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VIERTES KAPITEL
ОглавлениеDer erste Fischfang Die Wasserhöhle Eine interessante Abstimmung
Der Herr USIC-Präsident schob seinen massigen Körper ins Licht der Morgensonne, reckte und rekelte sich. Jäh verwandelte sich sein selbstzufriedenes Gähnen in eine Miene unsagbaren Erstaunens. Da war ja der wie üblich bei den "Morgenfaxen" kommandierende Sundström, und da, Morgenkaffee brauend, der freche Bursche Hawk, mit einem Lammsgesicht, als wäre der gestrige Tag nicht gewesen. Knatchbull ärgerte besonders, dass Prinz kläffte, wedelte und mitsprang.
Wut stieg in dem Inselkönig hoch, die auch nicht schwächer wurde, als eine gewisse Hochachtung vor den beiden Burschen dazukam. Wie mochten die das angestellt haben, so unbemerkt herüberzukommen?
Er gab sich einen Ruck. Kaltes Blut, dachte er, ist das Geheimnis des Sieges. Die beiden wirst du auch überwinden, bist schon mit ganz andern fertig geworden. Nicht ein Gefecht, sondern der ganze Krieg entscheidet, wer der Stärkere ist.
Mit klugen Vorsätzen erschien er später bei der frühstückenden Gesellschaft. "Guten Morgen", grüßte er laut, beinah freundlich, und fuhr anerkennend fort: "Prächtige Leistung, meine Herren, vom Delphin herüberzuschwimmen." Mit listigem Augenzwinkern sah er von Hawk zu Sundström.
"Du irrst, Vater", sagte Ellen, "wir haben Sundström und Hawk mit der Schaluppe geholt."
Diese plötzliche und einfache Erklärung brachte Knatchbull beinahe aus der Fassung. "Wer, wir?" fuhr es ihm heraus.
"Strong, deine Tochter Ellen und ich", antwortete Downburn. Sein Gesicht zeigte deutlich, wie wenig wohl ihm dabei war.
"Meine Tochter gefällt sich ja öfter darin, genau das Gegenteil von dem zu tun, was ich wünsche, aber von euch beiden hätte ich das nicht erwartet." Knatchbull schnaufte.
Strong machte einen schwachen Versuch, sich zu rechtfertigen. "Du warst gestern aufgebracht, Phil, vielleicht zu Recht, aber wir meinten, es sei unsrer nicht würdig, die beiden Herren gewissermaßen gefangen zu ..."
Knatchbull unterbrach den Reverend und brachte es fertig, breit und gewinnend zu lachen: "Mein lieber Lionel, weiß schon, dein Gewissen ... Es wäre nur gut, die beiden besäßen gleiche Empfindsamkeit des Gewissens bei der Behandlung meines Eigentums."
Es machte den Eindruck, als nehme Knatchbull die Angelegenheit nicht so tragisch, wie die "Befreier" befürchtet hatten. Darum zogen sie es vor, auf weitere Verteidigungsreden zu verzichten. Sie glaubten die Angelegenheit schon überstanden, als Rose Taylor in ihrer freimütigen Art herausplatzte:
"Sundström und Hawk machen doch alles am wenigsten für sich, Mister Knatchbull. Was hätten Sie von Ihrer gestrandeten Jacht und Ihrem ganzen Reichtum, wenn sich beide ins Innere der Insel begeben hätten und dort als Wilde leben würden?"
Breitbeinig stand Knatchbull vor dem Mädchen, hatte seine Hände in die Taschen der Shorts gestemmt und sah Rose scheinbar belustigt an.
"Ach Gott, Rose, von mir aus sollen sie es tun. Ich würde Nerven dabei sparen und keinen schlechten Tag leben."
Diese Unverfrorenheit war Ellen Knatchbull zu viel. "Du hast gut reden, Pap, nachdem das meiste an Land geschafft worden ist."
