Читать книгу Geschickt geflickt. Lieblingskleidung ausbessern statt wegwerfen. - Erin Lewis-Fitzgerald - Страница 6
VORWORT
ОглавлениеHallo! Mein Name ist Hilary Harper, und ich bin süchtig danach, Dinge zu flicken. Es ist schwer, den einen Moment festzulegen, in dem ich süchtig wurde, aber ich wette, es war damals, als ich an Weihnachten ein Geschenk auspackte und meine eigene, winzige, pinke Plastiknähmaschine entdeckte. Ich habe sie neben Moms gestellt, an der sie Cordlatzhosen und Nickikleider nähte, und war überzeugt, dass ich ebenfalls so einen Flickenzauber beherrschen könnte.
„Zauber“ ist nicht übertrieben. Als Kind konnte ich gar nicht glauben, wie man aus einem Haufen Stoff und etwas Litze ein Holly Hobbie Rüschenkleid herstellt, das mich als Fünfjährige umgehauen hat. Später schien es normal, dass Kleider, Geschenke und Dinge im Haushalt einfach hergestellt und, wenn nötig, geflickt wurden. An langen Nachmittagen voller Handarbeit und Gesprächen sowie Unmengen an Tee wurden maschinelle Probleme gelöst und Kunst kreiert, und ich nahm diese Fähigkeiten einfach so auf. Schon bald war ich süchtig, süchtig nach Flicken.
Das Nähen von Hand war meine Einstiegsdroge: Zu lernen, wie man die Stoffdichte bestimmt, wie fest man eine Nadel einsticht, die Fadenspannung schätzt und Maschen an den Fersen von Socken zählt. Nähen, auftrennen, noch mal nähen, um die Naht exakt hinzukriegen. Damals, in der Steinzeit (okay, den 1980ern), war es wichtig, dass das Geflickte perfekt aussah, denn geflickte Kleidung bedeutete, dass man arm oder geizig war. Ich erinnere mich, wie mir eine meiner mutigeren Cousinen erzählte, dass sie einen blauen Wollrock mit knalloranger Wolle gestopft hatte. Sie lachte, als ich geschockt kicherte.
Oh, wie sich die Dinge geändert haben, höre ich euch sagen! Und es stimmt: Unter den Handarbeitern und Flickern sieht man viel mehr Kreativität. Aber wir sind immer noch eine recht kleine und geschlossene Gruppe. Deswegen brauchen wir Bücher wie dieses – Bücher, die zeigen, wie einfach das Flicken sein kann und wie viel Spaß es machen kann. Wir brauchen Bilder von spannenden, kreativen und wunderschönen Reparaturen, in Buchläden und Klassenzimmern und auf Werkbänken und Sofatischen, überall.
Denn es gibt viele Leute wie mich, die es geschafft haben, alles zu vergessen, was sie früher gelernt haben und schließlich gar nicht mehr nähen. In meinen Zwanzigern kaufte ich all meine Kleidung in Secondhandläden und nähte sie enger oder ließ den Saum aus oder schnitt Teile ab und nähte sie auf interessantere Art wieder an. Doch als ich dann 30 wurde und echte Jobs bekam, veränderte sich etwas. Der Flickstapel wurde immer höher, aber irgendwie hatte ich nie genug Zeit, mich darum zu kümmern.
Aus irgendeinem Grund hatte ich aufgehört, etwas zu tun, das mir Vergnügen und Befriedigung bereitete … 20 Jahre lang. Meine Beziehung zu Dingen wurde oberflächlicher und anderes nahm meine Zeit in Anspruch. Es war, als würden die Dinge, die ich früher geschätzt hatte, nicht mehr zählen.
Und dann kam Marge (alias das bequemste T-Shirt, das ich je hatte). Ich habe Marge nach Baby Nummer 2 gefunden, als die Bequemlichkeit das Wichtigste war. Sie war weit und weich und schwarz-weiß gestreift. Wenn ich sie trug, fragte mich mein Mann immer, ob ich gern in der russischen Marine diene. Ich trug sie, bis die Bündchen und der Kragen fast völlig zerfranst waren. Die weißen Streifen wurden durchsichtig und die Nähte sahen aus, als hätten Motten sich daran gütlich getan. Marge war das schmelzende Meereseis unter den T-Shirts, aber ich konnte mich nicht von ihr trennen.
Dann traf ich Erin. Und ich erfuhr, dass Erin Flickaufträge annahm. Als Erin das T-Shirt sah, schaute sie ganz betroffen, als wüsste sie, dass es sowohl ein Höhepunkt wie auch der Tiefpunkt ihres Lebens als Flickerin sein würde …
Es wurde Large Marge getauft, und wird in die Annalen des sichtbaren Stopfens eingehen als eines der tollsten Projekte, das jemals von einer Frau mit viel Schneid und Hingabe vollendet wurde (siehe Large Marge). Im hohen Alter ist Marge frech (sie hat sogar ein Tattoo auf ihren Streifen) und ich habe beschlossen, dass sie wie Opas Axt ist, die so viele neue Griffe und Klingen bekommen hat, dass man nicht mehr sagen kann, was alt und was neu ist.
Ich erfuhr, dass Erin Flickkurse anbot und belegte einen. Dieser winzige Funke in mir begann erneut zu glühen – unter anderem, weil Erins Unterrichtsstil so offen und freundlich ist. Er findet sich auch in diesem Buch – ein paar einfache und interessante Techniken, ein paar großartige Farbvorschläge und einige neu-alte Ideen, bei denen es euch in den Fingern juckt, diesen Flickstapel endlich anzugehen.
Heute bringe ich meinen Kindern das Nähen bei. Mein Vierjähriger war so begeistert, als er einen Knopf irgendwo auf den Bauch seines T-Shirts genäht hatte, dass er ihn allen in der Kita zeigte. Das ist super, nicht nur, weil die Kinder dadurch lernen, anders über Konsum zu denken, sondern weil sie so ganz konkret begreifen (wortwörtlich) können, was Ressourcen sind, Kreativität und die Lebensdauer menschlichen Wirkens. Aber am wichtigsten: Es macht Spaß. Und wenn das, was wir mit unserer Kleidung anstellen, Leute erfreut oder erstaunt oder zu einem Gespräch führt, dann ist es die Arbeit wert.
– Hilary Harper, Moderatorin und leidenschaftliche Flickerin