Читать книгу Peety - Eric O'grey - Страница 8
Der perfekte Welpe
ОглавлениеIch spürte mein Herz in meiner Brust schlagen und meine Knie pochen. Allerdings war ich mir ziemlich sicher, dass der Weg von Dr. Preetis Büro zu meinem Auto nicht die Ursache für meine hohe Herzfrequenz war. Als ich dort auf dem Parkplatz in meinem Auto saß und mich durch den Stapel mit »Mahlzeiten« blätterte, wurde mir klar, dass ich das niemals schaffen würde.
Ich hasse Gemüse.
Ich kann nicht kochen.
Reis und Bohnen? Das ist keine Mahlzeit. Das ist eine Beilage!
Was zum Teufel habe ich mir dabei gedacht?
Ich zerbrach mir das Hirn und versuchte, mich an eine einzige Mahlzeit in meinem Leben zu erinnern, die kein Fleisch, keinen Käse oder irgendein anderes »tierisches Produkt« enthalten hatte. Plötzlich dämmerte mir, dass diese Vollwertkost auf pflanzlicher Basis nichts anderes als die »vegane« Ernährung war, von der ich im Laufe der letzten Jahre gehört hatte.
So ernähren sich Hippies. Muss ich etwa zum Hippie werden?
Ich hatte in meinem Leben ein paar Veganer getroffen. Klar, ich lebte ja auch in der Bay Area um San Francisco, nicht weit von Orten wie Santa Cruz und Berkeley, wo die Leute Kumbaya in Parks sangen, sich die Haare lila färbten und Birkenstocksandalen mit Socken in verschiedenen Farben trugen. Diese Menschen waren die extremste Sorte von vegan lebenden Tierrechtsaktivisten, die ich je getroffen hatte. Sie hatten absolut nichts mit mir gemeinsam. Andererseits hatte Dr. Preeti mir auch gesagt, dass sie diese Diät selbst praktizierte, und sie war ganz offensichtlich kein Hippie. Das gab mir etwas Hoffnung, dass ich mit meiner Meinung über Veganer vielleicht doch nicht ganz richtiglag. Trotzdem schien die Liste all der Dinge, die ich nicht essen durfte, lächerlich lang.
Sie will nicht, dass ich Eier esse? Keine Eier? Was zum Teufel soll ich zum Frühstück essen?
Vor diesem Gespräch hatte ich mich zuversichtlich gefühlt, dass ich den Anweisungen dieser Ärztin würde folgen können. Ich war überzeugt gewesen, dass dies meine allerletzte Chance war. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Ernährungsumstellung für mich funktionieren sollte.
Ich warf den Ausdruck auf den Beifahrersitz und griff nach dem Lenkrad. Ein paar Sekunden lang starrte ich auf die Ziegelwand vor mir, dann wurde mir klar, dass ich das tat, was ich immer tat: Ich ließ mich entmutigen. Ich geriet in Panik. Ich war wütend auf mich selbst, weil ich diesen Weg eingeschlagen hatte, und ich war wütend, dass ich wütend war.
Die Wahrheit war, dass ich tief im Inneren wusste, dass das hier wirklich meine letzte Chance war. Ich schloss die Augen und versuchte zu atmen. Ich versuchte, mich an dieses tiefe, kraftvolle, positive Gefühl zu erinnern, das ich vor ein paar Tagen nach dem Aufwachen empfunden hatte. Ich versuchte, auf Gott zu vertrauen und mich auf die Zeichen zu besinnen, die er mir offenbarte (so seltsam mir das noch vorkam).
Ich muss es wenigstens versuchen, dachte ich. Gib noch nicht auf.
Ich startete das Auto und beschloss, zu Safeway zu fahren, einem Supermarkt in der Nähe. Ich hasste Lebensmittelgeschäfte, denn die langen Gänge zwischen den Regalen erinnerten mich zu sehr an meine Erfahrungen auf Flughäfen. Der Safeway in der Nähe meiner Wohnung war in dieser Hinsicht nicht besser, aber immerhin hatte er breite Gänge, sodass mein Körper niemand anderen am Vorbeikommen hindern würde.
