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Nachdenken über Kalle

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»Was läuft eigentlich mit dir und diesem Kalle?« Pétur hatte offenbar irgendwas läuten hören und grinste Svala an.

Kein Wunder, dass er neugierig war. Svala und Kalle verabredeten sich öfter mal fürs Kino. Aber sie trafen sich eher unregelmäßig und waren nicht fest zusammen. Trotzdem wurden sie häufig als Paar angesehen. Allerdings hatten sie nur einmal auf einer Party so richtig geknutscht, ansonsten gab es nur mal einen Kuss ab und zu oder eine Umarmung. Kalle war noch nicht mal bei ihr zu Hause gewesen. Svala, die nicht wusste, was sie von der Sache halten sollte, zögerte, Kalle bei Pétur anzuschleppen.

Pétur zog sich sein Fahrradkurier-Outfit an und hängte sich die Kuriertasche um. Svala tat so, als hätte sie seine Frage überhört.

Sie wünschte sich, Kalle würde sie ebenso anhimmeln wie Antoine Amanda. Mit schmachtenden Blicken und voller Bewunderung. Sie hätte zu gern gewusst, wie Amanda das eigentlich fertigbrachte, dass alle Typen in sie verknallt waren. Am liebsten würde sie sie direkt darauf ansprechen, aber das traute sie sich nicht.

Sie hatte kurz überlegt, ob sie Pétur fragen sollte, warum Jungs manche Mädchen besonders attraktiv fanden, aber diese Blöße wollte sie sich nicht geben.

Und überhaupt – warum schleppte er immerzu nur dünne, langhaarige und blonde Mädels ab? Svala konnte keine Blondine mehr ertragen, die ihren Kopf auf die Seite legte und ihren Bruder anhimmelte.

Keine von ihnen war klein, schwarzhaarig und wütend wie sie.

Von Mama hatte Svala ihre Launen nicht geerbt. Wenn sie an Mama dachte, hatte Svala das Gefühl, eine Wolke aus langem Haar würde sie umhüllen und sie könnte Mamas Duft einatmen. Zwar hatte sich Aisa mit der Zeit verändert, aber dies war Svalas Traumbild von ihr, wahrscheinlich von klein auf. Seit Aisa nach Island zurückgekehrt war, trat dieses alte Bild immer deutlicher hervor.

Svala hatte sich die Haare gewaschen. Ihr schwarzes Haar glänzte und ihre Augen hatte sie mit schwarzem Kajal umrandet.

Sie war mit Kalle verabredet und wollte endlich herausfinden, wie es eigentlich zwischen ihnen stand.

Das Indian Nan war ein düsteres, etwas schäbiges Restaurant im Stadtteil Södermalm. Es bestand aus einem einzigen Raum mit einem Tresen und ein paar Tischen. Und es hatte einen großen Vorteil – es war total günstig.

Vor ihrem geistigen Auge sah Svala ein rotes, gut gewürztes Tandoori-Huhn, mit Reis und frisch gebackenem indischen Brot. Sie hatte echt Hunger.

Kalle war noch nicht da. So früh am Nachmittag war der Laden ziemlich leer. Svala nahm an einem Zweiertisch Platz. Reisreste klebten auf der Tischdecke und eingetrocknetes Chutney hatte einen gelben Fleck hinterlassen.

Svala nahm ihren Rucksack ab und rutschte in die Ecke.

»Ich warte noch auf einen Bekannten«, sagte sie zum Kellner, der ihr eine Speisekarte hinwarf.

Ein Bekannter. Womöglich war Kalle nichts anderes? Am Anfang hatte sie ihn total süß gefunden. Auf seinem blonden Wuschelkopf trug er ständig eine Wollmütze. Nicht einmal im Kafka nahm er sie ab. Die Mütze war Svala zuerst aufgefallen. Und seine eigentümlich gute Laune. Kalle war immer witzig drauf.

Dabei war sie selbst auch nicht auf den Mund gefallen. Schließlich hatte sie an ihrem großen Bruder ein knallhartes Training absolviert.

Aber man sollte auch mal Mut zur Ernsthaftigkeit besitzen. Kalle betrat das Lokal und guckte sich suchend um. Als er Svala entdeckte, huschte ein fröhliches Lächeln über sein Gesicht.

Er setzte sich ihr gegenüber.

»Die Cops sind jetzt komplett durchgedreht«, legte er los, ohne Hallo zu sagen oder auf die Idee zu kommen, sie zur Begrüßung zu küssen oder in den Arm zu nehmen.

Svala gab keine Antwort. Sie hatte es satt, dauernd über die Polizeiaktionen gegen Kalles kleine Anarchogruppe zu reden. Es passte ihr nicht, dass er nur von seinen eigenen Angelegenheiten sprach und sich nie nach ihr erkundigte.

