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ZWEITES KAPITEL

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Heiße Sonne, heißer Tag und eine Entdeckung

Pete Hawk steckte den Kopf zur Laubhütte hinaus. Verschlafen blinzelnd, suchte er die aufgehende Sonne. Sundström stand am Strand und machte Übungen. Trotz der morgendlichen Kühle schien er schon gebadet zu haben.

"'n Morgen, Knut!"

"Hallo, Pete! Machst du mit?"

"Nee, danke. Ich komme mir gegen deine Gelenkigkeit steif vor!"

"Unfug, Pete. Diese Übungen und ein vernunftgemäßes Leben, dann wirst du hundert Jahre alt."

"Wenn du vorher nicht stirbst", sagte der Matrose und ließ sich dann doch herbei, mitzuturnen. Jede Bewegung vollführte er mit Kraft.

"Vom Schwung scheinst du nicht viel zu halten, alter Seebär."

"Hab' ja gewusst, dass du meckern wirst."

"Schon gut. Wasch dich dann fix. Wenn die andern aus dem Laub kriechen, wollen wir bei der Arbeit sein. Wir haben das Beispiel nötig. Es steht zwei gegen acht."

"Das sind doch bloß acht Halbe."

"Unterschätze den Herrn Präsidenten nicht. Im Ernstfall kuschen sie alle vor ihm."

Pete wiegte nachdenklich den Kopf. "Das weiß man noch nicht."

Inzwischen wurde es im Lager lebendig. Die Damen verschwanden hinter dem jenseitigen flachen Hügel. Dort schlängelte sich ein Bach hin, der sich ein Stück weiter in die Bucht ergoss.

"Ich bin neugierig, was gestern in meiner Abwesenheit ausgeheckt worden ist." Knatchbull ließ sich behäbig zum Frühstück nieder.

"Ausgeheckt?" fragte Sundström. "Sie meinen vorgearbeitet?"

"Vorgearbeitet? Wofür?"

"So viel wie möglich dem Delphin zu entreißen, ehe er wegsackt."

"Eine Frage, Mister Sundström. "

"Bitte."

"Wem gehört eigentlich der Delphin?"

"Ihnen, wenn ich nicht irre."

"Nett, dass Sie das anerkennen."

"Na und?"

"Müsste man nicht den Besitzer des Schiffes fragen, ehe man beginnt, es auszuräumen?"

"Ich dachte, das wäre selbstverständlich."

"Ich dachte, es ist Tatsache, dass der Delphin mir gehört."

"Ich merke jetzt, Sie hätten sich gern in der Erteilung einer Zustimmung gesonnt. So sei es denn: Würden Euer Gnaden die Güte haben, uns zu gestatten, den Inhalt des Delphins zu retten?"

Knatchbull unterdrückte seine Wut schlecht. "Für irgendwelche Weiterungen oder Folgen lehne ich jegliche Verantwortung ab. Meine Herren, Sie sind Zeugen." Er wandte sich an Downburn, Strong und Emerson.

"Das ist die seltsamste Erlaubnis, die mir je erteilt worden ist", sagte Sundström.

"Das walte Gott", fügte Hawk hinzu. Eigentlich sollte es ein Fluch werden, aber eben tauchten die Damen auf.

"Zum Begriff Verantwortung", sagte Sundström, "alles was ich hier unternehme, tue ich für ein gutes Zusammenleben, in der Überzeugung, dass jeder andere genau so denkt und handelt. Sie nicht ausgenommen, Mister Knatchbull. Das ist die Verantwortung, die es hierfür jeden gibt."

"Sie hätten Volksredner werden sollen, Mister Sundström."

"Wenn jemand neben dem logischen Handeln auch die Fähigkeit besitzt, logisch zu reden, ist das manchem unbequem, Mister Knatchbull."

"Was würden Sie tun, wenn ich Ihnen verbiete, den Delphin zu betreten?"

"Ich würde ihn aus Notwehrrecht trotzdem ausschlachten."