Schon vor einem Jahrzehnt hatte ich es aufgegeben, frische Produkte zu kaufen. Die waren eh immer nur in der unteren Schublade meines Kühlschranks verrottet. Also warum sich die Mühe machen? Warum um alles in der Welt sollte jemand etwas anderes kaufen als Konserven oder tiefgefrorene und abgepackte Lebensmittel, die ein Verfallsdatum von mindestens sechs Monaten hatten? Und warum sollte man dazu überhaupt in den Supermarkt gehen? Nicht verderbliche Artikel können online bestellt werden, genau wie meine Unterwäsche und alles andere.
Ich war mir bewusst, dass ich nicht eine einzige Zutat von Dr. Preetis Liste in meiner Wohnung hatte. Wenn ich also wirklich versuchen wollte, ihrem Rat zu folgen, musste das jetzt einfach sein.
Kaum fuhr ich vom Parkplatz, sah ich eine Frau in Yoga-Leggins einen Chihuahua an einer rosafarbenen, mit Glitzersteinchen besetzten Leine spazieren führen. Der Hund sah für mich wie eine kleine Ratte aus. So einen wollte ich definitiv nicht haben. Zwei Blocks weiter sah ich eine andere Frau mit einem großen braunen Hund, der ihr fast bis zur Taille reichte, Gassi gehen, und alles, woran ich denken konnte, war, wie nervig es sein würde, so einen riesigen Hund in meiner Wohnung zu haben.
Der nächste Hund, den ich sah, war ein Labrador Retriever, der vor dem Supermarkt an einem Pfosten angebunden war und ungeduldig auf seinen Besitzer wartete. Als ich parkte, keuchte auf dem Rücksitz des Autos neben mir wie verrückt ein Pudel. Plötzlich waren überall Hunde! Ich war von ihnen umgeben! Es war seltsam. Ich hatte noch nie zuvor so viele Hunde in meiner Nachbarschaft gesehen.
Als ich mir einen Einkaufswagen schnappte und mit der Zutatenliste in der Hand in den Supermarkt trampelte, schmerzten meine Knöchel. Ich folgte dem Menschenstrom vor mir durch den Bereich mit Milchprodukten und realisierte, dass nichts hiervon auf meiner Liste stand. Ich bewegte mich nach hinten zur Feinkosttheke und betrachtete die Schilder über den Gängen, in der Hoffnung, dort irgendeine der fremdartig klingenden Zutaten zu finden, die ich angeblich brauchte.
Was zum Teufel ist Quinoa? Und wie zur Hölle spricht man es aus?
Schließlich fand ich zwei der am häufigsten genannten Zutaten in einem einzigen Gang: Reis und Bohnen. Ich hatte vorher noch nie Zeit in diesem Gang verbracht, also hatte ich keine Ahnung, wie das alles funktionieren sollte. Es gab Kartons mit Reis und Instanttüten mit Reis, kleine Tassen mit Reis für die Mikrowelle, spanischen Reis, Basmatireis, Wildreis, Reismischungen … Schließlich sah ich einen großen Beutel mit der Aufschrift »Brauner Langkornreis«. Das klingt richtig. Ich warf den Beutel in den Wagen.
Die Bohnen waren noch verwirrender. Ich hatte keine Ahnung, welche ich kaufen sollte oder wie man sie zubereitete. Ich schaute auf eines der Etiketten und las, dass die Bohnen vor dem Kochen acht Stunden lang eingeweicht werden mussten. Acht Stunden? Ich habe keine acht Stunden. Ich brauche die zum Abendessen! Also guckte ich mir die Konservenbohnen an, suchte mir ein paar rote und schwarze aus und warf sie in den Wagen.
In dem Moment kam eine junge Frau mit einem schwarzhaarigen Mädchen im Kleinkindalter in ihrem Wagen den Gang entlang auf mich zu. Das Kind saß nicht hinten auf dem Sitz, sondern stand oben im Hauptteil des Wagens, wo es herumlaufen konnte wie in einem kleinen Käfig im Zoo, nur auf Rädern. Das Mädchen sang ein Lied und schwang ihr hellgelbes Kleid hin und her. Dann stellte sie sich nach ganz vorn in den Wagen und streckte ihre Arme in die Luft, als sei sie Kate Winslet am Bug der Titanic, während sie an den Kichererbsen vorbeischwebte. Als sie mich sah, riss sie plötzlich ihre Augen auf und erstarrte. Sie sah verängstigt aus. Dann lachte sie. Schnell drehte sie sich zu ihrer Mutter um und sagte: »Schau, Mami! Ein Riese!«
»Hey!«, sagte ihre Mutter und begann zu flüstern. Sie schrie das kleine Mädchen auf Spanisch an. »Es tut mir so leid«, sagte sie an mich gewandt, als sie schnell an mir vorbeihuschte.
