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ECLIPSE, MATCHEM UND HEROD

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The Darley Arabian, 1704 nach England eingeführt, gilt als einer der drei Gründer-Hengste der Rasse Vollblut

Die Kreuzung von englischen Stuten mit arabischen und verwandten „östlichen“ Importhengsten, ständige Auslese, Streben nach Höchstleistungen, detaillierte Dokumentation von Zucht- und Rennleistungen und die Verfeinerung des Rennsystems führten zu einem Pferd, das die Engländer Thoroughbred (durchgezüchtet) nannten. Ein edles, hartes und schnelles Individuum, das sich über die gesamte Welt ausbreitete. Die drei Gründerhengste, die sich am Ende als solche durchsetzten, liefen selbst keine Rennen, sondern kamen auf verschiedenen Wegen auf die Insel. The Byerly Turk wurde von einem Captain Byerly erbeutet, als dieser 1688 in Ungarn gegen die Türken kämpfte. Zwei Jahre später, nun als Colonel, ritt er diesen Araber auch als Kommandeur der 6. Dragoon Guards beim „Battle of the Boyne“ an der Ostküste von Irland, den der Protestant William der III. von England für sich entschied. Und dieser Byerly Turk wurde der Ururgroßvater von Herod (1758; Tartar), der auf der Mutterseite 4x5 auf Darley Arabian ingezogen war, und dessen Nachkommen damals mehr als 200.000 Pfund an Preisgeld gewannen.

The Darley Arabian, der 1700 das Licht der Welt erblickte, wurde von J. B. Darley in Aleppo (Syrien) gekauft und 1704 nach England eingeführt. Der Hellbraune, der ein herrlicher Vertreter seiner Rasse gewesen sein soll, war für die Vollblutzucht von allergrößter Bedeutung. Er war ein Hengst ohnegleichen, und er wurde Ururgroßvater des großen Eclipse, der 1764 geboren wurde. Einer seiner Söhne, der in England erfolgreich gelaufene Bulle Rock (1709), war der erste Vollblüter, den Samuel Gist 1730 von England nach Amerika importierte. Die Mutter des damals 21-jährigen Bulle Rock stammte von Byerly Turk aus einer Stute, die den Namen Lister Turk Mare trug. Diese hatte Lister Turk (1867) zum Vater und Natural Turk Mare zur Mutter. Weiter zurück gibt es zu diesem England-Export keine Aufzeichnungen.

The Godolphin Arabian (oder Godolphin Barb), der 1724 gefohlt und 1729 über Frankreich aus Marokko in das Mutterland des Galopprennsports eingeführt wurde, soll ein Geschenk des Sultans von Marokko an König Louis den XIV. von Frankreich gewesen sein. Wertvoll war der Hengst für den König aber wohl nicht, denn der braune Berber war schon bald das Eigentum von Graf Godolphin. Eine der Geschichten zu diesem Pferd erzählt, dass es aus dem königlichen Stall gestohlen, und als Zugpferd vor einem Wasserkarren in Paris von einem Mr. Coke entdeckt worden sei. Coke kaufte es für drei Pfund, und der Hengst landete als privater Deckhengst im Gestüt des Earls in Cambridgeshire. Sein Sohn Cade (1734), oder Old Cade, zeugte den 1748 geborenen Matchem, einen harten Steher, der in Nordengland ein führender Hengst wurde. Sein erfahrener Jockey John Singleton hielt von diesem Pferd, das viele gute Gegner schlug, sehr viel, doch schien wohl etwas Klasse zu fehlen, um es als brillantesten Galoppierer seiner Zeit zu bezeichnen. Als Sechsjähriger ging Matchem ins Gestüt und wurde in den folgenden Jahren Mitglied des großen Dreigestirns, dem auch Eclipse und Herod angehörten.

Zu Godolphin Arabian wurde auch ein sehr lesenswertes Buch geschrieben, das Franz Born 1961 beim Sebaldus-Verlag Nürnberg unter dem Titel „Hengst der Sonne“ veröffentlichte. Der Autor bezieht sich auf historisches, authentisches Material und nennt als wichtigste Unterlage den Bericht eines jungen Afrikanes, den der letzte Besitzer des Hengstes auf Schloß Gog Magog in der Nähe von Cambridge aufgezeichnet hat. Dieser junge Stallmann hat den „Araberhengst“, den ihm sein Herrscher in Marokko anvertraute, von der Geburt bis zu dessen Tod nie verlassen. Er hat ihn gepflegt, verteidigt und auch seinen Triumph in England noch erlebt. Und so, wie dieser Agba zum „Hengst der Sonne“ gehörte, war auch die Stallkatze Moumou ein ständiger Begleiter.

Born beginnt sein erstes Kapitel mit den Verhältnissen von 1725 und nennt die drei großen Berber-Königreiche Tunis, Algier und Marokko als von den europäischen Großstaaten so gefürchtet, wie einst die Reiterheere des Islam, die es schon einmal bis zu den Pyrenäen geschafft hatten. Und der gleiche Autor fährt fort, dass damals die Piratenflotten der nordafrikanischen Berberstaaten das Mittelmeer beherrschten, europäische Schiffe kaperten und für ihre Beute enorm hohe Lösegelder forderten. Und Marokko war unter dem grausamen wie klugen Sultan Muley Ismael von diesen drei Räuberstaaten der mächtigste geworden. Mit Ludwig dem IV. hatte er jedoch ein Geheimbündnis geschlossen, bezog von Frankreich Waffen und schonte dessen Schiffe. Und die Pferdestadt Muley Ismaels, am Rande des Palastviertels und nahe der Rennbahn gelegen, war berühmt. Dort standen 12.000 Pferde, und das Juwel dieser Metropole war der Marmorhof der Araber. In den 24 mit Marmor und Rosengranit verkleideten Boxen standen neun Stuten und 15 Hengste, deren Stammbaum schon damals über vierzig Generationen zurückreichen musste. Und dort wurde auch El Sham, der Sohn der Aischa, die bei einem Araberstamm der Nedschd-Wüste aufgewachsen sein soll, und des Nesrin geboren.

Aufkäufer versuchten damals schon seit Jahrzehnten in der Türkei wertvolle Orientpferde zu erhandeln, doch an den Hof von Meknes hatte sich noch niemand gewagt. 1729 jedoch brach überraschend eine Gesandtschaft von Marokko zum Hof von Versailles auf. Und zu den vielen Geschenken, die der Tross für den jungen König Ludwig IV. im Gepäck hatte, zählten acht kostbare Araberhengste aus dem Marmorhof samt ihrer schwarzen jungen Pfleger. Auch El Sham, der schon zweijährig ein Rennen gewonnen haben soll, war mit seinem Pfleger Agba dabei.

Auftraggeber dieser Karawane, die Richtung Frankreich zog, war aber nicht der alte Sultan Muley Ismael – er war bereits zwei Jahre tot – sondern der Erbe des Sultanats, sein Sohn Muley Abdallah, dessen Habgier und Eitelkeit keine Grenzen gekannt haben sollen. Die Gunst des alten Verbündeten Frankreich war nicht nur aufgebraucht, sondern Frankreich und England ließen ihn durch ihren französischen Gesandten am Hof von Marokko wissen, dass eine gemeinsame Flotte gegen die Häfen Tanger und Tetuan auslaufen würde, wenn diese Piratenangriffe nicht sofort eingestellt würden. Diese Botschaft zeigte Wirkung, doch waren die Minister des Sultans von dessen Entscheidung schockiert, als besonderen Freundschaftsbeweis auch acht Hengste aus dem Marmorhof mit auf den Weg zu schicken. Aber keiner von Ihnen, wie auch die anwesenden Würdenträger, wagte etwas zu erwidern, denn damit hätten sie auch gleichzeitig den Kerker oder gar die sofortige Hinrichtung riskiert. Marokko war reich genug, und somit billigten sie auch die vielen Geschenke. Aber Araber aus der Nedschd-Wüste, das Anbetungswürdigste dieser Welt, Pferde des Propheten, denen Allah nur die Sprache versagt hatte?

Aber nichts half. Keine Worte, keine Intrigen. Dem Stallmeister wurde der Befehl erteilt, die Namen von acht der besten Araberhengste auf eine Liste zu setzen. Dass der dreißigfache Sieger Khelifa und El Sahm, der Liebling des verstorbenen Muley Ismael, auf die Liste kamen, das entsprach dem ausdrücklichen Wunsch des Herrschers. Und der Befehl beinhaltete auch, den Pferden ihre schwarzen Pfleger mitzugeben, die im Marmorhof zur Elite zählten und eine Vorzugsstellung genossen.

Ehe sich jedoch die Karawane mit Kamelen, Pferden, teuren Stoffen, Teppichen, Porzellan, Raubvögeln, vielen anderen Dingen und den Arabern auf den Weg machte, musste jeder der Jungen vor dem Sultan niederknien und einen Eid ablegen: „Dieses Pferd ist nun dein Herr. Du musst ihm treu bleiben bis zum Tode. Nie darfst du es verlassen. Nie darfst du in Deine Heimat zurückkehren, solange dein Pferd in der Fremde lebt. Du bist deines Pferdes Diener; es ist mehr als dein Augapfel. Wiederhole, und dann schwöre, indem Du meinen Fuß küsst.“ Danach bekam jeder der jungen Pferdepfleger noch einen goldenen Beutel, in dem sich der Stammbaum des jeweiligen Hengstes befand. So in etwa die Schilderung des Autors in seinem Buch „Hengst der Sonne“, aus dem die weitere Story, kurz zusammengefasst, so weiterging:

Das Pferd und sein Betreuer hatten noch viele Abenteuer zu bestehen. Der Araber, oder Berber, landete irgendwann bei einem Farmer und ließ niemanden mehr an sich heran. Der Pfleger saß im Gefängnis, die schwarze Stallkatze hielt sich, wo auch immer, versteckt, und der goldene Beutel mit dem Stammbaum war aus dem Hüftgürtel des Jungen gestohlen worden. Doch dann befreite Francis Graf Godolphin, ein bekannter Pferdezüchter aus Cambridgeshire, mit einigen Helfern Agba aus dem Newgate-Gefängnis und brachte Licht in die Angelegenheit. Und als der Graf, Schwiegersohn eines weltberühmten Feldherrn, des Herzogs von Marlborough, den Farmer wieder verließ, saßen auch Moumou und Agba in der Kutsche, an deren Deichsel auch der Araber als Beipferd mit in seine neue Heimat trabte.

