Читать книгу Warum die Arche nie gefunden wird - Eric H. Cline - Страница 8

1 DER GARTEN EDEN

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Wo war der Garten Eden?

Ist es möglich, ihn wiederzufinden?

Wenn wir feststellen wollen, wo der Garten Eden möglicherweise lag, stoßen wir unmittelbar auf ein Problem, weil die biblische Beschreibung zwar recht detailliert, aber auch ziemlich knapp ist. Wir erfahren nur dies:

Dann legte Gott, der Herr, in Eden, im Osten, einen Garten an und setzte dorthin den Menschen, den er geformt hatte. Gott, der Herr, ließ aus dem Ackerboden allerlei Bäume wachsen, verlockend anzusehen und mit köstlichen Früchten, in der Mitte des Gartens aber den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert; dort teilt er sich und wird zu vier Hauptflüssen. Der eine heißt Pischon; er ist es, der das ganze Land Hawila umfließt, wo es Gold gibt. Das Gold jenes Landes ist gut; dort gibt es auch Bdelliumharz und Karneolsteine. Der zweite Strom heißt Gihon; er ist es, der das ganze Land Kusch umfließt. Der dritte Strom heißt Tigris; er ist es, der östlich an Assur vorbeifließt. Der vierte Strom ist der Eufrat. (Genesis 2,8–14) 1

Wir können die biblische Darstellung kaum untermauern, weil es keine anderen unabhängigen Textquellen zum Garten Eden gibt. Wie in der Einführung betont, verlangen die meisten Althistoriker und Archäologen generell mehrere eigenständige Belege, um etwas als faktisch anzuerkennen, und das ist im Fall des Gartens Eden schlicht nicht möglich.

Diesem Problem werden wir noch öfter begegnen, besonders wenn es um die ersten elf Kapitel des Buchs Genesis geht. Diese Berichte – etwa über die Schöpfung, den Garten Eden, Adam und Eva und die Sintflut – unterscheiden sich stark von den folgenden, vor allem im Hinblick auf die Belege zu den Geschichten. Es ist immer schwer zu beurteilen, bis zu welchem Grad biblisches Material in unserem heutigen Sinn als wahr betrachtet werden kann und was davon vielmehr dazu dient, ein ethisches oder moralisches Argument zu veranschaulichen.

Viele Gelehrte sind sich einig, dass wir erst für die Zeit nach der Erfindung der Schrift (d.h. nach 3000 v. Chr.) darauf hoffen dürfen, die biblischen Berichte bestätigen zu können. Das heißt, dass die Geschichten in den ersten Kapiteln der Genesis schwerer zu untermauern sein dürften als spätere Berichte in diesem und mit Sicherheit in den anderen Büchern des Alten Testaments.

Wir müssen die biblische Beschreibung des Gartens Eden daher für sich allein betrachten und das Beste daraus machen. Glücklicherweise sind zwei der erwähnten Flüsse wohlbekannt: der Tigris und der Euphrat in Mesopotamien (dem heutigen Irak).2 Anzumerken ist, dass der ursprüngliche biblische Text den dritten Fluss nicht „Tigris“ nennt, sondern „Hiddekel“. Wir wissen jedoch aus anderen Stellen der Bibel (etwa Daniel 10,4), dass es sich dabei um den Tigris handelt, daher bezeichnen die meisten modernen Bibelübersetzungen den Fluss als „Tigris“, um nicht für Verwirrung zu sorgen. Ebenso heißt der Euphrat im ursprünglichen Bibeltext „Prat“; dies ist die hebräische Übertragung der babylonischen und assyrischen Bezeichnungen für den Fluss nahe der Stadt Babylon (eben den Euphrat). Auch hier ist in modernen Bibelübersetzungen ohne nähere Erläuterung vom „Eufrat“ die Rede.


Diese Darstellung aus der Zeit der Renaissance hat wahrscheinlich wenig Ähnlichkeit mit der tatsächlichen Vegetation im Garten Eden.

