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Die Fahrt nach Wien

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Das Ehepaar Woranek fährt von Wiener Neustadt nach Wien, um dort die Volksoper zu besuchen.

Er: Und wie fahr ich jetzt? Übern Grünen Berg?

Sie: Nein! Über die Tangente, Erwin!

Er: Aber hast nicht gehört im Radio, Gerda? Stau mit anwachsender Tendenz.

Sie: In welche Richtung anwachsend?

Er: In unsere… Richtung Kagran.

Sie: Geh, die melden so was doch erst immer dann, wenns eh schon lang vorbei ist.

Er: Ich fahr´ trotzdem über die Spinnerin am Kreuz.

Sie: Blödsinn! Dort ist ein riesiger Wasserrohrbruch.

Er: Dort WAR ein Wasserrohrbruch… vorgestern.

Sie: Seitdem tun´s ihn aber reparieren. Also Tangente!

Er: Immer weißt du alles besser, Gerda!

Sie: Dann sag mir ein EINZIGES Beispiel in unserem Leben, wann DU einmal recht gehabt hast!

Er: Zum Beispiel: Wie ich gesagt habe: deine Mutter soll bei uns nicht einzieh´n.

Sie: Wenn du ätzend bist, steig ich gleich aus.

Er: Bei Tempo hundert? Bitte sehr!

Sie: Konzentriere dich lieber! Verengung auf eine Fahrspur.

Er: Na, dann seh´n wir in der Volksoper halt nur noch die zweite Halbzeit von Zar und Zimmermann… machert mir eh nichts aus.

Sie: Du Banause! Wir haben noch über eine Stunde Zeit, Erwin.

Er: Die brauchen wir allein fürs Parkplatzsuchen.

Sie: Radar! Achtzig! Willst Strafe zahlen?

Er: Fahr ich oder du, Gerda?

Sie: Leider du und du fährst gerade hundertzehn. Brems´!

Er: Na bitte! Jetzt haben wir den Stau.

Sie: Ein Stau ist es erst dann als solcher zu bezeichnen, wenn alles steht… noch fahren

wir.

Er: Aber im Schritttempo.

Sie: Besser als gar nix.

Er: Und wie geht´s jetzt weiter?

Sie: Meinst du mit uns beiden, Erwin?

Er: Aber nein … da … auf der Tangente!

Sie: Du nimmst am besten die nächste Abfahrt.

Er: Die nächste? Da kommen wir auf die Zweierlinie.

Sie: Aber nein, zum Gürtel!

Er: Zweierlinie, Gerda!

Sie: Gürtel!

Er: Warum ich auch immer wieder in das Scheisswien reinfahr?

Sie: Du nörgelst doch auch in Neustadt herum, wenn drei Autos vor einer Ampel steh´n.

Er: Na bitte, da haben wir´s: eine Massenkarambolage. Weil´s auch keinen Abstand halten können, die Trotteln.

Sie: Weil du jemals einen Abstand hältst, Erwin!

Er: Ich fahre auf Sicht, meine Liebe. Also immer hundert Meter im Voraus denken. Was dir ein bisserl schwerfällt.

Sie: Wenn ich seit zwanzig Jahren nicht neben dir sitzen tät, hätte es schon hundertmal gescheppert.

Er: Einen Führerschein hast du aber nie gemacht, Gerda?

Sie: Das nicht! Aber trotzdem fahr ich besser als du.

Er: Gibt’s in der Nähe von der Volksoper irgendwo eine Parkgarage?

Sie: Ich bin nicht allwissend.

Er: Du hast dein halbert´s Leben in Wien verbracht.

Sie: Aber nicht in der Volksoper, sondern in Döbling.

Er: Döbling! Da haben wir den Salat … Umleitung über den Schwarzenbergplatz. Weißt was? Ich dreh um! Am besten, wir fahren gleich wieder heim.

Sie: Lange halt´ ich das nimmer aus mit dir Erwin! Hockst eh nur den ganzen Tag in Schlapfen und im Bademantel vor dem Fernseher… und verblödest bei lebendigem Leib.

Er: Weil die Gnädigste auch unbedingt nach Wien in die Volksoper muss. In unserem Theater daheim in Wiener Neustadt gibt es auch wunderschöne Operetten und Gastspiele.

Sie: Mit drittklassiger Besetzung.

Er: Weil du einen Unterschied heraushörst zwischen der Anna Nespresso oder einer anderen.

Sie: Netrebko! Anna Netrebko. Die singt keine Operetten, sondern Opern.

Er: Ich mag´ überhaupt keine klassische Musik!

Sie: Sondern das Gejodel im Musikantenstadl …

Er: Jawohl! Gemeinsam mit zwei Millionen Österreichern. Und die können nicht irren! Du, Gerda, bist eine einsame Minderheit!

Sie: Jetzt bist bei Rot über die Kreuzung g´fahrn!

Er: Es war noch Grün.

Sie: Nein, Rot!

Er: Grün! Hundertprozentig!

Sie: Nein, Rot!

Er: Höchstens Gelb blinkend!

Sie: Geh´, du bist ja farbenblind.

Er: Weißt, was du bist?

Sie: Von dir lass´ ich mich noch lang´ nicht beleidigen, Erwin!

Er: Ich hab noch gar nichts gesagt.

Sie: Aber gedacht!

Er: Na, Gott sei Dank darf ich in deiner Gegenwart wenigstens denken!

Sie: Du und denken? Lächerlich! Du kannst dich übrigens schön langsam um einen Parkplatz umschauen.

Er: Was wär´ mit dem dort drüben, Gerda?

Sie: Vor dem Hydranten? Dort schleppen´s dich ab.

Er: Und der beim Blumengeschäft?

Sie: In den kommst du doch niemals hinein.

Er: Wetten schon?

Sie: Bravo! Jetzt bist hinten angefahren.

Er: Reg´ dich nicht auf, ist ja eh nur ein winziger Kratzer.

Sie: Wir haben noch zehn Minuten bis es anfangt, Erwin!

Er: Dann aber im Laufschritt! Kannst gleich die Karten rausnehmen.

Sie: Die Karten?

Er: Na, was denn sonst?

Sie: Die hast doch du!

Er: Nein, die hast du!

Sie: Ganz sicher hast die du!

Er: Aber nein, du!

Sie: Du!

Er: Du!

Sie: Du!

Er: Du!

Sie: Du!

Er und Sie: Du!

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