Читать книгу Es kommt schon alles, wie es soll - Elli Poletti - Страница 10

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6 - Missverständnisse?

Da mein Schlaf eh unruhig war und immer wieder unterbrochen wurde, machte ich mir um 6 Uhr meinen ersten Kaffee, verzog mich aber damit nochmal in mein Bett. Ich musste nachdenken. Wie kam Matthias darauf, mir ein sündhaft teures Armband zu schenken? Und dann auch noch das supernette Angebot, mir einen großen Auftrag zuzuschustern. Was hatte das alles zu bedeuten? War das nicht ein bisschen zu viel Aufmerksamkeit auf einmal für eine einfache Angestellte? Oder übertrieb ich es wieder maßlos und es war einfach eine gutgemeinte Geste von einem fürsorglichen Chef? Letzteres war wahrscheinlich eher der Fall. Denn was sollte er auch schon von mir wollen? Er war doch glücklich verheiratet und ich spielte auch nicht in seiner Liga der Erfolgsmenschen. Oh Mann, ich war total durcheinander und wusste nicht, was ich glauben sollte. Und noch weniger wusste ich, wie ich mich jetzt verhalten sollte. Sollte ich Matthias darauf ansprechen? So tun, als ob ich gar nicht gemerkt hätte, wie wertvoll das Armband war? Ihm aus dem Weg gehen?Ahhhhrgh – es war doch alles so gut gerade. Warum musste es denn jetzt kompliziert werden? Es nützte nichts, ich musste wohl oder übel ins Büro. Es wartete eine Menge Arbeit auf mich und je eher ich da war, desto mehr konnte ich schaffen, bevor die anderen kamen. Ich tippte noch schnell eine Nachricht an Mara und Franzi, dass ich unbedingt einen Mädelsabend bräuchte, und fühlte mich direkt besser. Sie kannten meinen Chef und meine Kollegen bereits aus meinen zahlreichen Erzählungen und konnten das Chaos in meinem Kopf sicherlich aufklären. Bis dahin blieb ich einfach cool und konzentrierte mich auf meinen Job. Ja, das war ein klasse Plan! Tatsächlich hatte ich fast drei Stunden meine Ruhe, bevor ein Klingeln den nächsten Kollegen ankündigte, der durch die Eingangstür kam. Vielleicht war es auch Matthias. Auch wenn er selten vor mir da war, war es schon ungewöhnlich, dass er so spät dran war. Bei dem Gedanken an ihn fiel mir vor Schreck fast die Kaffeetasse aus der Hand und ich traute mich gar nicht, meinen Blick von meinem Bildschirm zu heben. Ich verdrehte innerlich die Augen und rief mich zur Vernunft. Ruhig bleiben, Feli!

„Hey Feli, du bist ja schon da. Ich hätte gedacht, wenigstens heute an dem Morgen nach deinem Geburtstagsessen gönnst du dir einmal ein kleines Sleep-In“, begrüßte mich Maren mit einem fröhlichen Grinsen. Gott sei Dank! Mir fiel so ein Stein vom Herzen, dass ich Maren fast um den Hals gefallen wäre. Klappte ja super mit meiner Coolness.

„Ach und du trägst unser Geschenk ja auch schon. Gefällt es dir also wirklich?“, ich war froh, dass Maren offensichtlich nichts gemerkt hatte.

„Ja, es ist wirklich super-schön, danke nochmal!“

„Ach, sehr gerne! Du weißt ja sicher, dass du es eigentlich Matthias zu verdanken hast.“

„Haha, ja, das Geschenkebesorgen lässt er sich nicht nehmen, was?“, versuchte ich, die Sache abzutun. „Apropos, wo ist er überhaupt? Er ist doch sonst auch immer früh da.“

„Ach so, Matthias kommt heute nicht. Er hat ein paar Termine und arbeitet den Rest von Zuhause.“

„Ah, ok.“ Und wieder fiel mir ein Stein vom Herzen. Obwohl ich mich wunderte, denn Matthias war eigentlich immer vor Ort und arbeitete nie von Zuhause. Aber was sollte ich länger darüber nachdenken, ich freute mich lieber auf die Aussicht, dass es doch noch ein entspannter Tag werden würde. Ich machte mich erleichtert wieder auf den Weg zu meinem Schreibtisch. Aber Maren war offensichtlich in Plauderlaune und folgte mir.