"Hindere ich sie, an diesen Bequemlichkeiten teilzuhaben?" Das Lachen in dem fleischigen Gesicht blieb. "Ich habe mich gestern nur geärgert, wie dreist und gottesfürchtig die beiden darangingen, den Delphin auseinanderzunehmen. Schließlich hat uns das gute Schiff um die halbe Welt getragen."
Sundström versuchte einzulenken. "Leider gestattet es uns unsre Situation nicht, unsre Zukunft einer -sagen wir mal- Sentimentalität zu opfern. Wir wollen heute den Delphin weiter auseinandernehmen."
"Machen Sie." Knatchbull hob die Schultern. Es sah aus, als resigniere er. "Alle weiteren Schritte in dieser Angelegenheit behalte ich mir für unsere Heimkehr vor."
"Wenn die Herren mit ihrem Disput zu Ende sind, bitte ich um Gehör für eine traurige Mitteilung", sagte Strong leise. In ernsten Worten berichtete er vom Ende Wan-hei-tschungs.
"Schade", sagte Knatchbull, "er war ein guter Koch und ein netter Kerl. Solch einen Tod hat ihm keiner gewünscht." Mit diesen Worten schien für ihn die Angelegenheit in das entsprechende Schubfach seines Seelenlebens verstaut. Den andern gelang das keineswegs so schnell. Die Kaltschnäuzigkeit des Inselfürsten hinterließ ein beredtes Schweigen. Keiner, außer Knatchbull, fühlte sich ganz schuldlos am qualvollen Tod des heiteren Wan-hei-tschung. Sie dachten an die Minuten der Katastrophe und daran, wie jeder um sein Leben gebangt hatte. Und das war kein Rückblick auf heldenhaftes Verhalten.
Sundström erhob sich still und ging zur Schaluppe. Pete folgte ihm. Die Gedanken an den Tod Wan-heis übten ihre Wirkung aus. Sogar Knatchbull ließ sich herab, an der Strandarbeit teilzunehmen, natürlich unter Assistenz Emersons. So konnten Downburn und Strong die Schaluppe beladen, während Hawk und Sundström demontierten.
Am Strande wuchsen langsam die Holzstapel. "Dass solch edles Holz noch mal ein Blockhaus ergeben würde, hätte ich mir nicht träumen lassen", sagte Pete, "Was meinst du?" fragte er Sundström, "ob der Herr Präsident so denkt, wie er jetzt tut?"
"Das ist nur ein taktischer Rückzug. Bei der erstbesten Gelegenheit wird er versuchen, seine Niederlage zu rächen." Sundström hielt einen Augenblick verschnaufend inne und betrachtete wohlgefällig das vorsorgliche Tun des Freundes, der von allem nützlichen Gerät einen Teil zurücklegte.
"Der Alte freut sich schon, uns die Hölle heiß zu machen, wenn wir erst wieder in den Staaten sind", sagte Pete.
Sundström wiegte nachdenklich den Kopf. "Vielleicht auch früher. Außerdem - vergiss seinen Schatzkoller nicht."
Petes Augen leuchteten jungenhaft: "Das gibt noch die tollsten Abenteuer."
"Womöglich toller, als uns lieb ist." Der Ingenieur runzelte die Stirn.
"Meinetwegen." Die gestrige Aussprache hatte Pete sicher gemacht. Sie hatten ihren Plan, wussten, was sie wollten. Knatchbull hatte auch einen Plan, mit dem Unterschied, dass sie den seinen kannten, er aber den ihren nicht, "Jedenfalls, Knut", fuhr Pete fort, "können wir bis jetzt zufrieden sein. Mehr Vorsprung konnte uns der Kompromiss nicht bringen."
"Hm", Sundström blieb nachdenklich, "leider müssen wir dabei in den sauren Apfel beißen und dem Inseltyrannen ein Haus bauen."
