Bonifaz, die Klöster nicht länger zu schädigen und ganz besonders San Vincenzo al Furlo vor Plünderungen durch die markgräflichen Truppen zu bewahren. Ob die flehentlichen Worte des bedeutenden Kirchenmannes und Asketen Wirkung zeigten, ist nicht bekannt. Der Brief beweist aber, dass Bonifaz mit einem der führenden Intellektuellen seiner Zeit in Kontakt stand.
Immerhin gründete auch Bonifaz, darin ganz der Tradition seiner Familie verhaftet, ein eigenes Kloster: Santa Maria di Felonica, etwa 35 Kilometer östlich von Polirone am südlichen Po-Ufer gelegen und somit eine willkommene Ergänzung der canusinischen Kontrollpunkte entlang dieses wichtigen Stroms. Bei Felonica überquert eine Straße von Bologna nach Padua oder Venedig den Po; die Wahl des Platzes war also vermutlich von wirtschaftlichen und geostrategischen Überlegungen geleitet. Felonica markiert die Expansionsrichtung des Markgrafen, der machtvoll in das Umland von Ferrara und Bologna drängte und sich auch dieser Städte bemächtigen wollte. Diese Pläne mussten seine Nachfolger indessen rasch wieder aufgeben, weshalb sich Felonica wenig günstig entwickelte.
Als in der Emilia die Autonomiebestrebungen der Städte immer stärker spürbar wurden, förderte Bonifaz gezielt innerstädtische Konvente, auf deren Hilfe er angewiesen war, wollte er nicht ganz die Kontrolle über die urbanen Zentren verlieren. Lediglich in Mantua war die canusinische Stellung so stark, dass Bonifaz geistliche Helfer entbehren konnte. Aber in Reggio und Parma brauchte er die Mönche. 1036 intervenierte er bei Konrad II. zugunsten der Nonnen von San Sisto in Piacenza, was nicht ohne Pikanterie war, denn der Kaiser bestätigte den Nonnen auch Besitzungen am Po, die ihnen Bonifaz zuvor entrissen hatte und die ihnen auch jetzt nicht zurückerstattet wurden. Lediglich auf dem Pergament konnten sie sich über Pegognaga, Guastalla und Luzzara freuen.
So gut es für Bonifaz politisch lief, so große Sorgen dürfte ihm seine Familie bereitet haben. Seine Ehe mit Richilde blieb kinderlos. Warum der Markgraf nicht die Scheidung erzwang, ist unklar. Ob er so sehr an Richilde gehangen hat, dass er das Aussterben der Canusiner riskierte, wissen wir nicht. Sicher jedoch hätte eine Trennung die Familie Richildes brüskiert und möglicherweise sogar die Beziehungen Bonifaz’ zum Reich gefährdet.
Wohl im Verlauf des Jahres 1036 starb Richilde. Im Sommer des gleichen Jahres kam Bonifaz einer höchst ehrenvollen Einladung nach, die sein Ansehen im Reich deutlich widerspiegelt. Konrad II. hatte ihn zur Hochzeit seines Sohnes und Mitkönigs Heinrichs III. mit Gunhild nach Nimwegen eingeladen. Wahrscheinlich lernte er bei diesem Besuch – wohl kaum zufällig – seine spätere zweite Gemahlin Beatrix kennen, die verwaiste Tochter Herzog Friedrichs von Oberlothringen und Mathildes, der Tochter Herzog Hermanns II. von Schwaben. Vor allem aber wurden in Nimwegen der zweite Italienzug Konrads II. und die Neubesetzung des Bischofsthrones von Arezzo besprochen, den zuvor Bonifaz’ Bruder innegehabt hatte. Am Rande jedoch dürfte der erste Salier zudem als Ehestifter aufgetreten sein. Mehrfach vermittelte er Heiraten zwischen deutschen und italischen Fürsten, um die innere Stabilität des Reiches durch derart weitgespannte Hochzeiten zu verdichten. So verheiratete er beispielsweise Azzo II. Este mit der Welfin Chuniza; Hermann von Schwaben mit Adelheid von Turin sowie Otto von Schweinfurt mit Immilla von Turin.