»Schon okay«, sagte ich, obwohl es das eigentlich nicht war.
Ich war eh schon müde, aber jetzt wollte ich mich einfach nur noch in einer Höhle verkriechen. Nur weg hier! Ich dachte an Dr. Preetis Rat: Mindestens die Hälfte deiner Mahlzeit sollte aus frischem Obst und Gemüse bestehen. Also musste ich noch einen Abstecher in die Obst-und-Gemüse-Abteilung machen. Wieder erkannte ich viele der aufgeführten Namen nicht, also hielt ich es bewusst einfach. Ich nahm ein paar Orangen und ein paar Äpfel und schnappte mir dann noch einen Haufen Bananen. Brokkoli mochte ich nicht, da war ich mir sicher, aber in meinem Kopf hörte ich die Stimme meiner Mutter: »Woher weißt du, dass du es nicht magst, wenn du es noch nie probiert hast?« Also warf ich auch noch einen großen Kopf Brokkoli in meinen Wagen.
Bevor ich ging, nahm ich auch noch einen Laib Brot mit. Bestimmt würde ich morgen zum Frühstück etwas Toast essen. Das und eine Tasse Kaffee hatten mir im Laufe der Jahre bei meinen vielen Hotelbesuchen das Leben gerettet. Das gute alte kontinentale Frühstück. Warum sollte ich das jetzt nicht auch haben?
Außerdem packte ich auch noch wie abgemacht sechs Dosen Thunfisch in meinen Wagen. Mein Back-up-Plan, der mir dabei helfen sollte, mich langsam von meiner aktuellen Diät zu entwöhnen.
Als ich an der Kasse in der Schlange stand, bemerkte ich, dass die Kassiererin länger als normal auf meinen Bauch schaute. Ich blickte nach unten und sah einen großen dunklen Fleck, der sich horizontal über den breitesten Teil meines Hemdes zog, direkt über meinem Bauchnabel. Er musste von einer der Obstkisten kommen, wahrscheinlich, als ich mich dagegendrücken musste, um die reifen Bananen ganz oben zu erreichen.
Die Kassiererin sagte nichts, aber ich wusste, was sie dachte.
Ich sah aus wie ein großer, fetter Schmutzfink. Noch eine Demütigung.
Auf dem Parkplatz fand ich mich erneut auf dem Fahrersitz wieder, meine Finger um das Lenkrad gekrallt, bei dem verzweifelten Versuch, meine Gelassenheit zu bewahren. Ich musste vorwärtskommen.
Ich schaffte es irgendwie nach Hause, schleppte meinen Einkauf in die Wohnung, verstaute alles und brach auf der Couch zusammen.
Als ich aus meinem Mittagsschlaf aufwachte, erledigte ich ein paar geschäftliche Telefonate, bevor ich mich meiner nächsten Aufgabe widmete: Ich würde irgendwie einen Hund adoptieren.
Ich googelte »Hund adoptieren in San José«, und alle möglichen Webadressen ploppten auf. Es gab unabhängige Rettungsstationen für Hunde, Links, die mich zu Tierrechtsorganisationen führten, und Tierhandlungen, aber woran ich schließlich hängen blieb, war die Humane Society Silicon Valley (HSSV) – die Organisation, die Dr. Preeti erwähnt hatte. Sie hatten bei Weitem die größte Auswahl an Hunden, die ein neues Zuhause suchten, also schaute ich mich genauer auf ihrer Website um.
