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ZWEITES KAPITEL

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Ertrinken wäre der bessere Tod


Roger Kervizic stand regungslos und starrte hinüber zu den Lichtern Nouméas, nahe und doch Welten fern, Lockung und Drohung zugleich. Sacht, fast unhörbar liefen die Wellen auf den Strand, das Wasser der Bucht war wenig bewegt, zittrig spiegelten sich darin die Positionslaternen der Schiffe auf Reede. Kervizic sah es und sah es nicht. Würde dieser Darnbridge sie der Hafenpolizei übergeben oder die "Plymouth" mit ihnen nach Europa segeln? Schickte der Kapitän sie wieder ins Wasser, dann hieß das Flucht durch Neukaledonien zur nächsten Hafenstadt. Hunger und Durst leiden, in schwülen Mittagsgluten schwitzen, in kalten Nächten frieren. Sie müssten die Gefahr riechen und sie umgehen, die Gefahr hören und zurückweichen, doch wenn ihr nicht zu entrinnen war, galt es, den ersten Schlag zu führen. Der Gedanke erregte Kervizic nicht sonderlich. Er war mehrmals verwundet worden, jede Verwundung ein Versuch, ihm das Leben zu nehmen. Trotzdem hatte er nie Panik in sich aufkommen lassen, und nicht zuletzt deshalb war er der Überlebende geblieben. Roger Kervizic sah die Dinge nüchtern, dennoch war es ihm lieb, sagen zu können, er habe stets nur Notwehr geübt beim Verteidigen des Rechts, und wen er getötet habe, der sei das Opfer eigenen Denkmangels, denn für das Unrecht sterben sei noch dümmer, als für das Unrecht leben.

Wenn ihn die nächste Zukunft beschäftigte, dachte Kervizic weniger an sich als an den Freund. Seitdem sie sich zusammengetan hatten, fühlte er sich für Paschal verantwortlich. Zumindest einer musste nach London gelangen, und das war Paschal, der Mann der Feder. Ich muss an Kraft und Entschlossenheit hinzutun, wusste Kervizic, was dem Freund in heiklen Situationen abgehen mag. Immerhin habe ich einen Verbündeten: Manon Dupriaux. Welche Taten sind nicht schon um der Liebe willen vollbracht worden, und nichts hilft einem Mann besser, durchzuhalten, als die Liebe zu einer Frau. Kervizic erlebte es tagtäglich nicht nur am Freund, sondern auch bei all jenen Leidensgefährten, die nicht aufhörten zu hoffen, irgendwann ihre Liebe wiederzusehen. Er beneidete sie um diese Hoffnung. Seinen Schmerz, die Gedanken an den Tod Claudines, wünschte er in die hintersten Fächer seines Bewusstseins einzusperren, und doch erinnerte ihn so vieles an sie. Um sich abzulenken, überprüfte er noch einmal die Schwimmbündel aus Schilf und Binsen, die er aus dem Versteck geholt hatte. An der Unterseite geschickt verknüpft, sah das grünbraune Gewirr von oben aus wie ein von Wind und Wellen zusammengetriebener Haufen Strandpflanzen. Paschal nannte sie Storchennester und war skeptisch in Bezug auf ihren Nutzen. Doch gerade wegen ihrer Unscheinbarkeit hatte Kervizic sie hergestellt, fest überzeugt von ihrer Nützlichkeit.

Er duckte sich hinter dem Strandgebüsch. Grousset näherte sich, rief flüsternd: "Roger?"

Kervizic richtete sich auf, und als er sah, wie der Freund zusammenzuckte, bemerkte er leise lachend, Leute in ihrer Lage sollten sich die Schreckhaftigkeit abgewöhnen. Rasch begannen sie sich auszuziehen und aus ihrer Kleidung handliche Bündel zu schnüren.

Mit einer Kopfbewegung wies Kervizic über die Bucht zur Stadt, wo nach und nach in den Fenstern der Häuser das Licht erlosch. "Die müssen jetzt schlafen gehen - aber wir dürfen baden." Nachdem er ihre Sachen unter den Storchennestern befestigt hatte, schob er sie ein Stück ins tiefere Wasser und bohrte schräg von oben ein fingerdickes Schilfrohr durch jeden Haufen.

"Und du meinst, wir brauchen die Dinger wirklich?" fragte Grousset. Sie standen beide nebeneinander, das Wasser ging ihnen bis an die Brust. Unwirsch erwiderte Kervizic: "Aber ja, Paschal. Bei Gefahr unter die Haufen tauchen und durch das Schilfrohr atmen. Versuch's noch mal."

Gehorsam verschwand Grousset unter Wasser. Wie schon mehrmals probiert, pustete er das hohle Schilfstück vom Wasser leer und fand, dass man ausreichend mit Luft versorgt wurde, hatte man sich an das längere Ein- und Ausatmen erst einmal gewöhnt. Auftauchend spie er heftig Wasser aus. Er hoffte inbrünstig, sie würden die fragwürdigen Luftspender nicht benutzen müssen.