Die neue Ehe würde Bonifaz nur noch enger an den Hof binden, war doch seine Braut im Umfeld der Kaiserin Gisela erzogen worden. Dass er jede Auszeichnung wert war, hatte er an der Seite Konrads II. bewiesen, als er dem Kaiser im Kampf gegen Odo II. von Blois in Burgund geholfen und die Partei des Saliers ergriffen hatte, als sich dieser gegen Erzbischof Aribo von Mailand und den mit dem mächtigen Kirchenmann verbündeten hohen Adel stellte. Eigentlich sollte Bonifaz wohl als Bollwerk gegen den Mailänder Erzbischof aufgebaut werden. Als am Weihnachtstag 1037 in Parma ein spontaner Aufstand gegen den Kaiser und seine Truppen losbrach, half Bonifaz tatkräftig, die Unruhen in kürzester Zeit blutig niederzuschlagen. Donizo berichtet, die Bewohner Parmas hätten bereits beim Anblick des Markgrafen und seiner Truppen sich zitternd Konrad II. zu Füßen geworfen. Im Frühjahr 1038 begleitete Bonifaz den Salier sogar nach Rom und Süditalien.
Von Juli 1037 bis in den August 1038 weilte Konrad II. in Italien und hielt sich dabei auch als Gast bei Bonifaz auf. In dieser Zeit dürfte die Hochzeit des Canusiners mit der jungen Herzogstochter Beatrix stattgefunden haben. Donizo berichtet – leider ohne Datierung –, dass es in Marengo bei Mantua ein rauschendes Fest gegeben habe. Seine Schilderung einer ungeheuren, ja geradezu märchenhaften Prachtentfaltung gemahnt an die Lieder der Minnesänger und Troubadoure – und es ist nicht auszuschließen, dass sich Donizo von deren Beschreibungen hat leiten lassen. Auf dem Weg zum Fest habe Bonifaz seine Pferde mit silbernen Nägeln beschlagen lassen und verboten, dass die Nägel umgeschlagen würden. Daher lösten sie sich, während die Tiere liefen. Wie von Bonifaz geplant, fanden Bauern die verlorenen Silbernägel: Die Nachricht vom sagenhaften Reichtum des Canusiners verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Ein dreimonatiges Festmahl mit einem eigenen Weinbrunnen, dessen Schöpfeimer ebenso aus Silber gewesen sein soll wie die Kette, an der der Eimer hing; dazu in Getreidemühlen wie Korn gemahlenen exotischen Gewürzen aus aller Herren Länder, die wegen ihrer Kostbarkeit normalerweise nur mit größter Vorsicht und in kleinsten Mengen in Mörsern zerstoßen wurden – diese Nachrichten Donizos zielen wohl zuvörderst auf das Staunen des Lesers, nicht auf Faktentreue. Und doch dürfte ein Körnchen Wahrheit in den Worten des Panegyrikers liegen, denn der Reichtum des Bonifaz und seine gesellschaftliche Stellung forderten geradezu ein verschwenderisches, weithin Aufsehen erregendes Fest. Ob er wollte oder nicht: Er musste an einem solchen Tag seinem gesellschaftlichen Anspruch mehr als gerecht werden, wollte er sich nicht zum Gespött seiner Standesgenossen machen. Diese Gelegenheit zur Repräsentation ließ er sich vermutlich nicht entgehen, zumal die Möglichkeit besteht, dass Konrad II. selbst an den Hochzeitsfeierlichkeiten teilgenommen hat; sein Itinerar böte durchaus Platz dafür. Silberne und goldene Gefäße bei Tisch könnten daher durchaus zum Einsatz gekommen sein – und an der Gegenwart von Musikern, die mit Pauken, Zithern, Harfen und Hörnern für Kurzweil sorgten, ist wohl ohnehin kaum zu zweifeln.