In jenem Jahr plante Graf Godolphin ein untadeliges Paar aus seiner Zucht zu vereinen, seine Lieblingsstute Roxana und den strahlend weißen Hobglobin. Mit dem zu erwartenden Fohlen hoffte er auf einen ganz großen Zuchterfolg. Die Realität zeigte sich aber anders, als es der Plan dieses Pferdezüchters vorsah: Roxana und El Sham büchsten aus, und das „hellbraune Problem“ erhielt ein Jahr später den Namen Lath, weil es so dünn wie eine Latte war. Für den Graf war es ein Bastard, und er konnte es lange Zeit auch nicht überstehen, dass El Sham mit Roxana die züchterische Planung zerstört hatte. Seinen Oberstallmeister Charles Bedham wies er an, El Sham zu erschießen, und den „Negerjungen“ Agba vom Hof zu jagen. Eine Vollzugsmeldung hatte er von Bedham, der an diesen Araber aus Marokko glaubte und ihn in der Zucht sehen wollte, allerdings nicht verlangt. Und Godolphin fragte auch niemals danach.

Aber auch in dieser Situation kam es wieder ganz anders, als es die Regie vorsah. Die Gräfin Henrietta Godolphin, die 1733 verstarb, hatte Bedham in seiner Not geraten, den Araber nicht zu erschießen, sondern ihn und seinen Pfleger irgendwo zu verstecken und darüber Stillschweigen zu bewahren. Und wo das sein könnte, das wusste der Oberstallmeister bereits, bei seinem vom Grafen gefeuerten Vorgänger Everett Harley auf Wicken Fen im Moor …

Eine kleine Intrige startete auch den nächsten Akt. Godolphins Schwiegermutter, Sarah Churchill, Dutches of Marlborough, hatte beste Beziehungen zum Königshaus und sorgte dafür, dass ihr Schwiegersohn eine Einladung des pferdebesessenen Königs zu einer Yachtparty auf der Themse erhielt. Und natürlich war die alte Dame, die bis 1744 lebte, hinsichtlich „des Arabers“ dabei auch ein wenig indiskret, denn sie schien über Godolphins Stall nicht schlecht unterrichtet zu sein.

Und auf dieser Bootsfahrt musste Godolphin daher auch Farbe bekennen, denn König Georg der II. (aus dem deutschen Haus Hannover) trieb ihn, in Gegenwart von zwei anderen bekannten Züchtern, die keine Freunde Godolphins waren, in die Enge. „Sie haben doch einen Araber? Und wen melden Sie denn nun zu den Rennen? Diesen, oder läuft auch sein Sohn bei den Zweijährigen?“

Auf der Heimfahrt war Godolphin, dessen Pferde bei den letzten Frühjahrs- und Herbstrennen zu Newmarket versagt hatten, außer sich vor Wut. Man hatte ihn auf diesen Zweijährigen festgelegt, und er hatte auch noch zugesagt! Und wahrscheinlich lebt auch der verdammte Araber noch, der seine beste Stute, Roxana, missbrauchte, und damit seine züchterischen Pläne zerstört hatte …

Godolphins fuhr direkt zu seinem Oberstallmeister, der sich nicht nur jene Frage von seinem aufgebrachten Dienstherrn anhören musste, sondern ein „Erdbeben“ erlebte, als dieser erfuhr, wo sich El Sham, dessen Katze Moumou und Agba befanden. Charles Bedham blieb ganz ruhig, bat den Grafen in sein Wohnzimmer und öffnete eine Flasche Sherry. Und dabei erfuhr Godolphin, dass El Sham, der am Königshof inzwischen den Namen Godolphin Arabian bekommen hatte, weil niemand den richtigen kannte, in bester Verfassung sei. Auch die Frage des Grafen, „ob es denn überhaupt möglich sei, den dürren zweijährigen Gaul in Newmarket bei den Herbstrennen laufen zu lassen“, beantwortete der Oberstallmeisters äußerst gelassen: „Aber selbstverständlich, er ist in bester Form!“ Nur als Charles Betham den Vorschlag für den Reiter mit dem fünfzehnjährigen Stallburschen Jimmy Fenton formulierte, brauste Godolphin wieder auf: „Gut, es geht jetzt nach Ihnen, aber Sie ruinieren meinen Stall!“ Bedham blieb sanft und fügte lediglich an: „Der Junge hat ihn täglich geritten und kennt ihn genau. Und nach dem Sieg von Lath bin ich gern bereit, den Stall zu verlassen, wenn Sie das so wünschen“.

Lath gewann wie er wollte, der König kassierte eine hohe Wette, und der Graf holte alle aus dem Moor zurück. El Sham, der jetzt Godolphin Arabian genannt wurde, Agba, die Katze Moumou, und auch den alten Everett Harley, denn der hatte an dem damaligen Beinbruch einer Stute keinerlei Schuld gehabt. Godolphin Arabian bezog die Marmorboxe von Hotglobin und wurde 1734 Vater von Cade, der ebenfalls aus der Roxana stammte. Und dieser Cade zeugte an Matchem (1748) einen der drei Hengste, die zu Eckpfeilern der neuen Rasse wurden. Und bei Eclipse, der zu diesem Triumphirat zählt, erscheint der Hengst aus dem Sultanat Marokko als mütterlicher Großvater.


El Sham (Godolphin Arabian) mit seiner Katze Moumou (Repro nach einem Gemälde des englischen Pferdemalers Seymoor)

Von allen eingeführten Arabern und „östlichen Hengsten“ haben bis zum heutigen Tag lediglich drei Linien überlebt. Bekannt sind sie als die Eclipse, Matchem und Herod Hengstlinien, deren Ursprungs-Väter The Darley Arabian, The Godolphin Arabian und The Byerly Turk waren. Eclipse und Herod vertraten ihre männlichen Liniengründer bereits als Urur-Enkel, Matchem als Enkel.

The Darley Arabian, der ein wunderschönes Pferd gewesen sein soll, gilt auch in der Vollblutzucht als der gewaltigste Zuchthengst aller Zeiten. Er war ohnegleichen. Mit The Byerly Turk, der ihm vorausging, und The Godolphin Arabian, der ihm 25 Jahre später folgte, teilte sich dieses Trio Jahrzehnte lang den unermesslichen Einfluss, den es auf die gesamte Entwicklung der Vollblutzucht ausgeübt hat. Byerley Turks Sohn Jigg und Godolphin Arabians Sohn Cade setzten die Linien ihrer Väter fort, doch nahm ihr Einfluss im Laufe der Zeit ab, während Darley Arabian zum absoluten Triumphator wurde. Es war aber nicht sein ungeschlagener Sohn Highflyer, das beste Rennpferd seiner Zeit, der die Meile in einer Minute gelaufen sein soll, der dafür sorgte, sondern dessen rechter Bruder Bartletts Childers, der ebenfalls von Leonard Childers aus der Betty Leeds (Old Careless) gezogen war. Die Quelle, die bei seinem Vater entsprang wurde durch diesen Sohn, der nie eine Rennbahn betrat, zum mächtigsten aller Vollblutströme fortgeführt. Dieser gewaltige Vererber wird kaum erwähnt, und von ihm, so berichtet das Buch „Die Vollblutzucht der Welt“, ist nicht einmal seine Farbe bekannt. Über seinen Sohn Squirt, ein Fuchs, gab er die Gene an den braunen Enkel Marske weiter, der Vater des Giganten Eclipse wurde. Und dieser in 19 Rennen ungeschlagene Fuchs, dessen Mutter eine Enkelin von Godolphin Arabian war, häufte weiteren Rum für seinen Urur-Großvater an. An dessen Sohn Bartletts Childers erinnerte auch Englands Derbysieger von 1966, der 1976 nach Australien exportierte Charlottown (Charlottesville), dessen Vater und Mutter in ihren Linien zu ihm führen. Natürlich vertritt auch der „Jahrhundert-Hengst“ Northern Dancer (1961; Nearctic) die Hengstlinie von Darley Arabian. Und es war auch Northern Dancers Sohn Sadler’s Wells der Highflyers 13 Hengst-Championate mit 14 übertraf, ehe er sich 2012 mit 30 Jahren zu Coolmore in den Pferdehimmel verabschiedete.

Darley Arabian besitzt in anglo-irischen Pedigrees die Vorherrschaft und – in Gestalt von Derbysieger Whalebone (1807) und dessen Nachkommen – beherrscht er auch die namhaften nordamerikanischen Hengstlinien. Heute ist er in den Pedigrees aller Vollblüter der Welt am stärksten vertreten, und sein Blut zeigt unverminderte Lebenskraft. Er ist auch verantwortlich für die Hengstlinien von Blandford, Phalaris, Teddy, The Boss, Son-in-Low, Gainsboroug oder St. Simon.

Der Einfluss von Eclipse, ein Urur-Enkel von Darley Arabian, zeigt sich auch in den Hengslinien klassischer Sieger Amerikas sehr deutlich. Zwischen 1937 bis Ende 1981 war Eclipse, bis auf einen einzigen, der Vorfahre. Geboren wurde er im April 1764 während einer totalen Sonnenfinsternis, und seine 18 Starts gestaltete er zu Siegen. Aus jener Zeit wurde zwar der Spruch überliefert „Eclipse first, the rest nowher“, doch das traf nicht nur auf seine überlegenen Erfolge auf der Rennbahn zu, sondern auch auf seinen überwältigenden Zuchterfolg. Heute, in den Vollblütern unserer Zeit, gehen mehr als 90% auf diesen Hengst zurück, und der aktivste Einfluss erfolgte über Phalaris durch seine Söhne Pharos und Sickle. Und von diesen relativ jungen Familienmitglieder Eclipses bekamen die Amerikaner bis 1981 34 klassische Sieger. Pharos‘ Sohn Nearco sorgte für Nasrullah, Royal Charger, Mossborough und Nearctic, und jeder von ihnen wurde für einen klassischen Sieger verantwortlich. Und Nasrullah zeugte Bold Ruler, der in den 1970er Jahren hocherfolgreich war, an Secretariat einen Triple Crown-Sieger zeugte, und von einem weiteren, Seattle Slew, der Urgroßvater wurde. In den späten 1960er und 1970er Jahren kamen aus dieser unmittelbaren Umgebung acht klassische Sieger. Fünf der sieben klassischen Sieger, die zu Royal Charger zurückführten, wurden zwischen 1965 und 1972 geboren, während der Belmont-Sieger von 1980, Temperence Hill, schon ein Urur-Enkel war. Nearcos Sohn Nearctic schenkte der Welt einen Northern Dancer, doch dessen Produkte waren in Europa wesentlich besser aufgehoben als in den USA. Dennoch hatte er 1982 an Timely Writer und Hostage zwei Dreijährige in Amerika auf der Bahn, die zu Favoritenkreis des Derbys zählten. Ersterer gewann zwar vier Grade One-Rennen, aber kein Klassik, und im Jockey Club Gold Cup im Oktober brach er ein Bein. Ein ähnliches Schicksal traf auch Hostage, der als Mitfavorit eine Woche vor dem Derby in der Arbeit ein Bein brach, jedoch für die Zucht gerettet werden konnte. 1989 nach Brasilien exportiert zeugte er dort auch die erhofften klassischen Sieger.

