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Leben, um zu sterben

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Es war völlig dunkel im Wald. Das dichte Geäst der Tannen verschluckte selbst das leiseste Geräusch. Routiniert bewegten sich Gummistiefel über die niedergetrampelte Erde. Ein widerlicher Geruch lag in der Luft. In den Käfigen hetzten die Tiere auf engstem Raum hin und her. Damit sie sich nicht gegenseitig totbissen, war jedes einzeln eingesperrt. Sie lebten, um sich zu Pelzen verarbeiten zu lassen, ihre Herzen schlugen, damit sie Kleidungsstücke wurden, sie bekamen Futter, um später Menschen Schutz vor der winterlichen Kälte zu bieten.

Die Nerzfarm züchtete sie, um sie zu töten. Das war einfach so. Ohne Wenn und Aber. Ob es auch in Ordnung war, daran schieden sich die Geister.

Vorsichtig näherten sich die nächtlichen Besucher den Käfigen. Die Tiere drehten sich um, nahmen Witterung auf, fletschten die Zähne und suchten verängstigt nach Schutz. Ihr Futter, das in einer Rinne vor den Käfigen lag, und ihre Exkremente verbreiteten einen ekelerregenden Gestank. Schweigend wurden Handschuhe übergestreift. Die Augen, die sich inzwischen an das schwache Licht der Dämmerung gewöhnt hatten, musterten fachkundig die Reihen von Käfigen, die geöffnet werden mussten.

Auszuhalten war der Gestank nur, wenn man an etwas anderes dachte. An eine frische Meeresbrise, die Weite des Himmels oder das Dunkel des Waldes.

In wenigen Minuten würde alles vorbei sein. Dann würden die Schatten der Tannen die umherirrenden Nerze verbergen. Die Tiere bräuchten ein wenig Zeit, um zu begreifen, dass sie nun in Freiheit waren. Dann käme ihr Raubtierinstinkt wieder zurück. Die kleinen Körper würden plötzlich aus dem Dickicht hervorschießen. Sie würden töten, anstatt getötet zu werden. Das war einfach so. Ob es auch in Ordnung war, daran schieden sich die Geister.

Geübte Handgriffe hielten die Klappen fest, während ein Bolzenschneider das Gitter zerschnitt. Gezeter stieg zum Nachthimmel. Aber keiner nahm es wahr, niemand achtete auf die Tiere, die sich, zunächst unsicher taumelnd, davonmachten.

Einige Nerze schienen noch so etwas wie eine Ehrenrunde um ihr Gefängnis zu drehen, bevor sie ihre Käfige und das Futter für immer verließen.

Die Beine in den Gummistiefeln liefen auf und ab, ohne vom Gewimmel der Körper Notiz zu nehmen, die wie ein lebendiger Teppich über den Boden wanderten.

Nachdem sie verschwunden waren, legte sich eine Ödnis über den Ort. Als ob hier nie etwas existiert hätte.

Außer dem Gestank.

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