Pete schob den Sombrero aus Reisstroh in den Nacken und fuhr sich mit dem Handrücken über die schweißnasse Stirn. "Da segeln wir nicht dran vorbei. Es ist doch auch für uns. Und vergiss Ellen und Rose nicht."
"Stimmt, Pete. Aber ich möchte mal Ellen Knatchbull sehen, wenn die hörte, wie wir über ihren Pap sprechen."
"Sie hat ihrem Alten ganz schön Zunder gegeben."
Etwas bissig entgegnete. Sundström: "Bis auf gelegentliche Rückfälle, in denen sie Anwandlungen bekommt wie er. Das könnte mich immer fuchsteufelswild machen."
Pete griente hinterhältig. "Schlimmes Zeichen."
"Wie meinst du das?"
"Wenn sie dir gleichgültig wäre, würden dich ihre Charakterschwächen nicht wild machen."
"Du bist ja verrückt, Pete."
"Vor deinem besten Freund brauchst du nicht Verstecken zu spielen."
Sundström unterdrückte ein Lachen. "Hast eigentlich recht. Schon um den Alten zu ärgern, lohnt es sich, die Tochter zu erobern."
"Klingt sehr überlegen, oller Eroberer, ist aber bloß 'n frommer Selbstbetrug."
Sundström tat, als werde er wütend. "Schluss mit dem albernen Gerede, sonst komme ich dir mit Rose."
"Die Rose? Das Schönste an der Rose ist ...", Petes gutmütiges Gesicht verklärte sich, als sähe er eine berückende Vision.
"Was denn?" fragte Sundström gespannt.
"Dass sie keine Präsidententochter ist!" Pete lachte schadenfroh, und der Freund schüttelte nachsichtig den Kopf.
Sie arbeiteten eine Weile schweigend, dann blieb Pete vor einem Versteck mit Gerätschaften stehen und sagte: "Heute Nacht werden wir fischen gehen."
Sundström schaute verständnislos.
Pete fragte: "Oder weißt du einen besseren Vorwand, die Schaluppe heimlich für uns zu benutzen?"
"Aber wo bringen wir alles hin?"
"In eine Höhle."
"Erst mal eine haben."
"Haben wir."
Sundström sah den Freund skeptisch an.
"Mein unbemerkter Abendspaziergang hat uns nämlich viel genützt." Pete warf sich in die Brust. "Schon als wir uns die ersten Vogeleier von der Klippe geholt haben, dachte ich, hier gibt es bestimmt Höhlen."
"Und du hast eine gefunden?"
"Natürlich."
"Und das erzählst du mir heute schon?"
Pete machte das Gesicht eines weisen Großvaters. "Alles zu seiner Zeit, my boy. Dann aber bat er: "Entschuldige, ich war ganz davon abgekommen."
"Na schön." Sundström gab sich zufrieden. Die kommende Nacht beschäftigte ihn bereits. "Du bist dir doch klar, dass wir von der Angelei auch etwas für den Kochtopf mitbringen müssen."
"Ja." Pete teilte seine Ansichten über die Fischarten in diesen Gewässern mit und welche Köder und Angelgeräte er benutzen wolle.
Sundström fragte: "Wann fahren wir hinaus?"
"Um zwölf."
"Darum müssen wir zusehen, dass wir um acht in der Klappe liegen."
"Spätestens", betonte Pete, und sie gingen wieder an die Arbeit.
Kurz vorm Dunkelwerden saßen die Inselbewohner friedlich um die Abendtafel vereint.
Knatchbull legte Gabel und Messer beiseite. Gesättigt wischte er sich den Mund mit der schneeweißen Serviette. Während er sich behäbig eine Zigarre anbrannte, sagte er scheinbar leichthin: "Aus dem Holz des Delphin soll also unser Haus gebaut werden?"
Ellen und Rose bejahten die Frage gleichzeitig.
"Eins oder mehrere?" forschte der massige Mann weiter und sah Sundström nicht an, obwohl man spürte, dass die Frage in erster Linie an den Ingenieur gerichtet war.