"Und was spricht dagegen, dass wir durch einen glücklichen Umstand die Jacht wieder flottbekommen?"

"Jede Wahrscheinlichkeit." Sundström blieb ernst, während Hawk leise kommentierte: "Da müsste der sich mit seinem dicken Hintern schon auf das Leck setzen, bis wir in den USA gelandet sind."

"Mit Demagogen streitet man nicht." Knatchbull erhob sich und ging.

"Da haben wir wieder kostbare Minuten vertrödelt, und Sie mahnen nicht zur Arbeit!" schnauzte Sundström scherzhaft die Übrigen an, die dem Disput mit verlegenen Mienen zugehört hatten.

"Warum so traurig, die Trödelei hat ein Ende!" rief Pete.

Sofort galt das allgemeine Interesse dem Seemann.

"Wir müssen das erste Mal hin und zurück rudern und genug Tauwerk mitbringen. Dann kann die Schaluppe immer an den Strand gehievt werden", sagte Hawk.

Sundström entwickelte, wie er sich den Fortgang der Arbeit vorstellte.

"Pete und ich rudern; Strong steuert und überwacht das Ablaufen des Seiles, während Sie, Oberst, den Oberbefehl hier am Strand über die Damen übernehmen."

"Herzlichen Dank für die Auszeichnung ", sagte Downburn, und die Damen hänselten ihn als Oberbefehlshaber der Amazonen.

"Lachen Sie nicht zu früh", warnte der Ingenieur. "Sie werden tüchtig ziehen müssen, wenn wir die Schaluppe beladen haben. Und das Ausladen im seichten Wasser ist auch kein Kinderspiel."

"Mit meinem Muskelkater", jammerte Joan Knatchbull.

"Heute Abend treiben wir ihn mit Gymnastik aus", tröstete sie Sundström.

"Warum haben wir heute früh keine gemacht?" wollte Rose Taylor wissen.

Sundström kratzte sich verlegen den Kopf. "Ich habe ja geturnt, gleich nach dem Baden, im Adamskostüm. Aber eines schickt sich nicht für alle. Ich hoffe, wir werden vom Delphin genug Sport- und Badekleidung mitbringen."

"Mein Kompliment, Herr Sundström, ab und zu haben Sie sogar lobenswerte Gedanken", bemerkte Ellen Knatchbull.

Die Drei stießen ab und nahmen Kurs auf den Delphin

"Strong, steuern Sie nicht direkten Kurs auf das Wrack. Wir müssen die Brandung rechtwinklig schneiden."

Das Boot kam flott voran, sie näherten sich der Brandung. Strong wurde nervös. Dicht davor erkannte man erst die Gewalt der Brecher. Vom Strand sah das aus wie ein Streifen Schlagsahne.

"Achtung, genau schneiden, Strong!" brüllte Sundström und sah, wie Strongs Hände krampfhaft die Steuerpinne umklammerten. Die beiden Männer legten sich in die Ruder, dass ihnen die Adern an Hals und Schläfen hervorquollen.

"Geschafft!" Sundström freute sich.

"Hundertmal hin und zurück, Reverend, dann sind Sie ein brauchbarer Steuermann!" sagt Pete Hawk.

Er machte die Schaluppe in Lee am Delphin fest und hängte Fender zwischen die Bootswände.

"Ein Glück, das die Dünung so schwach ist", bemerkte Sundström, "sonst wäre das eine kitzlige Angelegenheit."

Sie enterten beide das Wrack. Strong blieb im Boot, um die geborgenen Sachen abzunehmen.

Die Jacht lag etwa acht bis zehn Grad backbords geneigt, das Heck tief, der Bug hoch. In der Nähe des Hecks schien das Leck zu sein.

Hawk kam keuchend die Treppe mittschiffs herauf, einen mächtigen Kasten schleppend.

"Was bringst du da für ‘n Kindersarg?" fragte Sundström.

"Den Radioapparat."

Sundström lachte schallend.

