Читать книгу 100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 2 - Erhard Heckmann - Страница 10
Wagon Road und BX
ОглавлениеDie rot und gelben „Stagecoaches” der B.C. Express Company, kurz BX genannt, waren die Könige der Straße. Diese schwingenden Postkutschen teilten sich die Pionierpiste mit Frachtwagen, Minenarbeitern, Händlern und Abenteurern. Von den Zweibeinern kamen viele zu Fuß, manche auch mit Schubkarre, und bei den Pferden, Maultieren oder Ochsen hing die Bespannung von der Anzahl der Anhänger ab, die zwölf PS fordern konnten. Die fünfeinhalb Meter breite „Straße“ durch die Wildnis wurde von achthundert Arbeitern mit Schaufel, Hacke und Axt in Rekordzeit gebaut. 1861 in Lillooet begonnen, erreichte sie ihr Endziel Barkerville vier Jahre später. Für die Tausende, die in den zeitigen 1860er Jahren nordwärts zogen, waren ihre Straßenhäuser, die jeweils eine Tagesreise voneinander entfernt ihren Service anboten, ein „Geschenk“. Hier gab es Mahlzeiten und ein Lager für die Nacht. Nicht immer war das ein Holzbett, oft auch nur die eigene Decke auf dem Fußboden. Aber man hatte ein Dach über dem Kopf, und für die Tiere wurde auch gesorgt. Die meisten dieser Roadhouses, die der Straße folgten und unter der Meilenentfernung ab Lillooet firmierten, brannten jedoch irgendwann nieder, bis auf drei. Als Postkutschen und Frachtwagen begannen, die Cariboo-Region zu versorgen, hieß ihr Startort Yale, ab1886 Ashcroft, womit beispielsweise das 150 Mile House dann schon nach 130 Meilen erreicht wurde.
Die ersten Goldsucher nutzten zunächst die alten Indianer- und Trapper Pfade, die die Region kreuz und quer durchzogen, oder sie suchten ihre eigenen Wege. Viele aber kamen zurück, weil das vor ihnen liegende Gelände zu schwierig, und der Fraser River oberhalb von Yale nicht schiffbar war. Der Plan der „Royal Engineurs“ war kühn. Zunächst sollte die Straße durch den steilen Felsencanyon des Fraser Flusses geschlagen, danach vierhundert Meilen weiter durch die Wildnis zu den Goldfeldern führen. 1862 im Frühjahr unterschrieben Gustavus Blin Wright und John C. Calbreath die Straße mit achtzehn Fuß Breite für 600 Dollar pro Meile zu bauen. Entschieden war zu dieser Zeit auch, dass Fort Alexandria als alter Handelsposten der Hudson’s Bay Company das Ende des neuen Weges sein sollte. Als sich jedoch die Nichtnavigierbarkeit des Frasers zwischen dem Fort und dem südlichen Soda Creek als Irrtum erwies, wurde die Straße um 40 Kilometer kürzer und Soda Creek, wo die Wagon Road im Juli 1863 ankam, zur Umsteigestation auf die Raddampfer. Die königlichen Ingenieure vermaßen vor Ort sofort einundzwanzig Grundstücke, um die Basis für die neue Destination zu legen, während für deren Namen eine geniale Wortkombination reichte, die das Carbonat Gestein mit dem Gewässer verband, in dem es gefunden wurde.
Die Bootsbauer waren ebenso schnell wie die, die die Straße durch die Wildnis schlugen, denn als sie Soda Creek erreichten, war der erste der Schaufelraddampfer, die „Enterprise“, im nahen Four Mile Creek schon startfertig, um die 56 Meilen flussaufwärts nach Quesnel abzudecken. Damit wurde sie auch zum Vorfahren vieler dieser Stern Wheeler-Flussschiffe, die den oberen Fraser noch bis 1921 befuhren. Schnell waren auch die übrigen Handwerker, die im neuen Ort in Windeseile Hotel, Laden, Bar und Häuser errichteten. Als Post, Telegraphenbüro und Getreidemühle hinzukamen, sich am Ende der langen Straße eine Chinatown entwickelte und in der näheren Umgebung Farmen entstanden, waren die Voraussetzungen als neuer Knotenpunkt an der Cariboo Wagen Road erfüllt. Und wie immer in solchen Fällen, boomten sehr schnell Hotels, Bars, Saloons und das Pokerspiel im neuen Ort, in dem allein 1864 für mehr als viereinhalb Millionen Dollar Gold umgeschlagen wurde. Ein Jahr später war auch der letzte Straßenabschnitt bis Barkerville fertig, doch bevorzugten nicht wenige Reisende den Dampfer, statt sich in der Postkutsche auf der rauen Piste durchrütteln zu lassen.