Sundström überlegte, ob er antworten sollte. Dann dachte er an die Besprechung mit Pete. Ruhig entgegnete er: "Ich dachte an zwei Häuser: Ein größeres für die Ehepaare, Miss Ellen und Miss Rose; dann ein kleineres für die Junggesellen."
Sundström trafen lobende Blicke für den praktischen Vorschlag. Knatchbull tat, als sähe, er das nicht. "Und welches Haus wird zuerst gebaut?", fragt er.
Obwohl sich kleine Spottfältchen um seine Mundwinkel bildeten, antwortete Sundström weiterhin ruhig: "Natürlich, erst das Größere."
Knatchbull lehnte sich behaglich zurück und schaute dem Zigarrenrauch nach, Sein Gesicht ließ nicht, erkennen, dass er diese Antwort erwartet hatte, aber jeder wusste es.
"Und wenn nun die Regenzeit einsetzt, ehe das zweite Haus fertig, ist?", fragte Rose Taylor in das Schweigen hinein.
"Dann werden die sechs Räume auch ausreichen müssen", sagte Sundström. Pete Hawk fügte hinzu: "Besser eng sitzen und trocken, als nass ..."
"Na, was denn?", spottete Ellen Knatchbull.
"... als nass und wütend", beendete Pete. Dann versuchte er, auf die nächtliche Aktion hinzulenken. "Das Häuserbauen ist die kleinste Sorge. Aber die Vorräte. Die Konserven und andern schönen Sachen werden mal alle. Fischkotelett ist eine feine Sache. Das schwimmt uns hier vor der Nase rum."
"Man muss es nur fangen", sagte Ellen Knatchbull.
"Ganz recht", erwiderte Pete. "Deshalb wollte ich heute Nacht mit Sundström fischen gehen. Wo liegen denn die Angeln, Mister Knatchbull?"
Der Präsident würdigte den Seemann keiner Antwort. Mit einer ungewissen Armbewegung wies er hinter sich ins Dunkle, wo die Stapel lagerten.
Hawk blieb beharrlich. "Eine Jagdbüchse oder so ‘n ähnliches Schießding würden wir vorsichtshalber auch gern mitnehmen."
"Wollen Sie nun angeln oder jagen gehen?", höhnte Knatchbull.
"Angeln, Sir", betonte Sundström leise, aber bestimmt, "doch man kann nie wissen, was an den Haken kommt. Solch einen Barsch von achtzig Pfund zum Beispiel erledigt man am schnellsten mit einer Ladung Blei." Als Sundström die Frage Petes nach den Angeln hörte, war er im ersten Augenblick geneigt, gewesen, ihn Tollpatsch zu schimpfen; aber dann hatte es ihn gefreut, wie geschickt der Freund die Tatsache zu tarnen wusste, dass er genug Angelzeug beiseite gelegt hatte.
"Die Büchsen liegen unter der kleinen Persenning", sagte Knatchbull, aber es blieb ungewiss, ob dies als Erlaubnis galt, eine von ihnen mitzunehmen.
Trotzdem ging Hawk sofort zu den Stapeln und kramte unter dem bezeichneten Segeltuch. Sundström wunderte sich, dass Knatchbull dies so kalt ließ.
Rose Taylors Gedanken waren immer noch bei jenem Fisch mit dem bekannten Namen, der achtzig Pfund wiegen sollte. "Wie schwer soll der Barsch sein, den Sie fangen wollen?" fragte sie.
"Ein Barsch kann gern seine achtzig Pfund haben, ein Jack seine hundert, ein Tarpon hundertfünfzig und ein Tümmler zweihundert."
"Das kann man wohl sagen", unterstützte ihn Hawk, der mit einer Büchse in der Hand zurückgekommen war.
"Das ist ja aufregend", beteuerte Rose, "kann - könnte man da nicht mitkommen?"