„Ja, und dass die anderen beide heute einen Homeoffice-Tag einlegen, war ja gestern schon klar … Aber mit dir ist es eh am schönsten.“

Ich lachte. „Danke, Maren, mit dir auch.“

„Und weißt du, was das Beste ist?“ Sie wartete meine Antwort gar nicht erst ab. „Das werden wir in Zukunft wohl öfter so haben!“

„Was? Wieso?“, fragte ich verblüfft.

„Naja, Barbie und Ken sind ja eh oft außer Haus und Matthias muss jetzt wohl auch mehr Homeoffice machen.“

„Wieso?“ Normalerweise musste ich immer schmunzeln, wenn sie Sina und Timo mit Barbie und Ken verglich. Es war einfach zu passend. Aber den Witz hörte ich dieses Mal gar nicht. Und ich verpasste auch die erstklassige Gelegenheit, mich unauffällig nach den beiden zu erkundigen. Stattdessen stellte ich zum zweiten Mal in Folge die einfache Frage und fühlte mich wie ein kleines Äffchen. Ich musste mich heute wirklich ein bisschen mehr zusammenreißen.

„Naja, wenn Matthias jetzt jede zweite Woche die Kinder hat, wird er wohl von Zuhause arbeiten. Sonst ist das ja gar nicht zu schaffen.“

„Wie, wenn er die Kinder hat?“

„Hast du noch nicht mitbekommen, dass er sich getrennt hat?“ Ach, du Scheiße! Ich konnte mir gerade noch verkneifen, meinen Kommentar laut auszusprechen. Nein, das hatte ich natürlich nicht mitbekommen. Diese neue Info ließ mich direkt in Panik verfallen. Das machte die Ausgangssituation von heute Morgen noch viel komplizierter. Was bedeutete das alles? Ich war wieder vollkommen durcheinander, wollte mir vor Maren aber nichts anmerken lassen.

„Nein“, bemühte ich mich deshalb, so ungezwungen wie möglich zu antworten. „Das tut mir aber leid!“

„Ach, ich denke, es war besser so. So, wie es sich angehört hat, lief es schon länger nicht mehr so toll. Dann ist es ja schließlich vernünftig, wenn man sich trennt. Nur für die beiden Kinder tut es mir leid. Mit 4 und 7 Jahren kann einen das schon ganz schön aus der Bahn werfen. Naja, aber wenn die Eltern sich anstrengen, wird es wohl gut werden.“

„Das wird es wohl.“ Mehr fiel mir dazu beim besten Willen nicht ein. Matthias und Trennung? Erst gestern hatte ich ihn in meinen Gedanken zum perfekten Allroundmann mit dem einwandfreien Leben erklärt und heute erfahre ich von der Trennung. Ich meine, für mich bedeutete eine Scheidung keinen Weltuntergang. Wir lebten ja schließlich heutzutage in einer Welt, in der das jedem zweiten Paar passierte. Außerdem teilte ich Marens Meinung zu 100 %, dass eine Scheidung in den meisten Fällen auch wirklich der richtige Schritt war. Aber bei Matthias?! Das musste ich erst einmal verdauen. Und am besten ohne dabei von Marens kritischen Blicken beobachtet zu werden. Dem Anschein nach war es noch früh genug, denn sie hatte ihrem Verhalten nach zu urteilen noch nicht bemerkt, dass mich die ganzen Infos etwas aus der Bahn warfen. Sie plapperte munter weiter. Wenn ich mich nicht noch selbst verraten wollte, blieb mir nur die Flucht. Demonstrativ sah ich auf meine Armbanduhr.

