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Europa in 21 Tagen

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»Es ist unser neuntes Land und unser vierzehntes kontinentales Frühstück«, wiederholte ich gereizt.

Mein Mann schüttelte den Kopf. »Da irrst du dich ganz gewaltig. Es ist unser fünftes Land und unser zwölftes kontinentales Frühstück.«

Ich wedelte mit dem Reiseplan vor seiner Nase, während unser Bus über die deutsche Autobahn raste. Wir hatten uns seit Amsterdam gezankt (oder war es Österreich), und wußten eigentlich gar nicht so recht warum. Ich schob die Schuld für unseren Mißmut auf das kontinentale Frühstück. Ich war mir sicher, daß es Stimmungsschwankungen und bleibende Schäden verursachte.

Vom ersten Tag an hatte es jeden Morgen das gleiche zum Frühstück gegeben: eine Papierserviette, ein Messer, einen Löffel und eine Gabel, für die wir keine Verwendung hatten, Obstsaft aus der Dose, einen Becher Kaffee oder Tee und abgepackte Butter und Marmelade. Die Krönung waren zwei staubtrockene, harte Brötchen.

Zu Anfang unserer 21-Tage-Reise durch neun europäische Länder machten alle aus der Reisegruppe noch Witze, wenn ihnen das kontinentale Frühstück vorgesetzt wurde. Frauen zwickten sich in die Taille und meinten augenzwinkernd: »Genau das, was ich brauche. Ich habe mir sowieso vorgenommen, etwas abzuspecken.« Als die erste Woche zu Ende ging, war uns auch das Scherzen vergangen. Keiner sagte mehr ein Wort, wenn der Korb mit den Brötchen auf den Tisch gestellt wurde. Wir alle kannten die grausame Wahrheit. Das kontinentale Frühstück ist ein permanenter Angriff auf die schlanke Linie. Obwohl man das Gefühl hat, kaum etwas gegessen zu haben, verteilt sich dieses wenige so geschickt auf Hüften und Schenkel, daß man in kurzer Zeit selbst so rund ist wie eine Semmel.

Mein Mann warf dem Reiseunternehmen vor, jeden Morgen dieselben Brötchen auszuteilen. Er behauptete, die übriggebliebenen Brötchen würden jeweils eingesammelt und an unser nächstes Reiseziel vorausgeschickt. Ich sagte ihm, das sei lächerlich, aber er blieb dabei. Er ritzte in Dublin seine Initialen mit Datum in ein Brötchen und sagte, er würde den Beweis antreten, sobald wir nach Paris kämen.

Wir wußten von vornherein, daß die Reise straff durchorganisiert war. Schließlich hatten wir es ja so gewollt, oder? Wir waren Reiseneulinge und das erste Mal in Europa. In der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, wollten wir soviel wie möglich sehen. Wir unterwarfen uns einem Schreckensregiment, aber dafür war ständig jemand da, der für uns übersetzte, sich um uns kümmerte, der uns sagte, was und wo wir essen, wohin wir gehen und wann wir zurück sein sollten, der genau wußte, wessen Gepäck fehlte und der uns vor den ganzen Ausländern beschützte, die uns durch die getönten Reisebusfenster anstarrten.

Als der Bus an Fahrt gewann, zog links das gewaltige Schild »Ausfahrt« vorbei, und alle im Bus verdrehten die Augen, weil sie wußten, was jetzt kam. Das deutsche Wort »Ausfahrt« erinnert an das amerikanische Wort »fart«, was »Furz« bedeutet, und jedesmal, wenn wir es sahen, konnten wir darauf zählen, daß der siebenundachtzigjährige Mr. Fleck sagen würde: »Meine Mutter erlaubt mir solche Ausdrücke nicht.« Ich wollte schreien, wo er sich seine Mutter hinstecken konnte, aber mein Mann hielt mir mit der Hand den Mund zu und sagte: »Das kommt nur von den harten Brötchen.«

Auf Gruppenreisen dauert es nie lange, bis man die anderen Mitreisenden eingeschätzt und mit einem Etikett versehen hat. Sie sind so stereotyp wie Figuren aus einem englischen Kriminalroman. Es scheinen immer die gleichen Leute zu sein, die eine Gruppenreise machen – vielleicht sind sie einem deshalb so vertraut wie ein altes Paar Schuhe. Gesichter und Namen mögen wechseln, die Grundtypen bleiben ein fester Bestandteil jeder Reise.