Die beiden Freunde waren einen Augenblick sprachlos, aber ungewollt rettete sie Knatchbull aus dieser unangenehmen Lage. "Bleiben Sie besser hier, Miss Rose", sagte er, "denn Herr Hawk wird die Büchse nicht mitnehmen."
"Warum nicht?" fragte sie arglos.
"Weil es sinnlos wäre."
"Wieso?" wollte Hawk wissen.
"Ein Gewehr nützt nur, wenn man es laden kann. Ich habe aber keine Munition. Die muss noch auf dem Delphin sein."
"Sie irren sich", sagte Pete Hawk. Dabei hielt er Knatchbull einen kleinen Pappkarton vor die Nase. Die Gesichter waren in der Dunkelheit nur matt zu erkennen, aber Sundström ahnte die Röte des Zorns, die sich jetzt auf Knatchbulls Wangen abzeichnen musste. Der Ingenieur war wütend auf den Freund. Eines augenblicklichen Trumpfes wegen verriet der mehr, als gut sein dürfte.
Von diesen unsichtbaren Widersprüchen merkten die beiden Mädchen nichts, und wie aus einem Munde fragten sie: "Dann ist ja alles gut. Kann man also mitkommen?"
Sundström schwankte, ob er nicht doch zusagen sollte. Beide waren zwei ansehnliche, muntere Damen, und solch eine Fischpartie bei Mondschein mochte reizvoll sein. Außerdem hätte das Knatchbull geärgert, ohne dass er sich recht wehren konnte. Man müsste dann eben die Aktion auf morgen Nacht verschieben. "Seien Sie bitte nicht böse", hörte er Petes treuherzige Stimme, "aber man muss das Wasser hier erst ausprobieren. Sollten wir einen Hai oder einen Sägefisch an die Angel kriegen, dann wird's ernst. Noch dazu in der Nacht. Wenn wir hier erst eingerichtet sind, gehen wir mal alle gemeinsam am Tage auf Fischjagd."
Das Schweigen in der Dunkelheit verriet das Schmollen der beiden Abgewiesenen. Sundström blieb ebenfalls stumm, so enttäuscht war er über die Wendung der Dinge.
Um über die peinliche Situation hinwegzuhelfen, fragte Mistress Knatchbull: "Werden denn Sägefische auch so schwer?"
Pete ließ ein Lachen vernehmen, das eher ein mitleidiges Grunzen war. "Wie schwer war der Sägefisch, den wir damals mit rein geholt haben, Knut?"
"Viertausendsiebenhundert Pfund", sagte Sundström, "aber all das wollen wir heute nicht fangen, uns genügt etwas Handfestes für die Bratpfanne. Darum entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Es lohnt sich, noch vier Stunden zu schlafen bis zum Fischfang." Er erhob sich und verschwand in der Richtung zu den Schlafzelten.
Das war wie ein Aufbruchssignal. Verlassen standen bald die unwirklich anmutenden Klubmöbel vor dem Hintergrund schweigender Palmen.
Pünktlich, als hätten sie einen Wecker im Kopf, erhoben sich die beiden Männer zur verabredeten Zeit. Sie bewegten sich leise und sprachen flüsternd. Pete drückte Sundström die Flinte in die Hand, er selbst trug das Angelzeug.
"Hast du geladen?" fragte Sundström leise.
Der Freund nickte und schlug den Weg zur Schaluppe ein. Sundström ging neben ihm und hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, es folge ihnen jemand; aber gerade deshalb wollte er sich nicht umsehen. Verstohlen beobachtete er Pete, denn er kannte die guten Ohren des Seemanns. Der blieb unvermittelt stehen und tat, als wolle er das Bündel der Angelruten aufstoßen. Dabei sah er sich unauffällig um. Gleich darauf legte er die Ruten auf die Erde, drehte sich um und sagte in einer Mischung von Befehl und warmer Zuneigung: "Prinz, du Spitzbube, wirst du wohl machen, dass du in die Falle kommst?"
