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II. Vom Neuankömmling zur dominierenden Kraft
in der Emilia: Adalbert-Atto
ОглавлениеNach dem Tode des älteren Siegfried scheinen sich seine drei Söhne, Siegfried, Adalbert-Atto und Gerhard, getrennt zu haben. Nach Aussage Donizos zogen Siegfried und Gerhard nach Parma, wo sie eigene Familien gründeten, deren weitere Verbindungen zu den nachfolgenden Canusinern im Dunkel liegen. Adalbert-Atto, von dem wir nicht wissen, ob er der älteste Sohn Siegfrieds war, wandte sich nicht einem Leben in der Stadt zu, sondern trat in die Fußstapfen seines Vaters und baute den ererbten Machtbereich energisch aus. Unter seiner Ägide gelang die endgültige Festsetzung der Familie im Apennin, weshalb er in der Literatur gemeinhin als Ahnherr der Canusiner betrachtet wird. Donizo zeichnet aus einem zeitlichen Abstand von gut hundert Jahren ein knappes, aber eindrucksvolles Charakterbild, doch ist angesichts der idealisierenden Darstellung des Mönches aus Canossa Vorsicht geboten. Adalbert-Atto sei schlau wie die Schlange gewesen, aufstrebend, zielorientiert und in der Lage, eine günstige politische Gelegenheit nicht nur zu erkennen, sondern auch sofort zu ergreifen. Eine zweite Quelle, die spätestens am Ende des 11. Jahrhunderts und damit vor Donizo entstanden ist, scheint diese Beschreibung zu bestätigen. Die Cronica sancti Genesii betont die Intelligenz des Canusiners und bezeichnet Adalbert-Atto als „prudentissimus marchio“, der seine Macht in beeindruckender Weise ausgedehnt habe. Leider ist auch diese Quelle nicht objektiv, denn sie entstand im Umfeld des Klosters San Genesio in Brescello, einer Gründung des ersten Canusiners. Der sicher nachweisbare Aufstieg Adalbert-Attos lässt aber auch jenseits aller Quellenkritik eine beeindruckende Persönlichkeit aufscheinen.
Auf Adalbert-Atto geht der festungsmäßige Ausbau der Burg Canossa zurück. In der unwirtlichen, von Wind und Regen ausgewaschenen Crete-Landschaft des Apennin gelegen, thront Canossa am Ende eines Bergsporns, nur auf einem einzigen schmalen Grad zu erreichen und damit praktisch uneinnehmbar. Kein Gegner konnte sich der Burg unbemerkt nähern, und es war undenkbar, Canossa von mehreren Seiten mit einer größeren Menge Bewaffneter anzugreifen.
Vom Neuankömmling zur dominierenden Kraft: Atto links neben seiner Frau Hildegard, darunter die Söhne Rudolf, Gottfried (Gotofred) und Thedald. Darstellung aus Donizos Vita Mathildis.
Derartige Befestigungsmaßnahmen waren nicht nur das Gebot der Stunde. Burgen manifestierten auch den Anspruch ihrer Herren auf ein bestimmtes Gebiet. Sie schufen Tatsachen, die nur noch mit Waffengewalt revidiert werden konnten. Es galt aber auch, Bollwerke gegen die Ungarn zu schaffen, deren erfolgreiche Raubzüge ganz auf der überlegenen Geschwindigkeit ihrer schnellen Pferde basierten; an dauerhafte Landnahme und Siedlung dachten sie nicht, und mit langwierigen Belagerungen hielten sie sich nicht auf. Daher kam es im Verlauf der Ungarneinfälle in Italien zu erheblichen Bevölkerungsverschiebungen, die das Erscheinungsbild des Landes nachhaltig geprägt haben. Die Menschen flohen aus ihren offenen Siedlungen auf dem platten Land und suchten den Schutz der Berge und der wehrhaften Burgen. Es begann die Zeit des ‚incastellamento‘, der Ummauerung. Der Burgherr konnte wenigstens ein gewisses Maß an Sicherheit versprechen, und deshalb liefen ihm die Menschen in Scharen zu.