Die beiden anderen Flüsse sind weniger bekannt, und das macht es so problematisch, die Lage des Gartens Eden festzustellen. Die Bibel sagt, der Gihon umfließe das Land Kusch, der Pischon das Land Hawila. Manche Forscher setzen Hawila mit Südarabien gleich, aber das ist nur eine Hypothese. Vom Land Kusch wissen wir zwar, dass es tatsächlich in Afrika lag, die Bibel scheint es jedoch mit Mesopotamien in Verbindung zu bringen (Genesis 10,8).3 Alessandro Scafi stellt indes in Mapping Paradise. A History of Heaven on Earth (deutsch: Die Vermessung des Paradieses. Eine Kartographie des Himmels auf Erden) fest: „Von der Zeit des Augustinus (5. Jhdt. n. Chr.) bis zur Renaissance waren sich die meisten Gelehrten in ganz Europa, Afrika und Asien einig, dass es sich bei den Flüssen Gihon und Pischon, wie von dem jüdischen Historiker Flavius Josephus im 1. Jhdt. n. Chr. vorgeschlagen, um den Nil und den Ganges handelt.“ Nach der Renaissance begannen die Spekulationen von Neuem.

Kurz gesagt: Der biblische Bericht ist mehrdeutig und offen für Interpretationen. Deshalb haben antike und moderne Autoren den Garten Eden in den verschiedensten Gegenden verortet, vom Iran und der Mongolei bis nach Südamerika und sogar in Jackson County, Missouri (Joseph Smith Jr. zufolge, dem Gründer der Kirche Jesu Christi und der Heiligen der Letzten Tage und Prophet der Mormonen).4

Die meisten jüngeren Arbeiten zum Garten Eden gehen jedoch davon aus, dass er in der Gegend des antiken Mesopotamien lag – irgendwo zwischen dem persischen Golf und der Südtürkei. In textlicher Hinsicht scheint dies sinnvoll, weil der biblische Bericht nicht nur sagt, der Garten habe „im Osten“ gelegen (d.h. östlich von Israel), sondern auch die Flüsse Euphrat und Tigris erwähnt. Tatsächlich bedeutet das Wort „Mesopotamien“ auf Griechisch „Land zwischen den (zwei) Strömen“, was sich ebenfalls auf Euphrat und Tigris bezieht.

Ältere Erzählungen aus dem antiken Mesopotamien liefern keine exakten Parallelen zur Geschichte des Gartens Eden, aber die Sumerer, die im 3. Jahrtausend v. Chr. dort lebten, verwendeten in ihrer Sprache offenbar das Wort „Eden“.5 Forscher vermuten, dass die Sumerer den Begriff von noch früheren Völkern übernahmen – den Ubaidianern, die etwa von 5500 bis 3500 v. Chr. in der Region lebten –, und viele meinen, das Wort lasse sich als „fruchtbare Ebene“ übersetzen. Zudem berichtet ein sumerischer Paradiesmythos von einem Land des Überflusses namens „Dilmun“, bei dem es sich neueren Forschungen zufolge um das moderne Bahrain am persischen Golf handeln könnte. Der als „Enki und Ninhursag“ bekannte Mythos erzählt, Dilmun habe sich in ein Paradies verwandelt, nachdem ihm der sumerische Gott Enki die Gabe des Wassers geschenkt habe:

Rein ist das Dilmun-Land. Rein ist Sumer (…). Jungfräulich ist das Dilmun-Land. Unberührt ist das Dilmun-Land.

Wahrlich wurden ihre (Ninhursags) Teiche von Salzwasser zu Teichen von Süßwasser. Wahrlich brachten ihre Felder, Grasländer und Äcker Getreide für sie hervor. Wahrlich wurde ihre Stadt, wurde Dilmun zum Lagerhaus am Kai für das Land.

Es gibt zudem Schöpfungsgeschichten aus dieser Gegend, die der Erzählung in der Genesis verblüffend ähnlich sind.6 Die berühmteste ist die Sage „Enuma elisch“ („Als droben …“), die seit Langem für ihre Parallelen zur Bibel bekannt ist. Sie beginnt wie folgt:

Als droben der Himmel noch nicht genannt und drunten die Erde noch nicht war, war nur Apsu, der Erste, ihr Erzeuger, (und) Mummu-Tiamat, die sie alle gebar, ihre Wasser vermengt zu einem Ganzen; ehe Weiden entstanden und Röhricht sich fand, als noch keiner der Götter erschaffen war, nicht mit Namen benannt, kein Schicksal bestimmt – da wurden die Götter in ihnen geformt.