Wenige Schritte von den beiden Männern entfernt. stand die Dogge mit gespitzten Ohren. Auf die Worte Petes legte sie sich, peitschte mit dem Schwanz und winselte leise.
Sundström kam ein Gedanke. "Lass ihn", sagte er, und fuhr fort: "Komm, Prinz, komm! Weiß der Teufel, wozu es gut sein kann:"
Vor übergroßer Freude schnellte das Tier heran und sprang dankbar an den beiden Männern hoch.
Während sie das Boot flottmachten, knurrte Sundström: "Warum hast du den Alten wissen lassen, dass uns Downburns Patronenraub nicht entgangen ist?"
Der Matrose blieb heiter. "Köpfchen, Knut. Besser, er weiß, dass wir wissen, als wenn er wüsste, dass wir auch Munition haben."
Sundström erwiderte unwirsch: "Das verstehe ich nicht."
Pete erklärte geduldig: "Es war doch von Anfang an möglich, dass wir schießen müssen. Darum knöpfte ich dem Knatchbull die Flinte ab. Er hat es bloß deswegen herablassend gestattet, weil er dachte, ich finde die Munition nicht. Dabei wusste ich längst, wo er sie verkramt hatte. Siehst du, und wenn sie jetzt einen Knall hören, finden sie das ganz harmlos."
Sundström sah ein, dass der Freund weiter gedacht hatte als er. Auch als er die verlockende Bitte der Mädchen ablehnte. Aber das konnte er unmöglich gleich zugeben.
"Du bist gar nicht so dämlich, wie du aussiehst, Pete."
"Na also", quittierte der Seemann.
Sie hatten das Boot klar und stiegen hinein. Prinz sprang geschickt nach, setzte sich in den Bug und äugte aufmerksam nach vorn. Bis durch die Brandung ruderten beide, dann übernahm Sundström das Steuer. Ohne viele Worte waren sie sich klar, dass sie erst das für ihren Plan Notwendige tun würden, ehe sie zu fischen begannen.
Nachdem sie am Delphin festgemacht hatten, arbeiteten sie schweigend und verbissen. Erst jetzt wurde es Sundström recht bewusst, wie planmäßig Pete vorgearbeitet hatte. Sorgfältig in leeren Apfelkisten verstaut waren das Funkgerät und seine Zubehörteile, Beile, Äxte, Hämmer, alle Sorten Zangen sowie ein praktischer, transportabler Flaschenzug, ein Derrick, den Pete an der Bordwand aufbaute.
"Wozu das?" fragte Sundström. Er glaubte, sie würden die zu bergenden Dinge auch so bordüber schaffen können.
"Komm mit", sagte der Matrose, und sie gingen in die Bootsmannswerkstatt. Als sei er der, geniale Hersteller, wies Pete stolz auf die zierliche Mechanikerdrehbank. "Das Ding kriegen wir ohne Derrick nicht heil in die Schaluppe.
Sundström nickte, und sie machten sich beide an die Demontage. So hatten sie lange nicht geschuftet. Endlich lag das Präzisionswerkzeug wohlverwahrt in der Mitte des Bootes.
Der Ingenieur schüttelte einen Schweißtropfen von der Nasenspitze und ächzte: "Ein Glück, dass der Delphin keinen Hochofen an Bord hat."
'"Freu dich nicht zu früh", warnte Pete, "wir nehmen vom Schiffsmotor, was wir schaffen können. Auf jeden Fall die Lichtmaschine."
"Aber nicht heute", maulte Sundström.
"Nee, leider. Dann wird es uns zu spät." Diese Tatsache schien Pete ehrlich zu betrüben.
Zum Schluss hievten sie noch eine längliche Kiste voller Elemente und Trockenbatterien in die Schaluppe; dann verstaute Pete den Derrick wieder an unzugänglicher Stelle.
