Читать книгу Es kommt schon alles, wie es soll - Elli Poletti - Страница 6
Оглавление2 - Katerstimmung
Der Wecker klingelte um sechs Uhr. Ich realisierte erst nicht, woher dieses fiese Geräusch kam, und wusste nicht sofort, wo ich war. Dann klingelte es auch in meinem Kopf.
Mist, ich hatte vergessen, den Wecker auszuschalten.
Es gelang mir noch nicht, meine Augen zu öffnen. So ertastete ich mit aller Kraft mein Handy und stellte das Klingeln ab. In der nächsten Sekunde war ich bereits wieder eingeschlafen. Auch als ich vier Stunden später erneut aufwachte, hatte sich mein Zustand nicht wirklich gebessert. Mein Kopf tat höllisch weh und beim Gedanken an Kaffee, meinen sonst so geliebten Aufstehhelfer, wurde mir direkt schlecht.
Also musste ich auf meinen knallharten Katertrick zurückgreifen: Aspirin und Cola. Ich würde es mir erstmal auf meinem Sofa gemütlich machen und versuchen klarzukommen. Leider hatte ich vergessen, dass mein Wohnzimmer gestern eine Disco war und immer noch dementsprechend aussah.
Neeeeiiin, wimmerte ich in Gedanken. Aber es nützte nichts. Wenn ich eins nicht konnte, war es, mitten im Chaos zu entspannen.
Ich trank meine Cola, die zum Glück eiskalt war, mit einem Zug leer. Diese Wunderwaffe gab mir gerade so viel Kraft, mein Party-Wohnzimmer wieder in die gewohnte Wohlfühloase zu verwandeln. Manchmal war es doch ein Vorteil, nur eine kleine Wohnung zu haben. Mittlerweile war es Mittag geworden und ich hatte tierischen Hunger. Gut, dass gestern noch etwas von der Partysuppe übergeblieben war. Mit meinem Festmahl und einer zweiten Cola fiel ich fix und fertig auf mein Sofa. Schlafen konnte ich leider nicht mehr. Gestärkt und geduscht ging es mir aber auch schon ein bisschen besser.
Während ich meine Mails checkte und einige Anfragen beantwortete, die schon eingegangen waren, fing es in meinem Kopf allerdings doch wieder an zu pochen. Offensichtlich hatten meine Freunde gar nicht so unrecht und ich wurde wirklich langsam, aber sicher alt. Meine Gedanken schweiften weiter ab und ließen meinen Geburtstag Revue passieren. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als ich an den wunderschönen Tag mit all den wunderbaren Menschen dachte.
Ja, im Moment war ich sehr glücklich. Es war Frühling, die Sonne machte gute Laune. Ich hatte einen Job, der mir unglaublich Spaß machte, und ich hatte tolle Menschen um mich herum.
Was wollte man mehr?
Mein Lächeln vertiefte sich, als ich an Opa und seine kleine Rede dachte. Er wollte noch mehr Urenkel, typisch. Gut, dass ich seinen Wunsch einer Familienvergrößerung nicht verzweifelt teilte. Ansonsten hätten mich seine Worte sicherlich schwer getroffen.
Oder hatten sie das vielleicht doch ein bisschen?
Ich rieb meinen schmerzenden Schädel. Ehrlich gesagt, hatte ich mir bisher noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht. In Wirklichkeit stand es gerade auch gar nicht zur Debatte. Meine Rahmenbedingungen förderten es nicht wirklich, darüber zu philosophieren. Ohne Mann musste ich schließlich gar nicht erst an Kinder denken. Aber das hatte ja auch noch Zeit. Zumindest in meinen Augen. Wenn ich mir die Sprüche der anderen anhörte oder an die zahlreichen Beileids-Bekundungen gestern zu meinem Alter dachte, sahen das wohl nicht alle so.
Ich fand es schon befremdlich, was alle mit der „30“ hatten. Sicherlich meinten viele ihre Sprüche einfach nur witzig. Dennoch war es ja offensichtlich ein großes Thema.
Denn nicht nur meine ehemalige Kollegin hatte große Probleme damit. Auch für viele meiner Mädels war es ein Riesenthema.
Und für mich? Die Wahrheit war, ich wusste es nicht.
War das unnormal? Sollte es mir Angst machen, dass offenbar jeder in meinem Umfeld einen festen Lebensplan hatte, den er unbedingt einhalten wollte, nur ich nicht?
Oh Mann, was war denn jetzt los mit mir?
Ich steckte wohl wirklich mitten in einer After-Party-Melancholie-Stimmung.
Naja, aber es schadete ja nicht, sich mal ein paar Gedanken zu machen. Jetzt war ich eh mitten in meinem Gedankenkarussell gefangen. Es war also Zeit für eine kleine Bestandsaufnahme:
Ich, Felicitas Weber, war (gerade) 30 Jahre alt, Single und arbeitete als selbstständige Immobilienmaklerin in einem namhaften Maklerbüro in Bielefeld. Gebürtig kam ich aus einem kleinen Dorf in Ostwestfalen, gar nicht so weit von Bielefeld entfernt. Vor ein paar Monaten hatte ich dieses Dorf verlassen, um beruflich in Bielefeld durchzustarten. Seitdem hatte sich mein Leben ganz schön geändert, vor allem auch mein Selbstbewusstsein. Das hatte eine Zeit lang nämlich ganz schön gelitten und sah damals noch ganz anders aus.