Da waren die perfekten kleinen Drei-Kilo-Pudel, die wirklich süß waren. Einer von ihnen hieß Fifi. Ich konnte mir vorstellen, wie er wie ein elegantes Rennpferd in einem rosafarbenen, mit Nieten besetzten Halsband die Straße entlangstolzierte. Nichts für mich, dachte ich. Dann hatten sie auch noch jede Menge Chihuahuas. Und so viele andere Rassen! Es gab braune, schwarze, weiße und gefleckte Hunde, Hunde mit kurzen Haaren, Hunde mit langen Haaren und Mischlingshunde. Wer hätte gedacht, dass sich ein Chihuahua mit einem Pitbull paaren kann? Ich scrollte weiter und fand noch viel mehr Hunde, allesamt mit detaillierten Beschreibungen und Disclaimern wie »Keine Katzen oder Kleinkinder« oder »Perfekt für Familien mit Kindern«.
Ich war mittlerweile wieder motiviert, diese ganze Sache wirklich durchzuziehen, also begann ich, die Eigenschaften verschiedener Hunderassen zu googeln und mir Gedanken über den idealen Hund für mich zu machen. Es müsste einer sein, der von Anfang an glücklich und leicht zu handeln wäre, der keine Faxen machen würde, nie, nie, nie in meine Wohnung pinkeln oder kacken würde, nicht bellen würde, immer ruhig wäre, nicht haaren und definitiv niemals meine Möbel zerkauen oder meine Schuhe klauen würde. Am Ende meiner Recherche konnte ich mir endlich den idealen Hund für mich vorstellen: ein ausgewachsener, bereits trainierter und rundum glücklicher drei Kilo schwerer Golden Retriever.
Obwohl es kurz vor Feierabend war, beschloss ich, nicht länger zu warten. Ich rief die HSSV-Nummer an und erklärte der netten Dame am anderen Ende der Leitung, wonach ich suchte.
»Hast du so einen Hund?«, fragte ich.
»Ähm …«, erwiderte sie. »Ich stelle Sie zu Casaundra durch. Sie kümmert sich bei uns um die Adoptionen und kann Sie durch den Prozess leiten. Bitte warten Sie einen Moment.«
Keine Minute später begann ich das Gespräch, das mein Leben für immer verändern sollte.
»Hi. Hier ist Casaundra. Hab ich Eric am Telefon?«
»Genau.«
»Ich habe gehört, dass du einen Hund adoptieren willst.«
»Ja, also, meine Ärztin hat mir im Grunde genommen einen Hund verschrieben. Sie meinte, ich soll ins Tierheim gehen und einen adoptieren. Das Ding ist, ich habe noch nie einen Hund besessen, also suche ich einen, der wirklich pflegeleicht und freundlich ist, mit jedem auskommt, nicht zu groß ist, nicht haart oder bellt oder meine Nachbarn stört und auch nicht in meine Wohnung pinkeln oder kacken wird. Keine Ahnung, welche Rasse das sein könnte, aber das stelle ich mir so vor, und ich hoffe, du hast vielleicht einen Hund, der auf diese Beschreibung passt«, sagte ich, alles in so ziemlich einem Atemzug.
»Deine Ärztin hat dir einen Hund verschrieben?«
»Das hat sie. Sie ist Naturheilkundlerin und glaubt an die ganzheitliche Medizin, bei der der Mensch im Ganzen behandelt wird. Und na ja, sie denkt, ein Hund würde mir guttun.«
»Okay. Aus welchem Grund genau?«
»Das ganze Paket, wirklich. Ich schätze, ich sollte dir sagen, dass ich übergewichtig bin. Sehr übergewichtig. Aber ich versuche, das zu ändern. Also hat meine Ärztin mich auf eine neue Diät gesetzt, und der Hund soll mir dabei helfen, dass ich regelmäßig nach draußen gehe und mich etwas bewege, wenn ich mit ihm Gassi gehe.«
»Oh«, sagte Casaundra. »Okay, dann würde ich dir gern ein paar Fragen stellen, damit ich ein Gefühl dafür bekomme, was du suchst und was du einem unserer Tiere bieten kannst.«
Was ich dem Tier bieten kann?
»Klar, sicher«, sagte ich.
Die nächsten vierzig Minuten grillte Casaundra mich. Sie stellte mir fast so viele Fragen über mein Leben und meine Absichten wie Dr. Preeti an diesem Morgen. Von »Lebst du allein?« über »Hattest du jemals ein Haustier irgendeiner Art?« bis hin zu »Wie viel bewegst du dich aktuell?«.