Dieser Mythos wird wegen der offensichtlichen Parallelen zum Bericht der hebräischen Bibel manchmal als babylonische Genesis bezeichnet, er ist jedoch um Jahrhunderte älter.7 Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass das Alte Testament, wie wir es heute kennen, aus vielerlei Quellen kompiliert wurde, von denen die ältesten auf das 9. oder 10. und die jüngsten auf das 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen.8 Selbst die frühesten Stücke der Bibel, etwa die von Bibelkundlern als J bezeichnete Quelle, entstanden erst im 9. oder 10. Jahrhundert v. Chr., Jahrhunderte nach der Niederschrift des „Enuma elisch“.

Manch einen mag es überraschen, welch ungeheure Wirkung Mesopotamien auf das spätere biblische Israel hatte – in dieser Region entstanden im Laufe von mehr als 9000 Jahren, von 10.000 bis 1500 v. Chr., Erfindungen, Techniken, Ideen, Geschichten und sogar Gesetze, die Jahrhunderte später in Israel und Judäa nach wie vor in Umlauf waren. So finden wir beispielsweise in Mesopotamien den Gesetzeskodex des Hammurabi, in dem Jahrhunderte vor der Bibel „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ stand. Aus Mesopotamien stammten Abraham und die Patriarchen. Und in Mesopotamien finden wir ältere – sumerische, babylonische und akkadische – Berichte über die Sintflut und die Arche Noah. Noah heißt dort Ziusudra, Atrahasis beziehungsweise Utnapischtim, und die Flut ist nicht Strafe für Schlechtigkeit und Sünden der Menschen, sondern wird ausgelöst, weil die Menschheit solchen Lärm macht, dass die Götter nicht schlafen können.

Speziell „Enuma elisch“ ist ein gutes Beispiel für das, was man eine vererbte Erzählung nennen könnte: eine Geschichte, die im antiken Nahen Osten von Generation zu Generation und von Kultur zu Kultur weitergegeben wurde. Am besten erklären lassen sich die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen dieser Sage und der Erzählung in der biblischen Genesis mit der Hypothese, dass die ursprüngliche mesopotamische Geschichte (oder die darin enthaltenen Motive) von den Sumerern im 3. Jahrtausend v. Chr. an Babylonier und Assyrer und im 2. Jahrtausend v. Chr. an die Völker von Ugarit und Kanaan und dann an die Israeliten überliefert wurde und so im 1. Jahrtausend v. Chr. Eingang ins Alte Testament fand. Weitere Beispiele solcher vererbten Erzählungen enthalten Teile des Gilgamesch-Epos und von Hammurabis Kodex, die sich, wie wir noch sehen werden, ebenfalls in der Bibel niedergeschlagen haben.


Der mesopotamische Baum des Lebens diente möglicherweise als Vorlage für den berühmten Baum in der Geschichte des Gartens Eden.

Wenn wir versuchen, die Lage des Gartens Eden anhand archäologischer Belege zu ergründen, ist in erster Linie wichtig, dass die ersten Pflanzen und Tiere vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren in einer weiten Landschneise domestiziert wurden, die sich über den heutigen Irak, Nordsyrien und die Südtürkei erstreckt, und zwar zur Zeit der sogenannten Neolithischen Revolution (in der die Ursprünge der Landwirtschaft entstanden).9

Diese Region – die Mesopotamien und Gebiete jenseits davon umfasst – nennen Archäologen den Fruchtbaren Halbmond. Hier wurden die ersten Schafe, Ziegen und Rinder domestiziert und Hunde gehalten, und hier wurden auch erstmals Weizen, Gerste, Einkorn und andere Getreide tatsächlich angebaut, anstatt alljährlich wahllos wildwachsende Sorten zu ernten.