Kervizic band sich die Leine um den Leib, an der er das Storchennest hinter sich herzuziehen gedachte, dabei ließ er Laute hören, die ein Lachen sein sollten. „Auf der 'Plymouth' werden sie uns mit Willkommensgirlanden empfangen."

Grousset prophezeite: "Selbstverständlich glaubt uns der Kapitän, dass wir nur harmlose Beachcomber sind."

"Es fehlen ihm drei Mann, deshalb müsste er uns mit Freudentränen begrüßen." Kervizic wies mit der Hand die Richtung zum fernblinkenden Hecklicht der "Plymouth" und warf sich mit kräftigem Schwung nach vorn.

Mit etwas weniger Elan tat es ihm Grousset nach. Da er bestenfalls ein mittelmäßiger Schwimmer war, bemühte er sich um gleichmäßige, kraftsparende Stöße. Nun, da das laue Wasser der Bucht von Nouméa seinen Körper umfloss und er eine Schwimmstrecke bewältigen musste, wie er sie aus freien Stücken so lang nie gewählt hätte, war das Schilfbündel ein Stück Zuversicht, gefertigt von Roger Kervizic, der zu den seltenen Naturen gehörte, denen auch noch etwas einfällt, wenn die meisten schon aufgeben. Grousset wusste von einigen gescheiterten Fluchtunternehmen, immer war, mehr oder weniger listenreich aber vergeblich, versucht worden, über die vielmals gesicherte Landenge nach Neukaledonien zu gelangen.

Es beruhigte und ärgerte Grousset zugleich, dass sich Kervizic in regelmäßigen Abständen umschaute. Als er selbst den Blick zurückwandte, wurde ihm schmerzlich bewusst, wie nahe ihnen die Stein- und Sandödnis des Lagers noch war. Im Licht des südlichen Sternenhimmels sah, er die dunklen Baracken im Hintergrund und die sich ebenfalls dunkel abhebenden Grünstreifen des Strandes mit dem Schilf und dem Strauchwerk.

Diese Hecklaterne kam und kam nicht näher. Grousset spürte, wie seine Kräfte nachließen, und Zweifel beschlichen ihn, ob er es schaffen würde. Als ob Kervizic es bemerkt hätte, wartete er, bis Grousset heran war. Er lachte den Freund an und spie eine kleine Fontäne in die Luft. Sie hingen jeder an seinem Storchennest, ohne sich bewegen zu müssen, und Grousset rief sich zur Ordnung: Du kannst dich doch ausruhen, wann immer du willst.

Als könne er sich nicht lassen vor Übermut" spie Kervizic abermals einen Wasserstrahl in die Höhe. "Tummeln wir uns wieder ein bisschen."

Grousset schwamm, auf der Seite liegend, weiter, vom Brustschwimmen tat ihm der Nacken weh. Er nahm sich vor, die nächste Verschnaufpause so lange wie möglich hinauszuschieben, es musste für den Freund quälend sein, sich ständig zurückzuhalten.

Obwohl sie noch mehrmals haltgemacht hatten, fühlte sich Grousset dann mit einem mal wie ausgepumpt und seltsam gleichgültig, beharrlich bohrte immer wieder die Frage: Lohnt es, weiterzumachen? Auf Ducos verrecken nach und nach alle an Krankheit, Sehnsucht, Unterernährung. Ein stilles Ertrinken wäre der bessere Tod. Aber war er nicht schon mit dem Gedanken an Flucht nach Ducos gekommen? War er nicht begeistert gewesen, als Louise Michel Roger Kervizic als zweiten Teilnehmer vorgeschlagen hatte? Gewaltsam schüttelte er die Apathie ab, machte wieder energische Schwimmstöße. Nach einer Weile warf er sich auf die andere Seite und war überrascht. Deutlich sah er jetzt das rote Backbordlicht der "Plymouth", die, leise an ihren Ankerketten schwoiend, sich ein wenig gedreht haben musste.

Schon hoben sich die Aufbauten der Viermastbark erkennbar ab, als das Geräusch von Ruderschlägen an sein 0hr drang. Er tauchte instinktiv, und als er das Schilfrohr ertastet hatte, pustete er hastig das Meerwasser hinaus. Quälend langsam näherte sich dumpfes Dröhnen, dann war Rauschen und Sprudeln ganz in der Nähe. Ein klatschender Schlag drückte Grousset mitsamt dem Nest tiefer, und plötzlich bekam er keine Atemluft mehr. Einer hatte mit dem Ruder auf den Haufen geschlagen. Aus Spaß oder weil man den Mann darunter entdeckt hatte? Durch den Schlag musste das Schilfrohr geknickt worden sein, Grousset spürte mit Entsetzen, wie schnell sich die im Körper befindliche Luft verbrauchte. Ließ man sie sehr langsam ab, waren einige Sekunden herauszuschinden. Er tat es, und das Brausen in seinen Ohren wurde immer lauter, gleich würde ihm der Schädel zerspringen. Trotz der Furcht, mit dem Ruderblatt eins über den Kopf zu bekommen, tauchte er auf.