"Was willst du damit hören? Radio New York oder die Engel im Himmel?"

"Blöde Frage."

"Zum Radiohören braucht man Strom."

"Den erzeugen wir, haben wir auf dem Delphin auch gemacht."

"Ganz recht. Mit der Kleinigkeit einer Schiffsmaschine von 850 PS."

"Der Bach auf unserer Insel hat noch mehr."

"Wenn man das nötige Kraftwerk dazu baut."

"Das schaffen wir, du bist doch Ingenieur."

"Bei dir scheint so ein Ingenieur gleich hinter dem lieben Gott zu kommen."

"Davor, Knut, davor. Mit dem lieben Gott klappt's manchmal nicht. Aber so ein Ingenieur, der nimmt Rechenschieber, Logarithmentafeln, Formelbücher und wie der gelehrte Kram heißt, fängt an zu rechnen, und dann stimmt's. Und wenn er sagt, es stimmt, dann stimmt's."

Behutsam, als hätte er eine Kinderwiege mit Inhalt zu übergeben, überreichte Hawk dem Reverend das erste gehobene Gut, wie er sich gewählt ausdrückte.

Er ging bald ins Boot, um die Sachen fachgerechter zu verstauen. "So, lieber Mister Strong, das legen Sie so hin, und mit dem da warten Sie noch, das lässt sich zuletzt überall unterbringen. Jeder gesparte Platz heißt weniger Arbeit für uns."

"Schon recht, Herr Hawk, wenn ich nur nicht meine ..."

"Weiß schon, die Brille." Hawk kletterte wieder an Deck und verschwand nach unten. Ein lustiger Einfall war ihm gekommen.

Sundström rumorte in der Werkstatt. Plötzlich war Hawk hinter ihm. "Prima, Knut, jetzt haben wir ihn!"

"Wen haben wir?"

"Den Strong, den Klugschieter."

"Den haben wir schon dauernd. Falls du ihn seit der Strandung noch nicht bemerkt haben solltest."

Hawk ließ sich seinen Triumph nicht nehmen. "Was sagst du nun?"

In der einen Hand schwenkte er eine Brille, in der anderen das Futteral.

Sie beluden sich mit allem möglichen "Zivilisationsgemüse", wie es Pete nannte, balancierten nach oben und reichten es dem Reverend zu. Dann neigte sich Hawk über die schiefliegende Reling des Delphin und schaute Strong ins Gesicht. "Mister Strong?"

"Bitte, Herr Hawk."

"Wir werden jetzt einen Pakt abschließen."

"Sie machen mich gespannt. Natürlich bin ich gern bereit, wenn - ich weiß natürlich nicht -, wenn es sich um einen Gefallen handelt ...?"

"Um einen großen Gefallen."

"Und das wäre?"

"Für etwas, das Sie sich aussuchen können, müssen Sie uns versprechen, niemand mehr auf die Nerven zu fallen mit Ihrem Lamento über die verlorene Brille."

"Oh, meine Herren, ich bin sehr traurig, dass ... habe ich wirklich Ihre Nerven ... also, das habe ich nicht bedacht. Aber Sie sehen daran, wie mich dieses Unglück bewegt. Im Gegensatz zu Ihnen, die sich gar nicht vorstellen können, was für einen schmerzlichen Verlust eine verlorene Brille für einen kurzsichtigen Menschen darstellt. Aber ich werde mich bemühen - wenn auch ... Wissen Sie, rund herausgesagt, Herr Hawk, Ihr Vorschlag ist kurios. Ich werde versuchen, ähnlich zu antworten: Schaffen Sie mir eine Brille herbei, und wir sind uns einig. "

"Hier haben Sie die Brille!"