Auch Sickle „lieferte“, seit 1940, in jeder Dekade einen amerikanischen klassischen Sieger, und sein Meisterstück, sechs Generationen später, war der Triple Crown-Gewinner Affirmed, der diese 1978 gewann. Dessen Großvater Raise A Native wurde Vater von Majestic Prince (Kentucky Derby; Preakness Stakes), als auch Großvater von klassischen Siegern, die diese Rennen in drei aufeinander folgenden Jahren gewannen. 1978 begann Affirmed, dann folgte Coastal, und 1980 Genuine Risk. Alle drei amerikanischen Triple Crown Sieger der 1970er Jahre gingen von Phalaris aus, und nur einer direkt von Eclipse. Damit war der von Lord Derby gezogene Hengst gleichzeitig auch der stärkste klassische Einfluss jener Zeit in den USA.

Und der Eclipse-Nachfahre St. Simon (1881) war in dem angesprochenen Zeitraum ebenfalls aktiv. Seine Vertreter hießen 1981 Pleasant Colony (Derby; Preakness) und Summing (Belmont Stakes), und ein Jahr früher war es der Preakness Stakes Sieger Codex. Und seit sein Enkel Royal Tourist 1908 die Preakness Stakes gewann, wurde die St. Simon-Hengstlinie in Amerika in jeder Dekade durch wenigstens einen klassischen Sieger vertreten. Gallant Man gewann 1957 die Belmont Stakes, und Tom Rolfe acht Jahre später die Preakness Stakes. Oxford (1857; Birdcatcher) vertritt die sechste Generation von Eclipse und ist der Vorfahre der Dreifachen Krone-Sieger Sir Barton, Whirlaway und Assault. Und über Swyford führt der Weg zu Quadrangle (Belmont Stakes 1964) und dem Kentucky Derby-Sieger von 1965, Lucky Debonair. Dennoch waren für diesen Zweig die 1930er und 1940er Jahre erfolgreicher, als man ihm zwischen 1930 bis 1950 acht klassische Sieger zuordnen musste.

Zwischen 1953 und 1963 erblühte der Gainsborough Zweig der Eclipse Linie durch zehn klassische Sieger, zu denen Pensive-Ponder-Needles als „Drei-Generationen-Klassiker“ zählten, während ein anderes Segment, das zu einer Zeit die klassische Szene in Amerika beherrschte, von Teddy (1913) ausging. Seine Vertreter waren sein Sohn Sir Gallahad III und sein Enkel Bull Lea (1935). Zu ihr gehören drei Triple Crown-Siege, inklusive des „Vater-Sohn-Duos“ Gallant Fox und Omaha. 1979 gehörten 98 % aller amerikanischen graded Stakes-Sieger der Eclipse Hengstlinie an, während sich Herod und Matchen die übrigen 2 % teilten.

Für Matchem war Fair Play ein Nachfahre in der 11. Generation, und er zeugte vier klassische Sieger, zu denen auch Man O’War zählte. Und dieser, der ebenfalls vier dieser Sieger auf der Bahn hatte, durfte auch auf den Triple Crown Gewinner War Admiral verweisen, der der einzige „amerikanische Dreifache“ war, der nicht der Eclipse Hengst-Linie entsprang. Die Matchem-Linie ist nicht tot, sie wurde fortgeführt durch War Relic und dessen Urenkel In Reality (1964). Auch Frankreichs Derby- und „Arc de Triomphe-Sieger“ Sassafras, der 1988 in den USA einging, trug, über einen anderen Zweig, Matchem Blut.

Herod (1758) hatte in Amerika in der angesprochenen Periode seinen letzten klassischen Sieger 1966. Es war der Belmont-Gewinner Amberoid, ein Tourbillon Urenkel von Count Amber, einer von neun, die sich seit 1900 – der Höhepunkt dieser Hengstlinie in den USA war etwa jene Jahrhundertwende – mit klassischen Ehren schmücken konnten. Aber auch Amberoid war der erste klassische Sieger der Herod Hengstlinie nach 12 „nicht klassischen Generationen“. Und im amerikanischen „The Thoroughbred Record Sire Book“ von 1982 wurden nur wenige mit Matchem- oder Herod-Blut angeboten. Es war also auch hier „Eclipse first, the rest nowher“.

The Byerly Turk führt in seiner Hengstlinie zu Pferden wie dem ungeschlagenen Apfelschimmel The Tetrarch (1911; Roi Herode) oder Tourbillon (1928; Xar), der für Marcel Boussac zum Gründerhengst und dreifachem Beschäler-Champion wurde. Auch Englands Derbysieger von 1969, Blakeney, vertritt in seinem Mannesstamm eine direkte Linie, die zu Byerly Turk führt. Die Schaltstelle hier ist, wie bei Tourbillon, Herods großer Sohn Woodpecker (1773). Dieser, und der ebenfalls von Herod stammende ungeschlagene Highflyer, (1774) waren als Rennpferde fast so berühmt wie der große Eclipste. Als Vaterpferde wurden sie jedoch zu Grundpfeileren, während The Byerlys Töchter zahlreiche berühmte Familien schufen.

Der von Sir Charles Bunbury gezogene Highflyer kam gegen Ende seiner Rennlaufbahn für 2.500 Pfund in die Hände von Richard Tattersalls, der die geniale Idee hatte, das Blut des hervorragenden Herod mit dem des noch größeren Eclipse zu vereinen. Und so erwarb Tattersalls alle verfügbaren Eclipse-Stuten für sein Gestüt und wurde reichlich belohnt. Neben St. Ledger- und Oakssiegern zeugte Highflyer auch die Derbysieger Noble, Sir Peter Teazle und Skyscraper, die zu Epsom 1786/87 und 1789 gewannen. Und Sir Peter Teazle war auch der väterliche Ausgangspunkt von Frankreichs Derbysieger Friant (Champaubert), der 1912 in seiner französischen Heimat gewann. Richard Tattersalls ehrte seinen 13-fachen Beschäler-Champion ebenfalls. Er nannte sein Heim Highflyer Hall.

Zu der Hengstlinie, die von Godolphin Arabian ausging, zählen auch Hurry On, Precipitation oder Santa Claus, die direkte Nachkommen von Matchem sind. Als Santa Claus, der 1964 das Epsom Derby gewann, Anfang 1970 starb, verlor die Vollblutzucht einen ihrer vielversprechendsten Hengste. Der Sohn von Chamossaire (1942; Precipitation) besaß enorme Geschwindigkeit und war dennoch in der Lage, die Besten seiner Zeit über 2.400 Meter herauszufordern. Er gewann u. a. die 2000 Guineas und die Derbys zu England und Irland, und seinen zweiten Platz im „Arc de Triomphe“ erkämpfte er auf einem für ihn ungeeigneten Boden. Hurry On zeugte u. a. die drei Derbysieger Captain Cuttle, Coronach und Call Boy, und den hervorragenden Steher Precipitation (1933). Im St. Ledger war dieser noch nicht fit genug, schlug den Sieger aber drei Wochen später ohne Schwierigkeiten. Von seinen Siegen in Langstrecken-Rennen war der Ascot Gold Cup der wichtigste Treffer. In der Zucht fiel dem Hengst, der auf der Bahn die Farben seiner Züchterin Lady Zia Wernher getragen hatte, die Aufgabe zu, den Einfluss des großen Matchem fortzuführen. Er gründete auch neue Zweige, und seine Söhne sind in vielen Ländern tätig. Bei dem nach Japan exportierten Derbysieger Larkspur (1959; Never Say Die) war der große Steher der mütterliche Vater.

Von den beiden Derbysiegern Captain Cuttle (1919) und Coronach (1923), die die Farben ihres Züchters Lord Woolavington trugen, hielt Trainer Fred Darling den jüngeren für den etwas besseren Renner. Er musste jedoch erst herausfinden, dass Coronach einen starken Reiter und die Freiheit brauchte, seinen Weg zum Ziel selbst zu finden. Unter Joe Childs gewann der Fuchs mit der goldenen Mähne einige denkwürdige Rennen, doch verlor er drei von vier Kämpfen gegen Lord Derbys ausgezeichneten Phalaris-Sohn Colorado. Im Derby reichte es für diesen allerdings nur zum dritten Platz, und im Gestüt waren ihm nur zwei Saisons vergönnt. Coronachs mütterlicher Großvater Tredennis (Kendal) gewann nie ein Rennen, wurde aber ein ordentlicher Zuchterfolg. Zu seinen wichtigsten Nachkommen, die 485 Rennen gewannen, zählten vor allem die Söhne Golden Myth (1918), Bachelor’s Double (1906) und Lord Wembley (1923). Dieser zehnfache Sieger wurde 1928 nach Argentinien exportiert, wo er ein führender Hengst wurde, während der vom irischen Tally Ho Stud gezogene Golden Myth auch in den Eclipse Stakes und dem Ascot Gold Cup erfolgreich war. Bachelor’s Double war als Zweijähriger ungeschlagen und gewann neun von siebzehn Rennen, darunter das Irische Derby. Züchterisch gesehen war er das Produkt eines sieglosen Vaters aus einer nicht gelaufenen Mutter.

Coronach, der ein harter Puller war wie sein Halbbruder Captain Cuttle (1919), zeugte einige gute Pferde im Ausland und beendete sein Leben nach erfolgreichen jahren in Neuseelands Zucht. Captain Cuttle war massiv und stark wie sein Vater, konnte aber nicht so hart trainiert werden, wie es seine Statur verlangt hätte. Fred Darling war zwar der Meinung, dass er nicht so gut war, wie sein ungeschlagener Vater, aber dennoch ein großartiges, gelehriges und intelligentes Rennpferd gewesen sei. Nach nur drei Jahren in der englischen Zucht kauften ihn die Italiener 1927 für 50.000 Pfund und hatten, obwohl er schon im Alter von 13 Jahren starb, mit ihm großen Erfolg. In der Heimat hinterließ er an Walter Gay einen Derbyzweiten, und für King George V die 1925 geborene 1000 Guineas-Siegerin Scuttle, die als zweijährige die Cheveley Park Stakes gewonnen hatte und in den Oaks auf den Ehrenplatz lief. Der frühe Tod des Hengstes war jedoch auch ein Verlust für den weiteren Fortbestand der Matchem-Linie, die außerdem den Nachteil gehabt haben mag, dass ihr Begründer, The Godolphin Arabian, nur für gestütseigene Stuten herangezogen wurde.

