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Der Krieg rückt näher
ОглавлениеWir hatten zu Hause ein Radio mit Akku und Anode. Die interessantesten Informationen erhielt ich aber in der Drogerie in der Dunkelkammer beim Filme- und Bilderentwickeln. Aus der Kaserne in der Nachbarschaft, der »Ludendorf-Kaserne« in Düsseldorf, kamen Soldaten und brachten ihre Fotoarbeiten zum Entwickeln. Das waren u.a. Bilder von der Front oder von der Ausbildung. Abends, wenn die Bilder abgeholt wurden, wenig Kundschaft im Laden war und der Chef nicht drängelte, kam es oft zu Gesprächen. Und da hörte ich andere Töne als im Radio. Manch einer der Soldaten war weniger begeistert vom Kriege.
Nach der Lehre erwartete mich der Reichsarbeitsdienst (RAD) in Allendorf bei Marburg an der Lahn. Das waren drei Monate Ausbildung mit dem Spaten und im Munitionsbunkerbau.
Ich erhielt 14 Tage Abstellurlaub, den ich zu einem Besuch meiner Mutter und den vier Geschwistern in Thüringen nutzte. Das war eine Gelegenheit, um meinen jüngeren Bruder Hans, der auch zu dieser Zeit in Thüringen weilte, zu treffen.
Dann wechselte schnell die Szene. Am 3 Juli 1943 wurde ich zur Wehrmacht eingezogen und hatte Gelegenheit in Lemgo bei Detmold meinen 18. Geburtstag als Rekrut auf dem Exerzierplatz zu verbringen. Dort spielte das Gebet aus dem Religionsunterricht in der Schule und der »Schutz des Führers« schon eine völlig andere Rolle.
Alle meine Hoffnungen waren darauf gerichtet, bald aus diesem Kasernenhofton und der »Schleiferei« herauszukommen. Das geschah am 4. Oktober.
Aber schon am 20. Oktober wurde ich, nach einem kurzen Skilehrgang in Schmallenberg, an der Ostfront eingesetzt.
Sechs Tage später geriet ich in sowjetische Gefangenschaft. Das war die Zeit, als die Front immer näher an Polen und Deutschland heranrückte.
Nach dem, was ich zu Hause ständig über »die Russen« gehört hatte, stieg in mir die Furcht hoch, daß es jetzt mit meinem Leben zu Ende sein könnte. Wir wurden als Gefangene nicht mit Glacehandschuhen empfangen. Die Waffen, soweit wir sie nicht schon weggeworfen hatten, wurden uns abgenommen. Dann hieß es: »Brieftaschen raus! Uhren abgeben!« Essen gab es zunächst nicht, dafür manchmal einen Tritt oder Schlag, wenn wir nicht reagierten, weil die Anweisungen in Russisch keiner verstand. Wir waren die »Fritzen« oder »Hitlerschweine«, diejenigen, die großes Leid über die Sowjetunion gebracht hatten.
Dennoch, wir lebten, der Krieg war für uns zu Ende.