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1.4.2. Eigenschaften realer Messobjekte

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Das Modell des idealen Strahlers (des schwarzen Körpers) wurde in den bisherigen Kapiteln als zwingend notwendiges Modell der theoretischen Abhandlung der auf Infrarotstrahlung basierenden berührungslosen Temperaturmessung (und damit auch der Thermografie) behandelt. Die in der Praxis vorkommenden Materialien (und damit Messobjekte) weichen in ihren strahlungsphysikalischen Eigenschaften - teilweise sogar wesentlich - von den Eigenschaften dieses Modells ab. Es ist daher wichtig, diese Eigenschaften und deren Auswirkungen auf die Messergebnisse zu prüfen. Zur Beschreibung des Unterschiedes in den Abstrahlfähigkeiten dient der sogenannte Emissionsgrad (ε), welcher als dimensionsloser Zahlenwert beschreibt, in welchem Maße (im Vergleich zum idealen Strahler) der jeweilige Körper zur Strahlungsabgabe fähig ist. Der ideale Strahler hat als Referenz 100% Emissionsfähigkeit und damit einen Emissionsgrad von 1. Dies bedeutet, dass seine Strahlungsabgabe entsprechend seiner Temperatur genau den Kurven des Planckschen Strahlungsgesetzes entspricht. Alle anderen Körper emittieren nur weniger Strahlung als der ideale Strahler, damit ist deren Emissionsgrad stets kleiner 100% (d.h. ε<1).

Der Emissionsgrad selber hängt von mehreren Parametern ab, welche zum Teil stoffspezifisch sind, zum anderen aber auch temperaturabhängig sein können. Im Einzelnen sind dies:

 Oberflächenmaterial (bei für Infrarotstrahlung undurchsichtigen Oberschichten, ansonsten Material der darunterliegenden Schicht)

 Wellenlänge (stoffspezifische Eigenschaft)

 Oberflächenrauigkeit

 Mess- bzw. Beobachtungswinkel

 Temperatur

Da der Emissionsgrad in erster Linie vom Oberflächenmaterial (bzw. dessen strahlungsphysikalischen Eigenschaften) und der Oberflächenrauigkeit, sowie vom Messwinkel (Betrachtungswinkel) abhängt, werden diese im Folgenden detailliert behandelt.

Hinweis: Der Emissionsgrad beschreibt als Verhältniszahl, in welchem Maße (im Vergleich zum idealen Strahler mit ε = 1) der jeweilige Körper zur Strahlungsabgabe fähig ist. Daher kann der Emissionswert nie einen Zahlenwert größer 1 annehmen.

Abhängigkeit des Emissionsgrades vom Oberflächenmaterial

Die realen Messobjekte sind (fast) ausschließlich keine idealen Strahler, es werden unter diesen die Kategorien graue Strahler und selektive Strahler unterschieden. Die folgenden Darstellungen (Abb. 32 und 33) geben die typischen Eigenschaften dieser Kategorien wieder.


Abb. 32: spektrale spezifische Ausstrahlung verschiedener Strahler als Funktion der Wellenlänge

Insofern die spektrale spezifische Ausstrahlung der obigen Darstellung durch den wellenlängenabhängigen (spektralen) Emissionsgrad ersetzt wird, ergibt sich die nachfolgende - die Eigenschaften der verschiedenen Strahlerkategorien leicht verständlich beschreibende - Grafik:


Abb. 33: wellenlängenabhängiger (spektraler) Emissionsgrad verschiedener Strahler

Graue Strahler

Als graue Strahler werden Körper bezeichnet, bei denen alle Wellenlängen - verglichen mit einem idealen Strahler - prozentual gleichermaßen verringert abgestrahlt werden. Diese Eigenschaft kommt der eines idealen Strahlers relativ nahe, da es keine Wellenlängen gibt, die stärker oder schwächer als die übrigen emittiert werden. Der spektrale Emissionsgrad ελ ist bei grauen Strahler über alle Wellenlängen gleich.

Gl. 37

Selektive Strahler

Selektive Strahler nennt man solche Körper, deren spektraler Emissionsgrad wellenlängenabhängig ist. Es gibt hierbei also Wellenlängen, die stärker (aber höchstens mit ελ=1) oder schwächer als die übrigen emittiert werden. Es kann auch Wellenlängen geben, die überhaupt nicht emittiert werden.