Sie stießen ab und nahmen zuerst Kurs nach Westen auf das offene Meer hinaus, um die Klippe gefahrlos zu umschiffen. Die Höhle lag auf der dem Strandungspunkt abgewandten Seite der Klippe. Das Boot hatte ziemlichen Tiefgang, und bei stärkerer Dünung hätten sie sich diese Belastung nicht erlauben dürfen. Darum ruderte Pete allein, während Sundström wieder die Pinne führte. Nur durch die Brandung, nahe vor dem Korallenfelsen, ruderten sie zu zweit. Dieses Wagnis misslang beinah. Sie nahmen so viel Wasser über, dass sie dicht vor dem Absinken standen. Geistesgegenwärtig schrie Sundström: "Hopp, über Bord, Prinz!" und wies auf das Wasser. Der Hund gehorchte und hielt sich schwimmend so lange neben dem Boot, bis die Freunde das Wasser ausgeschöpft hatten.
Hinter der Brandung war das Meer spiegelglatt. Sie fanden eine günstige Anlegestelle, machten die Schaluppe fest und gingen, die Höhle zu suchen. Der geräumige Felsenraum lag trocken, vor allen Winden geschützt, und man musste schon Erfahrung und die scharfen Augen eines Pete haben, um ihn zu entdecken. Jetzt galt es, das Boot so nahe wie möglich an das Versteck heranzubringen, Sie gingen zurück, machten los, und Sundström steuerte dicht an der Klippe entlang, unter Überhängen hindurch, an labyrinthartigen Buchten und Einschnitten vorüber. Plötzlich wurde es dunkel. Sie befanden sich in einer Wasserhöhle. Laut hallte das Klatschen der Ruderschläge von den Wänden wider. Es roch stark nach Meerwasser. Der Ingenieur zündete eine Fackel an. Beinahe andächtig betrachteten die Freunde den eigenartigen Dombau, den die Kräfte der Natur geschaffen hatten. Dieser überwölbte Naturhafen war eine Wasser-Sackgasse. Das flackernde Licht der Fackel zauberte groteske Gebilde auf die bizarren Formationen aus Korallenkalk. Ähnlich dem Summen in einer großen Muschel, tönte von draußen das Geräusch der Brandung. Trotzdem hörte man das Fallen jedes Wassertropfens.
"Schade, wir müssen zurück", sagte Pete,
"Nicht so voreilig." Sundström befahl Prinz, die Fackel mit den Zähnen zu halten, dann steuerten sie eine Uferbank an, so günstig gelegen, als wäre sie von Menschen geschaffen. Sie nahmen noch eine Reservefackel und machten sich, Prinz voran, an die Untersuchung des über dem Wasser gelegenen Teils. Sie merkten bald, dass der viel größer war, als es zuerst den Anschein hatte. Aus Nebenhallen, durch winklige Grotten zurückkehrend, gelangten sie, meist bergauf steigend, immer weiter fort von dem praktischen Naturhafen. Plötzlich sahen sie in der Ferne einen schwachen Schimmer. Erregt schritten sie darauf zu. Durch einen türbreiten Durchgang tretend, befanden sie sich in einem einladenden Raum, dessen Eingang ins Freie führte. Die Männer traten mit dem Hund hinaus und musterten das Vorgelände.
"Wir Ochsen", stellte Pete selbstkritisch fest, "den Umweg über die Klippe brauchten wir nicht zu machen, wenn wir vorhin den Durchgang gefunden hätten."
Sie standen vor ihrer Höhle.
"Lass gut sein", beschwichtigte Sundström, "die Entdeckung eines so idealen Geheimausgangs war die kleine Mühe wert." Er sah besorgt zum Mond, der schon bedenklich tief über den Palmen stand. "Es genügt, wenn wir heute Nacht unsere Siebensachen in der unteren Höhle abstellen. Ich möchte nicht ohne Fisch nach Hause kommen."