Es war grenzenlose Freude, die Strangs Gesicht verklärte. Fast andächtig setzte er sich die horngefassten Gläser auf die Nase und sagte, wie jemand, der von einer Krankheit genesen ist: "So, jetzt bin ich wieder vollständig, und Sie werden, denke ich, mehr Freude an mir haben als bisher." Er gab Hawk die Hand. Der schüttelte sie ihm und bemühte sich um eine feierliche Miene, als er sagte: "Im Buch Samuel steht geschrieben: "Ein Mensch siehet, was vor Augen ist, der Herr aber siehet das Herz an. Ich wollte Ihnen doch wenigstens die Chance dieses Menschen wieder verschaffen, Reverend."

Strong war einen Moment überrascht von Hawks Bibelfestigkeit, fasste sich aber und zahlte mit ähnlicher Münze: "Das ist aller Ehren wett, mein lieber Herr Hawk, denn nichts ist schlimmer, als, wie es im Psalm 115 heißt: Augen haben und nicht sehen, und Ohren haben und nicht hören."

Die Schaluppe war jetzt so voll, dass kaum noch Platz für den Steuermann blieb. "Wer bleibt nun an der Pinne?" fragte Sundström sorgenvoll.

"Selbstverständlich ich!" Strong sah aus, als sei er ein anderer geworden. Als er Sundströms Zögern bemerkte, setzte er bekräftigend hinzu: "Keine Angst, meine Herren, ich schaffe es" Jetzt sollen Sie mich kennenlernen."

"Schön, lassen wir uns überraschen, Pete, mach die Schaluppe los, ich werde dem Oberst winken."

Ohne Zwischenfall gelangten sie an den Strand. Schnell war entladen. Im Heck ein sich abhaspelndes Tau, dessen Ende Downburn hielt, ruderten sie wieder zum Wrack. Neuerlich füllte sich das Boot mit nützlichen Dingen.

Der Matrose hatte eine Leine zum Zurückholen zur Jacht am Heck der Schaluppe befestigt und beschwor den Reverend, gut darauf zu achten, dass sie sich nicht im Steuerruder verfange. Strong versprach es. Geschickt stieß er ab und lenkte das Boot dorthin, von wo es das anziehende Tau am gradlinigsten durch die Brandung holen würde.

Downburn hatte seine Mannschaft inzwischen theoretisch unterwiesen. Nach einigem Probeziehen galt jetzt die harte Praxis. Vom hochragenden Bug des Delphins beobachtete Sundström, und Hawk erteilte Strong immer noch Ratschläge, im Eifer merkte er nicht, dass der es schon nicht mehr hören konnte, denn jetzt war er dicht vor der Brandung

"Brülle nicht so", tadelte Sundström, "wir sind nicht auf dem Fußballplatz. Dann kam er auf die Brille zurück. "Dass du ein eifriger Bibelleser bist, habe ich bis heute auch nicht gewusst."

"Ich selber nicht", erklärte Hawk, "aber die Bibel lag neben der Brille. Spaßeshalber schlug ich sie auf und habe ausgerechnet den Satz gelesen. Weil er so gut passte, habe ich ihn mir gemerkt."

Sundström musste noch nachträglich lachen. "Das ist Gottes Finger, würde der Reverend sagen."

Der Matrose hörte nicht mehr hin. Seine Hände umklammerten das Eisen der Reling, er blickte gebannt über das Wasser, jetzt war Strong mitten in der Brandung, verschwand, tauchte wieder auf, verschwand wieder - - -.

"Besser als ich dachte." Auch Sundström atmete auf, als die Schaluppe nun rasch dem seichten Wasser zu glitt.

Man bildete eine Kette, und die begehrten Dinge wanderten aufs Trockene.

Sundström und Hawk nahmen den Delphin inzwischen weiter auseinander.

Der Ingenieur war nachdenklich geworden. "Sage mal, Pete, kannst du meine bohrenden Gedanken beruhigen? An dieser Strandung ist mir manches dunkel."

Der Matrose hob die Schultern. "Du möchtest auch gern wissen, ob die Schaluppe II noch existiert, was?"

"Einmal das. Aber wie kam es überhaupt zu dieser unglücklichen Zusammensetzung? Du als einziger Seemann zwischen den Landratten, und im andern Boot Käpt’n Hull mit der übrigen Mannschaft, wenn man die paar Leute so nennen will."

