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In der Zwischenzeit ist Brigitte aus dem Seminar heimgekehrt.

Es ist vor dem Abend, und deshalb zeigt das Fernsehen das Vorabendprogramm. Brigitte sitzt neben der Mama auf dem Fernsehsofa und sieht fern. Brigitte sieht mit der Mama fern. Denn die Mama hat die Programmhoheit und schaut das Programm Traumhochzeit, weil Brigitte etwas lernen soll. Fürs Leben, Brigitte!

Brigitte denkt an Bert.

Die Mama denkt an ihr eigenes Traumhochzeitskleid: Schlicht, eher schlecht als recht war es, denn damals musste immer an allem gespart werden, und dann war das teure Kind ja auch schon unterwegs! Ich freue mich, Sie begrüßen zu können, sagt die Moderatorin der Traumhochzeitssendung, die Diana heißt, sie fletscht vor Freude die Zähne. Heute wollen wir mit unserem beliebten Bräuteraten beginnen. Erinnern wir uns an die Traumhochzeiten der Fürstenhäuser!

Alle schon geschieden, gibt die Mama Bescheid, außer die Sülvia.

Brigitte denkt, dass Bert ein gescheiter Mann ist, und dass ein gescheiter Mann viel mehr wert ist als ein geschiedener Mann, und dass sie, um Bert zu heiraten, wahrscheinlich gar kein Brautkleid braucht, nur Bert braucht sie als Braut.


Na, wer ist die Braut? fragt die Moderatorinnenstimme hinter der blendenden Dentalfront.

Das ist die Romy Scheider, sagt die Mama wahrheitsgemäß, aber anrufen will sie nicht: Das kostet nur Geld, außerdem haben die schon hinter der Kamera ihre eigenen Anrufer sitzen, die kassieren sich selbst ab, die wirtschaften sich selbst eins, diese Brauträte!

Diana spricht mit der angeblich anrufenden Fernsehzuschauerin, die sich selbst im Fernsehen hören kann. Das ist die Sissi, sagt die zuschauend schauspielernde Anruferin. Richtig! feixt Diana.

Das ist die Romy Scheider, weist die Mama sie ruhig zurecht, die ist eine Schauspielerin, die spielt immer nur die Sissi. Auch im Leben hat sie immer nur die Sissi gespielt, weiß die Mama. Sie ist dann auch in viele Länder und Städte gereist, berichtet die Mutter, zusammen mit der Brautmutter, die war die Magda Scheider, und mit dem herzigen Papa, der ein Herzog war, und mit ihrem Brautmann, das war der Kaiser Karlheinz.

Die Mama ist ein wenig versöhnt, als man ein paar alte Filmausschnitte zeigt: Schau, wie die Romy Scheider in die Arme des Kaisers Karlheinz fliegen kann, wie eine Schauspielerin, wie sie ihre lange Echthaarperücke kämmen kann, wie eine echte Schauspielerin, wie sie zum Kaiser Karlheinz Franz sagen kann und dann noch Franzl!, wie sie in seine Arme fliegen kann, die Beine sind schon ganz verrenkt, wie der Kaiser Karlheinzfranz sie durch die Luft wirbelt! Da wird der Mama schwindlig. Wie er Sissi! ruft, wie er sie hoch in die Luft wirft, wie er sie wieder auffängt! Er gibt ihr einen Kuss, er gibt ihr eine Kopfnuss. Sissiromy! Karlheinzfranzl!

Die Mama fängt sich wieder, die Sissiromy balanciert derweil auf der Fingerspitze des Kaisers Karlheinzfranzl, dann wird ihr übel. Die Mama kann das verstehen: Weil sie nichts isst, weil sie doch eine Schauspielerin ist, weil eine Schauspielerin doch nichts isst, und eine Prinzessin isst auch nichts, und eine Schauspielerin, die eine Prinzessin ist, isst überhaupt nichts!


Bevor der Sissiromy wieder übel wird, zieht sie sich rasch ein Traumhochzeitskleid über. Das ist noch schöner als das Traumhochzeitskleid von der Diana! ruft die Mama. Ein echtes Prinzessinnenkleid an einer falschen Prinzessin, das wirkt echter als ein falsches Traumhochzeitskleid an einer echten Schauspielerin. Nicht wahr, Brigitte?