Pete stimmte ihm zu. Eilig wanderten sie den Höhlengang zurück und machten sich ans Ausladen. Was sie auf der Rückfahrt fingen, ergab am nächsten Tag ein Gericht, das als schmackhafte Abwechslung das Lob der meisten Inselbewohner fand.
Satt und ein wenig müde, lehnten sich alle in ihre bequemen Sessel zurück.
"Wann fangen wir an zu bauen?" fragte Rose Taylor.
"Wahrscheinlich übermorgen", antwortete Sundström. "Jedenfalls, sobald wir mit dem Ausschlachten des Delphin fertig sind."
Das Mädchen wollte noch mehr wissen. "Und wer macht den Bauleiter?"
"Natürlich Herr Sundström", sagte Ellen Knatchbull.
" Vielleicht ist jemand da, der sich dazu für befähigter hält?" forschte Sundström.
"Absurd, wenn wir einen Ingenieur unter uns haben", warf der Oberst ein.
"Trotzdem sollte man nicht vergessen, dass außer Fachkenntnissen auch Organisationstalent dazugehört." Knatchbull glaubte, seinem Ansehen diesen Einwurf schuldig zu sein.
"Das besitzt ja Herr Sundström zweifellos", meinte Joan Knatchbull. Dafür bekam sie einen ärgerlichen Blick ihres Gatten.
"Sie sind also auf Biegen und Brechen zum Oberbaurat bestimmt, Herr Sundström", erklärte Ellen Knatchbull.
"Auf Biegen und Brechen war nicht schlecht gesagt", erwiderte Sundström, "ich verbürge mich für das Gelingen, stelle aber einige Bedingungen: Meinen Anordnungen beim Bauen muss Folge geleistet werden. Dazu gehört: Um halb acht Beginn der gemeinsamen Arbeit. Von halb zehn bis zehn Uhr Pause. Dann bis dreizehn Uhr Arbeit, zwei Stunden Mittag, und von fünfzehn bis siebzehn Uhr noch einmal Arbeit. Das sind sieben Stunden Pflichtarbeit, bei dieser Hitze angemessen. Der Rest des Tages bleibt dem Einzelnen überlassen, darf aber gern zu freiwilliger Arbeit verwendet werden, bis wir aus dem Gröbsten heraus sind. Je zwei Frauen versehen den Küchendienst, während die beiden andern zu leichteren Arbeiten eingeteilt werden. Die jeweiligen Köchinnen haben für pünktliches Essen und Trinken in den Pausen zu sorgen. Nörgeleien und dergleichen sind bei der Arbeit zu unterlassen. Vorschläge werden allabendlich an der gemeinsamen Tafel vorgebracht und durch Abstimmung entschieden. Sind alle damit einverstanden?" Sundström schaute einen nach dem andern an.
"Sind das nicht ein bisschen viele Vollmachten, die Sie sich da eingeräumt haben, Sundström?" Knatchbull bemühte sich, seinen Worten einen harmlosen Klang zu geben.
"Das mag vielleicht so aussehen, aber anders wird es kaum gehen. Außerdem", Sundström neigte lächelnd den Kopf zu Knatchbull hin, "steht es Ihnen frei, beim abendlichen Forum Übergriffe des Bauführers anzuprangern und sich gegebenenfalls an seine Stelle wählen zu lassen."
Knatchbull trat einen vorsichtigen Rückzug an, als er merkte, dass sein Einwand nirgends Sympathie erweckte. "Na, wir werden sehen."
Pete Hawk machte es ein heimliches Vergnügen, die Inselpartner jetzt zu einer förmlichen Abstimmung zu bringen. Außer Knatchbull stimmten alle für den Ingenieur.
Emersen hatte die Reaktion seines Herrn abgewartet und behielt ebenfalls den Arm unten.
In das peinliche Schweigen fielen Hawks Worte: "Mit sieben Stimmen angenommen, bei zwei Stimmenthaltungen. Ich danke."