Gl. 38

Spektraler Emissionsgrad, Banden- und Gesamtemissionsgrad

Die in der täglichen Praxis am häufigsten vorkommenden Strahler sind als selektive Strahler zu betrachten. Deren Emissionsgrad als einen einzigen Zahlenwert anzugeben reicht nicht aus, um die Strahlungseigenschaften dieser Materialien ausreichend genau zu definieren. Aus diesem Grunde werden für je eine Wellenlänge geltende spektrale oder für abgegrenzte Wellenlängenbereiche gültige Bandenemissionsgrade verwandt. Um diese richtig anwenden zu können, folgen hier die Definitionen.

Der spektrale Emissionsgrad ελ stellt die Verhältniszahl zwischen der tatsächliche Strahlungsabgabe und der Emission des idealen Strahlers für die Wellenlänge λ dar. Als Gleichung ausgedrückt:

Gl. 39

Die in der Gleichung aufgeführte spektrale Strahldichte Lλ gilt allerdings nur für die Abstrahlung in eine bestimmte Richtung, typisch ist die Anwendung in Richtung der Flächennormalen. (Die Strahlungswerte des idealen Strahlers wurden mit dem Index i gekennzeichnet.)

Der Bandenemissionsgrad εB ist das Verhältnis des Mittelwertes der Strahldichte des realen Strahlers zum idealen Strahler in einem bestimmten Wellenlängenbereich (sogenanntem Strahlungsband) zwischen λ1 und λ2.

Gl. 40

Werden die Grenzen des Wellenlängenbereiches auf λ1 = 0 und λ2 = ∞ erweitert, dann stellt das Ergebnis den Gesamtemissionsgrad εG dar.

Gl. 41

Die obige Gleichung ist das Verhältnis der Strahldichte des Körpers im Vergleich zur Strahldichte des idealen Strahlers unter Betrachtung aller Wellenlängen.

Für den idealen Strahler (schwarzer Körper) gilt ελ = εB = εG = 1, für graue Strahler gilt ελ = εB = εG < 1, für selektive Strahler dagegen ist ελ ≠ εB ≠ εG und ελ = f(λ) gültig.

Typische Emissionsgrade

Wegen der bei vielen Materialien anzutreffenden starken Wellenlängenabhängigkeit des Emissionsgrades wird allgemein kategorisierend zwischen Metallen und Nichtmetallen unterschieden. Bei letzteren ist auch noch eine weitere Differenzierung zwischen hellen und dunklen Nichtmetallen üblich.

Über einen breiten Wellenlängenbereich im langwelligen Infrarot weisen vielen Nichtmetalle einen überwiegend hohen, von der Oberflächenrauigkeit praktisch unabhängigen Emissionsgrad auf. Beispiele hierfür sind die menschliche Haut, viele Mineralien, Holz, Papier, Kunststoffe und wegen letzterem auch mit Kunststofffarben überzogene Oberflächen.

Ergänzend ist noch festzustellen, dass dunkle Nichtmetalle typischerweise über fast den gesamten langwelligen Wellenlängenbereich einen ausgesprochen hohen - oft sogar über 0,9 betragenden - beinahe gleichbleibenden Emissionsgrad besitzen. Bei hellen Nichtmetallen ist der Emissionsgrad bis zur Wellenlänge von etwa λ = 10 µm spürbar niedriger, folgt dann aber zu den längeren Wellenlängen hin dem Emissionsgrad der dunklen Nichtmetalle.

Hinweis: Helle und dunkle Nichtmetalle haben bei Zimmertemperatur (hier beträgt die Wellenlänge des Strahlungsmaximums nach dem Wienschen Verschiebungsgesetz λ = 10 µm) und noch tieferen Temperaturen fast gleiche Emissionsgrade. So ist z.B. Schnee bei 0°C (>10 µm) ein guter Strahler (ε >0,9).

Metalle haben dagegen im Allgemeinen - von den ganz kurzen Wellenlängen abgesehen - im infraroten Wellenlängenbereich ausgesprochen niedrige, mit anwachsender Wellenlänge fast stetig abnehmende Emissionsgrade, die noch dazu stark von der Oberflächenbeschaffenheit (Rauigkeit) abhängen.


Abb. 34: typische Emissionsgrade realer Strahler in Abhängigkeit von der Wellenlänge (kategorisiert)

Als Untermauerung der obigen Kategorisierung folgen nunmehr einige häufige Materialien und derer spektraler Emissionsgrade. Die folgende Darstellung zeigt die Wellenlängenabhängigkeit der Emissionsgrade von Nichtmetallen.