Es war jedoch dieses große Dreigestirn, Eclipse, Herod und Matchem, das die Rasse Vollblut auf den Weg brachte. Von diesem Triumvirat führen die Linien wie ein großes Eisenbahnnetz in alle Welt. An ihren Knotenpunkten, den Galoppphänomenen und Zuchtwundern, vereinigen sie sich und streben wieder auseinander, um sich mit dem Besten und Neuem von nebenan aufs Neue zu vereinigen. Und so kommt man von Italiens Nearco zu Amerikas Crack Bold Ruler oder Canadas Riesen Northern Dancer. Englands Hyperion führt zu Argentiniens Supercrack Forli, der mit seinen Nachkommen eine regelrechte Bonanza feierte. Perus Pamblona, die in der Heimat die „Quadruple Crown“ gewann, fohlte 1973 Epsom-Derbysieger Empery, der später nach Japan exportiert wurde. Südafrikas Wolf Power hatte an Flirting Around einen Sohn des großen Amerikaners Round Table zum Vater, der selbst die Verbindung zu Europas Princequillo knüpft. Und für den „Veredlungsfaktor Vollblut“ in der Landespferdezucht muss man nur Halla oder Tempelhüter nennen, der zum Symbol des ostpreußischen Pferdes wurde.

Als „Original- oder Gründerstuten“ (ihr Pedigrees sind weiter zurück nicht verfolgbar) gilt in der Vollblutzucht nur eine kleine Anzahl, wobei man von weniger als 100 ausgeht, von denen im Laufe der Zeit etwa die Hälfte keine Rolle mehr spielte. Ende des 19. Jahrhunderts analysierten, unabhängig von einander, der Amerikaner Bruce Low und der Deutsche Hermann Goos die im neuesten General Stud Book eingetragenen Stuten bis hin zu ihrem mütterlichen Ursprung, und ihr Ergebnis waren 43 Familien. Bruce Low ordnete damals diese Stuten nach den Erfolgen ihrer Nachkommen und gab ihnen die Nummern 1-43, die jedoch nichts anderes als Familiennamen sind. Modernere Untersuchungen ergaben, dass 81 % der Gene aller heutigen Vollblüter von 31 Original-Vorfahren abstammen, und die Anzahl könnte sich durch die heute zur Verfügung stehenden Techniken auch noch weiter reduzieren.

Im Norden Englands wurden „Rennen“ schon sehr früh mit schnellen Ponys (Galloways) und ihren irischen Counterparts, den „Hobbys“, geritten. Gleichfalls gab es in England bereits um 1200 eine gezielte Pferdezucht, sodass auch andere Pferde aus Spanien und Italien importiert wurden, die bereits über Anteile von „Araberblut“ verfügten. Im 16. Jahrhundert kreuzten die Engländer Conemara-Ponys mit Arabern und Berbern, und erhielten dadurch einen neuen Typ Pferd, der größer und schneller war. Wahrscheinlich waren auch Andalusieer mit am Werk, die das „neue Pferd“ größer machten. Danach versuchte man es mit verschiedenen Kreuzungen. Und zu diesen zählten auch die Versuche mit den Hengsten Godolphin Arabian (oder Godolphin Barb), Darley Arabian und Byerly Turk, die man mit den einheimischen „gemeinen“ Stuten erfolgreich paarte. Einige Dekaten später etablierten die Engländer die Zucht durch „Line-Breeding“, also Inzucht. Auf der administrativen Seite erschien im 18. Jahrhundert auch der Rennkalender, den Weatherby in Zusammenarbeit mit den englischen Rennsport-Autoritäten veröffentlichte, wie auch 1786 eine Liste der erfolgreichsten Deckhengste, womit der Züchter Hinweise zu Leistungen auf der Rennbahn und zu den Vererbern erhielt.

Als die Rasse Vollblut durch intensive Auslese und Leistungsprüfungen fest etabliert war, veredelte es nicht nur andere Rassen, sondern half auch neue zu starten. So den Traber oder das Quaterhorse. Aber auch alle anderen halbblütigen Leistungsrassen sind mit Hilfe des Englischen Vollblutpferdes entstanden. Und als diese neuen Rassen „geboren“ waren, wurden sie durch Auslese und Paarung gefestigt.

Im amerikanischen Trabrennsport spielte der Vollblüter Messenger (1780; Mambrino) – 3 x 4 auf Cade; 4 x 4 auf The Godolphin Arabian ingezogen – eine besondere Rolle. Der Hengst, den John Pratt gezogen hatte, gewann in seiner Heimat zehn von 16 Rennen, wurde um 1787 von einem Thomas Berger in die USA importiert, deckte seine erste Saison 1788 in Philadelphia und wechselte danach mehrfach den Besitzer. Zu seinen Nachfahren zählte auch der 1849 geborene Hambletonian (Abdallah), der eine starke Trabaktion hatte und als der Gründervater der amerikanischen Traber angesehen wird. Messenger ist sein Urgroßvater, und bei Hambletonians Mutter Ammazonia steht er gleich zweimal im Pedigree. Ihr Vater Dove stammt von Saratoga, der ein Messenger-Sohn war, und Doves Großmutter trug den Namen Messengers Mare. Vollblüter wurden aber nicht nur genutzt, um die Traber auf den Weg zu bringen, sondern auch später noch eingekreuzt.

Die Traber-Rasse entstand jedoch aus dem Bedarf, ein schnelles Wagenpferd zur Verfügung zu haben. Das war so in Amerika, Frankreich oder auch in Rußland. Hier war es Ende des 18. Jahrhunderts der Graf Orlow, der diese Rasse entwickelte. Als Zuchtziel galt ein verlässliches Zugpferd für Kutsche und Schlitten, das lange Distanzen mit großer Schnelligkeit absolvieren konnte, wobei auch hohe Trabaktion und Adel gewünscht waren. Nach einigen Fehlversuchen kaufte er im heutigen Griechenland einige Araber, die bereits für Härte und Ausdauer bekannt waren. Zu diesen Neuerwerbungen gehörte auch der Schimmelhengst Smetanka, der mit 153 Zentimetern Größe den Vorstellungen Orlows am besten entsprach. Einer seiner Nachfahren wurde mit einer dänischen Stute gepaart, die den Hengst Polka I fohlte, der seinerseits mit einer holländischen Harddraver-Stute einen Hengst zeugte, der verbessertes Trabvermögen erkennen ließ. Und dieser Schimmel bekam den Namen Bars I und wurde zum Stammvater der Orlow-Traber, die jedoch wegen ihrer Lastbeförderung gegenüber anderen Trabern eine Sonderstellung einnehmen. Die inzwischen ausgestorbenen holländischen Harddraver waren eine sehr alte Rasse, die bereits Tacitus und Cäsar als „kleines, dunkles Pferd mit guter Trabaktion“ erwähnt haben sollen. Als der Vollblüter erschien, begann ihr Ende.

Die Amerikaner waren jedoch die ersten, die Wert auf eine hohe Trabgeschwindigkeit auf kurzer Strecke legten, ohne den Pferderücken zu belasten. Das war zwar ähnlich wie das Vorhaben, das Graf Orlow anstrebte, aber bei ihm sollten weite Distanzen in schwierigem Gelände schnell überbrückt werden, wobei auch noch eine erhebliche Zuglast auf jedes Pferd einwirkte. In Amerika jedoch waren es kurze Distanzen auf „gepflegtem“ Geläuf, und das zu ziehende Sulky war federleicht. Somit war es auch logisch, dass sich, neben dem Orlow-Traber, ein völlig anderer „Traber-Typ“ entwickeln musste. Und im Gegensatz zum Galopper, dessen Beschleunigung des natürlichen Trabes der Galopp ist – womit auch der Renngalopp eine natürliche Gangart bleibt – wurde dem Traber eine künstliche „Hochgeschwindigkeits-Gangart“ im Trab anerzogen. Und die Zucht auf diese Trabschnelligkeit hat auch das Exterieur der Traber beeinflusst, auf diese unnatürliche Gangart angepasst, und damit auch das Skelett für den beschleunigten Trab geformt. Äußerlich sichtbar ist das z. B. durch den oft kurzen Schritt, denn der Traber braucht nicht unbedingt die beim Galopper so wichtige schräge Schulter. Auch Sehnen, Lunge und Herz werden beim Traber nicht so stark belastet wie beim Vollblüter, denn das Tempo auf den Traber-Ovalen ist geringer, und das Trabrennpferd hat auch stets zwei Beine auf der Erde. Das Rennpferd, das beispielsweise auf englisch-irischen Rennbahnen auch bergan und bergab galoppiert und springt, muss jedoch in der schnellsten Gangart an seine Grenzen gehen, als auch den gesamten Schwung und die Wucht mit jeweils einem Vorderbein abfangen. Ein Unterschied, der auch die Kosten beider Sportarten beeinflusst und den Trabrennsport „preiswerter“ macht.

In der Quater Horse-Zucht hat der Vollblüter Old Sorrel einen Namen, und der Araber El Bedavi war in der Südtiroler Haflinger-Zucht eine wichtige Quelle. Die American Quarter-Horses haben ihren Ursprung in den Kolonien Virginia und Carolina, wo die Siedler am Rande der Wildnis ein hartes Leben führten und einen schnellen, kräftigen und robusten Typ Pferd entwickelten. Zunächst hatten die Spanier wieder Pferde mit nach Amerika gebracht, und die Indianer züchteten mit entlaufenen oder erworbenen Tieren daraus einen kleinen harten und genügsamen Typ. Weitere Pferde, auch lokaler Rassen, kamen im frühen 17. Jahrhundert mit englischen Einwanderern in die neue Heimat, die die Chickasaw bereits um 1611 mit ihren wesentlich schnelleren und flinken Pferden gekreuzt haben sollen.