Ganz vorne sitzt (immer!) die Gesundheitsfee der Gruppe, eine pensionierte Englischlehrerin aus Boston, die ein Logbuch darüber führt, wer nicht pünktlich ist und wer sich in der Nacht »reingeschlichen« hat. Jeden Morgen gibt sie bekannt, wer welche gesundheitlichen Probleme hat und wo er sie sich geholt hat. Sie wirft mit medizinischen Fachausdrücken nur so um sich und trägt eine Handtasche von den Ausmaßen eines Arztkoffers. Falls Ihre Knöchel geschwollen sind oder Ihnen vom Busfahren übel wird, falls Sie an Halsentzündung, Kreislaufbeschwerden, Verstopfung, brennenden Augen oder Menstruationsbeschwerden leiden, ist sie für Sie da.

Direkt hinter ihr sitzt »Wo-bleibt-Babcock?« Dieser Mensch reist stets allein. Keiner kennt seinen Vornamen. »Wo-bleibt-Babcock?« ist alles, was wir über ihn zu hören kriegen. Er hat drei Kameras um den Hals hängen, Jackentaschen voller Filme, eine Sporttasche mit Belichtungsmessern und ein tragbares Stativ. Jedesmal, wenn wir an einem Baum vorbeifahren, springt »Wo-bleibt-Babcock?« auf und bittet den Fahrer anzuhalten, damit er fotografieren kann. Und wenn der Bus gar einen planmäßigen Halt für eine »Fotogelegenheit« einlegt, können Sie darauf wetten, daß »Wo-bleibt-Babcock?« die ganze Gruppe aufhält, bevor er wieder zusteigt. In Garmisch verbrauchte er drei Farbfilme für einen Hund mit abgeknicktem Ohr.

Als unser Reiseleiter sagte, wir sollten ihm bitte folgen, um den Hadrianwall zu besichtigen, blieb »Wo-bleibt-Babcock?« zurück, um einen Mann zu fotografieren, der an eine römische Ruine pinkelte. Wir stimmten ab, ob wir ihn einfach zurücklassen sollten. Das Ergebnis war ganz schön knapp.

Ben und seine Frau sind das Ehepaar Kennen-wir-schon. Sie kommen aus New Jersey, haben französische Reisekoffer im Partnerlook und erzählen jedem gleich am ersten Tag, normalerweise würden sie keine Gruppenreisen machen, sondern für sich einen eigenen Wagen mit Chauffeur mieten. Sie reden selten mit den anderen aus der Reisegruppe und wenn, dann um zu erwähnen, daß Europa leider nicht mehr so »elegant« sei wie früher. Sie haben Europa schon bereist, als die Venus von Milo noch Arme hatte. Egal, was Sie sich kaufen, das Ehepaar Kennen-wir-schon hat dasselbe schon vor zehn Jahren für einen Bruchteil von dem gekauft, was Sie dafür bezahlt haben.

Joan und Bud Greiner können einem auch ganz schön auf die Nerven gehen. Die beiden haben sich wirklich gesucht und gefunden: Sie sind vollkommen neurotisch. Jeden Morgen bekommen wir ihre Klagegesänge zu hören. Ihre Lieblingsplatte ist: »Natürlich hat man uns mal wieder die Dienstbotenzimmer gegeben.« Das Essen ist stets ungenießbar, der Service vollkommen unmöglich, und das Reiseunternehmen wird noch von ihnen hören. In Rom fühlten sie sich benachteiligt, weil sie den Eindruck hatten, bei der Kirchenrundfahrt würden katholische Kirchen bevorzugt.