„Oh, Mist, so spät schon! Ich muss leider los, Maren. Ich habe gleich eine Besichtigung. Wir sehen uns später.“

„Ach, schade, aber dann bis später und viel Erfolg!“ Ich schmiss schnell meinen Oldschool-Timer, Stift und Handy in meine Tasche und verließ das Büro. Da hatte ich glücklicherweise noch rechtzeitig den Absprung geschafft, bevor Maren noch tiefer in das Thema einsteigen konnte und mich wohlmöglich in meinem Gedankenwirrwarr ertappte. Tatsächlich hatte ich auch einen Besichtigungstermin, für den ich aber nun zwei Stunden zu früh dran war. Da ich nicht so richtig wusste, wohin mit mir, stieg ich trotzdem schon in mein Auto und startete den Motor. Ich beschloss, die Zeit zu nutzen und einen großen Umweg zum Mietobjekt zu nehmen. Ich würde einfach ein bisschen durch die Straßen fahren und die Augen nach möglichen Verkaufsobjekten aufhalten. Diesen Trick hatte ich bei dem fragwürdigen Makler-Stammtisch aufgeschnappt. Ich hatte es auch tatsächlich bereits ein paar Mal versucht, auf diese Weise auf interessante Objekte zu stoßen. Aber bisher war meine Suche erfolglos. Trotzdem war es immer eine schöne Gelegenheit, mein neues Zuhause näher kennenzulernen und die Wohngebiete in meinem Kopf zu charakterisieren. Während ich mir den Weg durch die Innenstadt bahnte, schweiften meine Gedanken schon wieder zu den neuen Informationen ab, die ich erst einmal in meinem Kopf ordnen musste. Matthias‘ nettes Angebot, das teure Armband, die Trennung. So weit so gut, das musste schließlich alles nichts heißen. Jetzt, wo ich den Sachverhalt noch dreimal durchdacht hatte, kam ich zu dem Schluss, dass ich im Moment eben zu keinem Schluss kommen würde. Ich musste mich also ablenken. Es war wieder einmal ein herrlicher Frühlingstag und auf den würde ich mich jetzt auch konzentrieren. Ich drehte das Radio auf und ließ frische Luft herein. Es gab bei diesem Wetter nichts Schöneres als Gute-Laune-Musik und eine große Portion Fahrtwind. Aus Rücksicht auf meine Frisur ließ ich aber nur das Fenster der Beifahrerseite herunter. Ich konnte meine potentiellen Kunden schließlich nicht wie Struwwelpeter empfangen. Als ich die letzten Takte von „Shut up and dance“ auf mein Lenkrad trommelte, realisierte ich erst richtig, dass ich im Johannistal angekommen war. Ganz in der Nähe meines geliebten Tierparks. Aber nicht nur der war das Schöne an dieser Gegend. Dieser Stadtteil war im Ganzen einfach perfekt, stadtnah und doch im Grünen. Hier gab es wunderschöne Häuser, zugegebenermaßen eher Villen. Gepflegt und schön und sauteuer. Ich verließ die Hauptstraße und bog noch in ein paar weitere Straßen ein. Hier war ich noch nie. Diese Straße bestand ebenfalls aus gepflegten und wunderschönen Häusern. Allerdings waren diese nicht alle so frisch renoviert und auf dem neusten Stand wie die, die sich in der Nähe der Hauptstraße befanden. Sie hatten ihren alten Charme noch behalten. Ich beschloss, mein Auto abzustellen und die Straße und die Sonne bei einem kleinen Spaziergang zu genießen. Ich war ganz verzaubert von dem Ambiente, als mir ein kleines Haus auffiel. Es stand ein bisschen versetzt, eher im Hintergrund der anderen Häuser. Es führte nur ein kleiner Weg dahin. Ich bog ein und fand mich vor einem kleinen Fachwerkhaus wieder. Ein wunderschöner, verwunschener Vorgarten ließ darauf schließen, dass der Besitzer sich einmal sehr viel Mühe mit dem äußeren Erscheinungsbild gegeben hatte, dies aber offensichtlich schon ein paar Jahre her war. Das Haus an sich erschien wie sein Vorgarten. Es sah einladend und liebevoll gestaltet aus, gleichzeitig aber auch ein bisschen in die Jahre gekommen. Es hatte Potential, würde Matthias jetzt sagen und ich würde ihm zu 100 % zustimmen. Nicht nur wegen der begehrten Wohnlage. Oh Mann, ein Gedanke an Matthias und zack – war ich direkt wieder zurück in der Realität. Dieses Mal war es sogar gut, denn ich musste dringend zu meinem Besichtigungstermin. Das Haus ließ mich den ganzen Weg nicht los und ich war mir sicher, dass ich mehr darüber herausfinden musste.

Es kommt schon alles, wie es soll

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