"Das hatte Knatchbull so angeordnet."

"Weißt du das genau, Pete?"

"Ja. Ich weiß auch, dass Käpt’n Hull dagegen war; genau wie gegen den Abstecher nach den Inseln hier, einer schlimmen Wirbelecke in dieser Jahreszeit. Er meinte, der Delphin sei zwar ein tüchtiges Schiff, aber man solle den Klabautermann nicht ohne Grund versuchen. Knatchbull hat ihm dann in seiner groben Art gesagt, das müsse er ihm überlassen, er sei der Eigentümer Da ist Hull wütend in seine Kajüte gegangen."

"Dann ist es möglich, dass er sich mit den Leuten auf der Insel bewusst abseits hält. Wenn sogar die Schaluppe I, die voller Greenhörner war, den Strand erreicht hat, ist das von Schaluppe II erst recht anzunehmen. Wir müssen so bald wie möglich die Insel durchforschen, Pete. Ich glaube, Käpt’n Hull weiß mehr als wir."

"Hab' ich auch schon überlegt Aber es ist gut möglich, dass die Schaluppe II nach der nächsten Insel verschlagen worden ist. Oder meinst du, Hull lebt freiwillig wie ein Wilder hier, wo der gestrandete Delphin eine Menge Bequemlichkeiten bietet?"

Sundström führte den begonnenen Gedanken beharrlich weiter. "Warum hat sich Knatchbull darauf versteift, ausgerechnet diese Insel anzulaufen?"

"Vielleicht wollte er mal etwas Romantik kosten?"

"Wegen einer romantischen Laune schlägt ein Knatchbull die Warnungen eines erfahrenen Kapitäns nicht in den Wind."

"Da hast du recht. Dann bleibt nur noch, dass er hier einen Schatz sucht."

"Ins Schwarze getroffen", höhnte Sundström.

"Wieso?"

"Weil es ein Präsident der USIC furchtbar nötig hat, fragliche Schätze auf fragwürdigen Inseln zu suchen."

"Du kennst Knatchbulls Hobby nicht. Der ist doch wie närrisch hinter Vasen, Leuchtern und solchem Kram her, je älter, desto besser. Vielleicht hat man ihm so ‘n windigen Plan mit 'nem versteckten Aztekenschatz aufgehängt, Inkaschmuck, oder was weiß ich."

Sundströms Stirn hatte tiefe Falten. "Warte mal, meinem Gedächtnis nach befindet sich die Inselgruppe in meiner Weltkartei gesunkener Schätze. Leider habe ich nicht behalten, in welchem Zusammenhang. Kombinieren könnte man: Zusammengeräubertes Inkagold wurde königlich-spanischen Schiffen von Seeräubern abgejagt und auf diesen Inseln versteckt."

"Jetzt glaubst du wohl die Räuberpistolen selber?"

"Glauben?" Sundström blieb ernst. "Als Sensationstaucher weiß man eine ganze Menge darüber. Vorgekommen ist so etwas oft genug in jenen Jahrhunderten. Die-Pläne von solchen Schätzen haben manchmal ein langlebiges und abenteuerliches Schicksal. Sie sind auch meist auf ihre Glaubwürdigkeit einigermaßen zu prüfen. Natürlich ist die Zahl der falschen Pläne größer. Mit ihrem Verhökern ist schon mehr verdient worden als mit der Suche nach Schätzen. Ich bin auch ein halber Schatzsucher und arm wie eine Kirchenmaus."

Pete spie einen Priemrest über Bord und machte die schmeichelhafte Feststellung: "Wir sind doch Idioten, Knut."

"Warum?"

"Anstatt herumzuspintisieren, sollten wir da nachsehen, wo am ersten was zu finden ist: in Knatchbulls und Hulls Schreibtischen."