»Na ja, ich habe noch nicht angefangen«, gab ich zu. »Aber das möchte ich gern so schnell wie möglich.«
Wow, dachte ich. Das ist eine Menge Arbeit, nur um einen Hund zu adoptieren. Ich dachte, ich würde einfach erklären, was für eine Art Hund ich will, und könnte ihn dann abholen, oder sie würden ihn vielleicht sogar liefern!
»Ein Hund ist kein Spielzeug«, ermahnte mich Casaundra. »Du kannst es nicht einfach mal probieren und dann aufgeben. Hunde brauchen Liebe und Aufmerksamkeit, sie bauen eine Verbindung zu ihrer Familie auf, verstehst du? Sie wollen dazugehören. Bist du dir dieser Verpflichtung bewusst? Und wirst du am Ball bleiben?«
An ihrem Tonfall konnte ich erkennen, wie wichtig ihr das war. Also dachte ich ein paar Sekunden ernsthaft darüber nach, und meine Antwort war klar: »Ja«, sagte ich. »Ich werde wirklich alles geben. Es ist mir wichtig, das durchzuziehen. In vielerlei Hinsicht denke ich, dass mein Leben davon abhängt. Aber ich verstehe, warum du fragst. Es ist eine verdammt große Verpflichtung. Ich weiß nur, dass ich unbedingt will, dass es funktioniert. Ich werde mich daran gewöhnen müssen, und ja, ich bin nervös. Aber alles in mir sagt mir, dass ich dem Rat dieser Ärztin folgen muss. Ich möchte mein Leben zum Besseren wenden, und Dr. Preeti scheint wirklich zu denken, dass ein Hund mir dabei helfen wird.«
Casaundra war definitiv eine gute Zuhörerin. Ich schätzte die Fragen, die sie mir stellte, und verstand, dass ihr Job ihr extrem wichtig war. Die Hunde lagen ihr am Herzen, und es war ihr wichtig, dass ich die richtige Entscheidung traf. Ich vertraute ihr. Ich glaubte wirklich, dass sie mein Bestes wollte.
»Hör zu«, sagte ich, »vielleicht sollte ich mir einfach einen übergewichtigen Hund im mittleren Alter besorgen, damit wir wenigstens etwas gemeinsam haben.«
Sie kicherte darüber – aber ich hatte damit auch irgendwie ins Schwarze getroffen.
»Weißt du«, sagte Casaundra, »ich habe eventuell den perfekten Hund für dich. Er ist gerade bei einer Pflegefamilie. Lass mich dort anrufen und fragen, wie es ihm geht, und dann rufe ich dich morgen zurück.«
»Okay, super«, erwiderte ich.
Und damit war es Zeit fürs Abendessen. Ich war am Verhungern.
Ich las schnell die Kochanleitung für den Reis und war enttäuscht, als ich sah, dass es vierzig Minuten dauern würde, bis er fertig war. Ich füllte zwei Tassen Reis und etwas Wasser in einen kleinen Topf, brachte das Ganze zum Kochen, packte einen Deckel darauf und reduzierte die Hitze ein wenig. Ich dachte mir, dass die Kochplatte das auf Stufe fünf von ganz allein erledigen würde, und als ich fünf Minuten später in den Topf schaute, sprudelte das Wasser, ohne zu kochen, und ich fühlte mich ziemlich gut.
Während ich auf den Reis wartete, googelte ich »Wie kocht man Brokkoli«. Die erste Methode, die mir angezeigt wurde, war das Blanchieren, was mir viel zu kompliziert erschien. In Wasser kochen und dann in ein Eisbad geben? Nein, danke. Die zweite Möglichkeit war das Dämpfen, und ich entdeckte, dass bei meinem Pfannenset ein Dünsteinsatz dabei war. Das billige Set hatte ich mir vor Jahren gekauft und bis jetzt nie benutzt, nicht ein einziges Mal. Ich stellte Pfanne und Aufsatz auf den Herd, füllte etwas Wasser in den unteren Teil, drehte die Herdplatte auf, schnitt wie vorgeschlagen die dicken Stiele des Brokkolis ab (was mir wie eine schreckliche Essensverschwendung vorkam), warf den Rest in den Dünsteinsatz in der Pfanne, deckte das Ganze mit einem Deckel ab und widmete mich dann den Bohnen.