Mr. Dimples Namen kann ich nur im Flüsterton aussprechen. Alle anderen tun das auch. Als sich die Reisegruppe in New York traf, hatte er sich bereits »zur Beruhigung« ein paar hinter die Binde gekippt. – Seltsamerweise wirkte er auf der ganzen Reise kein bißchen nervös oder verunsichert. Eher im Gegenteil. In jedem Land, das wir besuchten, fiel er aus der Rolle. Wenn er nur still geblieben wäre, hätten wir ihm ja einen Griff durch den Mund ziehen und ihn einfach als ein weiteres Gepäckstück aufgeben können. Doch Mr. Dimple liebt es zu singen, wenn er etwas getrunken hat. In Irland stand er in der St.-Mary’s-Kathedrale auf und sang »When Irish Eyes Are Smiling«. Als wir in Amsterdam durch den Rotlichtbezirk geführt wurden, wo die Prostituierten in Schaufenstern auf Stühlen saßen, trällerte er: »Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?« In Venedig fiel er bei »O sole mio« fast in einen Kanal.

In Luzern sang er nicht. Aber er drückte seine Zigarette im Käsefondue aus.

Mir gefielen Susanne und ihre Mutter Lil am besten. Wie für uns war es auch für sie die erste Reise nach Europa, und sie waren von allem restlos begeistert. Als Lil ihr erstes »richtiges Schloß« sah, konnte sie vor Aufregung kaum sprechen. Susanne schrieb alles in ihr Tagebuch, sogar Speisekarten.

Hinten im Bus saßen die »armen Jacksons«, ein Ehepaar aus Oklahoma, denen ihr Gepäck quer durch Europa nachgeschickt wurde. Es kam immer eine Idee zu spät an. Sie trugen seit siebzehn Tagen dieselben Sachen.

Ich fühlte mit den Jacksons. Dieser dämliche Overall, den Susi Satteltasch empfohlen hatte, war so steif vom Tragen, daß er allein nach Rom hätte wandern können. Nicht nur das. Ich merkte bald, daß man gelenkig wie ein Schlangenmensch sein mußte, um so was zu tragen.

Auf unserem Flug von New York nach London war ich gerade auf der Toilette, als der Kapitän ankündigte, wir hätten eine Turbulenz und sollten wieder Platz nehmen und uns anschnallen. Bevor ich alles zusammenraffen konnte, rutschte mir der Overall runter und landete halbwegs in der Toilette. Als ich schließlich zu meinem Platz zurückkehrte, bemerkte mein Mann: »Dafür, daß du dich so lange frisch gemacht hast, siehst du aber nicht sehr gut aus.«

»Laß mich bloß in Ruhe«, keifte ich. »Mir ist gerade mein Gürtel ins Klo gefallen.«

»Was ist das für ein roter Fleck auf deiner Stirn?«

»Ich habe mich am Türknauf gestoßen.«

»Was hast du da unten gemacht?«

»Das würdest du mir nicht glauben, wenn ich es dir erzählte.«

In Overalls sollte ein Schild mit der Aufschrift »WC« eingenäht werden, das durchgekreuzt ist.

Eigentlich waren die Busfahrten zwischen den Stationen unserer Reise noch am erholsamsten. Es gibt ein Märchen, Rundreisen seien das reinste Kinderspiel ... nichts zu tun, als auf den Reiseleiter zu warten, der das Gepäck zählt, einem die Türen aufhält und Eintrittskarten für das nächste Abenteuer austeilt. Nichts davon stimmt! Wir hatten viel zu tun.

Zuerst mal mußten wir uns die Busnummer merken.

Bei einundzwanzig Tagen Busreise kann man bis auf fünfunddreißig verschiedene Busse kommen; jeder ist aus einem anderen Land und hat einen anderen Führer. In Deutschland ist der Busfahrer ein Asiate. In Spanien ein Russe. Wenn Sie in Frankreich mit einem französischen Führer unterwegs sind, dann sind Sie im falschen Bus.