Pete stieg hinab in Hulls Kajüte, und Sundström begab sich in das komfortable Arbeitszimmer Knatchbulls.

Der massive Sekretär des Trustgewaltigen war durch den Anprall beim Auflaufen auf das Riff gegen die Wand geschlagen und hatte die kostbare Palisandertäfelung eingedrückt. Als jetzt der Ingenieur vor dem schweren Schreibmöbel stand, wurde er den Gedanken an ein Geheimfach nicht los. Durch seinen abenteuerlichen Beruf kannte er eine ganze Menge Systeme und begann methodisch zu suchen. Er kam schnell ins Schwitzen. Hier unten herrschte eine heiße, stickige Luft, denn unbarmherzig brannte die südliche Sonne auf das Deck hernieder. Sundström versuchte das Bullauge zu öffnen. Es war verklemmt. Er stieg hinauf, Handwerkszeug zu holen. Mit Hammer, Zange und Meißel bewaffnet, wollte er eben wieder hinabsteigen, als er Pete aufgeregt rufen hörte. Hastig stürzte er hinunter zur Kapitänskajüte.

"Was sagst du dazu, Knut?" Vor Pete ausgebreitet lag ein vergilbtes, pergamentartiges Papier von seltsamer Form. Sundström beugte sich nieder, und Pete sagte: "Den Plan hätten wir."

"Leider bloß den Halben, Pete. Sieh mal, wie raffiniert der mit der Schere halbiert wurde. Der Uneingeweihte kann damit gar nichts anfangen."

"Stimmt. Aber sind wir uneingeweiht? Oben links wird die Windrose mit Ortsbestimmung gewesen sein, aber die brauchen wir nicht.

Ich will nie zur See gefahren sein, wenn das dort nicht unsere Klippe ist, auf der die Notfahne weht, und das hier unsere Bucht mit der Bachmündung."

"Allerdings, das ist tatsächlich unsere halbe Insel. Aber so geschickt getrennt, dass man es nur erkennen kann, wenn man selbst auf der Insel ist. Sieh mal, hier ..." Sundström deutete auf ein durch den Scherenschnitt getrenntes winziges Wort in verschnörkelter, altertümlicher Schrift. Es stand schwarz in der braunen, Berge andeutenden, Schraffierung. Sie buchstabierten, und es ergab sich: "... tzhöhle".

Verblüfft sahen sie sich an. "Mann", Pete brach das Schweigen, "nun sage bloß einer, unser Jahrhundert ist nicht romantisch. Das heißt bestimmt: Schatzhöhle."

"Schon. Aber ohne die andere Kartenhälfte kannst du sie vielleicht monatelang suchen."

"Und auf der entgegengesetzten Seite der Insel liegt sie auch." Pete ärgerte sich.

"Das ist günstig", gab Sundström zu bedenken, "so ist Knatchbull leichter zu beobachten, wenn er nach dort aufbricht, womit ich übrigens fest rechne."

"Ich auch", pflichtete Pete bei, "denn erstens wird er sich die ganze Karte gut eingeprägt haben, und zweitens wird er die andere Hälfte besitzen. Warum er sie getrennt hat, möchte ich bloß wissen?"

"Knatchbull ist doch ein misstrauischer alter Fuchs. Durch die Halbierung sicherte er sich gegen zwei Möglichkeiten. Einmal ist die Chance, dass zwei Stücke unliebsame Ereignisse überstehen, um hundert Prozent höher als bei einem Stück, besonders wenn sie verschiedene Aufbewahrer haben. Zum Zweiten sichert er sich, dass ein Unbefugter die Karte benutzt, indem er sie halbiert. Was. könnten wir schon mit diesem halben Plan anfangen, wenn wir irgendwo auf dem Kontinent und nicht hier dicht vor der Insel sitzen würden?"

"Aber die andere Hälfte mit wahrscheinlicher Ortsbestimmung und Lageangabe?", warf Pete ein.