Die Braut dürfte zum Zeitpunkt ihrer Vermählung noch sehr jung gewesen sein. Ihre Eltern hatten 1012 oder wenig später geheiratet. Irgendwann zwischen 1013 und 1026 wurden ihre drei Kinder geboren, darunter auch Beatrix. Beim Tode ihres Vaters 1030 waren Beatrix und ihre Schwester Sophie noch minderjährig. Als drei Jahre später ihr einziger Bruder starb, nahm Kaiserin Gisela die Mädchen zur Erziehung an ihren Hof; die Vermutung liegt nahe, dass sie auch zu diesem Zeitpunkt die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatten.
Donizo schildert die junge Braut als große Schönheit, so tugendhaft, dass sie mit Lea und Rachel vergleichbar sei, ihre Weisheit strahle so hell wie diejenige Sarahs; doch darf dem Panegyriker in dieser Hinsicht wenig Glauben geschenkt werden: Er selbst hat die 1076 verstorbene Beatrix nie gesehen. Obwohl ihre Gebeine noch heute in Pisa ruhen, sind sie niemals untersucht worden. Angeblich bestach Beatrix durch eine majestätische Haltung, große Augen, die ihre Klugheit verrieten, und rotes Haar. Letzteres könnte stimmen, da man bei der Untersuchung von Mathildes Leichnam blondes oder rötlich-blondes Haar vorgefunden hat. Außerdem vergaß der Panegyriker nicht hervorzuheben, dass Beatrix ihrem Mann neben einer gewaltigen Prestigesteigerung auch reichen Besitz im freilich fernen Lothringen eintrug. Welchen moralischen Einfluss sie auf ihren wesentlich älteren Gemahl nehmen konnte, ist umstritten. Lange schrieb man ihr eine besänftigende Wirkung auf den grausamen Markgrafen zu und glaubte, sie hätte den Alternden für die Ideale der Kirchenreform gewonnen. Vor allem seine geplante Pilgerreise nach Jerusalem und seine Geißelung vor dem heiligmäßigen Abt Guido von Pomposa wurden ganz Beatrix‘ Einflüsterungen zugeschrieben. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass Bonifaz während seiner zweiten Ehe Kirchen und Klöster weniger ausgebeutet hätte als zuvor; noch immer standen hinter jeder seiner Zuwendungen an geistliche Institutionen handfeste politische und wirtschaftliche Interessen. Zu der Pilgerreise ist es nie gekommen; wie ernsthaft die Planungen gewesen waren, lässt sich nicht entscheiden. Besonders kritisch ist die Geißelung durch Abt Guido von Pomposa zu bewerten: Gemeinhin nimmt man an, der Markgraf habe sich um 1048 zerknirscht dem Bußakt unterworfen, nachdem er sich im Anschluss an eine politische Krise wieder dem Reich zugewandt hatte. Abt Guido war jedoch nachweislich schon am 31. März 1046 gestorben! Sicher dürfte Guido der Beichtvater und geistliche Berater des Canusiners gewesen sein, aber das schützte die altehrwürdige Abtei Pomposa nicht vor dem eher derben Humor des Markgrafen. So soll Bonifaz während der Messe in Pomposa einen Geldregen inszeniert haben, um die Standhaftigkeit der Novizen zu testen. Wieder ist Donizo der einzige Gewährsmann für diese Anekdote, doch sie zeigt – wahr oder erfunden – was man Bonifaz zutraute.
Ob Beatrix an der Auswahl des neuen Abtes für die Badia in Florenz, Maurilius, beteiligt war, ist nicht sicher. Immerhin stammte er aus Reims, hatte aber vor seiner Bestellung zum Abt lange Jahre als Eremit in den toskanischen Wäldern gelebt. Zudem beschützten ihn die Canusiner offenbar nicht ausreichend, denn nach mehreren Anschlägen auf sein Leben verließ er frustriert das Kloster und ging nach Frankreich zurück.