Brigitte? Brigitte!

Brigitte wirbelt in Dianas Traumhochzeitskleid auf Berts Fingerspitze durch die Luft, als Bert sie fallenlässt, wird ihr übel. Brigitte legt sich im Traum hin, Brigitte liegt auf dem Fernsehsofa, Brigitte schlägt die Augen auf, die Mama schlägt dem Kind rechts und links auf die Wangen.

Brigitte! Aufwachen! Das Vorabendprogramm! ruft die Mama. Wir haben doch noch längst nicht alles gesehen! Nicht fürs Fernsehen, sondern fürs Leben lernen wir!

Brigitte muss schnell die letzten Sissi-Szenen nacherzählen, damit die Mama von ihr ablässt. Eine wahre Sissi-Mentalität will die Mama der Tochter einprügeln, auf dass die Tochter ein besseres Leben zu leben versteht als einst die Mama, die erst Mama wurde, als es fast für immer zu spät dafür war! Auf dass Brigitte nicht blind in dieses Leben hineinläuft, sondern sich tragen lässt, sich vom Glück über die Schwelle des Eigenheims tragen lässt! Das Glück heißt Karlheinz wie der verweste Vati, aber es ist nicht bloß ein verblödet verstorbener Bürovorsteher, sondern der Kaiser! Merke, Brigitte, der Kaiser heißt Karlheinz!

Aber Brigitte weiß es besser, denn ihr Karlheinz heißt Bert.

In der Zwischenzeit wirbeln die Programme durcheinander wie in einer Waschmaschine, weil die Mama auf der Fernbedienung sitzt. Jetzt schaukelt sich eine andere Vorabendsendung auf dem Bildschirm ein. Ein blinkender Beichtstuhl steht mitten im Fernsehstudio auf einer rotierenden Scheibe, auf dem Beichtstuhl sitzt der Sieger der letzten Sendung. Die Moderatorin heißt Klarabella, sie weitet entspannt die Nüstern. Sie sagt, ich freue mich, Sie begrüßen zu können. Und steppt ein paar Schritte aus dem nicht endenden Applaus des bezahlten Fernsehpublikums. Heute wollen wir mit dem beliebten Lebensabschnittspartnerraten beginnen. Beginnen wir mit den Lebensabschnittspartnerschaften Dollywoods!


Alles schon abgeschnitten, schneidet die Mama auf, sogar der Bradpitt.

Na, wer ist der LAP? fragt die Moderatorin mit geblähten Nüstern.

Bad, sagt der Sieger.

Blöd! ruft die Mama.

Bert, denkt Brigitte. Aber es ist Brad.

Im Fernsehen wird eine Auswahl ehemaliger Bradpitt-Freundinnen gezeigt, die in komfortablen Hospitalbetten künstlich ernährt werden. Bradpitts durchschnittliche Lebensabschnittspartnerin, sagt Klarabellas Stimme, kann drei Gesichtsoperationen vorweisen, eine Hand voll Hungerödeme, eine andauernde Sonnenallergie und eine abgebrochene Psychotherapie. Ihre Ernährung besteht aus intravenösen Lösungen, Pulvern und Pillen, farblich passend zur jeweils aktuellen Haartönung.

Die Werbung ist keine Unterbrechung der Sendung, sondern eine Ergänzung. Neue Haarfarben geben mausgrauen Hausfrauen wieder Glanz. Zitrusblond frischt Kopfschmuck und Klosettputz problemlos auf. In kleinen Schlucken getrunken hat es appetitzügelnde Wirkung. Restkalorien werden auf Heimtrainingsgeräten restlos verbrannt. Bauchfett trieft und tropft, Orangenoberschenkelhaut schuppt und flockt, Hüftpolster hüpfen holterdipolter davon. Es ist der erleichterten Frau nun ein Leichtes, dem geliebten Mann ein schweres Mahl zu servieren, ohne ein einziges Mal zu probieren. Er isst, sie probiert, nicht zu sein. Das passt bestens zu den modischen figurlosen Kleidern.

Morgen kaufe ich ein figurloses Kleid, beschließt Brigitte, und eine Flasche Zitrusblond! Da reicht die Frau Mama ein paar kalorienfreie Knäckebrote zum Abendprogramm. Bitte, Brigitte, kein Konfekt, Brigitte!

Der Spielplan

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