"Wen interessiert schon eine verstümmelte alte Karte über den Südatlantik? Die gibt es wie Sand am Meer, sogar in heilem Zustand. Die winzigen vier Buchstaben 'Scha...' sagen doch zu wenig, als dass sich daraufhin jemand auf eine Entdeckungsreise begibt. Wichtig dünkt mir jetzt die Frage, warum Käpt’n Hull die Karte nicht an sich genommen hat?"

"Er muss im Durcheinander bei der Strandung wohl nicht mehr dazu gekommen sein. Das wird hier alles griffbereit auf dem Schreibtisch gelegen haben, mit Logbuch und anderem wichtigen Kram. Durch die Schlingerbewegungen ist es heruntergefallen und unter den Schreibtisch gerutscht. Ehe er als letzter die Jacht verließ, kam er, um alles zu holen. Es war verschwunden, er war viel zu aufgeregt, es unter dem Schreibtisch zu suchen, und... "

"... erst Pete Hawk mit, seiner Pfiffigkeit kam darauf, unter den Schreibtisch zu gucken", vollendete Sundström den Satz und fuhr fort, "ich hatte keine glückliche Hand beim Suchen. Möchte wetten, dass Knatchbulls Sekretär ein Geheimfach hat. Ganz dumm bin ich in der Branche nicht, aber bisher habe ich nichts ausfindig machen können."

Pete griente und wies auf das Handwerkszeug. "Und nun wolltest du ein bisschen mit dem Stemmeisen nachhelfen? Aber gehen wir doch mal hin und sehen uns das Ding gemeinsam an."

Während Sundström das Bullauge in Knatchbulls Kabine aufwuchtete, betrachtete Pete das kostbare Möbelstück. "Ich bin auch deiner Meinung. Aber wo drücken, wenn man das Geheimnis nicht kennt?"

Sundström zeigte ihm, was er schon alles versucht hatte, und der Matrose hörte aufmerksam zu. Bald kam er selbst auf neue Kombinationen, die sie aufgeregt ausprobierten. Mitten in dieser zeitraubenden Beschäftigung hörten sie fernes Rufen. Man winkte von drüben, die Schaluppe war entladen. Sie zogen sie zum Wrack.

"Das ist leider der Schluss für heute", bedauerte Sundström, den Stand der Sonne wägend. Pete sprang ins Boot und half verstauen. Mit der letzten Ladung ließen sie sich an Land ziehen.

"Da, sehen Sie sich das an." Rose Taylor zeigte ihre geröteten Hände, deren Innenflächen mit Blasen bedeckt waren.

"Das hättest du ihm nicht zeigen sollen", tadelte Ellen Knatchbull, "du erweckst statt Mitleid höchstens Schadenfreude.

"Eine Menschenkenntnis entwickeln Sie, Miss Ellen." Sundström zog etwas, aus der Hosentasche. "Aber wenn Sie die bitterböse Behauptung zurücknehmen, dürfen Sie aus dieser Tube Balsam auf Ihre Blasen tun."

"Pöh", machte Ellen Knatchbull, "das gehört mir sowieso. Goldcreme Levante-Rose, aus meiner Kabine, nicht wahr, Herr Ingenieur?"

"Pöh", äffte er ihr nach, "was nützt die schönste Goldcreme auf einer gestrandeten Jacht, wenn sie nicht ein aufmerksamer Mann für schöne Frauen zu finden weiß? Außerdem sollten Sie sich in unsern neuen Verhältnissen abgewöhnen, Mein und Dein derart scharf zu trennen."

Mistress Knatchbull machte ein freundliches Gesicht, als sie in das Gespräch eingriff. "Sie sind ein unausstehlicher Mensch, Herr Ingenieur, aber am unausstehlichsten, wenn Sie eifern."

"Und Sie sind so klug, immer auf den rechten Moment zu warten, mich zurechtzuweisen, Mylady."

"Danke für Ihr Kompliment. Ich werde mich revanchieren und Ihnen einen Tipp geben: Ein Gentleman hätte die Tube mit einer Verbeugung überreicht und einige wohlgesetzte Worte dazu gesagt."