Im Jahr 958 erwarb Adalbert-Atto Landbesitz, dessen Wert und Ausdehnung kaum erwähnenswert wäre, wenn er nicht zwischen zwei Bergen gelegen hätte und zwei Burgen einschloss, die freilich nicht von großen Ländereien umgeben waren, sondern eher bescheidene, aber ausbaufähige Ausmaße aufwiesen. Die Berge und damit die Burgen lagen sehr nahe bei Canossa: Es handelte sich um Sarzano und Selvapiana, Besitz, den die Canusiner nie wieder veräußern würden. Der Kauf war also kein beliebiger Landerwerb, sondern Teil einer systematischen Arrondierung des Familienbesitzes im Apennin, wodurch vor allem die militärische Präsenz und der damit verbundene Anspruch in der Region wirkungsvoll unterstützt wurden. Außerdem konnte Adalbert-Atto nun auf eine Dreiergruppe von Burgen zurückgreifen, die ihn auch als Gefolgsmann immer wertvoller werden ließ.
Die rasche und erfolgreiche Ausbreitung der canusinischen Herrschaft ist nicht nur der Tüchtigkeit des älteren Siegfried und Adalbert-Attos zu verdanken, sondern auch einem Mangel an echter Konkurrenz. Zudem waren die frühen Canusiner gewillt, neues Land für sich zu gewinnen. Vito Fumagalli hat dies mit der Formulierung „terre nuove per un signore nuovo“ – „neue Ländereien für einen neuen Herrn“ – treffend umschrieben. Die Wälder und Sümpfe der Po-Ebene waren keine heiß begehrten Landschaften, um die sich alle regionalen Kräfte gerissen hätten. Sich hier festzusetzen, versprach keinen schnellen Reichtum aus blühendem Ackerland, sondern ließ viel und mühevolle Arbeit erwarten. Adalbert-Atto zeichnete aus, dass er ganz offensichtlich das enorme Potential dieses Landes, seine Strukturierbarkeit und seine geostrategische Bedeutung erkannte. Zudem scheute er nicht vor den zur Verwirklichung dieses Potentials notwendigen Aufbaumaßnahmen zurück, wobei sich sein Blick stets zunächst auf die militärische Potenz einer Region und einzelner Besitzungen richtete und erst in zweiter Linie auf ihren unmittelbaren (land-)wirtschaftlichen Nutzen. Ein großer Vorzug inmitten der unwirtlichen Sümpfe war der Umstand, dass die alte Konsularstraße der Via Emilia über die Zeiten hinweg intakt geblieben war. Ihre Beherrschung ergänzte sich auf das vorteilhafteste mit der Dominanz der canusinischen Aufsteiger am mittleren Po. Im Zuge seines rasanten Machtzuwachses erkannte Adalbert-Atto klar, dass isoliert liegende Ländereien kaum gewinnbringend zu bewirtschaften waren und allzu leicht entfremdet werden konnten, weshalb er alles daran setzte, nicht einfach planlos Land zusammenzuraffen, sondern stets danach trachtete, geschlossene Güterkomplexe zu erwerben (beziehungsweise bereits vorhandene Liegenschaften durch geschickte Zukäufe zu arrondieren). Der Erwerb des Kastells auf der Insel des heiligen Benedikt im Po (Polirone) illustriert Adalbert-Attos Erwerbspolitik in aller Deutlichkeit: Das bereits vorhandene Kastell sicherte die Liegenschaft. Obwohl das dazugehörige Umland nicht kultiviert war, erkannte der Canusiner den militärischen Wert der Insel und erwarb in der Folgezeit die angrenzenden Gebiete aus der Hand des Bischofs von Mantua, was nicht nur den Besitz Adalberts vorteilhaft erweiterte, sondern auch dessen Beziehungen zum Bistum und damit auch zur Stadt Mantua intensivierte – eine für den Ortsbischof keineswegs immer ganz erfreuliche Entwicklung.
Weit früher jedoch war Adalbert-Atto bereits mit einer spektakulären Aktion auf der internationalen politischen Bühne hervorgetreten – einem Coup, der ihm die Ausdehnung seines Machtbereiches wohl erst ermöglicht haben dürfte. Im Jahr 950 war überraschend König Lothar verstor ben; er hinterließ eine erst zwanzigjährige Witwe, Adelheid, und eine kleine Tochter. Berengar von Ivrea riss die Macht in Italien an sich, und Adelheid floh nordwärts. Da die junge Witwe leicht zum Mittelpunkt einer Opposition gegen Berengar hätte werden können, setzte dieser ihr nach, nahm sie gefangen und inhaftierte sie auf einer Burg am Gardasee. Nach etwa viermonatiger Haft gelang Adelheid eine abenteuerliche Flucht. Ihre unmittelbaren Helfer vor Ort bleiben unbekannt, doch fand sie sicheres Obdach bei Bischof Adalhard von Reggio Emilia, der seinen erlauchten Gast in die Obhut seines wichtigsten Vasallen gab: Adalbert-Atto. Fortan lebte Adelheid also eine Zeitlang in der schier uneinnehmbaren Burg Canossa. War der Canusiner bis zu diesem Zeitpunkt lediglich eine regionale Größe gewesen, so stand er nun im Zentrum des internationalen politischen Interesses.