An diesem Punkt wurde mir klar, dass ich komplett vergessen hatte, mir das Rezept für Reis und Bohnen auf Dr. Preetis Liste anzuschauen. Ich las es durch und erkannte schnell, dass ich es in meiner Eile im Supermarkt völlig versäumt hatte, irgendwelche Gewürze zu kaufen. Außerdem stand in dem Rezept, dass der Reis und die Bohnen zusammen in einem Schongarer zubereitet werden sollten. Hoppla. Ich hoffte, dass am Ende das Gleiche dabei rauskäme, wenn ich sie separat kochte und dann zusammenmischte. Wie kompliziert konnte das denn schon sein?
Eine der Dosen mit Bohnen, die ich gekauft hatte, trug die Aufschrift »Gebackene Bohnen«. Im Supermarkt hatte ich nicht wirklich darüber nachgedacht, was das bedeutete, aber jetzt war ich froh, dass ich sie hatte. Die mussten doch nach irgendwas schmecken. Ich las mir die Zutatenliste durch und ja, da wurden in der Tat jede Menge »Gewürze« und »natürliche Aromen« aufgeführt. Außerdem auch etwas, was ich nicht erwartet hatte: Schweinefleisch.
Hä?
Diese Bohnen waren nicht vegetarisch. Seltsam. Ich dachte, in einer Dose Bohnen würden nur Bohnen drin sein. Das war doch logisch. Sonst hätte es vorn auf dem Etikett doch sicher »Bohnen und Schweinefleisch« geheißen? Hätte ich das Kleingedruckte nicht gelesen, hätte ich das wahrscheinlich nie bemerkt. Aber was, wenn es wichtig gewesen wäre? Was, wenn ich gegen Schweinefleisch allergisch wäre oder es aus religiösen Gründen nicht essen könnte? Ganz schön irreführend.
Ich debattierte mit mir, ob ich die Bohnen trotzdem verwenden sollte, aber entschied mich dagegen. Ich war schon genug von Dr. Preetis Anweisungen abgewichen. Also wärmte ich stattdessen eine Dose mit stinknormalen roten Bohnen auf. Auf der Zutatenliste stand nur ein Inhaltsstoff: Kidneybohnen.
Es gab keinen weiteren kleinen Topf in meinem Set, also gab ich die Bohnen in eine Schüssel und erhitzte sie in der Mikrowelle. Innerhalb einer Minute hatten sie sich in der gesamten Mikrowelle verteilt und ein riesiges Chaos angerichtet, auf dessen Beseitigung ich mich definitiv nicht freute. Ich machte die Tür der Mikrowelle wieder zu und ließ die Bohnen vor Ort und Stelle, damit sie nicht zu sehr abkühlten, während ich auf den Reis und den Brokkoli wartete.
In der Zwischenzeit beschloss ich, einen Apfel zu essen. Danach schnitt ich eine Orange auf und aß sie ebenfalls. Ich mochte Orangensaft, aber ich hatte seit der Grundschule keine ganze Orange mehr vertilgt. Es schmeckte großartig, aber war ziemlich klebrig, sodass ich mir danach die Hände waschen musste. Wie anstrengend, dachte ich. Warum verkaufen sie die nicht einfach vorgeschält?
Als es noch etwa zehn Minuten dauern sollte, bis der Reis fertig war, bemerkte ich, dass der Dampf, der aus dem Topf austrat, eher wie Rauch aussah. Ich nahm den Deckel ab, und eine riesige braune Rauchwolke ergoss sich in meine Küche. Schockiert stellte ich fest, dass jedes einzige Gramm Wasser in dem Topf verdunstet war. Als ich ihn von der Herdplatte nahm, ging auch noch der Rauchmelder los, und das kreischende »Piep, piep, piep, piep, piep« hämmerte gegen mein Trommelfell.
»Scheiße!«, schrie ich und griff nach Dr. Preetis Rezeptliste, um mit ihr den Rauch wegzufächern. Schnell rannte ich zur Balkontür und öffnete sie. Ich wohnte in einem großen Gebäude voller Eigentumswohnungen und wusste, dass der Rauchmelder nach einer weiteren Minute den Alarm für das gesamte Haus auslösen würde. Die gesamte Anwohnerschaft müsste dann evakuiert werden, und natürlich würde die Feuerwehr auftauchen. Pünktlich zum Abendessen.