Abb. 35: spektrale Emissionsgrade einiger Nichtmetalle (mit freundlicher Unterstützung der InfraTec GmbH, www.InfraTec.de [A12], editiert durch Autor)

Abb. 36: spektrale Emissionsgrade einiger Metalle (mit freundlicher Unterstützung der InfraTec GmbH, www.InfraTec.de [A13], editiert durch Autor)

In der Praxis ist die Übernahme von Emissionsgraden aus der Fachliteratur im Falle von Metallen sehr schwierig, schon alleine deswegen, da durch die atmosphärische Einwirkung viele Metalloberflächen sofort oxidieren und damit als oberste Schicht die nichtmetallischen strahlungsphysikalischen Eigenschaften der Oxidschicht ebenfalls Einfluss üben. Es ist also fast ausgeschlossen, Emissionsgrade in der Literatur zu finden, die sich genau auf die gerade zu messende Metalloberfläche und die aktuellen Messbedingungen (Spektralbereich, Oberflächenrauigkeit, Oxidation) beziehen. Es ist daher sinnvoller und genauer, den Emissionsgrad experimentell selbst zu bestimmen.


Abb. 37: spektrale Emissionsgrade verschiedener Aluminiumoberflächen (unterschiedliche Legierungen, Bearbeitungszustände und Oberflächenbehandlungen) (erstellt in Anlehnung an die Darstellung der Reflexion von Aluminium in [T167])

Abhängigkeit des Emissionsgrades von der Oberflächenrauigkeit

Je rauer die Oberfläche des Messobjektes ist, desto größer ist dessen Emissionsgrad. Dieser Effekt ist bei Nichtmetallen (auf Grund derer ohnehin hoher Emissionsgrade) relativ unbedeutend, bei Metallen dagegen ist dieser ausschlaggebend für den tatsächlichen Emissionsgrad. Erklärt werden kann der Einfluss der Rauigkeit dadurch, dass bei glatten (spiegelnden) Oberflächen eine gerichtete Spiegelung der Strahlung auftritt. Raue Oberflächen weisen nur eine diffuse Reflexion auf, während die strahlungsabgebende (bzw. aufnehmende) Fläche um Größenordnungen größer ist als bei glatten Oberflächen. Noch dazu tritt bei rauen Oberflächen der bereits im Kapitel des schwarzen Strahlers beschriebene Vorgang der Mehrfachreflexion und Aufsummierung in den Mikroriefen und -grübchen auf, welcher den Emissionsgrad (und natürlich den Absorptionsgrad gleichermaßen ebenfalls) erhöht.


Abb. 38: Arten der Reflexion


Abb. 39: Erhöhung der Absorption (links) und der Emission (rechts) bei rauen Oberflächen

Abhängigkeit des Emissionsgrades von der Körpertemperatur

Auch die Temperatur hat Einfluss auf den Emissionsgrad einer Körperoberfläche, was auf die Änderung der Materialeigenschaften (z.B. Kristallstruktur) zurückzuführen ist. Selbstverständlich führt auch der Übergang in einen anderen Aggregatzustandes zur Änderung des Emissionsgrades. Im Allgemeinen ist gültig, dass der Emissionsgrad (innerhalb eines Aggregatzustandes) mit der Temperatur ansteigt.


Abb. 40: Abhängigkeit des Emissionsgrades von der Körpertemperatur bei Metallen (Beispiele)

Diese Änderungen haben meistens nur bei hohen Temperaturen signifikante Auswirkungen. Bei Raumtemperatur sind die temperaturabhängigen Änderungen des Emissionsgrades typischerweise vernachlässigbar (von den wenigen Materialien abgesehen, die gerade in diesem Temperaturbereich eine Änderung ihres Aggregatzustandes aufweisen).

Abhängigkeit des Emissionsgrades vom Beobachtungswinkel

Ein schwarzer Strahler (Lambertscher idealer Strahler) spielt der Beobachtungswinkel keine Rolle. Egal aus welcher Richtung er betrachtet wird, der Emissionsfaktor ist überall und aus allen Richtungen immer gleich. Bei realen Strahlern hat der Beobachtungswinkel jedoch auch einen signifikanten Einfluss auf den Emissionsfaktor. Von der Oberflächennormalen um +/- 30° abweichende Beobachtungswinkel spielen eine vernachlässigbare Rolle. Der Emissionsfaktor von nichtmetallischen (isolierenden) Materialien nimmt jedoch für „flachere” Beobachtungswinkel (kleiner 50°) zuerst allmählich, schließlich drastisch ab. Bei Metallen (elektrischen Leitern) steigt der Emissionsfaktor bei „flacheren” (unter 50° betragenden) Beobachtungswinkeln bis auf einen oberflächennahen Betrachtungswinkel von 10° stark an. Bei noch flacheren Beobachtungswinkeln fällt er dann jedoch plötzlich wieder extrem ab.