Mit dem Rückgang der Goldfunde begannen auch die „Miners“ Barkerville wieder zu verlassen, und damit war auch gleichzeitig das Schicksal des in den Jahren 1863 – 1867 so geschäftstüchtigen Ortes am Fluss besiegelt. Dass das Geschäft dennoch einigermaßen florierte war der Fähre zu verdanken, die Passagiere, Güter und Post über den Fluss brachte, und Soda Creek zu einem Umschlagplatz für das sich nach Westen bis zum Pazifik ausdehnende Chilcotin machte. Dennoch kehrte in den nächsten zehn Jahren ziemliche Stille ein und erst, als zwischen 1903 und 1914 die Gleise des „Trunk Pacific Railway“ (heute CNR) gelegt wurden, der aus Ostkanada kommend über Fort George (Prince George) Prince Ruppert am Pazifik zum Ziel hatte, kam etwas vom alten Glanz zurück. Der Bau dieser Eisenbahn durch den nördlichen Teil der Provinz sorgte für neuen Schwung auf dem Fraser, um Siedler und Fracht nordwärts zum Fort George zu transportieren. Auch die Postkutschen und Frachtfuhrwerke kamen zurück, und die Crews der Eisenbahngesellschaft und ihrer mehr als zweitausend Schienenleger sorgten für klingende Münze in Geschäften, Hotels, Bars und Spielsalons. Einige der Dampfer riskierten jetzt sogar die Fahrt durch den gefürchteten Grand Canyon östlich von „Prince Georg“ nach Tete Jaune Cache, und der erste, der den am heutigen Highway 16 liegenden Ort ansteuerte, war die 1909 in Dienst gestellte Nechacco. Dennoch war das geschäftige Treiben kurzlebig und zu Ende, als 1919, Williams Lake, statt Soda Creek, als Zentralstation der Eisenbahn ausgewählt worden war. Die Wagenstraße hielt den Ort zwar noch am Leben, und 1930 wurde das alte Hotel noch durch ein neues ersetzt, doch als 1954 der moderne Highway 97 an der Gemeinde vorbeizog, war das endgültige Aus gekommen.
Heute ist Soda Creek ein kleiner verschlafener Ort am Ostufer des Fraser Flusses, aus dessen Glanzzeit, neben dem alten Gefängnis, wenig überlebt hat. Dieses kennt allerdings die Story, dass sein Erbauer, Billy Lyne, auch sein erster Insasse war. Nach der Vollendung seines Werkes hatte er in der Bar so intensiv gefeiert, dass er im eigenen „Bau“ ausnüchtern durfte. Als er 1949 im Alter von vierundachtzig Jahren starb, hatte sich mit ihm auch gleichzeitig einer der drei frühen Pioniere dieser Region verabschiedet. Er war südlich von Soda Creek Schmied und Farmer, und sein Anwesen ein populärer Rastplatz. Er baute das erste Sägewerk und verkaufte die Bretter an die Schiffsbauer. Die Geschichte, dass er sich in jener Nacht im Gefängnis fürchterlich über seine erstklassigen, handgeschmiedeten Fenstergitter geärgert haben soll, wurde über die Jahrzehnte ebenso weitergereicht wie die des Ortspolizisten, der Anfang der Neunziger Jahre im Winter vierhundert Meilen durch frostiges Chilcotin-Winterwetter ritt, um einen Mörder zu seinem Richter zu bringen.