Die grellen Sonnen vor seinen Augen beendeten ihren rasenden Tanz, und nun sah er, dass sich das Boot bereits ein Stück entfernt hatte. Tief atmete-er die köstliche frische Nachtluft ein. Er fühlte sich erlöst und zugleich seltsam schwach. Das weiche, laue Wasser schien ihn mit saugenden Armen hinabziehen zu wollen, krampfhaft hielt er sich an dem Storchennest fest.

Mit schnellen Schwimmstößen erreichte ihn Kervizic. Er fluchte. Das Boot habe ihn ein Stück dwars zuerst passiert, rechtzeitig habe er tauchen und bald wieder hochkommen können, da sich die im Boot Groussets Schilfbündel zugewandt hatten. Derart qualvolle Minuten habe er selten durchgemacht. Die Burschen, offenbar vom Landgang zurückkehrende Seeleute, waren derart voll, dass sie auf der Reede suchend herumruderten, um ihr Schiff zu finden.

Grousset lächelte matt. "Hättest du lieber stocknüchterne Hafenpolizisten in einem Patrouillenkahn gehabt?"

"Fünf Minuten später, und wir wären auf der 'Plymouth' gewesen.

Vom Schreck sei es immer noch wie gelähmt, gestand Grousset. Kervizic nickte verständnisvoll. Jetzt könne man schon beinahe zur "Plymouth" hinüberspucken.

Endlich am Riesenleib des Segelschiffes konnten sie das nasse Holz mit Händen fassen. Es war behaftet mit Algen und Muschelgetier und dennoch ein besonderes Holz. Diese Planken bedeuteten ein Stück England.

Kervizic ließ seine Blicke schweifen. "Wo lässt sich am besten aufentern?“

Was für ein Spaß, wenn wir wieder zurückschwimmen müssten, dachte Grousset. Ihm war alles andere als spaßig zumute.

Kervizic tauchte neben ihm auf und berichtete, die Flut drücke das Schiff dem Hafen zu, deshalb verlaufe die Heckankerkette in günstiger Schräge. Sie schwammen zum Heck, und Kervizic hangelte nach oben, sein nasses Kleiderbündel auf dem Rücken.

Leise überstieg er die Schanzung und ließ sich auf den Planken niedergleiten. Er atmete heftig. Wehmütig dachte er: es gab Zeiten, da hattest du mehr Reserven. Sein Pulsschlag beruhigte sich, er suchte sich zu orientieren und überlegte, dass es am günstigsten wäre, ungesehen zum Kapitän zu gelangen. Der Gedanke war jedoch kaum zu Ende gedacht, als plötzlich ein Mann der Nachtwache vor ihm stand und ihn anfauchte: "Ehe die 'Plymouth' in See geht, bist du als blinder Passagier längst verreckt."

Kervizic setzte auf Matrosengehorsam, im Ton des befehlsgewohnten 0ffiziers herrschte er den andern an: "Wer spricht von blinden Passagieren? Wir sind Schiffbrüchige, die ein Recht auf Hilfe haben. Lassen Sie die Strickleiter hinunter, ehe mein Kamerad ertrinkt.“

Eingeschüchtert tat der Mann wie befohlen. Dann wurde ihm das Seltsame der Situation bewusst, brüsk drehte er sich zu Kervizic um. "Schiffbrüchige? - Im Hafen?"

Der Gefragte erwiderte sehr leise und sehr streng: "Nur der Kapitän ist befugt, Erklärungen entgegenzunehmen. Wissen Sie das nicht?"

Gerade die leise Zurechtweisung reizte den andern, laut zu werden. "Halte hier ich die Heckwache oder der Kapitän?"

Einen Augenblick unterbrach Kervizic das schwierige Geschäft, seine feuchte Kleidung anzuziehen, er trat auf den Mann zu und sagte fast flüsternd: "Wären Sie der Kapitän, würden Sie mich ja wohl nicht so anbrüllen. Bemühn Sie sich um Manieren, Mann."

Der Janmaat reagierte plötzlich wurstig. "Was muss ich mich mit irgendwelchen Halunken rumärgern, soll doch der Bootsmann ...“

Noch ehe er sich ganz umgewandt hatte, um die Verantwortung an seinen nächsten Vorgesetzten weiterzugeben, zitierte Kervizic akzentuiert: "Paragraph sechs des Internationalen Seerechts: Über jeden aufzunehmenden Schiffbrüchigen entscheidet allein der Kapitän des Schiffes." Der Sailor zögerte, obwohl er nicht wusste, dass der Paragraph erfunden war. Kervizic stieß nach. "Sie werden das, Gesetz nicht brechen und uns zum Kapitän bringen.“

Grousset war eben über die Schanzung gestiegen und dabei, seine nassen Sachen auszuwringen. Kervizic half ihm beim Anziehen, während der Mann der Heckwache zusah und maulte, so was von Unverfrorenheit habe ihm bisher noch keins der Sieben Meere vor die Füße gespült. Es lag uneingestandene Anerkennung darin. "Wenn die Herren Schiffbrüchigen mir bitte folgen wollen."

