Читать книгу Drunter und Drüber - Erich Sedlak - Страница 8
Die Fahrt nach Wien
ОглавлениеDas Ehepaar Woranek fährt von Wiener Neustadt nach Wien, um dort die Volksoper zu besuchen.
Er: Und wie fahr ich jetzt? Übern Grünen Berg?
Sie: Nein! Über die Tangente, Erwin!
Er: Aber hast nicht gehört im Radio, Gerda? Stau mit anwachsender Tendenz.
Sie: In welche Richtung anwachsend?
Er: In unsere… Richtung Kagran.
Sie: Geh, die melden so was doch erst immer dann, wenns eh schon lang vorbei ist.
Er: Ich fahr´ trotzdem über die Spinnerin am Kreuz.
Sie: Blödsinn! Dort ist ein riesiger Wasserrohrbruch.
Er: Dort WAR ein Wasserrohrbruch… vorgestern.
Sie: Seitdem tun´s ihn aber reparieren. Also Tangente!
Er: Immer weißt du alles besser, Gerda!
Sie: Dann sag mir ein EINZIGES Beispiel in unserem Leben, wann DU einmal recht gehabt hast!
Er: Zum Beispiel: Wie ich gesagt habe: deine Mutter soll bei uns nicht einzieh´n.
Sie: Wenn du ätzend bist, steig ich gleich aus.
Er: Bei Tempo hundert? Bitte sehr!
Sie: Konzentriere dich lieber! Verengung auf eine Fahrspur.
Er: Na, dann seh´n wir in der Volksoper halt nur noch die zweite Halbzeit von Zar und Zimmermann… machert mir eh nichts aus.
Sie: Du Banause! Wir haben noch über eine Stunde Zeit, Erwin.
Er: Die brauchen wir allein fürs Parkplatzsuchen.
Sie: Radar! Achtzig! Willst Strafe zahlen?
Er: Fahr ich oder du, Gerda?
Sie: Leider du und du fährst gerade hundertzehn. Brems´!
Er: Na bitte! Jetzt haben wir den Stau.
Sie: Ein Stau ist es erst dann als solcher zu bezeichnen, wenn alles steht… noch fahren
wir.
Er: Aber im Schritttempo.
Sie: Besser als gar nix.
Er: Und wie geht´s jetzt weiter?
Sie: Meinst du mit uns beiden, Erwin?
Er: Aber nein … da … auf der Tangente!
Sie: Du nimmst am besten die nächste Abfahrt.
Er: Die nächste? Da kommen wir auf die Zweierlinie.
Sie: Aber nein, zum Gürtel!
Er: Zweierlinie, Gerda!
Sie: Gürtel!
Er: Warum ich auch immer wieder in das Scheisswien reinfahr?
Sie: Du nörgelst doch auch in Neustadt herum, wenn drei Autos vor einer Ampel steh´n.
Er: Na bitte, da haben wir´s: eine Massenkarambolage. Weil´s auch keinen Abstand halten können, die Trotteln.
Sie: Weil du jemals einen Abstand hältst, Erwin!
Er: Ich fahre auf Sicht, meine Liebe. Also immer hundert Meter im Voraus denken. Was dir ein bisserl schwerfällt.
Sie: Wenn ich seit zwanzig Jahren nicht neben dir sitzen tät, hätte es schon hundertmal gescheppert.
Er: Einen Führerschein hast du aber nie gemacht, Gerda?
Sie: Das nicht! Aber trotzdem fahr ich besser als du.
Er: Gibt’s in der Nähe von der Volksoper irgendwo eine Parkgarage?
Sie: Ich bin nicht allwissend.
Er: Du hast dein halbert´s Leben in Wien verbracht.
Sie: Aber nicht in der Volksoper, sondern in Döbling.
Er: Döbling! Da haben wir den Salat … Umleitung über den Schwarzenbergplatz. Weißt was? Ich dreh um! Am besten, wir fahren gleich wieder heim.
Sie: Lange halt´ ich das nimmer aus mit dir Erwin! Hockst eh nur den ganzen Tag in Schlapfen und im Bademantel vor dem Fernseher… und verblödest bei lebendigem Leib.
Er: Weil die Gnädigste auch unbedingt nach Wien in die Volksoper muss. In unserem Theater daheim in Wiener Neustadt gibt es auch wunderschöne Operetten und Gastspiele.
Sie: Mit drittklassiger Besetzung.
Er: Weil du einen Unterschied heraushörst zwischen der Anna Nespresso oder einer anderen.
Sie: Netrebko! Anna Netrebko. Die singt keine Operetten, sondern Opern.
Er: Ich mag´ überhaupt keine klassische Musik!
Sie: Sondern das Gejodel im Musikantenstadl …
Er: Jawohl! Gemeinsam mit zwei Millionen Österreichern. Und die können nicht irren! Du, Gerda, bist eine einsame Minderheit!
Sie: Jetzt bist bei Rot über die Kreuzung g´fahrn!
Er: Es war noch Grün.
Sie: Nein, Rot!
Er: Grün! Hundertprozentig!
Sie: Nein, Rot!
Er: Höchstens Gelb blinkend!
Sie: Geh´, du bist ja farbenblind.
Er: Weißt, was du bist?
Sie: Von dir lass´ ich mich noch lang´ nicht beleidigen, Erwin!
Er: Ich hab noch gar nichts gesagt.
Sie: Aber gedacht!
Er: Na, Gott sei Dank darf ich in deiner Gegenwart wenigstens denken!
Sie: Du und denken? Lächerlich! Du kannst dich übrigens schön langsam um einen Parkplatz umschauen.
Er: Was wär´ mit dem dort drüben, Gerda?
Sie: Vor dem Hydranten? Dort schleppen´s dich ab.
Er: Und der beim Blumengeschäft?
Sie: In den kommst du doch niemals hinein.
Er: Wetten schon?
Sie: Bravo! Jetzt bist hinten angefahren.
Er: Reg´ dich nicht auf, ist ja eh nur ein winziger Kratzer.
Sie: Wir haben noch zehn Minuten bis es anfangt, Erwin!
Er: Dann aber im Laufschritt! Kannst gleich die Karten rausnehmen.
Sie: Die Karten?
Er: Na, was denn sonst?
Sie: Die hast doch du!
Er: Nein, die hast du!
Sie: Ganz sicher hast die du!
Er: Aber nein, du!
Sie: Du!
Er: Du!
Sie: Du!
Er: Du!
Sie: Du!
Er und Sie: Du!