Abb. 41: Abhängigkeit des Emissionsgrades vom Betrachtungswinkel bei Nichtmetallen (Nichtleitern)


Abb. 42: Abhängigkeit des Emissionsgrades vom Betrachtungswinkel bei Metallen (elektrischen Leitern)

Bei elektrisch leitenden Materialien (z.B. Metallen) gilt:

Gl. 42

(Der Index n kennzeichnet den Emissionswert in Richtung der Oberflächennormalen.)

Für elektrisch isolierende Materialien gilt der folgende Zusammenhang:

Gl. 43

Mittels obiger Gleichungen kann der für die Flächennormale einer Oberfläche bestimmte Emissionsgrad auf den für einen gewählten Beobachtungswinkel geltenden Wert umgerechnet werden. Hierbei ist zu beachten, dass der Winkel β die Winkelabweichung zur Flächennormalen und nicht der einschließende Winkel zur Objektoberfläche ist.

Hinweis: Bei der berührungslosen Temperaturmessung ist wegen der genannten Zusammenhänge damit zu rechnen, dass bei gekrümmten (z.B. zylindrischen) Körpern aus Metallen zu deren „Rändern” hin scheinbar höhere Temperaturen auftreten, bei Körpern aus Nichtmetallen dagegen ist eine scheinbar sinkende Temperatur zu beobachten. Streng betrachtet erfordert dieser Zusammenhang also eine Korrektur des jeweiligen örtlichen Emissionsgrades entsprechend der Körpergeometrie.

Achtung: Weiterhin ist zu beachten, dass die Emissionsgrade aufführenden Tabellen und Veröffentlichungen meistens nur die für die Flächennormale geltenden Emissionsgrade enthalten.

Scheinbare Emissionsgrade an tiefen Bohrungen

Aus der Sicht der praktischen Ausführung der berührungslosen Temperaturmessung ist die bei tiefen Bohrungen zu beobachtende Mehrfachreflexion (siehe Kapitel 1.2.1. „Physikalisches Modell des schwarzen Körpers”), welche zu hohen Emissionsgraden führt. Die Strahlung in der Bohrung ergibt sich aus der Aufsummierung der jeweiligen Emission und Reflexion an den Bohrlochwänden. Im Falle nichttransparenter Materialien und ausreichend tiefer Bohrung ergibt dieser Effekt einen einem idealen Strahler nahekommenden Emissionsgrad. Noch dazu ist dies ab einem bestimmten Verhältnis von Bohrungstiefe zu Bohrlochdurchmesser praktisch unabhängig vom Objektmaterial. Der zu erwartende Emissionsfaktor - basierend auf den Bohrungsdimensionen und dem Emissionsgrad des Materials - ist in den folgenden Abbildungen (Abb. 43 und 44) dargestellt.


Abb. 43: scheinbarer Emissionsgrad in Abhängigkeit von Bohrlochtiefe/Durchmesser, sowie in Abhängigkeit vom Emissionsgrad des Objektmaterials (nach Buckley)

Obigem zufolge kann - unabhängig vom Objektmaterial - mit einem erreichbaren scheinbaren Emissionsgrad von über 85% gerechnet werden, wenn die Bohrung mindestens viermal so tief ist, wie ihr Durchmesser. In der Praxis können solche Bohrlöcher daher dazu verwendet werden, um die Objekttemperatur unabhängig vom Emissionsgrad des Objektmaterials zu messen oder den Emissionsgrad des Objektmaterials zu bestimmen. Speziell für metallische (auch polierte) Oberflächen mit besonders niedrigen Emissionsfaktoren ist dies oftmals die einzige Möglichkeit, berührungslos Temperaturen zu messen, ohne eine Emissionsgrad erhöhende Veränderung der Objektoberfläche (z.B. durch Farbüberzug oder Bekleben) vorzunehmen.


Abb. 44: Zusammenhang zwischen dem Verhältnis Bohrlochtiefe zu Durchmesser und erzieltem Emissionsgrad

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