Die Schritte des Janmaats verloren bald an Forsche, mit eingezogenem Kopf stieg er den Niedergang zur Kapitänskajüte hinab. Er klopfte an die Tür und rief, als sei er selbst in Seenot: "Käpt'n! - Hier sind zwei Schiffbrüchige!"

Zunächst herrschte Stille, dann ertönte lautes Fluchen, das so lange anhielt, bis der Kapitän Licht gemacht und in seine Kleider gefahren war. Endlich wurde die Tür aufgerissen, und der Bordgewaltige polterte: "Herein mit den Hundsföttern!"

Der Mann der Nachtwache zog rasch und leise die Tür von außen zu.

Kapitän Anthony Darnbridge stand mitten im Raum. Die Fäuste in die Seiten gestemmt, musterte er die beiden mit zornsprühenden Augen, sein gepflegter Backenbart schien vor Grimm zu zittern. "Verunreinigt dieser Gossenkehricht meinen Kahn und erklärt sich mitten im Hafen zu Schiffbrüchigen!"

"Der Marin muss sich verhört haben, Kapitän", sagte Kervizic.

"Wir sind Seeleute ohne Schiff. Es hieß, die 'Plymouth' laufe morgen früh aus, und da sind wir vorsichtshalber noch nachts aufgeentert.“

Die Stimmung des rüstigen Sechzigers mit dem eisgrauen Haar schien umzuschlagen. Er lachte. So etwas von Arbeitswut habe er noch nicht erlebt.

Aufmerksam betrachtete er die feuchte Kleidung der beiden. "Ihr seid Sträflinge von Ducos."

Kervizic überlegte, hier half nur die Flucht nach vorn. "Und wenn es so wäre, Sir? In diesen Breiten habe ich noch kein Schiff getroffen, das nicht Mangel an tüchtigen Seeleuten gehabt hätte. Man sagt, der 'Plymouth' fehlen drei Mann."

"So - sagt man?"

Rasch fügte Kervizic hinzu: "Wir hätten gern noch den dritten mitgebracht, Sir, leider konnte der Bursche nicht schwimmen."

Diese Schlagfertigkeit gefiel Darnbridge, und während er den selbstsicheren Fahrensmann nicht ohne Wohlgefallen betrachtete, roch er geradezu, dass dieser Bursche auf der See zu Hause war, ein Janmaat nach seinem Geschmack. Insgeheim bedauerte er, dass er sich keine romantischen Anwandlungen erlauben konnte, und erklärte bärbeißig: "Spätestens morgen früh ist Großalarm. Die Spürhunde des Mister Governor werden auch mein Schiff bis auf den letzten Winkel durchsuchen. Tut mir leid - ich muss euch von Bord jagen."

"Sir", Kervizic schaute dem Grauhaarigen unverwandt ins Gesicht. “Damit besiegeln Sie zwei Todesurteile."

Darnbridges Augen wichen dem Blick Kervizics nicht aus. "Die habt ihr selbst besiegelt - als ihr ins Wasser gestiegen seid. Bin ich Jesus von Nazareth, dass ich für eine philanthropische Regung das Schiff, die Ladung und mein Kapitänspatent aufs Spiel setze? Würden Sie das an meiner Stelle tun?"

Mit der Frage versucht er uns in die Ecke der Verlierer zu drängen, dachte Grousset, man muss diesem Taktiker etwas entgegensetzen. Schade, dass ich nicht besser Englisch spreche. Er machte ein ehrfürchtiges Gesicht. "Jede Planke der 'Plymouth' bedeutet britisches Hoheitsgebiet, Sir, auch in außerenglischen Gewässern. Niemand darf dieses Schiff durchsuchen, wenn der Kapitän es nicht wünscht."

Kervizic machte ein gequältes Gesicht; Darnbridge lachte belustigt. "Thanks, Mister, für Ihre Hochachtung vor britischem Selbstbewusstsein. Aber dann könnte ich gleich Segel setzen. Glauben Sie, dass ich auch nur noch eine Tonne Ladung bekomme, wenn ich der Hafenpolizei den Zutritt verweigere?"

In der Befürchtung, der Freund würde einen weiteren Fehler machen, stimmte Kervizic dem Kapitän rasch zu. "Im Gegenteil, je verdächtiger einer ist, desto zuvorkommender muss er die Kontrolleure behandeln. Auf einem anderen Blatt steht - verzeihen Sie, Sir, wenn ich daran erinnere -, dass es auf jedem Schiff Verstecke gibt, die auch der beste Schnüffler nicht findet."

Darnbridge stemmte beide Hände in die Hüften, anscheinend eine Körperhaltung, die er gern einnahm. Er brauchte Argumente gegen die beiden - für sein schlechtes Gewissen. "Glauben Sie, eine ganze Mannschaft denkt wie der Kapitän? Da ist zum Beispiel mein Erster Offizier, Guillol, Franzose und wütender Royalist. Euer Glück, dass er Landgang hat, ihr wärt das gefundene Fressen für ihn."