1752 wurde der in England auf Langstrecken erprobte vierfache Sieger Janus (Godolphin Arabian) nach Virginia importiert, der mit 150 Zentimeter Größe ein eher globaler Typ Vollblüter war. Über seine Mutter, die von Bartlett’s Childers stammte, hatte der Hengst an Darley Arabian einen weiteren Vollblut-Gründerhengst im vorderen Pedigree. Seine Nachkommen mit den Pferden der Region waren klein, kompakt, hart, muskulös und zeigten Sprintstärke über kurze Strecken. Und das war genau der Typ, den die Farmer damals brauchten, als sie sich am Rande der Wildnis eine neue Existenz aufbauten. In der Woche arbeiteten diese Pferde sehr hart auf dem Feld, im Wald, vor dem Wagen, oder sie trugen ihre Reiter über weite Wege. An den Sonntagen waren sie jedoch gefragte „Rennpferde“, die auf kurzen Wegen oder anderen Pisten, die ihre Besitzer irgendwo über etwa 400 Meter freigeschlagen hatten, Abwechslung in das harte Dasein brachten.

Als sich bei den Siedlern in Texas die Rinderarbeit als Hauptaufgabe entwickelte, reifte die in Virginia erfundenen Rasse durch das Einkreuzen der Mustangs, die westlich des Mississippies lebten, zum American Quater Horse. Für diese Rasse war auch der in Virginia gezogene, siebenfache Sieger Sir Archy (1805) von Bedeutung, der an Diomed den ersten Derbysieger zum Vater hatte und 3 x 4 auf Herod ingezogen war. Auch der bereits genannte Janus übte durch seinen Sohn Printer (1817), dessen Mutterseite unbekannt ist, weiteren Einfluss auf diese Sprinterrasse aus, wie auch der vor ihm geborene Vollblüter Blackburns Whip (1805). Dieser Hengst hatte den großen Eclipse zum Urgroßvater, und bei seiner Mutter stand in der dritten Generation auf beiden Seiten Janus im Pedigree.

Als legendäres Quarter-Horse galt auch der 1843 geborene Steel Dust, ein Halbblüter von Harry Bluff, der Blackburns Whip zum Großvater hatte. Seine Vollblutmutter Big Nancy stammte von dem Sir Archy-Enkel Jackson, dessen Mutter eine Tochter von Blackburns Whip war. Und auf diesen Steel Dust ging auch Peter McCue (1895) zurück, der in dieser Flitzerzucht als bedeutender Vererber bezeichnet wird.

Sehr früh war auch Kaiser Friedrich Wilhelm I. bei der Arbeit, der zunächst beschloss, seine über das ganze Land verstreuten Bestände (mehr als 1.000 Pferde, inkl. rund 500 Zuchtstuten) aus den Gestüten und Marställen zu zentralisieren.

1732 wurde per Erlass das Hauptgestüt Trakehnen gründete, das an das gleichnamige Dorf grenzte, und ab 1786 in Königlich Preußisches Hauptgestüt Trakehnen umfiermierte und auf freiem Gelände entstanden war.

Die besten Pferde wurden für die Zucht ausgewählt, und diese hochselektiv weitergeführt. 1817 wurden einige englischen Vollblüter und Araber gekauft, und weitere 1826 und 1837 angeschafft. Danach führten stetige harte und strikte Selektierung und Aussonderung zu dem edlen Pferd, das wir heute als Trakehner bezeichnen, und die bereits ab 1912 bei Olympischen Spielen starteten, und 1936 vier von sechs Goldmedaillen im Reiten gewannen.

In jenen Jahren war das Trakehner Haupt-Gestüt, das ursprünglich eins von fünf Preußischen Hauptgestüten war, auf mehr als 6.000 Hektar angewachsen. Davon waren etwa 2.400 Wiesen und Weiden, der Rest Acker- und Gartenland, Anlagen und Wege. Als die Rote Armee gegen Ende des Zweiten Weltkrieges näherrückte, wurde Trakehnen im Oktober 1944 evakuiert. Insgesamt haben nur etwa 700 Pferde Krieg und Flucht überlebt, darunter wenige Dutzend Hengste. Die meisten dieser Pferde landeten in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern, weil manche Treks ihren Marsch nach Westen dort abbrachen. Keith (1944) war der letzte Original-Trakehner-Hengst, der 1976 mit fast 35 Jahren in Niedersachsen seine Augen für immer schloss. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen wieder neue Hengstlinien dazu, die auf Vollblut-Stammvätern beruhten, doch haben auch von den etwa 20.000 Züchtern, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg mit dieser Zucht befassten, nur einige Hundert überlebt. Heute ist die Trakehnerzucht ein lebendiges Kulturgut und auch unter staatlicher Kontrolle.

Die Vorarbeit für die „Trakehner“ leisteten aber schon die Ordensritter, denn als diese in das spätere Hochzuchtgebiet des ostpreußischen Warmblutpferdes Trakhener Abstammung einzogen, gab es dort aus der bodenständigen Zucht nur eine kleine, flinke und zähe Rasse, das Schweikenpony. Sie nutzten diesen Typ zwar auch für die Kampfreiterei und förderten die weitere Reinzucht des kleinen Schweiken, gründeten für den eigenen Bedarf jedoch selbst Gestüte. Um 1400 soll es davon mehr als 30 gegeben haben, wobei das Zuchtziel ein schweres Reitpferd war, das dem gepanzertem Ritterheer entsprach. Als der Orden 1410 nach der Schlacht von Tannenberg zerfiel und weitere Kriege folgten, war auch der Niedergang der blühenden Pferdezucht eingeläutet.

Erst als der Markgraf Georg Friedrich etwa 200 Jahre später die Regentschaft übernahm, wurde die Pferdezucht unter strengen Regeln der Selektion fortgeführt, die Zucht den Ansprüchen der Zeit angepasst und orientalisch beeinflusste Veredlerhengste eingeführt, um ein leichtes Militärpferd zu erhalten.

Zu den „veredelten“ Pferden unserer Zeit zählte auch Hans-Günther Winklers großartige Halla, mit der er 1954 Weltmeister der Springreiter wurde und 1956 und 1960 drei olympische Goldmedaillen gewann. Ihr Vater Oberst war ein deutscher Traberhengst, dessen väterliche Wiege in Amerika stand. Die Abstammung der Mutter dieser Legende und Diva, die 1979 im Alter von 34 Jahren starb, ist unbekannt, denn sie soll ein französisches Beutepferd gewesen sein. In Warendorf wurde dieser Wunderstute eine lebensgroße Bronzestatue gesetzt, die auch gleichzeitig daran erinnert, dass Hans-Günther Winkler nicht nur einer der allerbesten Springreiter war, die Deutschland je hervorbrachte, sondern auch der erfolgreichste Springreiter der Welt. Er gewann fünf Goldmedaillen und je einmal Silber und Bronze, dazu zwei Weltmeister- und einen Europameistert-Titel. Mit Halla und Winkler wird sich auch stets der meisterliche Ritt und die unglaubliche Leistung dieser Stute verbinden, die in der zweiten Runde im Nationenpreis bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1956 einen schwer verletzten Reiter im Sattel hatte, der bei jedem Sprung vor Schmerzen aufstöhnte und seiner Partnerin nur wenig helfen konnte. Aber dieser Null-Fehler-Ritt sicherte der deutschen Mannschaft Gold. Es war eine unglaubliche, einmalige Leistung von Mensch und Pferd.

Seit 1377 sind bereits Match-Rennen bekannt, die mit Stechen über vier bis fünf Meilen abgehalten wurden, und zu Zeiten King Charles II., der dabei auch selbst in den Sattel stieg, wurden Rennen auch schon im englischen Newmarket abgehalten. Aus den jährlichen Besuchen des Königs im Frühjahr und Herbst ging nicht nur das „Newmarket Town Plate“ hervor (1675 gewann er es selbst), sondern auch die beiden großen Meetings unserer Tage. 1727 wurden Geldpreise eingeführt, und ab 1750 unterschiedliche Distanzen. Dreißig Jahre später war Diomed der erste Derbysieger, und 1791 hatten die Ausgleichsrennen Premiere. Diese sollten, durch mehr oder weniger zu tragendes Gewicht, allen Startern eines Rennens gleiche Chancen einräumen. In jenem Jahr erschien auch von James Weatherby „An Introduction to a General Stud Book“, in der er die Fohlen in chronologischer Folge unter dem Namen der Mutter auflistete, Pedigrees und private Notizen hinzufügte. Damit war der Start des Auftrages erfolgt, den der Jockey Club vergeben hatte, um die verstreuten Daten zu der unübersichtlichen Zucht- und Rennsituation des 18. Jahrhunderts in einem einzigen Report zusammenzufassen. Diesem „Vorbuch“ folgten 1792, 1800 und 1803 weitere Ausgaben, die die Originalausgabe verbesserten, korrigierten und erweiterten, während die endgültige Schlussversion des ersten Bandes 1808 veröffentlicht wurde. In dieser sollen bereits rund 5.500 Pferde mit ihren Namen und Daten erfasst worden sein.

Danach war es dessen Neffe James Weatherby, der nach langer Arbeit und Durchforschung von Rennaufzeichnungen und privaten Gestütsbüchern 1727 das Englische Gestütsbuch wirklich startete und die Stuten mit ihrem Pedigree und ihren Produkten alphabetisch auflistete. Dazu gehörten auch Farbdetails, Geschlecht und der Vater des jeweiligen Fohlens.

Die fortführenden Bände zwei bis sechs erschienen 1821, 1832, 1836, 1845 und 1849. Danach veröffentlichte Weatherbys das jeweils neueste General Stud Book aller vier Jahre. Im Band 19 formulierte das Vorwort etwa Folgendes: Für die Aufnahme im General Stud Book sind acht oder neun Kreuzungen reinen Blutes nötig, die wenigstens 100 Jahre zurückführen, und das einzutragende Pferd muss zusätzlich die Leistungsmerkmale der Rasse Thoroughbred (durchgezüchtet) zeigen.

Im 19. Jahrhundert begannen auch Europäer, Australier, Japaner und Südamerikaner Vollblüter von der Insel einzuführen. Doch während die Franzosen, die 1817/1818 ihre Importe starteten, für den Sport in Frankreich noch Zeit brauchten, und der Französische Jockey Club erst 1830 gegründet wurde, hatten die Amerikaner schon vorher bessere Pferde nach Amerika geholt und schrieben 1745 in Maryland bereits Rennen für „pedigree horses in the English Style“ aus. Und diese Provinz war, zusammen mit Virginia, gleichzeitig auch das Zentrum der colonialen Vollblutzucht.