Das farbigste Kapitel von Soda Creek waren jedoch seine Schaufelraddampfer. Mit ihrem flachen Boden brauchten sie nur wenige Zentimeter Wasser darunter, vertrugen den felsigen Untergrund, Stromschnellen, Schotterbänke und das Eis des oberen Frasers, und brachten Passagiere und Fracht mehr als vierhundert Meilen stromauf in die Rocky Mountains. Anfangs kannten diese Schiffe keinerlei Luxus, und die Passagiere mussten Feuerholz für die großen Boiler hacken oder auch ins kalte Wasser springen, um ihren Dampfer von einer Sandbank zu schieben. Das erste dieser Pionierbote war die 75.000 $ teure „SS Enterprice“, deren Maschinen und Kessel mit einem Maultiergespann über die Harrison-Lillooet-Route angeliefert wurden. Am 9.5.1863 trat sie zu ihrer Jungfernfahrt nach Quesnel an, und 1871 navigierte das dampfgetriebene Schiff sogar durch die gefährlichen Canyons bei Fort George, das später als Prince George auf die Landkarten kam. Dieses Schiff, als auch einige ihrer Nachfolger waren aber auf dem Fluss nicht allein, denn auch die B.C. Express Company, lange nur für ihren Postkutschenservice auf der Cariboo Wagon Road berühmt, gehörte zu denen, die sich in das hochprofitable Riverbotgeschäft einreihten. 1910 bauten sie zu Soda Creek innerhalb von drei Monaten die „B.X.“, den nobelsten Steamwheeler, der je seinen Dienst dort aufnahm. Siebzig der einhundertdreißig Kabinen waren dampfbeheizt, mit feinster Tisch- und Bettwäsche ausgestattet, und ihr englisches Porzellan trug die Buchstaben B.X. als Markenzeichen. 1912 stellte man ihr mit der „B.X. Express“ ein Schwesternschiff zur Seite, das zwischen Fort George und Tete Jaune Cache verkehrte. Ein Geschäftsleben war diesem Schiffsservice aber nur noch bis 1915 beschieden, nachdem ein Jahr zuvor die Eisenbahn in Fort George Einzug gehalten hatte und es auch abzusehen war, dass die Automobile bald folgen würden. Der allerletzte dieser stolzen Dampfer war die „Quesnel“, die 1921 im Fort George Canyon Schiffbruch erlitt. Mit ihr waren auch die Schiffssirenen auf dem oberen Fraser für immer verstummt. Für mehr als ein halbes Jahrhundert spielte sich das Leben im neu erschlossenen Land nahe der Cariboo Wagen Road ab, und die Siedler, die sich entlang des Weges niederließen, nutzten die entsprechende Meilenzahl auch als Adresse an. Letztendlich gab es auch aller zwölf bis fünfzehn Meilen ein Roadhouse, wo sich Mensch und Tier nach einer anstrengenden Tagesreise erholen konnten. Über die Jahre wurden einige immer wichtiger und entwickelten sich zu Ortschaften, andere verkamen oder gingen in Flammen auf, weil sich viele Ofenrohre durch die Räume drängten. Nur drei der ursprünglichen Originale überlebten, die der Meilen 132, 137 und 153. Ersteres erbaute ein Holländer 1889 in einem kleinen Tal des San Jose Flusses als Ranch. Das Haus, das nie Übernachtungen bot, sondern nur als Stopp- und Pferdewechselplatz im Fahrplan stand, war damals ein auffälliger Bau, weil es nicht aus den üblichen Rundhölzern bestand, sondern in einem Rahmen mit Doppelwänden erstellt wurde, zwischen denen Sägespäne für die Isolierung sorgten. Das Haus ging durch mehrere Hände, und wurde komplett renoviert, doch die funktionierende Wasserleitung soll noch das Original sein. Am einstigen „137“, dem ältestem Loghouse, das im Zentral-Cariboo erhalten blieb, zieht der moderne Cariboo Highway direkt an der Haustür vorbei. Sein Baujahr ist unbekannt, doch fand man bei Renovierungsarbeiten Zeitungen aus den 1860er Jahren. Die BX-Kutschen haben hier auch nie gehalten, doch standen Pferde und Ochsen für den Einsatz beim Straßentransport in den Ställen, und es galt für jedermann als eine beliebte Wegestation. 1973 kaufte es ein Farmer aus Colorado und modernisierte es.