Zu einer Art landwirtschaftlichem Paradies für die Bewohner wurde diese Gegend wohl auch durch die Einführung der Bewässerung im 4. Jahrtausend v. Chr. Archäologen stellten bereits vor langer Zeit fest, dass die Städte und Dörfer dieser Region zwischen 4000 und 3000 v. Chr. schrittweise zur Bewässerungsfeldwirtschaft übergingen. Voraussetzung für die Entstehung der ersten Stadtstaaten, später Königreiche und schließlich Imperien war wohl die Notwendigkeit der Zusammenarbeit bei solchen umfangreichen Projekten. Ob diese Hypothese zutrifft oder nicht, klar ist jedenfalls, dass die Region in den Jahrhunderten vor dem Aufstieg der sumerischen Zivilisation gegen Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. buchstäblich zum Erblühen gebracht wurde.

Da sowohl die Landwirtschaft als auch die Bewässerung in der Region von Mesopotamien „erfunden“ wurden, überrascht es nicht, dass manche Forscher den Garten Eden hier oder in näherer Umgebung vermuten.

Persischer Golf – Juris Zarins, Professor für Anthropologie an der Southwest Missouri State University, geht aufgrund von ökologischen, geologischen und archäologischen Daten davon aus, dass der ursprüngliche Standort des Gartens Eden an der Spitze des persischen Golfs nahe Bahrain heute vom Meer überflutet ist.10 In diesen Golf mündeten Euphrat und Tigris in der Antike. Der nahegelegene Fluss Karun – dessen Name dem des biblischen Gihon ähnelt – fließt südwestlich durch den Iran zum persischen Golf. Satellitenbilder lassen weitere, längst versiegte Flüsse in der Gegend vermuten.

Zarins zufolge deuten geologische und archäologische Indizien darauf hin, dass sich in dieser Gegend der Wasserspiegel verändert hat, wodurch sich die Küstenlinie des persischen Golfs im Lauf der Zeit ausdehnte und wieder verkürzte. Der südlichste Teil von Mesopotamien wurde schließlich im Zuge der weltweit wirksamen sogenannten Flandrischen Transgression zwischen 5000 und 4000 v. Chr. endgültig überflutet. Durch diese Klimaveränderung stieg der Wasserspiegel im Golf an und bedeckte weite Teile einst trockenen Landes in Mesopotamien. Diese Region bildete den südöstlichen Abschnitt des Fruchtbaren Halbmonds, und hier finden wir im 4. und 3. Jahrtausend v. Chr. die Sumerer.

Mehrere Jahrzehnte vor Zarins entwickelte der angesehene Archäologe und Bibelkundler Ephraim A. Speiser, damals Professor und Vorstand des Instituts für Orientalistik an der Universität von Pennsylvania, eine ähnliche Theorie. In seinem kurzen Artikel „The Rivers of Paradise“ vermutet Speiser den Garten Eden an der Spitze des persischen Golfs, wo Euphrat und Tigris ineinanderflossen. Er geht jedoch nicht davon aus, dass der Garten heute unter Wasser liegt.11 Nach einer detaillierten Untersuchung der biblischen Texte und anderer Faktoren, etwa der örtlichen Geographie in Mesopotamien, kam Speiser zu dem Schluss, dass „die biblischen Texte, die Überlieferungen des antiken Mesopotamiens, die geographische Geschichte des Landes an der Spitze des persischen Golfs und die erhaltenen Baupraktiken in diesem Land auf ein älteres Gartenland hindeuten, reich bewässert und von Religion wie Literatur bevorzugt – kurz gesagt, die Art von Paradies, die die örtliche Überlieferung bis heute am Zusammenfluss von Eufrat und Tigris ansiedelt“.

Arabische Halbinsel – Ein zweiter möglicher, aufgrund wissenschaftlicher Daten vermuteter Standort des Gartens Eden ist die arabische Halbinsel.12 Der verstorbene James Sauer, Professor an den Universitäten von Pennsylvania und Harvard, schrieb: „Unter Einsatz von Fernerkundungstechnologie konnte der Geologe Farouk E-Baz von der Universität Boston einen großen, teilweise unterirdischen Sandflusskanal von den Bergen des Hedschas nach Kuwait ausfindig machen, den er Kuwait-Fluss nannte.“ Mit Bedacht wagt Sauer die These, dieser irgendwann zwischen 3500 und 2000 v. Chr. ausgetrocknete Fluss könne mit dem biblischen Fluss Pischon in Verbindung gebracht werden, da in dem Bericht auch von Bdellium (einem aromatischen Harz) und Karneol (einem Schmuckstein) die Rede ist, die man beide im Jemen auf der arabischen Halbinsel findet.