An diesem Tag saßen wir in einem deutschen Bus mit einem italienischen Fahrer – dem ersten Ausländer, den wir seit unserer Abreise aus der Nähe zu Gesicht bekamen. Susanne ließ sich von ihm ein Foto mit Autogramm geben. Wenn er sprach, hatte man das Gefühl, eine Sprachlernkassette zu hören. »Mein Name ist Luigi«, leierte er in sein Mikrophon, das er dicht vor die Zähne hielt. »Merken Sie sich das, und merken Sie sich Ihre Busnummer: 1084725. Strecken Sie die Füße nicht in den Gang, bitte rauchen Sie nicht, und lassen Sie keine Wertgegenstände im Bus, halten Sie die Fenster geschlossen, halten Sie das passende Kleingeld für die Toiletten bereit, bringen Sie keine Lebensmittel mit in den Bus, und denken Sie daran: Wenn Sie den Bus verpassen, müssen Sie auf eigene Kosten ins Hotel zurück. Wenn es Ihnen gefallen hat, dürfen Sie beim Aussteigen ein Trinkgeld geben.«

Ich hatte Schwierigkeiten, mir unseren jeweiligen Führer zu merken. Man durfte nicht einen Augenblick unaufmerksam sein. Während Herr Duval unser Hauptreiseleiter war, wechselten die Führer von Ort zu Ort, um uns über das zu informieren, was wir gerade besichtigten. Weibliche Reiseführer trugen für gewöhnlich Regenschirme, Plastikblumen am Hut oder leuchtend bunte Schals, damit wir sie schnell wiederfanden. Die Männer dagegen versuchten uns abzuschütteln.

Herr Duval kündigte jeden Abend an, unser Gepäck müsse am nächsten Morgen um fünf Uhr abholbereit in der Empfangshalle stehen. Niemals um neun oder zehn, sondern zu dieser nachtschlafenden Zeit.

Und wäre da nicht Susanne mit ihren ausführlichen Notizen gewesen, hätte sowieso keiner gewußt, wo wir gerade waren. Während der Bus abbremste, lugten die Greiners ängstlich aus dem Fenster. »Wußte ich’s doch!« rief Bud. »Wieder eine Fabrik. Wir haben doch nicht soviel Geld bezahlt, um einen Haufen Neppläden zu besichtigen.«

Ich gab es nur ungern zu, aber Bud lag da nicht ganz falsch. Unser Sightseeing war ein wenig aus dem Gleichgewicht geraten. In Irland hatten wir fünfzehn Minuten, um das »Book of Kells« zu sehen – und eine Stunde zum Einkaufen in der Pulloverfabrik. Wir wurden zwanzig Minuten durch den Tower von London und zwei Stunden durch eine Fabrik für englisches Porzellan geführt. Vor dem Anne-Frank-Haus bremste der Bus kurz ab. Für die Fabrik mit Delfter Fayencen stand ein halber Tag zur Verfügung. Nach der Schmuckfabrik in Österreich, der Muranoglasfabrik in Italien, der Spitzenfabrik in Belgien und der Uhrenfabrik in der Schweiz waren wir ganz schön mürbe.

Und jetzt hielten wir vor der zweiten Fabrik für Holzschnitzereien. Beim Aussteigen begleitete uns Luigis Warnung: »Denken Sie an Ihre Busnummer: 1084725. Lassen Sie sich Zeit.«

Die Fabriken waren alle gleich. Es gab einen Vorraum von der Größe eines Besenschranks, in dem ein Handwerker auf einem Hocker saß und an der jeweiligen Spezialität bastelte. Dieser Handwerker schnitzte gerade eine Elvis-Büste. Ein Führer erklärte schnell den Vorgang. Sekunden später wurden wir durch eine Doppeltür in eine Fabrikhalle von den Ausmaßen eines Fußballfeldes gelotst. Alle paar Meter entlang der Vitrinen mit handgeschnitzten Hunden und Kruzifixen stand eine Verkäuferin mit einem Bestellbuch, die fließend Englisch sprach.

Natürlich besichtigten wir nicht nur Fabriken.

Ich war vorher noch nie in Europa gewesen und dementsprechend überrascht, wie viele Kirchen wir an einem Tag besichtigen konnten. Die erste Kirche war eine wirkliche Offenbarung. Als ich über den Mittelgang schlurfte und ehrfurchtsvoll an die Decke starrte, las ich dem Reiseführer begierig jedes Wort von den Lippen. Als ich mir nichts mehr merken konnte, schrieb ich alles in ein Notizbuch. Ich wollte um jeden Preis wissen, wie lange es gedauert hatte, die Kirche zu bauen und wie viele Ziegelsteine dazu benötigt wurden, in welchem Jahr der Blitz eingeschlagen hatte, wann der Ostflügel hinzugefügt worden war, wie lange man gebraucht hatte, um die Orgel einzubauen, wie viele Bäume für die Kirchenbänke gefällt werden mußten und wie viele Holzfäller dabei umkamen, wie viele Eimer Blattgold allein für die Decke verbraucht wurden und wie viele Kilometer Gerüst man errichtet hatte, um sie zu restaurieren. Ich zeichnete pflichtbewußt auf, welche gekrönten Häupter hier begraben lagen und in welcher Stadt die Glocken gegossen worden waren. Ich glaube, einmal stieß ich sogar »Wo-bleibt-Babcock?« fast in ein Taufbecken, um näher an den Führer zu kommen.