Am „153“ wurde regelmäßig angehalten, und seine Geschichte ist die des Italieners Louis Crosina. Sie begann, als er 1882 seine Heimat verließ und setzte sich mit verschiedenen Jobs und seiner Heirat 1897 fort. 1903 begann er bei der Meile 153 Wald zu roden und machte das Land urbar. Ein „Road House“ hatte diese Familie zwar nie im Sinn, doch die Indianer, die bei der Arbeit halfen, wollten Lebensmittel statt Geld. Mit dem Kauf einer Waage hatte Clara Crosina aber automatisch auch die Grundlage für einen „Store“ in ihrer ersten kleinen Hütte gelegt. Das 1906 fertig gestellte große Holzbohlenhaus (Log House) erlangte schnell den Ruf einer Einkehr mit sehr guten Speisen, die für jeweils fünfzig Cent mit dem gleichen Preis angeboten wurden wie „ein Bett“ oder Stall und Futter für das Pferd. 1914 wurde das Anwesen mit weiteren Gebäuden, einer Schmiede und einem Laden erweitert. Ein gelegentliches Geschäft besorgte den Crosinas auch der Regen, denn wenn die Straße zwischen „153“ und dem „Mountain House“ am Berg tief wurde, mussten 18 Pferde pro Wagen angespannt werden, und auch dafür hatte der Italiener einige im Stall. Mit den ersten Autos wurden die Tagesabschnitte größer und weniger Rasthäuser benötigt, doch im „153“ machten die Eigentümer bis 1939 weiter, und deren Tochter Lill, die nie heiratete, noch bis 1958. Danach verkaufte sie die Ranch, behielt aber den Laden, in dem sie 1963 hinter der Kasse starb. Eingerichtet wie zu Lills Zeiten ist er heute ein kleines Privatmuseum, und der Schritt über die Türschwelle auch einer in eine längst vergangene Zeit.
Postkutschen und schwere Frachtwagen im Sommer, Schlitten im Winter waren die Eckpfeiler um Post, Expressfracht und Passagiere ins Cariboo zu transportieren, deren südlichster Terminus ab 1863 Yale gewesen ist, bis diese Rolle 23 Jahre später an Ashcroft ging, das 100 Kilometer nördlich am großen Bogen des North Thompson Rivers zum Tor für die Fuhrwerker wurde, weil es die neue Eisenbahnlinie so bestimmte. Die BX genannte B.C. Express Company, die die „Cariboo Wagon Road“ mit ihren „Stagecoaches“, den Postkutschen, nach festem Fahrplan befuhr, gründete Francis James Barnard, der in den 1860ern selbst zu Fuß unterwegs war, um über viele Hundert Meilen Briefe zu den Goldfeldern auszutragen. 1862 reichte sein Geld aus, um einige Pferde und den seit 1850 operierenden „Jeffray & Company’s Fraser River Express“ zu kaufen und seinen „Pony-Express“ zu starten. Diesen verschmolz er mit dem „British Columbia & Victoria Express“ als auch „Deitz & Nelson“, womit die neue Firma den gesamten Weg zwischen Victoria, Yale und Lillooet abdeckte. Im Juli 1862 erhielten Barnard und seine Partner auch den Vertrag, das gesamte Northern Cariboo zu bedienen. Frachtwagen zwischen Lillooet und Alexandria starteten das Geschäft, danach folgten Postkutschen zwischen Yale und der Flussanlegestelle in Soda Creek. Als die Wagon Road 1865 auch Quesnel mit Barkerville verband, wurde der Service auch für diese Destinationen erweitert, womit Barnard & Co ihren regulären Postkutschendienst komplett etabliert hatten.
Die erste Kutsche erreichte Soda Creek im Frühjahr 1864. Ein Jahr später importierte Barnard mehrere große Kutschen, und von da an waren die rotgelben BX-Gespanne für Jahrzehnte eine bekannte Erscheinung auf der neuen Straße, um Reisende, Post, Gold, Wichtiges und Eiliges zu transportieren. Beim Edelmetall waren es Tonnen. Obwohl einzelne Frachten nicht selten 600.000 $ erreichten, fuhr man nur anfangs unter bewaffnetem Schutz. Als dieser wegfiel, wurden die Kutschen auch kaum überfallen, denn für die Räuber war es ebenfalls nicht einfach, in dieser unwegsamen Wildnis zu entkommen. Ein einzelner, der das recht clever versuchte und 1890 beim größten Überfall Gold für 15.000 $ erbeutete, war dennoch nicht lange glücklich damit. Der bewaffnete Bandit hatte in der Dunkelheit am Fuße des Bridge Creek Hills, in der Nähe des 100 Mile Houses, gewartet, denn dort gaben die Kutscher in der Regel ihren Pferden vor dem steilen Berg eine Verschnaufpause. Als der Tresor abgeladen war, durfte die Kutsche weiterfahren, inklusive des vollen Geldsackes, den der Räuber übersehen hatte. Zu seiner Ergreifung trug er selbst bei, als er zu Ashcroft prahlte, im Scotty Creek, wo er zur Tarnung auch gegraben hatte, sehr viel Gold gefunden zu haben. Weil aber keiner, die zur genannten Stelle aufbrachen, kein einziges Körnchen fand, wurde sein Gold geprüft und der Raub festgestellt. Der clevere Gangster hatte wohl übersehen, dass auch Gold, wie alle Bodenschätze, seine ortsbezogenen Merkmale hat. Der Mann gab die Tat zu und erhielt „sieben Jahre“. Nach dem zweiten gelang ihm die Flucht, gesehen wurde er nie wieder. Einen „Kollegen“ traf es jedoch härter: Für fünfundvierzig Dollar Goldstaub saß er zehn volle Jahre ab.