"Ungefähr die schwierigste Sorte Mensch, die ich kenne", erklärte Kervizic sachlich. "Ließe sich der nicht mattsetzen. Sir, indem Sie uns offiziell von Bord weisen? - Heimlich entern wir wieder auf und gehen ins Versteck. Auf See kommen wir dann heraus, und Sie können uns vor versammelter Mannschaft herunterputzen."

Ein wenig traurig sah Darnbridge den hartnäckigen Janmaat an. "Wir stechen morgen früh nicht in See. In diesem schlampigen Nouméa dauert alles dreimal so lange wie in zivilisierten Weltgegenden. Inzwischen würdet ihr in eurem Versteck umkommen.

Grousset vermochte nicht mehr an sich zu halten. Eindringlich sagte er in seinem deutlichsten Englisch: "Natürlich, wir haben Angst um unser Leben, Sir. Aber wichtiger - die Welt muss erfahren, was auf Ducos geschieht."

Der Alte fand Groussets Argumentation ungeschickt, und Kervizic tat ihm leid. "Da schau an, Kapitän Darnbridge als Komplice von Verschwörern."

"Pardon, Sir, wir suchen Menschlichkeit, keine Komplizenschaft." Kervizic sagte es tiefernst, im Innern froh, dass er durch den Hohn des Kapitäns den Spieß umdrehen konnte. „Niemand nahm an, dass Sie ein Gesinnungsfreund der gefangenen Kommunarden seien, Doch nie und nimmer würde ich glauben, Sie ließen sich zum Gehilfen eines Thiers machen."

Das hatte getroffen, der Kapitän brüllte: "Schon der Gedanke daran ist eine Unverschämtheit! Haben Sie vergessen, wo Sie sich befinden? Auf britischen Schiffen ist der Kapitän Vertreter Ihrer Majestät der Königin, souverän gegenüber jeder andern Staatsmacht!"

Treuherzigen Gesichts beteuerte Kervizic: „Niemals hatte ich die Absicht, Ihnen zu nahe zu treten, Sir. Ich wollte an Ihre Hochherzigkeit appellieren, weil ich genau an das dachte, was Sie uns eben deutlich in Erinnerung gerufen haben."

Nachdenklich strich sich der Kapitän den Bart. Nach einem kurzen, für die beiden viel zu langen Schweigen, sagte er sehr bestimmt: "Ich lasse euch vom Schiff bringen - ganz offiziell."

Kervizic versuchte abermals, etwas einzuwenden, Darnbridge schnitt ihm das Wort ab: "Ihr glaubt doch nicht, dass euer Besuch auf der 'Plymouth' geheimgeblieben ist? - Wenn es euch gelingt, an Land ein Versteck zu finden, bis wir auslaufen, dann lässt sich über eine Anmusterung reden." Er öffnete die Tür und rief nach dem Bootsmann Brissac.

Brissac klingt gut, könnte ein Franzose sein, dachten die Freunde. Als der Bootsmann auftauchte, erschraken sie über dessen piratenhaftes Aussehen. Seine plattgedrückte Nase erinnerte an die eines Boxers. Über Brissacs linke Stirnseite zog sich eine Narbe wie von einem Säbelhieb, die er mit einer Welle seines krausen Haargewuschels zu verdecken suchte.

Einer von der Mannschaft mit dem Namen Kenton wurde zum Rudern geholt, und der Kapitän gab die Anweisung: "Schaluppe zu Wasser lassen." Kervizic und Grousset gingen zum Vorschiff, Darnbridge und Brissac folgten ihnen, der Kapitän flüsterte mit dem Bootsmann.

Umgeben von vier Leuten, die das Boot abgehievt hatten, und den beiden Männern der Nachtwache, warteten die Freunde verbissen schweigend. Der Kapitän trat hinzu, sagte laut und vernehmlich: "Bootsmann, Sie bringen die Beachcomber an Land und übergeben sie der Hafenpolizei. Die beiden haben sich strafbar gemacht, indem sie unerlaubt das britische Segelschiff 'Plymouth' betraten. Ist das klar, Bootsmann?"

"Yes, Sir."

"Haben Sie eine Pistole, Bootsmann?"

"No, Sir.!“

"Hier, nehmen Sie meine. Beim geringsten Fluchtversuch schießen Sie. Wir haben uns verstanden, Bootsmann?"

"Yes, Sir." Brissac steckte das Schießeisen gelassen hinter den Bauchgurt. Nacheinander kletterten die drei hinab zu Kenton, der stieß das Boot von der Bordwand ab und begann zu rudern, Brissac saß am Steuer.

Bis zum Kai werden wir nicht viel mehr als zehn Minuten haben, überlegte Kervizic, im Augenblick lässt sich kaum etwas Besseres tun, als die Stimmung zu erkunden. Er wandte sich an Brissac und Kenton: "Natürlich müsst ihr den Befehl des Käpt’n, ausführen. Aber er hat euch nicht verboten mit, uns zu sprechen."

Schweigen antwortete, Kenton legte sich ins Zeug, als könnte er die zwielichtigen Passagiere nicht schnell genug loswerden.