»Wollen wir was zu essen bestellen? Wir können uns ein Tandoori teilen, wenn du kein Geld hast«, sagte Kalle.

Sie ließen sich eine gigantische Portion Reis und ein Chicken Tandoori kommen.

Kalle merkt nicht mal, dass ich mit ihm reden will, dachte Svala.

Sie versuchte es mit Flirten.

»Sag mal, Kalle, findest du, ich soll mir meine Haare auch so lang wachsen lassen wie Amanda aus dem Kafka?«, unterbrach sie seinen Wortschwall über ein Manifest, das er verfassen wollte.

»Mach dich nicht lächerlich, Svala, du weißt, dass ich dich so mag, wie du bist.«

»Aber findest du nicht, dass sie gut aussieht?«, sagte Svala.

»Hallo? Worüber reden wir eigentlich? Du hörst dich ja an wie ein Starmagazin! Ich versuch gerade, dir was Wichtiges rüberzubringen.«

Jetzt war er auch noch sauer. Mist, sie hatte einfach kein Talent für diese Dinge.

Svala ließ den Blick auf den Tisch sinken und starrte das Muster auf der Tischdecke an.

Kalle streichelte behutsam ihre Wange.

»Svala, du bist doch hübsch genug. Du hast so ein lustiges, waches Gesicht.«

»Ich hab nachgedacht«, sagte Svala geknickt. »Wir benehmen uns eher wie gute Freunde. Willst du eigentlich, dass wir zusammen sind, oder sollen wir einfach nur Freunde sein?«

»Darüber machst du dir ’nen Kopf? Also, ich bin jedenfalls total dagegen, Beziehungen zu monopolisieren«, antwortete Kalle schnell.

Sie sprachen nicht dieselbe Sprache.

Svala konnte sich nicht vorstellen, dass Pétur jemals mit einem Mädchen eine dermaßen idiotische Diskussion führte.

Bestimmt war alles nur ihre Schuld.

Sie riss einen Hähnchenschenkel ab und biss wütend hinein. Bestimmt war sie vom Tandoori-Gewürz ganz rot um den Mund, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.

»Okay, dann beschließen wir es jetzt. Ab jetzt sind wir nur gute Freunde.« Ihr fiel auf, dass ihre Stimme aggressiv klang.

Kalle guckte sie verwirrt an. In seinem Mundwinkel klebte ein Reiskorn.

»Aber waren wir das nicht schon die ganze Zeit?«

»Ich muss jetzt los«, sagte Svala. »Ich bin schon spät dran, aber wir sehen uns ja im Kafka.«

Sie wollte nicht, dass Kalle das Essen bezahlte. Einmal musste Schluss damit sein! Sie legte Geld auf den Tisch und verschwand.

Svala stürmte auf die Straße. Sie musste mit jemandem reden. Also auf ins Kafka. Ein Gepräch mit ihren Freundinnen würde die Sache erträglicher machen.

Filippa und Matilda waren tief in eine Schachpartie versunken. Neben ihnen saß Moa, die sich ihre Fingernägel polierte. Svala setzte sich ungeduldig zu ihnen. Sie wollte über Kalle reden, wusste aber nicht recht, wie sie anfangen sollte.

»Ich hab mit Kalle Schluss gemacht«, platzte sie schließlich heraus. Die Mädchen unterbrachen ihre Partie und musterten sie neugierig.

»Ich wusste nicht mal, dass ihr zusammen wart«, sagte Filippa und klimperte mit ihren 107 superdünnen Silberarmreifen, die von den Handgelenken bis zum Ellenbogen fast ihren gesamten Unterarm bedeckten.

Filippa verliebte sich Schlag auf Schlag, aber kaum war sie mit einem Jungen zusammen, verlor sie schon wieder die Lust und guckte sich nach dem nächsten um.

»Hast du’s ihm einfach so gesagt?«, fragte Moa. Weil sie niemanden verletzen mochte, blieb sie immer ewig mit Typen zusammen, bei denen sowieso Hopfen und Malz verloren war.

»Ja, einfach so.« Svala schnippte mit den Fingern. »Der Typ, mit dem ich zusammen bin, soll auf mich abfahren und nicht auf die Idee, gegen Skinheads zu demonstrieren«, sagte sie.

Sie wollte nicht zugeben, wie traurig sie in Wahrheit war. Wenn sich die anderen über Jungs unterhielten, wirkten sie immer so lässig und cool. Svala hatte geglaubt, ihre Aussage würde Kalle dazu bringen, ihr zu zeigen, dass ihm wirklich an ihr lag. Doch ihr Plan war total in die Hose gegangen. Kalle schien keine besonders innigen Gefühle für sie zu hegen. Svala fühlte sich komplett idiotisch!

Café Kafka im Visier

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