Entscheidend ist für Sauer jedoch die Bibelstelle „Das Gold jenes Landes ist gut“, weil es größere Goldvorkommen in der gesamten Region nur in Mahd adh-Dhahab („Wiege des Goldes“) nahe dem Quellgebiet dieses Flusses gibt. „Kein anderer Fluss“, schließt er, „passt zu der biblischen Beschreibung“, und: „Der Kuwait-Fluss könnte der Pischon der Bibel sein.“ Anzumerken ist jedoch, dass es sich offenbar um denselben „fossilen Fluss“ handelt, in dem auch Zarins den Pischon vermutet. Er zieht daraus jedoch den Schluss, den Garten Eden nicht auf der arabischen Halbinsel, sondern unter Wasser im persischen Golf zu suchen.

Iran – Der britische Archäologe David Rohl meinte in jüngerer Zeit, den Garten Eden im Iran verorten zu können, nahe der heutigen Stadt Tabriz.13 Rohl hat einen Abschluss als Althistoriker und Ägyptologe vom University College London und geht davon aus, dass die Forschung Teile der antiken Geschichte bislang falsch datiert. Seine früheren Arbeiten widmeten sich dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr., inzwischen geht Rohl jedoch weiter zurück und beschäftigt sich nun mit Material zur Genesis und den Büchern des Alten Testaments.

Unter Rückgriff auf Arbeiten des Forschers Reginald Walker identifiziert Rohl die biblischen Flüsse Gihon und Pischon mit dem Aras (oder Araxes) – der Berichten zufolge einst Gyhun hieß – beziehungsweise dem Qezel Uzan im Iran. Rohl postuliert, wenn man diese beiden Flüsse mit Euphrat und Tigris kombiniere, lägen die Oberläufe aller vier Ströme in der ungefähren Gegend des Gartens Eden. Zudem bringt Rohl „Nochdi“, eine Region östlich von Eden, in Verbindung mit dem biblischen Land Nod, in das Kain verbannt wurde, nachdem er seinen Bruder Abel getötet hatte.

Rohl stellte diese Hypothese erstmals 1998 in seinem Buch Legend. The Genesis of Civilisation (deutsch: Pharaonen und Propheten. Das Alte Testament auf dem Prüfstand) vor, seine Ideen fanden jedoch kaum Anklang in der akademischen Welt. Wenig hilfreich war, dass seine Argumente auf Spekulationen bezüglich der Übertragung von Ortsbezeichnungen für die diversen Flüsse und angrenzenden Gebiete aus der Antike in die Neuzeit beruhen. Zwar sind Rohls Annahmen nicht gänzlich ausgeschlossen, jedoch nicht wahrscheinlicher als irgendeine andere Hypothese und weniger glaubhaft als die von Speiser, Zarins und Sauer.

Ägypten – Zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Rohls Hypothese schlug der New Yorker Strafverteidiger Gary Greenberg in seinem Buch 101 Myths of the Bible vor, den Garten Eden nach Ägypten zu verlegen.14 Dies scheint auf den ersten Blick recht sinnvoll, da Ägypten zu Afrika gehört und die meisten physischen Anthropologen und andere Wissenschaftler glauben, der Mensch komme ursprünglich aus Afrika und habe sich von dort aus verbreitet, lange vor den Sumerern und ihren Legenden.15

Greenberg meint, den Garten Eden bei Heliopolis verorten zu können, am Ufer des Nils in Ägypten, ägyptischer Überlieferung zufolge der Ort des heiligen Lebensbaums. Er vermutet, die Geschichte des Gartens Eden gehe auf die ägyptischen (heliopolitanischen) Schöpfungsmythen zurück. Eden, schreibt er, sei ursprünglich die „Insel der Flammen“ – das erste in diesen Mythen erwähnte Land – bei Heliopolis gewesen.