Vor der Revolution waren besonders Messenger (1788), der die Flying Childers Hengstlinie vertrat, und Derbysieger Diomed (1777) wichtige US-Importe, wobei der 1788 in Philadelphia seine erste Decksaison absolvierende Messengers wenig Einfluss in der Vollblutzucht hinterließ, aber als einer der Gründerhengste der amerikanischen Traberzucht gilt. Anschließend steuerten die drei wichtigsten Beschäler der frühen Jahre erheblich zum Genpool des moderneren amerikanischen Vollblüters bei. In Prozent ausgedrückt waren das für Matchem etwa 5-6, für Herod 17 oder 18, und Eclipse war mit 11 bis 12 % beteiligt. Zu den späteren Hengsten, die das amerikanischen Vollblut ebenfalls erheblich beeinflussten, zählte auch Derbysieger Hermit (1864; Newminster), der in England/Irland von 1880 bis 1886 an der Spitze der Beschäler stand und fünfmal der beste Vater von Mutterstuten war, dessen direkte Hengstlinie aber ausstarb. Ein anderer, der kleine Hampton (1872; Lord Clifden), begann in Verkaufsrennen und startete auch über Hürden, bevor sein Stern in den großen Handicaps, Cup-Rennen und sieben Queen’s Plates aufging. Er zeugte drei Derbysieger, stand 1887 bei den Beschälern an der Spitze, und sein bester Sohn Bay Ronald setzte seine Hengstlinie fort, die mit The Darley Arabian begann und über den Riesen Eclipse führte. Galopin (1872; Vedette), gewann das Derby und acht von neun Starts, konnte lange und kurze Strecken gehen, wurde Vater von St. Simon und siebenfacher Championbeschäler, viermal davon bei den Vätern erfolgreicher Mütter. Isonomy (1875; Sterling) hätte das Derby wohl spielend gewonnen, doch zog sein Besitzer diesem möglichen 5.825 Pfund-Gewinn einen einzigen Start als Dreijähriger im Cambridgeshire vor, der ihm einen Wettgewinn von 40.000 Pfund sicherte. Als Vierjähriger galt es jedoch, seinen Wert als Beschäler zu steigern. In der Ascot Gold Vase schlug er den Derbysieger von 1877, Silvio; dann folgten Brighton Cup, Ebor Handicap, Manchester Autumn Cup unter 62 Kilo, während er im Ascot Gold Cup den hervorragenden Franzosen Verneuil und die erstklassige Janette schlug. Und diese Lord Cliften-Tochter hatte die Oaks, Yorkshire Oaks, St. Ledger, Champion Stakes und den Jockey Club Cup gewonnen. Im Gestüt zeugte er Isinglas, der Englands „Triple Crown“ gewann, und sein Sohn Gallinule wurde Vater der großen Pretty Polly. Auch Bend Or (1877; Doncaster), den der Duke of Westminster zog; St. Simon (1881; Galopin), der auf das Züchterkonto von Prince Batthyani ging und auf der Rennbahn die Farben des Duke of Portland trug, und Domino, der als Zweijähriger 1893 in Amerika alle neun Starts gewann und in seiner Heimat zu den schnellsten Pferden des 19. Jahrhunderts zählte, trugen mit ihren Genen ebenfalls erheblich zur Vervollkommnung des amerikanischen Vollblüters bei.

Der Vorgänger des Amerikanischen Gestütsbuches von 1868 fand seinen Niederschlag in der Erstausgabe von 1873. Nach der Gründung des Jockey Clubs (1864) kaufte dieser auch die Rechte am Gestütsbuch, doch ging dessen „Entwicklung“ sehr langsam vor sich, weil amerikanische Pferde auch im Englischen Gestütsbuch registriert werden konnten. Als jedoch durch die amerikanischen Antiwettgesetze eine Schwemme von US-Pferden mit zweifelhafter Abstammung in England zu erwarten waren, zogen die Briten 1913 den entsprechenden Paragraphen im Band 22 ganz eng und wiesen darauf hin, dass nur Pferde eingetragen werden dürfen, deren Vorfahren auf beiden Seiten auf Pferde zurückführen, die bereits in früheren Ausgaben des Englischen General Stud Books registriert sind. Diese als „Jersey Act“ bekannte Aktion schloss damit auch zwei der einflussreichsten amerikanischen Beschäler aus, Man O’War (1917; Fair Play) und Whirlaway (1938; Blenheim). Dieser, der von 60 Rennen 32 gewann und 18 zweite und dritte Plätze belegte, gewann Amerikas „Triple Crown“, und Man O’War wurde in zwei Saisons bei 21 Starts nur einmal geschlagen, etablierte fünf Weltrekorde, gewann selbst mehr als 250.000 $, und seine Nachkommen brachten mehr als drei Millionen auf ihre Konten. Aber sie hatten Lexington in ihrem Pedigree.

Für die Amerikaner war die Neufassung jenes Paragraphen somit eine Katastrophe, denn ihre Pedigrees waren noch viel zu jung, und ihr herausragender Beschäler, der 1850 geborene Lexington, der 16 Mal die Liste der Deckhengste anführte, stammte zwar von Englands erstem Derbysieger Diomed ab, hatte jedoch auf seiner mütterlichen Seite „ein Loch“, eine unbekannte Stute im Stammbaum, und somit war auch er, wie seine Nachkommen, nach der Neuformulierung ein Halbblut. Als Durbar II 1914 das Derby gewann, war er nicht nur das erste französische Pferd seit Gladiateur, der das 1865 schon konnte und die Engländer schockierte, sondern seine mütterliche Urgroßmutter stammte auch noch von Lexington. Durbar gehörte zwar zu einer der besten Familien Amerikas, doch zum Zeitpunkt seines Sieges wäre er für das Englische Gestütsbuch durch dessen neuen Paragraphen nicht qualifiziert gewesen. 1949 wurde dieser revidiert und wieder auf die frühere Version beschränkt, sodass auch die vielen französischen, amerikanischen und italienischen Sieger nach dem Zweiten Weltkrieg in England „rechtens waren“. Beseitigt wurde dabei auch das Problem, das nun auch sehr zeitige Importe in das englische Gestütsbuch eingetragen werden konnten, die vor der letzten Korrigierung der Voraussetzungen ausgeschlossen waren.

Von diesen als Halbblüter eingestuften Pferden, die nicht in das General Stud Book Einlass fanden, weil in der geforderten Ahnenreihe „ein Loch“ war, gehörte auch die Stute Lavant aus der „Verdict-Familie“, die eine Urenkelin der Verdict war. 1970, im Band 36, konnte Lavant mit ihren Produkten dennoch aufgenommen werden, denn diese Linie hatte bewiesen, was im korrigierten Paragraphen zusätzlich gefordert war, dass sie inzwischen der Definition und den Leistungen eines Vollblüters entsprach. 1965 und 1968 gehörten Lavants Söhne Lucasland und So Blessed, der ein Jahr früher schon der schnellste Zweijährige in England war, zu den absoluten Top-Sprintern. Lavant war, wie ihre Mutter Firle, selbst Siegerin, und die Großmutter Versicle zählte zu ihren acht Erfolgen sogar den Coronation Cup. Und Verdict, nach der diese Familie benannt ist, brachte die Linie bereits mit Quashed (Oaks und Ascot Gold Cup) und Thankerton (Dritter in den 2000 Guineas und im Derby) in Gang. Die eine dubiose Stute in Lavants direkter Mutterlinie war eine etwa 1837 geborene Tochter von Perion (2. im Derby 1832) der von Derbysieger Whisker stammte; die andere kam über Verdict’s Vater Shogun ins Spiel, der vom General Stud Book ausgeschlossen war, weil seine 7. Mutter, die von Rosedon stammende, etwa 1812 geborene Rosedon Mare, auf der mütterlichen Seite keine identifizierbaren Vorfahren besaß. Lavant selbst konnte in ihrer Stutenlinie zwar zehn Vollblutkreuzungen nachweisen, und nur die entfernteste, die zehnte war dubios, weil die von Perion gedeckte Stute unbekannter Abstammung war. Rein theoretisch spielte das aber keine Rolle, denn die ersten sieben Kreuzungen waren schon automatisch hinfällig, da der Vater von Verdict, Shogun, die Sequenz dadurch unterbrochen hatte, weil seine siebte Mutter, Rosedon Mare“ aus einer unbekannte Stute stammte, und ihm damit den Eintrag ins General Stud Book nicht gewährte. Somit waren die verlangten zehn Vollblutkreuzungen der Mutterseite nicht gegeben, und Lavant galt als Halbblüterin. Erst als sie bewiesen hatte, dass die Leistungen ihrer Nachkommen denen eines Vollblüters entsprachen, war der Eintrag nach der Neufassung des Paragraphen möglich.

Das erste „wirkliche Rennpferd“ in der Geschichte der neuen Rasse war der 1715 in England von Darley Arabian gezogene Hengst Flying Childers, dessen Vorfahren ausschließlich „aus dem Osten“ kamen. Er war das beste Pferd seiner Zeit und soll die Meile in einer legendären Minute gelaufen sein. Auf der Mutterseite ist er das Produkt von Inzuchttheorien und somit ein Triumph neuer Erkenntnisse in der Tierzucht. Über seine Rennen ist wenig aufgezeichnet, doch gewann er auch ein Match über 9.600 Meter. Ein wesentlich besserer Maßstab seiner damaligen Größe stammt jedoch aus dem April 1722, als er den hervorragenden Fox (1714; 11 Siege;) schlug, der drei King’s Plates, ein Ladie’s Plate und mehrere Match-Rennen gewann, unter denen sich auch eins um 2.000 Guineas befunden haben soll. In jenem Match soll Flying Childers mindestens sechs Kilo mehr im Sattel gehabt haben und Fox, der 1737 und 1735 Englands Champion-Vererber war, über eine unbekannte Distanz mit vierhundert Metern Vorsprung besiegt haben. Seine Urenkelin Allabaculia gewann zwar unter John Singleton 1779 das erste St. Ledger, doch konnte Flying Childers keine dauerhafte Hengstlinie etablieren. Das tat jedoch sein nicht gelaufener Bruder Bartlett’s Childers, der Squirt zeugte, dessen Sohn Marske der Vater des großen Eclipse wurde. Auch in den Adern des englischen Derbysieger von 1966, Charlottown, pulsierte noch Blut von Flying Childers, dessen Enkel Snap (1857; 3 x 3 auf Fox ingezogen) eines der besten Rennpferde seiner Zeit war und das Blut seines Vorfahren erfolgreich weitertrug. So auch in den Derbyiegern Saltram, der 1783 zu Epsom triumphierte und 1799 nach Virginia exportiert wurde, und dem vier Jahre jüngerem Sir Peter. In beiden Fällen war Snap, der in die USA exportiert wurde, der mütterliche Großvater. In den Pedigrees der Derbysieger Whalebone, Whisker, Phantom und Pope stand Snap in deren Ahnenreihen ebenfalls weit vorn.