Es ist unklar, ob Adelheid selbst König Otto I. nach Italien rief, um ihm ihre Hand und mit dieser die Krone Italiens anzubieten; ob der Herrscher von sich aus nach Süden zog oder ob Adalbert-Atto gemeinsam mit dem Bischof von Reggio und nach Rücksprache mit dem Papst – wie Donizo nahelegen möchte – als Heiratsvermittler tätig geworden war. Donizos Berichterstattung ist fehlerhaft und erinnert streckenweise an die Konventionen der Heldenepik, so etwa, wenn er die – erfolglose – Belagerung Canossas durch Berengar, der Adelheid aus der Burg rauben wollte, statt der anzunehmenden sieben Tage auf drei Jahre und sechs Monate ausdehnt. Dementsprechend ist seine Darstellung der Ereignisse von 951 wohl eher unglaubwürdig.
Wie lange die Belagerung auch immer gedauert haben mag: Otto I. hat Adalbert-Attos Hilfe nie vergessen. Dreimal tritt der Canusiner in Urkunden des ottonischen Herrschers als Fürsprecher zugunsten des Bischofs von Reggio auf, was seine Bedeutung für den Raum Reggio Emilia verdeutlicht. Außerdem wurde Adalbert-Atto die Ehre zuteil, Otto den Großen 967 nach Ravenna geleiten zu dürfen. Es handelte sich nicht um einen Routinebesuch oder einen willkürlich angesetzten Termin, sondern um ein politisches Highlight, denn Otto I. hielt in Ravenna gemeinsam mit Papst Johannes XIII. eine Synode ab, auf der unter anderem die Gründung des Erzbistums Magdeburg zum Abschluss kam, des geistlichen Lieblingsprojektes Ottos I. Den Kaiser auf einem derart wichtigen Zug zu begleiten, stellte eine besondere Auszeichnung dar – umso mehr, da Adalbert-Atto an einer kaiserlichen Gerichtssitzung teilnahm und im Gefolge des Ottonen erstmals Kontakt mit dem Papsttum aufnehmen konnte, das in der weiteren Geschichte der Familie eine immer wichtigere Rolle spielen würde.
Die Treue zum Kaiser hatte für Adalbert-Atto neben ehrenvollen Privilegien auch erheblichen praktischen Nutzen. Denn wem, wenn nicht dem Ottonen, kann er die Verleihung der Grafschaften Reggio und Modena zu verdanken gehabt haben? Diese Verknüpfung ist mehr als wahrscheinlich, wenn auch zwischen der Eheschließung Ottos I. mit Adelheid 951 und der ersten Nennung des Canusiners als comes (Graf) 962 mehr als zehn Jahre ins Land gegangen sind. Warum der kaiserliche Dank so lange auf sich warten ließ, ist unklar. Möglicherweise mussten vor der Rangerhöhung Adalberts die Erbansprüche des Sohnes des vormaligen Grafen abgewiesen werden, was nicht ohne Konflikte abgegangen sein dürfte. Eine vorübergehende Verstimmung zwischen dem Kaiser und dem Canusiner ist nicht anzunehmen; die anhaltende kaiserliche Wertschätzung wird in der Anrede Adalberts als fidelis noster mehr als deutlich. Die lange Zeit zwischen der Hilfeleistung und der Belohnung darf daher auch nicht als Phase der Bewährung des Canusiners verstanden werden, in welcher der Ottonen-Herrscher die Entwicklung des Aufsteigers beobachtete, sondern als Indiz für die Durchsetzungsprobleme, mit denen Otto I. in Italien vor seiner Kaiserkrönung zu kämpfen hatte.
Spätestens 977 erhielt Adalbert-Atto zudem noch die Grafenwürde von Mantua. Die Canusiner erlangten so binnen einer einzigen Generation eine dominierende Stellung in der Po-Ebene und in den angrenzenden Vorbergen des Apennin.