Greenbergs Hypothese beruht jedoch zu weiten Teilen auf der Annahme, die vier Flüsse des biblischen Berichts seien allesamt ursprünglich Nebenflüsse des Nils gewesen und die Namen für zwei davon seien erst später, als die Juden im 6. Jahrhundert v. Chr. nach Babylonien verschleppt wurden, in die Bezeichnungen der beiden mesopotamischen Ströme (Euphrat und Tigris) geändert worden. Greenberg glaubt, wer auch immer diese Umbenennung durchgeführt habe, sei „mit der babylonischen Überlieferung, nicht aber mit der Geographie Afrikas vertraut“ gewesen und habe „die mit der ursprünglichen Insel assoziierten Flammen in von Cheruben geschwungene feurige Schwerter“ verwandelt.

Wie Rohls Hypothese ist auch die von Greenberg nicht von vornherein auszuschließen. Die Behauptung, antike Autoren oder Bearbeiter hätten die Namen von Flüssen und Nebenflüssen geändert und diese Gewässer und andere Einzelheiten von Ägypten nach Mesopotamien verlegt, wirkt jedoch etwas weit hergeholt. Greenbergs Vorschlag fand daher kaum Widerhall in der akademischen Welt. Betrachtet man die übrigen textlichen und archäologischen Belege, scheint mehr für Mesopotamien zu sprechen, ungeachtet der afrikanischen Wurzeln der Menschheit.


Lag der Garten Eden in Ägypten, möglicherweise in oder bei dem hier gezeigten Heliopolis? Jüngere Forschungen nehmen dies an.

Türkei – 2001 verkündete Michael S. Sanders, Autodidakt und „Bibelgelehrter der Archäologie, Ägyptologie und Assyriologie“, er habe den Garten Eden in der Türkei entdeckt.16 Im Januar 2001 wurde Sanders in der kanadischen National Post, der Chicago Sun-Times und der Daily Mail dahingehend zitiert, seine Forschungen zeigten, dass sich alle frühesten biblischen Erzählungen auf dem Gebiet der heutigen Türkei abgespielt hätten, und nicht etwa am persischen Golf, wie man bis dahin vermutete. „Der Garten Eden, die Sintflut, der Turmbau zu Babel, die Geschichte von Abraham – sie alle ereigneten sich in einer relativ kleinen Region zwischen dem Schwarzen Meer im Norden und den Ararat-Bergen im Osten“, sagte er.

Anhand von NASA-Satellitenfotos identifizierte Sanders die vier Ströme Edens als Murat, Tigris, Euphrat und dessen nördliche Abzweigung. „Es ist einfach bemerkenswert, dass es in dieser Region der Türkei tatsächlich vier Flüsse gibt“, sagte er. „Das beweist, dass die biblische Beschreibung gänzlich und wortwörtlich zutrifft.“ Wie wir noch sehen werden, behauptet Sanders seit 1998 auch, den Ort der Arche Noah, der Zehn Gebote, des Tempels von Salomon, des Turms von Babel sowie Sodom und Gomorra zu kennen. Solche zusätzlichen Hypothesen mögen unsere Einschätzungen seiner Theorien zum Garten Eden beeinflussen oder nicht, ebenso wie die Feststellung, dass Sanders seine Schlüsse in erster Linie aus NASA-Bildern zieht und a priori davon ausgeht, die Bibel sei „gänzlich und wortwörtlich zutreffend“. Selbst wenn er Recht hätte, bräuchten wir mehr Fakten, um zu entscheiden, ob seine These stichhaltig ist.

Es fällt schwer, den Garten Eden in einen historischen Kontext zu stellen, weil er in den Bereich der Vorgeschichte, wenn nicht der Mythen und Legenden fällt. Ein Großteil der ersten elf Kapitel der Genesis – vor allem die Geschichten – wirkt eher literarisch als historisch. Selbst Bibelkundler bezeichnen Genesis 1–11 als Urgeschichte und trennen sie von den Kapiteln 12–50, den Patriarchenerzählungen.17 Robert Alter, Übersetzer der fünf Bücher Moses, stellt fest: „Im Unterschied zu dem, was folgt, kultiviert die Urgeschichte eine Art der Erzählung, die sagenhaft oder legendär und manchmal in Bestandteilen mythisch ist.“ Beachten sollten wir zudem die Worte des angesehenen Gelehrten Ephraim Speiser, der in seinem Kommentar zur Genesis schreibt, man solle „stets bedenken, dass die Urgeschichte lediglich ein Vorwort zu einem viel umfangreicheren Werk ist, ein Vorwort über ein fernes Zeitalter, das in Mesopotamien zum Leben erwacht und für das dieses Land allein den notwendigen historischen und kulturellen Hintergrund liefert“.