Ich konnte mir die tadelnden Blicke meiner Nachbarn vorstellen, deren Augen allesamt auf mich gerichtet waren: auf den fetten Kerl aus Wohnung 313.
Großartig, nicht das auch noch!
Glücklicherweise führte mein hektisches Fächern zum Erfolg. Das Piepen hörte auf.
Ich wandte mich wieder dem Topf mit Reis zu und fand nichts als einen klobigen Haufen Brei vor, umrahmt von einer verbrannten Kruste. Der Reis hatte sich so gründlich in den Boden des Topfes gebrannt, dass ich es nicht mal schaffte, ihn mit einem Metalllöffel abzukratzen. Der Reis in der Mitte war dafür noch fast roh.
»Scheiße!«, schrie ich und bemerkte, dass ich den Brokkoli die ganze Zeit über hatte dünsten lassen. Ich nahm die Pfanne vom Herd und sah herab auf etwas, das aussah wie ein Haufen zerfallener, verwelkter kleiner Bäume. Immerhin war er noch grün und nicht verbrannt. Ich hoffte, der Brokkoli war so immer noch »gut für mich«.
Ich schaufelte so viel wie möglich von dem halb gekochten, unverbrannten Reis aus der Mitte des Topfes auf einen Teller und mischte die Bohnen aus der Mikrowelle darunter. Den Brokkoli gab ich auch auf den Teller und probierte dann einen Bissen von dem Ganzen. Sofort fühlte ich mich ins Ausbildungslager der Army zurückversetzt: Ich aß ein Tablett mit unidentifizierbarem Dreck. Das ist schlimmer als Gefängnisessen, dachte ich. Besonders die Textur.
Ich konnte nicht glauben, wie sehr ich das vermasselt hatte. Zur Strafe übergoss ich alles mit Salz und Pfeffer und zwang mich, es bis zum letzten Bissen aufzuessen. Wenn das hier funktionieren sollte, musste ich es beim nächsten Mal besser machen.
Ich stand auf und wusch das Geschirr von Hand ab. Ich rechnete aus, dass ich im Supermarkt wohl schon zwanzig Minuten Bewegung bekommen hatte, und den Abwasch von Hand zu machen, schien mir noch mal ungefähr der gleiche körperliche Aufwand zu sein. Der verbrannte Reis hatte schwarze Spuren auf dem Boden des Topfes hinterlassen. Wie sehr ich es auch probierte, ich bekam sie nicht weg. Ich schrubbte hart, aber schließlich warf ich den Topf einfach in den Müll. Er war ruiniert, aber es war eh nur ein billiger Aluminiumtopf gewesen. Ich machte mir eine mentale Notiz, dass ich bessere Kochutensilien kaufen musste – und unbedingt die Worte »wie funktioniert kochen« googeln sollte, bevor ich mich wieder in die Küche wagte.
Im Lauf der nächsten Stunde zwang ich mich vor dem Fernseher, jede einzelne Orange, jeden einzelnen Apfel und jede einzelne Banane zu essen, die ich an diesem Tag gekauft hatte, nur um meinen Magen zu füllen. Dr. Preeti hatte gesagt, ich soll keine Kalorien zählen, also tat ich es nicht. Ich dachte überhaupt nicht über die Menge an Essen nach, die ich mir ins Gesicht stopfte. Ich stopfte einfach nur.
Schon damals war es nicht besonders viel Essen. Jedenfalls nicht im Vergleich zu zwei extra großen Pizzen. Außerdem hatte ich, als ich fertig war, nicht das Gefühl, dass ich mich sofort hinlegen und schlafen musste. Als ich endlich den Fernseher ausschaltete und ins Bett ging, war ich überrascht, dass ich in meinem Magen nicht das übliche Engegefühl verspürte – dieses krampfige, saure Gefühl, das ich normalerweise bekam, wenn ich Hunger hatte. Es war Schlafenszeit, und vor dem Schlafengehen war ich immer hungrig. Wenn ich vor dem Zähneputzen keinen Snack verdrückte, träumte ich im Bett üblicherweise davon, was ich am nächsten Morgen zum Frühstück essen würde.
Nicht in dieser Nacht – da fühlte ich mich überraschend voll.
Hm, dachte ich. Das ist seltsam.