Doch war es mit einem rein materiellen Machtgewinn im Sinne einer Anhäufung verschiedener Besitzungen und Rechte nicht getan: Es galt, die maßgeblichen Verkehrswege zu dominieren und die auf den rasch erworbenen Besitzungen lebenden Menschen an sich zu binden. Da erwies es sich als besonders glücklich, dass ein Sohn Adalbert-Attos, Gottfried (Gotofred), für die geistliche Laufbahn bestimmt worden war und das Bistum Brescia übernehmen konnte. Durch seine Vermittlung gelang Adalbert der Erwerb des Kopfes sowie des rechten Armes des heiligen Apollonius. Dem bislang in der Gegend kultisch nicht verehrten Märtyrer wurde ein Wunder zugeschrieben: Adalbert-Attos Gemahlin, Hildegard, sei erblindet oder drohte, zu erblinden, als ihr durch die Fürsprache des Heiligen ihr Augenlicht zurückgegeben worden sei. Ihm wurde die Burgkapelle in Canossa geweiht, der allerdings erst unter Adalberts Sohn und Nachfolger Thedald mit Erlaubnis Papst Benedikts VII. ein Kanonikerstift angeschlossen wurde; dies war aber wohl von Anfang an geplant gewesen. Man hoffte, der Heilige werde die Grafenfamilie beschützen und seine segnende Hand auch über deren Gefolgsleute und Hintersassen halten. Man war davon überzeugt, dass reich beschenkte Heilige eben nicht nur die Herrschenden, sondern auch die Beherrschten behüteten. In jedem Fall war ein herrschaftseigener ‚Santo‘ ein stabilisierender Faktor im canusinischen Machtgefüge – zumal in Canossa mit der Grablege der frühen Canusiner das erste geistliche Kristallisationszentrum einer immerwährenden, den eigenen gesellschaftlichen Rang vergegenwärtigenden Memoria errichtet wurde. Es ist sicher kein Zufall, dass gerade Donizo aus dem Kloster Canossa die Familiengeschichte der Canusiner geschrieben hat, lebte er doch an dem Ort, an welchem dergestalt die Erinnerung an die gesamte Familie wachgehalten wurde. Wahrscheinlich gab es in Canossa schriftliche Aufzeichnungen über die wichtigsten Ereignisse und die bedeutendsten Rechtsverfügungen der Canusiner. Donizo erwähnt, dass er auf entsprechende Notizen zurückgreifen konnte; über die Zeiten gekommen ist davon aber nichts.
Von weit größerer geostrategischer Bedeutung war die zweite Klostergründung Adalbert-Attos zu Ehren des Bischofsheiligen Genesius in Brescello. Genesius gehört gemeinsam mit Antonius von Piacenza, Prosper von Reggio Emilia, Geminianus von Modena und Petronius von Bologna zu einer ganzen Gruppe spätantiker Bischofsheiliger, die keine Märtyrer waren, sondern vorzügliche Oberhirten ihrer Diözesen und zugleich geschickte Verwalter. Während der Entstehung der Kommunen im 11. und 12. Jahrhundert wurden diese Bischofsheiligen zu Identifikationsfiguren der städtischen Emanzipationsbewegung. Dass Adalbert-Atto absichtlich einen solchen ‚Heiligen neuen Typs‘ ausgewählt hat, um damit eine Brücke zu den urbanen Zentren der Po-Ebene zu schlagen, ist indessen unwahrscheinlich. Vielmehr zählte auch in diesem Fall, wie schon bei ‚Sant’Apollonio‘, die Tatsache, dass der Heilige in der Region bislang nur wenig Verehrung gefunden hatte und damit im Bewusstsein der Bevölkerung – und gleichsam ‚exklusiv‘ – mit den Canusinern verbunden war.
Das auf dem Grund eines alten römischen Municipiums erbaute Kloster Brescello kontrollierte einen wichtigen Po-Übergang und markierte einen stark frequentierten Abschnitt des Schifffahrtsweges auf dem mittleren Po. In Brescello kreuzten sich zudem zwei wichtige Straßen: Zum einen die Route von Pisa und Lucca über Luni, den Monte Bardone und Parma nach Brescia und Verona; zum anderen die Straße von Bologna nach Cremona und Mailand. Da der Po bis ins Spätmittelalter hinein die wichtigste Kommunikationslinie in ostwestlicher Richtung bildete, musste eine Zollstätte in Brescello gleich in dreifacher Hinsicht zu einer sprudelnden und daher hochwillkommenen Einnahmequelle für die Canusiner werden. Zugleich bot der Platz ihnen eine Ausgangsbasis für zukünftige Herrschaftserweiterungen in Richtung Mantua, Cremona, Parma, Reggio und Modena sowie in der Veroneser Tiefebene.