Zweifellos jedoch erschloss Beatrix ihrem Gemahl den Kontakt zum Reformpapst Leo IX., der mit Beatrix eng verwandt war und diese schon als Kind gekannt hatte. Das Fürstenpaar präsentierte ihm 1049 am Rande einer Synode in Pavia eine Fälschung auf den Namen Hadrians I. für Nonantola, welche der Papst bestätigte. 1050 nahm er auf Bitten seiner Nichte Beatrix San Salvatore all’Isola in seinen Schutz.
Doch eine wirkliche Trendwende im Verhältnis des Bonifaz zu ‚seinen‘ Klöstern war dies alles nicht. Nach seinem Tod erstellten die Konvente lange Schadenslisten, um ihre durch den Markgrafen erlittenen Verluste zu dokumentieren; sie sprechen dem gängigen Bild vom altersmilden, reuigen und plötzlich frommen Bonifaz Hohn.
Beim Tode Konrads II. 1039 stand Bonifaz auf dem Zenit seiner Macht; niemals sollte ein Mitglied der canusinischen Familie über mehr Besitz und Einfluss verfügen. Aber mit dem Regierungsantritt Heinrichs III. veränderte sich die Lage in kaum vorhersehbarer Weise und Geschwindigkeit. Der neue König war ein frommer, gebildeter und eher asketisch veranlagter Mann, dem die offene, zuweilen überbordende Prachtentfaltung seines oberitalienischen Vasallen ein Dorn im Auge war. Anders als die frühen Canusiner hatte Bonifaz nicht nur Sinn für Repräsentation – er wusste auch um ihre politische Bedeutung. So hielt er sich, wie bereits angesprochen, der Vita des heiligen Simeon zufolge in seinem Stadtpalast in Mantua angeblich einen Löwen. So viel Prunk erregte schnell Neid und folglich gelangten immer mehr Klagen über Bonifaz an das hierfür nur allzu offene Ohr Heinrichs III.
Als der neue König 1046 zur Kaiserkrönung nach Rom zog, geleitete Bonifaz das Herrscherpaar durch Ober- und Mittelitalien, nahm an der folgenschweren Synode von Sutri, auf der gleich drei konkurrierende Päpste ihres Amtes enthoben wurden, ebenso teil wie an der Kaiserkrönung in Rom. Anschließend eskortierte Bonifaz den Kaiser auf dessen Rückweg in den Norden. Schon bald nach seiner Ankunft in Italien soll dieser – so berichtet Donizo – Bonifaz mehrere Tatenberichte gesandt haben und wollte gegen diese Lektüre einen berühmten, angeblich in Canossa hergestellten Essig eintauschen. Ob es sich hierbei um eine frühe Form des berühmten ‚Aceto balsamico di Modena‘ handelte, ist unklar. Bonifaz soll einem Kunstschmied befohlen haben, sofort ein silbernes Fässchen für den Essig zu schmieden in Gestalt zweier Rinder, eines Jochs und eines Karrens. Dieses Geschenk habe er dann durch ein lebendes Ochsengespann dem König geschickt, da er als Geschenk für den Herrscher nur das Beste für angemessen hielt. Aber seit dem prächtigen Willkommensgruß war viel geschehen, und Bonifaz hatte berechtigten Grund zur Sorge. Die Amtsenthebung Papst Benedikts IX. richtete sich am Rande auch gegen Bonifaz, dessen Verhältnis zu diesem Papst recht gut gewesen war. Zudem hatte Heinrich III. Waimar von Salerno entmachtet, einen alten Verbündeten des Canusiners; diese Alarmzeichen konnte Bonifaz nicht übersehen haben.