"He, Bootsmann, sind Sie stumm?" Kervizic fragte es provozierend liebenswürdig. "Sicherlich kennen auch Sie das ungeschriebene Gesetz, dass sich Seeleute in der Not beistehen."

Kenton ließ ein ungutes Lachen hören. "Der steht keinem bei außer dem Alten. Yes, Sir, vorn, und Yes, Sir, hinten. Der weiß schon, weshalb, braucht ihn euch bloß anzusehen. Arschklar, dass der was auf dem Kerbholz hat. Mir stinkt der Scheißfranzose!"

Kervizic hatte anfangs aufgehorcht, in Kenton einen möglichen Verbündeten gesehen, doch dass dessen Hass in Chauvinismus umkippte, war ein übles Zeichen. Voll eisiger Zurückweisung fragte er: "Was sind denn das für Töne von einem Seemann? Scheißfranzose!- Wir sind auch Scheißfranzosen!"

Von diesen Galgenvögeln hatte Kenton Zustimmung erwartet. Krötig schlug er zurück. "Nimm dein Maul in Acht, du Ganove."

Die Enttäuschung nach der zermürbenden Schwimmtour hatte in Grousset so viel Groll angehäuft, dass er sich nicht mehr zu beherrschen vermochte. "In 'ner andern Situation bekämen Sie für den Ganoven das Fell versohlt!"

Kenton nutzte die Gelegenheit zu billigem Triumph. "Das Fell gegerbt kriegt ihr! Die Polizei in Nouméa weiß, was man mit Ungeziefer macht!"

Kervizic bedauerte aufrichtig, dass er falsch saß, und drückte es unmissverständlich aus: "Kehrte mir dieser Hanswurst nicht den Rücken zu, ich würde ihm den Hals stopfen.“

Kenton legte die Ruder ein, sprang auf und drehte sich zu Kervizic um. "Was möchtest du, Bastard?"

Kervizic war ebenfalls aufgesprungen, das Boot schwankte heftig, und Brissac brüllte: "Ruhe jetzt, sofort hinsetzen!" Warnend klopfte er auf die Pistole. Unwillig nahmen die beiden wieder ihre Plätze ein. Streng sagte der Bootsmann zu Kenton: "Du hast Befehl, uns an Land zu rudern. Niemand hat dir den Auftrag gegeben, Reden zu halten."

Kenton wollte etwas erwidern, doch Brissac überschüttete ihn mit einer Kanonade von Vorwürfen in französisch, die übergingen in ein Selbstgespräch, anscheinend an die Fische im Hafenwasser gerichtet. "Lasst euch nicht reizen von dem Armen im Geiste er versteht nicht Französisch ist aber gefährlich wie alle Idioten. Natürlich geht's nicht zur Polizei ihr müsst versuchen nach Yate zu kommen wo es leichter ist anzuheuern meine Narben hab ich mir auf Pariser Barrikaden geholt, würde euch gern helfen weiß leider nicht wie.“ Ans Ende der scheinbaren Tirade ohne Punkt und Komma setzte Brissac einen saftigen Fluch, und es war danach still im Boot.

Kenton hatte misstrauisch zugehört, und es war Groll in ihm, dass er die Sprache dieser eingebildeten Brüder von der sogenannten Grande Nation nicht beherrschte.

Groussets Gemütszustand besserte sich bei den Eröffnungen Brissacs beträchtlich, jedenfalls war Yate eine Chance, und eine kleine Chance ist immer besser als ein großer Strick.

Kervizic war skeptisch, wünschte mehr über den Bootsmann zu erfahren und tat, als spräche er zu Grousset: "Man wüsste gern, in welcher Einheit, unter welchem Kommandeur gekämpft und in welchen Abschnitten eingesetzt gewesen."

Die Antwort kam ohne Zögern.

Das eine oder andere Wort in der fremden Sprache hatten Kentons Misstrauen vertieft, er spürte, dass da ein Spiel mit gezinkten Karten gespielt wurde. "Auf der 'Plymouth' wird Englisch gesprochen!" bellte er. "Wer noch ein Wort Französisch quatscht, wird es bereuen."

Der Bootsmann spie demonstrativ ins Wasser. "Bist du beauftragt vom Käpt'n oder ich? Also schnauze ich die Gefangenen in der Sprache an, die sie am besten verstehen. Und du wirst mir da nicht dreinreden." An die Freunde gewandt, sagte er in dienstlich scharfem Ton: "Wir sollten ihn nicht unnötig reizen, nachher haben wir Zeit zum Sprechen."

Kenton ruderte wieder hastig, verbissen murmelte er vor sich hin: "Coyoten, verdammte Coyoten, ihr werdet euch noch wundern."

Die größeren Schiffe ankerten wegen ihres Tiefgangs auf der Reede, im Hafen selbst lagen Küstensegler, Frachtschaluppen und Fischtrawler. Kenton bremste die Fahrt des Bootes mit den Ruderblättern, geschickt steuerte Brissac vorbei an Markierungsbojen, Dückdalben und Ankertauen und lenkte zur kleinen Plattform am unteren Ende einer schmalen Treppe. Die Freunde sprangen auf die Steinquader, Brissac folgte ihnen, da sagte Kenton hinter ihnen: "Moment, Gentlemen!"