Bei dem ersten wahrhaften Rennpferd, das 49 Jahre später diese Welt betrat, Eclipse, stand Flying Childers Vater Darley Arabian als Ururgroßvater bereits drei Generationen weiter hinten, und seine Mutter Spiletta war eine Enkelin von Godolphin Arabian. Der von Marske stammende Hengst, der sieben Heats und 19 Rennen im Spaziergang gewann, muss dabei in nur zwei Jahren etwa 2.200 Kilometer gewandert sein, um 100 Kilometer in seinen Rennen zu laufen, denn Transportmöglichkeiten gab es damals noch nicht. Der 1764 während einer Sonnenfinsternis geborene Fuchs wurde nie geschlagen, war stets überlegen, eisenhart, gesund, eine Legende und als Deckhengst von überragender Bedeutung. Heute – 2007 waren es 95% – steht sein Name in fast allen Pedigrees der Vollblüter rund um die Welt. Die Pferde unserer Zeit würden ihn schlagen, aber damals muss er ein Überpferd gewesen sein. „Eclipse Erster, der Rest nirgendwo“, ein Spruch, den uns jene Zeit überlieferte. Mit diesem Phänomen überlappte sich auch die Zeit dreier weitere bedeutender Hengste: Dem harten Steher und Godolphin Arabian-Enkel Matchem (1748-81); Herod (1758-80), ein Ur-Ur-Enkel von Byerly Turk, der die Besten seiner Zeit schlug, achtmal die Deckhengstliste Englands anführte, und dessen Sohn Florizel (1768) zehn Rennen gewann und an Diomed Englands ersten Derbysieger zeugte. Der Dritte war Herold’s Sohn Highflyer (1794-93), den Sir Charles Bunbury zog, Richard Tattersall besaß und der 13 Deckhengst-Championate gewann. Mit diesen Pferden standen den Züchtern auch alle Möglichkeiten offen, um in der Zucht zu experimentieren oder neue Kreuzungen zu versuchen. Und auch die vielerorts verpönte Inzucht wurde von den frühen Züchtern intensiv genutzt (heute spricht man nur noch von Inzucht, wenn der gleiche Vorfahre weit vorn, bis zur dritten und vierten Generation, vorkommt, denn der Vollblüter als solcher ist insgesamt ingezogen). Auch die Idee des ausgewiesenen Pferdemannes Richard Tattersalls, das Blut Herod’s mit dem von Eclipse durch dessen Töchter und Hyfligher zu vereinigen resultierte in drei Derbys, zwei St. Ledgers und Frankreichs Derby 1912.

Wichtiger als die Statistik ist jedoch die Tatsache, dass ihr Einfluss die kritische Phase in der Vollblutzucht dominierte. Sie liefen zu Beginn dieser neuen Zucht, als sich die Pferde viel langsamer entwickelten als heute (Eclipse lief erstmals als Fünfjähriger), und das „Kings Plate“, das Eclipse elfmal gewann, besaß damals den größten Prestigewert. Aber diese Rennen basierten auf Kraft und Ausdauer, und die Pferde hatten 12 Stones (76,2 kg) über vier Meilen zu tragen. Ihre Nachfahren aber liefen in einer neuen Zeit, und in dieser galten Speed und Frühreife als immer wichtigere Faktoren. Es gab nun auch Rennen für Zweijährige, und für die Dreijährigen wurden die „Classics“ St. Ledger, Oaks und Derby als der ultimative Test entwickelt. Es war jedoch keiner dieser vier großen Hengste – Eclipse, Herod, Matchem, Highflyer – allein für die neue Entwicklung verantwortlich, sondern die Kombination von Eclipse und Herod galt für die „klassische Zucht“ als das frühe Rezept. Bestes Beispiel war damals der Derbysieger von 1793, Waxy, ein Hengst von Pot-8-Os (Eclipse) aus der Herod-Tochter Maria (1777), der von William Clift geritten wurde. Sein Trainer Robson gewann sieben Derbys, zehn Oaks und galt in jenen Jahren als Bester seiner Zunft. Er starb 1838 in Newmarket. Und Waxy zeugte die Derbysieger Pope, Whalebone, Blucher und Whisker.

Waxys Vater, der noch als Zehnjähriger im Training war, war ebenfalls ein gutes und hartes Pferd, das die Spitzenkönner seiner Zeit alle schlug. Er gewann 35 Rennen, und 17 davon führten über mehr als vier Meilen auf Newmarkets Beacon Course. Im Gestüt war er extrem erfolgreich. Er zeugte noch zwei weitere Derbysieger, und in Waxys Derby war er der Vater von sechs der dreizehn Starter. Waxy, der im Derby Gohanna (Mercury) schlug, focht mit diesem anschließend noch zahlreiche Duelle aus. Insgesamt behielt dabei aber der Derbysieger die Oberhand, doch hatte der schmale Gegner die Courage eines Löwen.


Eclipse (1764), das überlegene Rennpferd seiner Zeit

Im Gestüt war er ebenfalls erfolgreich, und sein Derbysieger hieß 1807 Election, der John Arnull im Sattel hatte. Für Lord Egremont war dieser Fuchs der vierte Derbysieger in Folge.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sah ebenfalls zwei ungeschlagene, brillante Vollblüter: St. Simon und Ormonde, den Gewinner der „Dreifachen Krone“. Aber sie erlebte mit Stockwell, Hermit und St. Simon auch drei außergewöhnlich erfolgreiche Deckhengste. Und diese Pferde waren gleichzeitig ein messbarer Prüfstein dafür, dass sich das Englische Vollblut weiterentwickelt hatte. Dieser Beweis wurde spätestens 1975 erbracht, als die Siegerzeiten von Derby, Oaks und St. Ledger wissenschaftlich analysiert wurden und in dem Ergebnis resultierten, dass es bis 1900 pro Dekade eine stetige Verbesserung um etwa 2 % gab. Danach war diese Tatsache kaum noch feststellbar. Wahrscheinlich war das Vollblut damals am Ende seiner genetischen Entwicklung angekommen.

Admiral Rous schrieb bereits 1850: „Es wird angenommen, dass ein erstklassiges englisches Vollblut-Rennpferd dem besten Araber, der zu finden ist, sechs Stones (etwa 38 Kilo) geben kann“. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass sich damit die neue Rasse „Thoroughbred“ gewaltig verbessert und zu einer neuen, sich über alle anderen Pferderassen erhebenden eigenen Rasse entwickelt hat, deren Markenzeichen Speed (Schnelligkeit) ist. Und in diese Entwicklung flossen auch Faktoren ein wie der Import von „Speed“ zur Jahrhundertwende aus den USA, die Inzucht auf St. Simon, die sich auch in den beiden mächtigen klassischen Vererbern des 20. Jahrhunderts, Hyperion und Nearco, zeigte. Auch der Einfluss so großer Stallions wie Phalaris und Blandford, die Etablierung des englischen Nationalgestüts, das Spitzenhengste aufstellte, Geldspritzen aus den Wettumsätzen und anderen Quellen in den Sport, moderne Erkenntnisse zu Fütterung, Aufzucht, Training, Veterinärmedizin oder Geläufspflege dürften sich auf dem Weg zum „vollendeten Vollblüter“ ebenso positiv ausgewirkt haben, wie die US-Hengste, die in den 1960er Jahren nach England kamen, oder die 1969 eingeführten Gruppen-Rennen und die Globalität, die Zucht und Sport erfasste. Wenn auch die Zucht keinen mathematischen Formeln folgt, das heutige Rennpferd entwicklungsmäßig vielleicht fast „ausgereizt“ ist, so dürfte es aber auch in der Zukunft Pferde geben, die, wie zuletzt ein Frankel, immer noch einen Tick genialer sind, als der beste Vorgänger. Und wenn sich diese wunderbaren Geschöpfe mit ihren Champions auch weiterhin „nur“ so präsentieren, wie das inzwischen der Fall ist, dann müsste man doch eigentlich voll zufrieden sein, zumal das Spiel der Gene ohnehin in jeder Generation für neue Spannung sorgt.

Für die frühe Importation von „Speed“ steht der 1892 geborene Topsprinter und Lexington-Urenkel Americus, dessen väterlicher Urgroßvater auch der Vater seiner Großmutter war. In Amerika lief er als Rey del Carreres. Die neue Heimat gab ihm einen neuen Namen, und er England 1905 seine Tochter Americus Girl. Und diese Fuchsstute wurde Vorfahrin einer brillanten Sprinterlinie-Linie des 20. Jahrhunderts, an deren Spitze mit Mumtaz Mahal, „the flying filly“, stand, die The Tetrarchs beste Tochter war. Die gesamte Nachkommenschaft dieser Schimmelstute, die eine der einflußreichsten Pferdedamen in der Vollblutzucht wurde, besaß Geschwindigkeit. Lexingtonblut trugen auch Sibola (Ur-Ur-Großmutter von Nearco) und Rhoda B, die Mutter von Orby, dessen Stehvermögen gerade ausreichte, um 1907 die Derbys von England und Irland zu gewinnen. 1908 wurde Americus in Irland als Hauptbeschäler für das Trakhener Hauptgestüt gekauft, wo er schon im Frühjahr 1909 an Darmriss einging.