Doch Adalbert-Atto arbeitete auch mit bereits bestehenden Klöstern zusammen – so beispielsweise mit der altehrwürdigen Abtei San Benedetto in Leno in der Diözese Brescia. In Gegenwart Kaiser Ottos I. tauschte Adalbert 967 in Ravenna Streubesitz mit der Abtei und erhielt den wertvollen, riesigen Gutskomplex Gonzaga, der nicht nur kostbarer war als das, was Adalbert im Gegenzug dem Kloster übereignete, sondern sich geradezu perfekt in seinen Gebietsausbau am Po einpasste. Wohl nur wenig später gelang es ihm, auch das Kastell Gonzaga hinzuzuerwerben; besser hätte es für den Canusiner nicht laufen können!
Nun mussten die weiten Sumpf- und Auenwaldflächen urbar gemacht und bestellt werden. Darf man den wenigen Quellen glauben, so strömten Klein- und Kleinstbauern, Landarbeiter und kleine Lehensleute in Scharen dem mächtigen ersten Canusiner zu, der dank seines immensen Landbesitzes ein erträglicheres, ein besseres und sichereres Leben versprach. Im Gegenzug für seinen Schutz rodeten, entsumpften und bestellten sie sein Land und errichteten unter unvorstellbaren Mühen seine Burgen. Zwar war Adalbert selbst zum Zeitpunkt seines Todes 988 allen Erfolgen zum Trotz keineswegs der vermögendste und reichste Herr der Emilia, aber seine Beharrlichkeit schuf die Basis, auf der seine Nachfolger aufbauen konnten.
Früh erkannte Adalbert die Notwendigkeit, seiner Herrschaft durch die öffentliche Präsentation eines Nachfolgers Stabilität und Kontinuität zu geben. Daher trat er 973 gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Thedald und Rudolf auf, als er in Bergamo einem Güterverkauf durch eine gewisse Adelchinda zustimmte. Die Dame war eine Nichte Adalberts, die Tochter seines Bruders Siegfried, des Ahnherrn der Parmenser Familie Baratti. Warum ausgerechnet Adalbert-Atto und seine Söhne den Verkauf unterfertigen mussten, ist unklar. Vieles spricht für die Vermutung Paolo Golinellis, es habe sich bei den veräußerten Gütern um eine Erbschaft gehandelt, die zwischen den beiden Familienlinien noch nicht sauber aufgeteilt worden war. Um spätere Anfechtungen zu vermeiden, holte man lieber gleich die Zustimmung der Canusiner ein. Für Adalbert-Atto zählte die willkommene Gelegenheit, seinen präsumptiven Nachfolger Thedald öffentlich zu präsentieren und so dessen alleinigen Anspruch auf das canusinische Erbe zu demonstrieren, sicher weit mehr als das Umgehen eines möglichen Erbstreits.
Gelegentlich ließ Adalbert seinen Erben sogar ganz ohne väterliche Aufsicht agieren, worauf noch zurückzukommen sein wird.
Damit hatte bereits Adalbert-Atto alle für die Zukunft entscheidenden und wegweisenden Komponenten canusinischer Machtpolitik vereint: Dominanz über mehrere Grafschaften; systematische, strategisch weitblickende Besitzarrondierung; Kooperation mit geistlichen Institutionen; Kontrolle wichtiger Verkehrs- und Kommunikationswege; erhebliche Kapitaleinkünfte und – last, but not least – die Zusammenarbeit mit den römisch-deutschen Herrschern. Hinzu kam die haushälterische Ader der Canusiner. Hatten sie einen Besitz arrondiert und damit optimal nutzbar gemacht, bewahrten sie die Liegenschaften generationenlang, was nur möglich war, wenn sie ihre Einnahmen und Ausgaben stets im Griff hatten und finanzielle Schieflagen zu vermeiden wussten. Zwar stattete Adalbert-Atto seine Klostergründungen angemessen (wenn auch nicht überreich) aus, aber er behielt, wie auch seine Nachfolger, die größtmögliche Kontrolle über die jeweilige Abtei – und damit auch über deren Besitz – in seiner eigenen Hand. So gelang es ihm, die Förderung von Kirchen und Klöstern mit der gedeihlichen Vermögensentwicklung seiner Familie auf das beste zu kombinieren.