Читать книгу Peety - Eric O'grey - Страница 5

Vorwort Schatten und Licht

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Wenn man spät nachts allein in einer Stadt spazieren geht, haben die Straßenlaternen und blinkenden Neonschilder nicht gerade eine beruhigende Wirkung. Ihr Licht macht die dunklen Flecken nur dunkler und erzeugt tiefe Schatten, in denen sich wer weiß was verstecken könnte.

Ich glaube, es gibt zwi Möglichkeiten, um der Dunkelheit entgegenzuwirken: Entweder man trägt ein großes Licht mit sich, wo immer man auch hingeht – oder man ist nicht allein unterwegs.

Ich bin nie allein irgendwo hingegangen.

Peety war immer bei mir.

Dieser verlotterte alte Hund hatte mich auf eine Reise mitgenommen, die viel weiter reichte als all die Ausflüge und Abenteuer, die ich in den letzten fünf Jahren mit ihm unternommen hatte. Ich war mir voll und ganz bewusst, dass ich nur dank Peety meinen neuen Weg ging – den Weg, auf dem ich hoffentlich den Rest meines Lebens bleiben würde. Und genauso hatte ich Peety dabei geholfen, einen neuen Weg einzuschlagen. Umso schwerer fiel es mir in dieser Nacht, ihn bei unserem Spaziergang zu beobachten. Obwohl sein Schwanz wedelte und er den gleichen hellen Blick in den Augen hatte wie sonst auch, erkannte ich, dass er etwas langsamer ging als üblich. Ich dachte nicht, dass es etwas Ernstes war. Für jeden anderen sah er wahrscheinlich aus wie ein ganz normaler, gesunder Hund. Aber von dem Moment an, als wir unser Haus verließen, konnte ich erkennen, dass es ihm schwerfiel, unser gewohntes Tempo beizubehalten.

Ich überschlug, dass wir fast zweitausend Spaziergänge zusammen gemacht hatten, seit alles begonnen hatte. Wir waren jeden Morgen, jeden Abend und viele Male dazwischen für mindestens dreißig Minuten draußen unterwegs gewesen. Jeden Tag. Das sind eine Menge Pfotenabdrücke auf dem Bürgersteig.

Mir war klar, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines mittelgroßen Hundes statistisch gesehen nur zehn bis dreizehn Jahre beträgt. Ich wusste auch, wie alt Peety ungefähr war und dass er sich altersmäßig irgendwo zwischen diesen beiden Zahlen bewegte. Trotzdem konnte ich nicht glauben, dass es Peetys Alter war, das seine Geschwindigkeit drosselte. Er war zu fröhlich, zu aufgeregt, zu liebevoll und hatte viel zu viel Leben in sich, als dass ich mir hätte vorstellen können, dass er sich bereits seinem Lebensabend näherte. Nein, wir waren beide zu glücklich für solche unsinnigen Gedanken.

»Dein Hund ist so süß«, sagte eine junge Frau auf der Straße.

»Danke«, antwortete ich. Wir gingen weiter. Peety und ich waren diese Art von Aufmerksamkeit gewöhnt. Er war bezaubernd mit seinem schwarz-weiß gefleckten Fell und seiner kniehohen Statur. Er war ein Frauenmagnet, und alle wollten ihn streicheln.

Wir beschlossen, nach Osten zu gehen, weg von dem hell erleuchteten, touristischen Teil der Pike Street. Als wir die Second Avenue überquerten, trat ein ziemlich ungepflegt aussehender Mann aus der Dunkelheit auf uns zu.

In der Innenstadt von Seattle gibt es einige Bettler. Manche sind obdachlos, andere sind Kids im College-Alter auf der Suche nach Geld für Drogen. Die meisten sind harmlos. Dieser Typ war es nicht. Er war riesig und high, und ich spürte sofort, dass er auf mehr aus war als nur auf ein wenig Kleingeld.

»Hast du bisschen Geld?«, fragte er.

Peety blieb abrupt stehen, senkte seinen Kopf, starrte den Mann an und knurrte.

»Sorry, Mann«, sagte ich. »Ich hab nichts dabei. Komm schon, Junge.«

Ich zerrte an Peetys Leine, aber er rührte sich nicht. Er stand da wie erstarrt, die Haare an seinem Hals waren gesträubt. Sein Knurren wurde lauter.