Anfang April 1047 traf der Kaiser in Ravenna seine Gemahlin Agnes wieder, die unterdessen entweder im Ravennatischen oder in Mantua ein Kind geboren hatte; möglicherweise hatte sie die Niederkunft im Schutz der Canusiner erlebt. In Mantua wurde der Säugling getauft, und dort erkrankte Heinrich III. so schwer, dass er sich in der Stadtburg der Canusiner gesund pflegen lassen musste. Angeblich soll Bonifaz hierbei durch reiche Geschenke und die Pracht seiner Hofhaltung den Zorn des asketischen Saliers erregt haben. Donizo berichtet, der Canusiner habe in Mantua dem König einhundert tiefbraune, edelste Pferde und zweihundert Sperber, überaus kostbare Jagdfalken, geschenkt, wobei pikanterweise nicht einmal Bonifaz selbst, sondern sein Mandatsträger in Mantua als Geber aufgetreten sein soll. Dieser Prunk, mit dem der König kaum mithalten konnte, ärgerte den Salier so sehr, dass er plante, Bonifaz des Nachts zu überfallen. Donizos Geschichte dürfte die späte Verbrämung einer für die Canusiner ungünstigen politischen Entwicklung darstellen. Sicher wurde Bonifaz dem Kaiser zu mächtig und zu selbständig, und so entschloss Heinrich sich, die markgräfliche Herrschaft spürbar zu beschneiden. Zu diesem Zweck stärkte er die Position des Bischofs von Mantua und gewährte dem Oberhirten von Ferrara jedwede Unterstützung bei der Rekuperation – der juristisch gedeckten Rückgewinnung – unrechtmäßig entfremdeter Güter. Beides richtete sich eindeutig gegen Bonifaz von Canossa und gefährdete einen wichtigen Teil seiner neuen Landerwerbungen. Pikanterweise stellte Heinrich das Diplom für Ferrara auch noch in Mantua aus – der canusinischen Hochburg!
Nach der Rückkehr Heinrichs III. ins Reich nördlich der Alpen setzte Bonifaz seine alte Politik fort und weigerte sich zudem, Papst Damasus II. durch Italien zu geleiten, obwohl der Kaiser ihn ausdrücklich dazu aufgefordert hatte. Aber Heinrich III. ließ diese Unbotmäßigkeit nicht auf sich beruhen, sondern drohte Bonifaz damit, selbst nach Italien zu kommen, sollte er sich weiterhin ungebärdig verhalten. Dieser Warnung beugte sich der Markgraf, und sein Verhältnis zum Salierhof normalisierte sich wieder. Positiv wirkte sich zudem aus, dass nur wenig später mit Leo IX. ein naher Verwandter der Beatrix zum Papst gewählt wurde, dem Bonifaz gern seine Unterstützung zukommen ließ.
Trotz allen Wirren seiner späten Jahre durfte sich Bonifaz glücklich schätzen: Beatrix schenkte ihm drei Kinder, darunter einen Sohn: Beatrix, Friedrich und Mathilde. Der Fortbestand der Familie schien gesichert. Zudem traf Bonifaz intensive Vorbereitungen für den Fall, dass seine Frau die Vormundschaft für seinen Sohn würde übernehmen müssen: Gezielt führte er sie in die Herrschaftsgeschäfte ein, beteiligte sie an Rechtsakten und ließ sie sogar eigene Urkunden ausfertigen, so dass sich die Menschen langsam an die ungewohnte Machtausübung einer Frau gewöhnen konnten. Wie nötig diese Vorsichtsmaßnahme sein würde, konnte Bonifaz freilich nicht ahnen. Zeit seines Lebens hatte er sich eine Fülle von Feinden gemacht und wenig dafür getan, diese zu versöhnen. Als er am 6. Mai 1052 zu seiner Erholung in den Sumpfauen von San Martino dell’Argine bei Mantua jagte, wurde Bonifaz von einem vergifteten Pfeil getroffen und starb. Obwohl man sicher von einem persönlich motivierten Attentat auf einen verhassten Fürsten ausgehen darf, war der Mord doch zugleich Zeichen eines tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Wandels, der sich unübersehbar abzeichnete und dessen Dynamik vor allem die kleineren Vasallen ergriff: Ober- und Mittelitalien befand sich im Umbruch!