Dennoch könnte in der Geschichte vom Garten Eden ein Kern historischer Wahrheit stecken, denn, so Speiser: „Für den Autor des Berichts in Genesis 2:8 … war der Garten Eden offenbar geographische Realität.“18 Wenn der Bericht etwas historisch Wahres enthält, dann wohl die Tatsache, dass in der Region von Mesopotamien der Fruchtbare Halbmond lag, der sich als Bogen vom persischen Golf bis zur Südtürkei erstreckte und in dem etwa vom Jahr 10.000 v. Chr. an Ackerbau und Viehzucht entstanden. Gut möglich, dass die diversen mesopotamischen Mythen und die Geschichten des Alten Testaments ihren Ursprung in der schlichten Tatsache haben, dass in dieser Region die Landwirtschaft ihre erste Blüte erlebte, während der neolithischen Revolution um 10.000 v. Chr. und erneut mit der Einführung der Bewässerung im 4. Jahrtausend v. Chr.

Wo also liegt oder lag der Garten Eden? Die verfügbaren Indizien sind eher karg, daher könnte dies die unbefriedigendste unserer Suchen sein. Allerdings steht – oder stand zumindest bis zum Beginn des zweiten Golfkriegs 2003 – im irakischen Querna, wo Euphrat und Tigris bei den modernen (und antiken) Städten Basra und Ur zusammenfließen, ein verbeultes Schild, das Besucher im „originalen Garten Eden“ willkommen heißt.19 Ist das nur Wunschdenken? Reiner Zufall, dass Speiser den Garten Eden in etwa derselben Region vermutete?

Ohne zu vergessen, dass alle bis heute gemachten Vorschläge Hypothesen sind, denke ich, dass diejenigen Theorien am ehesten in die richtige Richtung gehen, die sowohl die textlichen Belege der älteren mesopotamischen Literatur als auch die archäologischen Daten zur Entstehung von Ackerbau und Viehzucht im Fruchtbaren Halbmond und zur Einführung der Bewässerung in Betracht ziehen. Ich würde daher Speiser folgen und vermuten, dass der Garten Eden, so es ihn denn gab, am ehesten irgendwo in der Region von Mesopotamien und dem Fruchtbaren Halbmond lag, vielleicht sogar bei Querna, wie das zerbeulte Schild behauptet.

Wenn Zarins Recht hat und Teile von Mesopotamien irgendwann überflutet waren, ist seine Vermutung, der Garten Eden liege versunken in den Oberläufen des persischen Golfs, ziemlich plausibel. Sauers Verortung des Gartens Eden auf der arabischen Halbinsel ist ebenfalls vorstellbar, die Vorschläge von Rohl (Iran), Sanders (Türkei) und Greenberg (Ägypten) folgen in absteigender Reihenfolge der Plausibilität. Joseph Smith hinkt mit seiner Idee von Jackson County in Missouri weit hinterher, ebenso wie zahlreiche andere, ähnlich abwegige Theorien.

Am Ende bleibt eine zwingende letzte Frage: Wie kann irgendjemand tatsächlich hoffen, den Garten Eden aufzuspüren, vor allem nach dem, was das Buch Genesis über die Urgeschichte sagt? Selbst wenn der Garten einst ein realer Ort war und wir ungefähr wüssten, wo er lag: Wie könnten wir seine physischen Parameter erkennen, wo es doch keine antiken Zeichen oder Inschriften am Eingang gab (weil die Schrift noch nicht erfunden war)?

Wie wollen wir also wissen, ob wir ihn wirklich gefunden haben? Die Antwort lautet: Das können wir nicht. Wie Victor Hurowitz, Professor für Bibelforschung und Studien zum antiken Nahen Osten, einmal sagte: „Ich bezweifle, dass wir je ein Eden außerhalb der Bibel finden werden.“20

Warum die Arche nie gefunden wird

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