»Scheiße, wird der Hund mir was tun?« Der Mann erhob seine Stimme und trat mit einem bedrohlichen Blick in seinen Augen auf mich zu, sodass auch ich gezwungen war, stehen zu bleiben. Peety und ich waren diese Route schon hundertmal ohne Zwischenfälle gegangen. Warum passierte das gerade jetzt? Instinktiv verkrampfte sich mein Körper, und der Griff meiner Hand um Peetys Leine wurde fester. Ich bereitete mich auf einen Kampf vor. Ich war stark, vielleicht stärker als je zuvor, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich unter normalen Bedingungen in einem Kampf behaupten könnte. Aber dieser Typ hatte was genommen, er war unberechenbar.

»Komm schon«, schrie er. »Gib mir ’n bisschen Geld!« Er streckte die Hand aus, um nach mir zu greifen, und Peety gab den bösartigsten Laut von sich, den ich je gehört hatte. Er sprang vom Bürgersteig – fast zwei Meter in die Höhe – und stürzte sich mit offenem Maul auf die Kehle des Mannes. Mit aller Kraft zog ich an seiner Leine und stoppte ihn nur wenige Zentimeter, bevor seine Zähne sich in das Fleisch des Typen bohren konnten. Dieser schwankte und viel fast um. Auf allen vieren robbte er davon, bevor er sich wieder in die Senkrechte aufrappelte und zurück in die Dunkelheit rannte.

Peety bellte laut, er wollte ihm nachlaufen und zog an seiner Leine. Ich starrte in die Dunkelheit und versuchte zu erkennen, ob der Mann noch da war. Würde er so dumm sein, zurückzukommen und sich Peetys Zorn zu stellen?

Aber es bleib ruhig. Als ich mir sicher war, dass der Spuk vorbei war, sah ich Peety an und lachte. Ich konnte nicht anders. Woher hatte Peety die Kraft und Furchtlosigkeit gefunden, so hoch zu springen, nur um mich zu beschützen? Er war durch die Luft geflogen wie eine Art Superhund! Das Einzige, was gefehlt hatte, waren ein rotes Cape und eine Superheldenbrille.

Als ich noch einmal in die Dunkelheit zurückblickte, spürte ich dann aber doch den Schock. Ich hatte Tränen in den Augen. Plötzlich erkannte ich, dass wir gerade nur sehr knapp davongekommen waren. Das Ganze war so plötzlich geschehen. Es hatte keine Warnung gegeben. Wer weiß, was dieser Mann mit mir hätte machen können? Was, wenn er ein Messer oder eine Waffe gehabt hätte? Ich atmete tief durch und war dankbar, dass es uns gut ging.

Ich verlagerte mein Gewicht auf mein Knie und streichelte Peetys Nacken. »Guter Junge, Peety. Guter Junge«, sagte ich. »Es ist alles okay. Jetzt ist alles okay.«

Als Peetys Haltung sich entspannte, stand ich wieder auf.

»Lass uns nach Hause gehen«, sagte ich zu ihm, und meine Stimme brach.

Ich schüttelte den Kopf und wischte mir mit meinem Ärmel über die Wange.

Ich war mir sicher, dass dieser Hund mir gerade das Leben gerettet hatte. Wirklich. Und das bedeutete, dass Peety mich jetzt in so vielerlei Hinsicht gerettet hatte, wie ein Mann gerettet werden kann.

Sonst waren die Leute immer von der Tatsache berührt, dass ich Peety aus dem Tierheim gerettet hatte. Das schien sie zu beeindrucken, so als ob dieser einfache Akt der Freundlichkeit irgendwie bedeutete, dass ich ein guter Mensch war. Was ich jedem von ihnen erklären wollte, war allerdings: »Nein, du hast das falsch verstanden. Dieser Hund hat mich gerettet.«

Ich schaute zu Peety, und als er seinen Kopf nach oben reckte und meinen Blick erwiderte, spürte ich, dass unsere Verbindung nicht tiefer sein könnte, was mich zum Lächeln brachte. Und Peety lächelte zurück.

Mann. Gibt es etwas Besseres als das?

Dieser Blick in Peetys Augen. Dieses Vertrauen. Dieser Beschützerinstinkt. Diese Bindung. Diese Liebe. Diese bedingungslose Liebe.

Es war dieser Blick, der für mich den großen Unterschied ausmachte. Der mich gerettet hat – und ich meine nicht vor einem wütenden Schnorrer.

Dieser Blick hat mich vor mir selbst gerettet.

Peety

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