Brissac wandte sich gereizt um. "Was ist?"

Kenton begann schon das Boot zu vertäuen. "Ich komme selbstverständlich mit, werde dich doch mit den gefährlichen Subjekten nicht allein lassen, Bootsmann."

Brissac zog die Pistole aus dem Gurt, klopfte auf das Holz des Kolbens und fragte in irritierend leisem Tonfall: "Was meinst du, weshalb mir der Käpt'n das Ding übergeben hat?" Plötzlich brüllte er, dass Kenton zusammenfuhr: "Und das Kommando dazu!" Weniger laut fuhr er fort: "Da ich keine Lust "habe, zur 'Plymouth' zu schwimmen, wirst du das Boot bewachen. - Das ist ein Befehl, Kenton!"

Während der Auseinandersetzung war Kervizic langsam die Stufen hinaufgestiegen, winkte Grousset, ihm zu folgen, und flüsterte: "Wenn wir jetzt verschwinden, könnte Brissac Kenton die Schuld geben, und das Komplott mit Darnbridge bleibt geheim."

Kenton hatte die Vertäuung wieder gelöst, stieß das Boot von der Plattform ab und höhnte: "Du wirst nicht mehr zurückkommen zur 'Plymouth', Musjö Brissac. Ich werde dem Käpt'n sagen, du hast, dich mit deinen Kumpanen aus dem Staub gemacht." Kenton wirtschaftete heftig, er war dabei, das Steuerruder aus der Aufhängung zu heben, um das Boot allein, besser dirigieren zu können. "Denk ja nicht, dass der Alte dir Glauben schenkt, solltest du wieder auf der 'Plymouth' aufkreuzen. Du hast dich verraten. Mich hast du kujoniert, aber mit den Strolchen gemeinsame Sache gemacht."

Wir haben den Hundsfott unterschätzt, fuhr es Kervizic durch den Kopf, und anstatt etwas für uns zu tun, müssen wir nun Brissac helfen. Er nahm kurz Anlauf und jumpte mit langem Hechtsprung ins Wasser. Nicht weit vom, Boot kam er hoch, mit wenigen Schwimmstößen erreichte er es am Bug und begann es mit schneller Beinarbeit der Plattform zuzutreiben. Das hatte Kenton am wenigsten erwartet, er geriet in Panik. Anstatt sofort gegenzurudern, hob er ein Ruder, um es Kervizic über den Kopf zuschlagen. Er traf die Bordkante, das Ruder splitterte. Kervizic war zum Heck getaucht und trieb das Boot der Plattform näher. Kenton sprang zum Heck, aber er erwischte den zum Bug tauchenden Kervizic wieder nicht.

Jetzt ist das Boot nahe genug, dachte Grousset und sprang. Er verfehlte sein Ziel. Das Wasser schmeckte nach faulem Fisch und toter Katze. Nun hatte es Kenton mit zweien zu tun, die vereint das Boot an die Plattform zu bringen trachteten. Es gelang, Brissac warf sich auf Kenton, und sie rauften verbissen, bis die Freunde ins Boot gelangt waren. Ein Kinnhieb Kervizics machte Kenton still und friedlich, vorsorglich banden sie ihm die Hände.

"Der Käpt'n dürfte höllisch erfreut sein, wenn er hört, was dieser Franzosenfresser ausgeheckt hat", bemerkte, Grousset und fragte bekümmert, wie Brissac mit einem Ruder zum Schiff zurückgelangen wolle. Er werde halt wriggen, erwiderte der Bootsmann, noch immer schnaufend vom Kampf. Verlegen entschuldigte er sich, als letzter eingegriffen zu haben. "Ich kann nämlich nicht schwimmen", gestand er kleinlaut.

Eine Gruppe angetrunkener Seeleute tauchte oben auf der Kaimauer auf, und einer rief: "Ist jemand, in den Bach gefallen?“

"Er hat zu viel puren Rum geladen", antwortete Brissac scheinbar belustigt, „wollte ihn mit Hafenwasser verdünnen!"

„Schade", kam es von der Kaimauer, "wir dachten, es gibt was zu keilen, hätten gern dabei geholfen!"

"Spart es euch auf. In Sydney und Yokohama gibt es auch noch Schnaps. - Macht's gut, Jungs!" Brissac stieß das Boot ab, und wriggte zur nächsten Treppe, um den Krakeelern aus dem Blickfeld zu kommen. Dort wies er auf den bewusstlosen Kenton, "Er ist uns auf die Schliche gekommen;" Ärgerlich fuhr er fort: "Klar, ich sollte euch laufenlassen, aber ohne Zeugen. Kenton war die schwache Stelle in der Rechnung. Er hat noch was auf dem Kerbholz, deshalb dachte der Alte, er würde am fügsamsten sein. Der Käpt'n wollte alles so arrangieren, dass er gegenüber den Behörden in Nouméa gedeckt ist und damit auch gegen seinen Ersten, Guillol. Sollte aber in England ruchbar werden, er habe dem Thiers-Regime zwei Gefangene ans Messer geliefert, dann hätte er mich als Zeugen gegen diese Behauptung."