Für dreißig Jahre hatte Ashcroft das Tor zum Cariboo / Chilcotin von Yale übernommen, und die BX Postkutschen waren für ein halbes Jahrhundert die Aristokraten dieser Pionierstraße. Gezogen wurden sie von tapferen, äußerst harten Pferden und gelenkt von Meistern ihres Faches. Hitze, Schneesturm oder Regen, der den Untergrund in knietiefen Schlamm verwandelte, spielten keine Rolle, denn die Fahrpläne waren einzuhalten. Und auch der Ablauf war stets der Gleiche: Zuerst wurde die Fracht verstaut, dann stiegen die Passagiere ein, und danach bezogen Fahrer und Schatzmeister ihre Plätze. Von den Pferden kam als erstes das Deichselgespann aus dem Stall, dann das „Swingteam“, und zum Schluss die beiden Führpferde, die erfahrensten von allen. War alles startklar, ließ der Kutscher die Bremsen los, und im Galopp ging es auf die Reise. Die besten Fahrer waren hoch angesehen Leute, und viele von ihnen saßen auch später wieder auf dem Bock, als Kutschen zwischen Whitehorse und Dawson City oder, 1904, zu den Goldfeldern in Nevada unterwegs waren.
Haarsträubende Geschichten gab es um diese verwegenen Typen natürlich auch. Und so wurde überliefert, dass ein Kutscher, der ein Holzbein trug, dieses abschnallte und in ein Rad steckte, um die abgehende Fuhre bergab zum Stehen zu bringen. Ein anderer, dessen Gefährt auf abschüssiger Straße durch eine Kurve raste und unausweichlichem Gegenverkehr ausgesetzt war, soll seine Pferde zu Fall gebracht haben, um einem Zusammenprall rechtzeitig auszuweichen. Wirklich verletzt soll damals niemand gewesen sein, weder Pferde noch Passagiere, doch war das wohl eher eine Ansichtssache, denn es herrschten raue Zeiten. Ruhiger ging es jedoch zu, als eine talwärts fahrende Postkutsche einem entgegenkommenden Ochsengespann den Weg freimachte, im Morast stecken blieb, und nun auch noch die Ochsen die Kutsche wieder auf die Straße zurückbringen musste. Schlimmer erging es aber einem Fahrer namens Tommy Harmon. Er blieb am gefährlichen Berg in der Nähe des 101 Meilen Hauses mit seiner, aus drei schweren Planwagen bestehenden, „Packtrain“ bis zu den Achsen im Schlamm stecken. Nach zwei Tagen vergeblicher Versuche, die Fuhre wieder flott zu bekommen, holte er vom 100 Mile House mehrere Wagen, lud die 25.000 Pfund schwere Ladung Stück für Stück um und brauchte zwei weitere Tage, bis sich die Räder seiner leeren Wagen wieder drehten. Und so wie es ihm erging, widerfuhr es später auch einigen Autos.
Die Postkutschen waren äußerst stabil und mit breiten Rädern ausgestattet. Vielfach bespannt brauchten sie für die dreihundertsechzig schweren Kilometer von Ashcroft bis Quesnel drei Tage. 1917 erreichte das letzte dieser bewährten Verkehrsmittel das nördliche Ziel, danach übernahmen Autos oder die Eisenbahn die schwere Arbeit von Pferden, Maultieren und Ochsen, die unglaublichen Einsatzwillen bewiesen hatten. Irgendwo habe ich auch eine Eisenplatte in einem Stein gesehen, auf der dieser Geschöpfe gedacht, und ihnen dafür gedankt wurde. Und es tat gut, nicht nur über Menschen zu lesen, die damals unter schwierigsten Bedingungen Großes geleistet haben. Bleibt zu hoffen, dass es ihnen im Himmel der Tiere besser erging, als auf der Erde der Menschen. Zwei dieser Postkutschen, vor denen sie ihre Arbeit verrichteten, blieben auf alle Fälle der Nachwelt erhalten. Die eine steht auf der historischen Hat Creek Ranch, die andere im „Red Coach Inn“ in 100 Mile House. Der letzte Parkplatz für diese „Rote Postkutsche“, die die Nr.14 in der BX-Flotte trug, ist gut gewählt, denn das Hotel wurde dort erbaut, wo früher das 100 Mile House seien Standort hatte, bis es 1937 abbrannte.