"Verzeihung, Mistress Knatchbull", Sundström verbeugte sich schneidig und schnarrte: "Bedaure Formfehler außerordentlich. Werde in Zukunft versuchen, pädagogische Instinkte zu unterdrücken oder geschickter an den Mann - pardon - an die Frau zu bringen."

Das Boot war entladen. Im Lager türmten sich Berge von Dingen, die geordnet und ihrem Zweck zugeführt, die Annehmlichkeit der sogenannten Zivilisation ausmachen würden. Für die kommende Nacht konnte man nunmehr zwei zeltähnliche Behausungen errichten. Aus den Vorräten des Delphin entstand unter den Händen der Damen ein Nachtmahl, das sich sehen lassen konnte. Pete werkelte emsig an einem großen, leeren Kanister, der sich bald zu einem herdähnlichen Monstrum formte. Er bastelte noch, als die andern mit dem Essen schon fertig waren und mit der seelischen Ausgeglichenheit plauderten, die ein satter Magen verschafft. Dann sollte der Matrose wieder den Gong zur Abendgymnastik bedienen. Dagegen wehrte er sich energisch. Er schien Großes vorzuhaben. Ellen Knatchbull wagte etwas. Sie drückte ihrem Vater Knüppel und Kanister in die Hand. "Hier, Pap, bums mal ein bisschen den Takt zu unsern rhythmischen Übungen. Gelt, du bist so lieb?"

Sundström weidete sich an der nicht beneidenswerten Situation seines Widersachers, und Ellen wurde ihm wegen ihrer Respektlosigkeit um einiges sympathischer.

Knatchbull suchte die Lage zu meistern, indem er die Königswürde ausnahmsweise aufgab und dies an seiner väterlich-herablassenden Miene erkennen ließ.

Bald erhob sich Pete und ging zum Strand. Vorher hob er den Zeigefinger wie die Hexe aus dem Märchen, ehe sie im Zauberberg verschwindet, um darauf mit einem Weltwunder aufzutauchen.

Er tauchte wieder auf, aber mit leeren Händen.

"Gemeinheit", seufzte er, "wenn ich nicht ein erwachsener Mensch wäre, würde ich heulen."

"Was ist's denn, was dich drückt?" fragte Sundström teilnahmsvoll. Die übrige Gesellschaft stand neugierig um den traurigen Pete Hawk herum.

Pete raffte sich auf. "Prinz, warst du es?" Der Hund hob den Kopf und sah den Sprechenden so treuherzig an, dass man gern glauben konnte, er habe den Vogel nicht gestohlen. Alle verteidigten ihn, obwohl es nach Petes Darstellung keine andere Möglichkeit für das Verschwinden seiner Delikatesse gab.

Der Hund merkte, dass er im Mittelpunkt der Unterhaltung stand, und lief winselnd von einem zum andern.

Hell war das Feuer aufgeflammt. Sundström drehte einen leckeren Vogel über der Flamme.

Petes Unterkiefer klappte herunter wie ein schnell herabgelassenes Fallreep. Der Spießbraten kam ihm bekannt vor. Rasch fasste er sich, stand gravitätisch auf, nahm eine eingebildete Richterkappe vom Haupt und sprach feierlich. "Hiermit wird der Angeklagte Prinz wegen erwiesener Unschuld freigesprochen. Der Schuldige hat sich selbst gestellt. Er bereut seine Tat, ist schon beim Wiedergutmachen, und so schließen wir denn diese Akten mit Wohlgefallen."

Beifälliges Gelächter belohnte des Matrosen Schlagfertigkeit.

Appetitlicher Duft durchzog bald das Lager und stand in seltsamem Gegensatz zur märchenhaften Nachtlandschaft. Ein großer Mond legte eine Silberbrücke über die Bucht, und die Palmen stachen mit ihren schwarzen Spitzen in das Sternenfunkeln des Himmels.


Robinson spielt König

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