Kervizic sagte ärgerlich: "Darnbridge laviert, aber uns bringt er in eine verteufelte Lage. Als ob wir uns jederzeit unsichtbar machen könnten."

Obwohl er die Bitterkeit Kervizics begriff, bemühte sich Brissac um Gerechtigkeit. "Nach der Gefangennahme bin ich den Versaillern wieder entwischt, konnte mich durchschlagen bis Boulogne und auf der 'Plymouth' anheuern. Der Alte hat gerochen, was mit mir los war und ich musste ihm versprechen, kein Wort über meine Vergangenheit zu verlieren. Mit euch ist das heikler. Damals, gab, es noch keinen Guillol an Bord. Er ist ein übles Subjekt, würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, euch ans Messer zu liefern. Und wenn es auch belämmert ausschaut, im Augenblick hat der Käpt'n die beste Lösung gefunden."

"Wobei wir den interessantesten Teil der besten Lösung auf dem Buckel haben", bemerkte Kervizic. Um keinen Disput zu entfachen, sagte er, dass noch drei Schiffe auf dem Wasser der Bucht schaukelten, die für das Vorhaben in Frage kämen, ein norwegischer und ein dänischer Schoner, sowie eine amerikanische Viermastbark. Sollte man nicht versuchen...?

Brissac schüttelte den Kopf. "Was die Teerjacken in den Hafenkneipen von ihren Prinzipalen erzählen, spricht Bände. Denen traue ich zu, dass sie euch ausliefern. Könnte sein, es springt dabei eine nette Belohnung heraus."

Kervizic wurde ungeduldig. "Aber die Zeit brennt uns auf den Nägeln, und ..."

"Ich bleib bei meinem Vorschlag Yate", unterbrach ihn Brissac. "Ganz sicher nimmt euch der Käpt'n da lieber als hier im vermaledeiten Nouméa. Und womöglich kriegt ihr schon einen Eimer nach Europa, bevor wir dort anlegen, Die Chaussee nach Yate soll eine der ordentlichsten auf Neukaledonien sein, es ist in drei, vier Tagen zu machen."

"Falls uns ab und an gebratene Taube oder andres Nahrhaftes in den Mund fliegt", bemerkte Grousset.

Brissac fuhr sich sorgenvoll durch das Haargewuschel. "Ihr müsst es schaffen, euch einen Tag zu verbergen. Morgen Abend würde ich euch etwas Proviant für den Fußmarsch bringen."

Von Zweifeln geplagt, wiegte Kervizic den Kopf. "Sowie sie unsre Flucht entdeckt haben, ist hier der Teufel los. Man wird den letzten Winkel Nouméas nach uns durchstöbern."

Brissac legte .den Finger an die platte Nase. "Das sollen sie ja gerade. Dann haben sie sich morgen Abend ausgetobt und glauben, ihr seid längst über alle Berge. Dabei habt ihr außerhalb der Stadt im Dickicht, in irgendeiner Höhle oder einem Maisfeld den Abend abgewartet."

Die Freunde schwiegen unentschlossen. Grousset knurrte der Magen, ein Hungeranfall machte ihm die Knie weich, sein Gehirn assoziierte das Wort Mais mit anderen Früchten des Bodens, und scheinbar zusammenhanglos erklärte er, dass er notfalls auch rohe Kartoffeln essen würde.

"Morgen nach Dunkelwerden kommt ihr wieder zur Treppe. Im Mauerwerk dahinter sind Löcher und Nischen. Für den Fall, dass wir uns verpassen sollten, hinterlege ich, was ich auftreiben kann, und auch, wann wir auslaufen werden - sollte das Datum inzwischen bekannt sein." Brissac hob die Schultern. "Was Besseres weiß ich nicht."

Kervizic, dem ihr Plaudern schon zu lange gedauert hatte, bekräftigte: "Also ab durch Nouméa und hinein in die nahrhafte Landschaft."

Die Freunde wollten eben die Treppe hinauf, als Brissac etwas einfiel. "Einen Augenblick!" rief er und kramte in seiner Hosentasche, darauf legte er Grousset einige Geldstücke in die Hand. "Mehr habe ich leider nicht bei mir, aber für Brot und Speck reicht es erst mal."

Ein wenig gerührt, dachte Grousset, zu dumm, dass nachts kein Laden geöffnet hat. Kervizic war nicht weniger beeindruckt von der kameradschaftlichen Geste. Er stand neben Grousset, sie sahen zu, wie Brissac niederkniete und Kenton den Puls fühlte.

"Er schläft noch", sagte der Bootsmann, „hoffentlich träumt er schlecht." Energisch stieß er das Boot ab. "Bis morgen Abend!" Er spuckte sich in die Hände, packte das Ruder und wriggte davon.



Die Verbannten von Neukaledonien

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