Vergangenheit und Gegenwart berührten sich auf der rauen Piste schon 1910, doch hatten die Autos mit Rechtslenkung ihre Probleme, wenn sie die langsameren Gespanne auf der schmalen Straße überholen wollten. Das erste Auto im Cariboo war allerdings schon im Juni 1907 unterwegs, der McLaughlin-Buick von O.P.Berry von der Bullion Mine, die sich in der Nähe von Likely am Quesnel See befand. Die „Cariboo Automobil Company“, die mit einem 40-Ps Rumbler die Fahrt von Ashcroft nach Soda Creek in vierzehn Stunden offerierte, war äußerst kurzlebig und am Ende, als Auto und Firma während der zweiten Fahrt in der Nähe des 141 Meilen Hauses ihren Geist endgültig aufgaben. Dennoch war das Auto nicht mehr aufzuhalten, und auch B.X, deren Postkutschendienst noch voll funktionierte, hielt 1910 die Zeit für gekommen, zwei „Wintons“ für je 1.500 Dollar in Seattle anzuschaffen. Auf der Rechnung standen aber auch einige Extras, um sie den rauen Verhältnissen im Norden anzupassen: 75 $ für eine Frontscheibe, das Doppelte für Frontlampen, 75 $ für die ebenfalls mit Kerosin betriebenen Parkleuchten und 50 $ für eine Hupe. Im Preis inbegriffen waren bis Saisonende auch die beiden Fahrer, die gleichzeitig als Mechaniker fungierten und am 5.8.1910 mit den gelb-rot lackierten Autos ihr Ziel Soda Creek erstmals erreichten. Hacke, Schaufel, Ersatzteile, zwei Reifen, und bis zu achtzehn Schläuche gehörten zum Standard-Handgepäck ihrer Kutscher. Sechs weitere Autos kamen kurzfristig hinzu. Als eines der geschäftstüchtigsten Jahre auf der Cariboo Road bezeichneten Chronisten 1913, indem 188 Fuhrwerke, in der Regel mit ein oder zwei Anhängern und von sechs bis zwölf Tieren gezogen, gemeinsam mit „Wintons“ und Postkutschen, Ashcroft verlassen haben.
Als moderne Automobiltechnik Einzug hielt, verließen „BX“ und die „Stagecoaches“ die Szenerie. 1928 bot die „I.T.Company“ mit fünf Studebakers zwischen Ashcroft und Williams Lake dreimal pro Woche Personenverkehr an und erweiterte diese Linie kurz darauf bis Quesnel und Prince George. In den 1940er Jahren wurde der Service weiter ausgebaut und auch ab Vancouver angeboten. Das heute weltbekannte Greyhound Zeichen erschien auf der Cariboo Wagenroad erstmals 1943, als „I.T.“ aufgekauft worden war. Und im „Greyhound-Bus“ lässt sich diese Straße auch heute noch befahren, äußerst bequem und auf dem Asphaltband des Highways 97. Von dem Schlamm, den tiefen Spurrillen, den geschundenen Männern und Kreaturen, die sich in seinen Pioniertagen hier entlangquälten, oder den harten Schicksalen rechts und links dieser Straße, werden die meisten seiner modernen Passanten noch nie etwas gehört haben. Woher auch, denn die meisten sind Touristen, und die Zeit des „Wilden Westens“ ist längst Geschichte, wie auch die der Nuggets, die nicht mehr gefunden werden. Die moderne Goldsuche findet heute in großen, tiefen Gruben statt, wie man sie in Nordamerika aus Montana oder Nevada kennt. 2002 kostete dort die Produktion einer einzigen Unze 200 $, 400 $ brachte ihr Verkauf, und neun Jahre später wurden diese reichlich 31,1 Gramm 999er Feingold an der Börse bereits mit mehr als 1.000 Euro gehandelt. Dass beim Abbau auch irreparable Schäden zurückbleiben, weil Gift in Flüsse gelangt, Grundwasser abgesenkt wird oder gigantischen Krater entstehen, deren Rückfüllung zu teuer ist und sich in giftige Seen verwandeln, scheint uns Menschen wenig zu stören. Das glänzende Metall betört auch im 21. Jahrhundert noch immer unsere Sinne.
Barker Ville – lebendige Goldgräberzeit