Den offiziellen Begriff des „klassischen Rennpferdes“ gibt es nicht, doch waren und sind es die „klassischen Rennen“, die die jeweils dreijährige Hengst- und Stutenelite über unterschiedliche Distanzen prüfen und der Zuchtauslese dienen, auch wenn heute noch viele andere, internationale Großereignisse ebenfalls eine Rolle spielen. Und unter „Classic“ werden höchster Standard, berühmt für lange Existenz und Excellence, verstanden. Und lange bevor kommerzielle Interessen den „Turf“ zur Industrie machten, waren diese Rennen, die auch zur englischen Tradition gehören, längst etabliert, und ihre Sieger sind die Elite unter Tausenden von Vollblütern. Den Anfang machte das „St. Ledger“ 1776 (2.900 Meter im September zu Doncaster); die „Oaks“ folgten Anfang Juni 1779 über 2.414 Meter zu Epsom wie das „Derby“, das ein Jahr später Premiere hatte. In den ersten vier Jahren führte es über eine Meile, danach war es die gleiche Distanz, die in den „Oaks“ zu laufen ist, eineinhalb Meilen. 1814 und 1809 wurden die „1000 und 2000 Guineas“ zu Newmarket eingeführt, die beide im April jeweils über eine Meile führen. Die „Oaks“ und die „1000 Guineas“ sind nur den Stuten offen, der Rest beiden Geschlechtern, wobei Stuten gegenüber Hengsten einen Gewichtsnachlass erhalten. Und eine alte englische Turfweisheit besagt, dass das „früheste“ Pferd die 2000 Guineas gewinnt, das Beste das St. Ledger und das glücklichste das Derby. Wem der Wurf 2000 Guineas, Derby und St. Ledger gelingt, der hat die seltene „Dreifache Krone“ gewonnen. In England war West Australian 1853 der erste Sieger der „Dreifachen“, und Nijinsky 1970 unter Lester Piggott der letzte der insgesamt 15 Vollblüter, denen das auf der Insel gelang. Amerika, das bis Ende 2016 auf 12 Sieger kam, startete 1919 mit Sir Barton, während Affirmed 1978 das vorletzte Pferd war, dem der amerikanische Durchmarsch im Kentucky Derby, den Preakness- und Belmont Stakes gelang, bevor das 2015 auch American Pharoah konnte. Seit 1875, als das Kentucky Derby vom Start kam – die Belmont- und Preakness Stakes wurden schon 1867 und 1873 etabliert – wollten bis inklusive 2015 4.180 Pferde diese „Dreifache“ gewinnen. 289 von ihnen konnten sich in einer, und 52 in zwei der drei Prüfungen durchsetzen. Als Pechvogel könnte man vielleicht Pillory bezeichnen, der 1922 gar keine Chance hatte, alle drei Rennen zu gewinnen, denn in jenem Jahr wurden Derby und die Preakness Stakes am gleichen Tag gelaufen. Eine Ausnahme war 1978 auch Alydar, der in allen drei Rennen als Zweiter von Affirmed um insgesamt zwei Längen geschlagen war. Dieser Raise A Native-Sohn, der von 26 Starts 14 gewann und zehn Plätze belegte, auf der Bahn eine knappe Million Dollar verdiente und 1990 bei den amerikanischen Vererbern an der Spitze stand, musste schon im gleichen Jahr wegen eines mysteriösen Beinbruches auf der berühmten Calumet Farm eingeschläfert werden.

In Europa ist die „Dreifache“ in den letzten Jahren seltener geworden, weil der Steher nicht mehr die Rolle wie in früheren Jahren spielt und das frühreife Pferd bevorzugt wird. Und damit hat auch das St. Ledger nicht nur für den Züchter an Bedeutung verloren. Die meisten Pferde sind inzwischen auf bestimmte, kürzere Distanzen spezialisiert, und ein Derbysieger hat in unseren Tagen zusätzlich attraktivere und höher dotierte Möglichkeiten als das St. Ledger. So den Prix de l’Arc de Triomphe zu Paris, das Cox Plate in Australien, den Japan Cup, die Breeders Cup Rennen in den USA, das Dubai Welt Cup-Meeting, die Internationalen Rennen zu Hong Kong im Dezember und weitere Großereignisse. Wenn auch manche Renndaten, zu früh oder zu spät im Jahr, nicht so recht in das europäische Programm passen, so sind doch die Auswahlmöglichkeiten erheblich umfangreicher geworden als in jenen Tagen, als das St. Ledger neben dem Derby die Hauptrolle spielte. Der letzte Derbysieger, der die Dreifache Krone Englands gewinnen wollte, war der in Irland trainierte zweifache Derbysieger und Montjeu-Sohn Camelot, der 2012 als in fünf Rennen Ungeschlagener im Doncaster St. Ledger (500.000 Pfund) antrat, aber Encke, dem „Erzrivalen“ aus dem Godolphin-Stall, den Vortritt lassen musste. Und so bleibt der in Irland trainierte Kanadier Nijinsky der letzte „Europäer“, der die Englische Triple Crown 1970 gewinnen konnte. Bis er sie damals als Nächster gewann, waren 35 Jahre vergangen, doch musste Amerika noch 24 Monate länger warten, ehe es 2015 seinem American Pharoah als „jüngstem“ Triple Crown-Sieger wieder zujubeln konnte.

Gewünschte Frühreife und die Bevorzugung der neuen Großereignisse führten auch dazu, dass das St. Ledger als ältestes klassisches Rennen in einigen Ländern an Attraktivität so viel verlor, dass es dort schon vor mehreren Jahren auch für ältere Pferde geöffnet wurde, denn der Stehertyp ist längst vom Mitteldistanz-Pferd verdrängt, womit dieses Rennen auch seine ursprüngliche Aufgabe als Härtetest für den Derbyjahrgang verloren hat.

In England war es ganz besonders Sir Charles Bunbury, der als erster Chef des Jockey Clubs diesen „kultivierte“ und verantwortlich war für die Änderungen, die den britischen Rennsport revolutionierten. Auf ihn gehen auch die Oaks und das Derby zurück, denn beide entstanden nach Diskussionen beim Dinner in seinem Epsom-Haus „Oaks“ mit dem 12. Earl of Derby. Als der Name mit einem Münzwurf für letzteres gesucht wurde, gewann zwar der Earl, doch der erste Derby-Sieger, Diomed, kam aus der Zucht und dem Besitz von Sir Charles Bunburry. Dessen Stute Eleanor, deren Vater Whiskey ein Eclipse-Enkel war, wurde 1801 auch die erste Stute, der das Doppl Derby und Oaks gelang. 1804 schlug sie an Quiz (Buzzard) den St. Ledger-Sieger von 1801, der ebenfalls ein sehr gutes Rennpferd war, jedoch keine 29 Rennen gewann wie Sir Charles Bunburys Stute, die bis siebenjährig im Training war. Blink Bonny (1854; Melbourne), Signotinetta (1905; Chaleureux) und Fifinella (1913; Polymelus) gewannen nach ihr jenes Doppel ebenfalls. Letztere gewann ihr Kriegs-Derby zu Newmarket, bei dem Jockey J. Childs mit dieser äußerst launischen Diva zunächst erhebliche Schwierigkeiten hatte, ehe sie urplötzlich mit vernichtendem Speed gewann. Zwei Tage später in den Oaks war sie brav wie ein Lamm und gewann mit überlegener Leichtigkeit. Nach acht Starts und vier Siegen hatte die Dame am Rennen kein Interesse mehr, ging in die Zucht und gab nur ihrem Sohn von Hurry On, Press Gang (1927), der später nach Russland exportiert wurde, etwas von ihrem Können mit. Signorinettas Züchter und Besitzer war der in Newmarket lebende Italiener E. Ginistrelli, der die Chaleureux-Tochter aus der St. Simon-Stute Signorina „erhielt“, denn sie soll das Produkt einer Romanze ihrer Mutter mit dem sehr guten Handicapper gewesen sein. Das Derby gewann sie unter William Bullock als 100:1-Chance, zwei Tage später gab es in den Oaks nur noch dreifaches Geld auf ihren Sieg. Anschließend waren, wie auch im St. Ledger, weitere Bemühungen erfolglos, und im Gestüt hatte sie an The Winter Kings (1918; Son-in-Law) auch nur einen guten Sohn. Blink Bonny, die bereits als Zweijährige sieben von elf Rennen, und insgesamt 14 von 20 gewann, war ein großartiges Rennpferd. Sie gewann das Derby nach Kampf mit einem Hals, die Oaks zwei Tage später leicht und war, nach drei weiteren Siegen, der Favorit für das St. Ledger, in dem sie allerdings um den Sieg betrogen worden sein soll. Ihr Besitzer wurde zwar vorher gewarnt, doch glaubte er an das Gute im Menschen und beließ seinen Jockey Charlton auf der Stute. Die Loyalität von Mr. W. I’Anson wurde jedoch missbraucht und die Stute im Rennen „gepullt“. Unmittelbar nach dieser Tragödie gewann sie die Park Hill Stakes zu Doncaster. Zum Vorfall berichtet Roger Mortimer in seinem Buch „The History of The Derby Stakes“, dass der Drahtzieher zu diesem Betrug ein damals führender Buchmacher namens John Jackson gewesen sein soll, der für die Manipulation der Jockeys bekannt war und früh verstarb. Von Strafmaßnahmen wird nichts berichtet, doch hatte der Besitzer von Blink Bonny mit diesem Betrug nichts zu tun. In der Zucht fohlte die Derbysiegerin, die bereits 1862 starb, Blair Athol (Stockwell), der 1864 in den gleichen Farben, die seine Mutter zum Sieg trug, selbst zu Derbyehren kam. Im Gestüt stand dieser Hengst zwischen 1822 und 1877 viermal an der Spitze der englisch-irischen Stallions. Nachdem sein Sohn Silvio 1877 Derby und St. Ledger gewonnen hatte und seine Decktaxe von 100 auf 200 Guineas stieg, wurde er von den Züchtern boykottiert. Daran konnte auch eine spätere Senkung auf 75 Guineas nichts mehr ändern. 1882 starb der Sohn der großen Rennstute Blink Bonny.


(Foto: Courtesy of Claiborne Farm)

Eleanor, die sieben Rennzeiten auf der Bahn verbrachte, wurde dennoch in der Zucht erfolg- und einflussreich. Nach Orville, der die Eclipse-Hengstlinie vertrat, fohlte die Whiskey-Tochter 1810 Muley, der 1830 Vater von Marpessa wurde, deren mütterlicher Vater Marmion ein Whiskey-Sohn war. Und Marpessa fohlte 1837 die unvergleichliche Glencoe-Stute Pocahontas, die das Licht der Welt im Royal Stud zu Hampton Court erblickte, und eine der einflussreichsten Mutterstuten in der Geschichte der Vollblutzucht wurde. Unter ihren 15 Fohlen befand sich neben den guten Hengsten Rataplan (1850; The Baron), der von 82 Rennen 47 gewann, und dem ein Jahr jüngeren King Tom (Harkaway) auch Stockwell (1842; The Baron). Und dieser gewann nicht nur elf Rennen, sondern stand innerhalb von 14 Jahren auch siebenmal an der Spitze der Stallions und belegte noch viermal den Ehrenrang. Und er zeugte die Sieger von 17 klassischen Rennen, darunter sechs, die das St. Ledger gewannen; drei Derbysieger, vier setzten sich in den 2000 Guineas durch und eine Siegerin weniger in den 1000 Guineas. Dazu kamen noch eine Oaks-Siegerin und zwei, die den Ascot Gold Cup gewannen. Es war wohl großes Glück, das Stockwell, der die Hengstlinie von Eclipse vertrat, nicht die Krankheit seiner Mutter erbte, die ein Roarer war.

Doch nun vorerst zurück zu einigen der Pioniere, der großen Besitzerzüchter, ihrer Zuchten und ihrer Erfolge, die sich früh auf den Weg machten, um den Vollblüter zu vervollkommnen.

Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt

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