Nach vierzig oder fünfzig Kirchen bekam ich einen glasigen Blick und war nicht mehr recht bei der Sache. Als irgendwo in einem Dom gedruckte Informationen ausgeteilt wurden, wickelte ich darin mein Kaugummi ein. Als später der Reiseführer fragte: »Gibt es noch Fragen?«, fragte ich, wie viele Kathedralen man an einem Tag besichtigen könne, bevor man ins Koma fiele.

Gegen Ende der Reise sah dann St. Paul’s für mich so aus wie die Lateranbasilika, und Santa Maria Maggiore kam mir vor wie die Markuskirche.

Schließlich erreichte ich den Punkt, wo schon Robert Redford die Messe hätte lesen müssen, um mich noch aus dem Bus zu kriegen.

Während das durchorganisierte Schreckensregiment gnadenlos weiterging, hatte ich ganz andere Sorgen. Meine zwölfteilige Reisegarderobe fing an, mich im Stich zu lassen. Die Brusttasche an der Jacke riß ein, und ich konnte sie nur noch mit verschränkten Armen tragen. Meine einzige Bluse hatte ein paar Flecken, die nicht mehr rausgingen. Das T-Shirt war eingelaufen. Ich kaufte mir eine zusätzliche Schirmmütze und bastelte mir einen ausgefallenen BH, um ihn am Swimmingpool zu tragen.

Seit London paßten mir meine Hosen nicht mehr ... oder war es seit Rom?

Wir alle wurden gereizt. Sobald mein Mann ein Hotelzimmer erreichte, fing er an auszupacken, als hätten wir gerade das Gebäude gekauft. Jeder Koffer wurde in Schubladen und Schränke geleert ... wenn auch nur für eine Nacht. Dann begann er hingebungsvoll seine Wäsche zu waschen. Da konnte die Sonne hinter dem Matterhorn untergehen. Da konnte ein Fest in den Straßen von Florenz sein. Da konnte der Gewinner der Tour de France direkt unter unserem Hotelzimmer über die Ziellinie fahren. Er erledigte seine Wäsche.

Und ich war es inzwischen leid, sein blödes Stativ mitzuschleppen. Ein wildfremder Mensch stürzte eines Tages im Kaufhaus Harrods auf mich zu, zeigte erfreut auf die ständige Ausbeulung in meinem Overall und meinte: »Sie reisen ja auch mit einem Stativ.«

Doch das schlimmste an dieser Gruppenreise war, daß wir einundzwanzig Tage lang, sechzehn Stunden am Tag, mit anderen Amerikanern zusammensein mußten. Gott behüte, daß wir mal einen Österreicher, Deutschen, Franzosen, Schweizer, Italiener, Iren, Belgier, Engländer oder Niederländer kennengelernt hätten. Wir warteten in Hotelhallen mit Gruppen anderer Amerikaner, die auch auf ihren Reisebus warteten. Wir besichtigten Sehenswürdigkeiten, wo aus allen anderen Bussen nur Amerikaner ausstiegen. Wir aßen an langen Tischen miteinander in Lokalen, die ganz auf amerikanische Touristen eingestellt waren und uns wie Pockenkranke in geschlossene Sälen, absonderten.

Reiseführer erzählten uns amerikanische Witze auf Englisch. Wir wurden an Souvenirständen abgesetzt, die T-Shirts mit den Namen amerikanischer Footballmannschaften verkauften. Wenn wir in den Zirkus oder ins Theater gingen, wurden wir neben andere amerikanische Touristen gesetzt.

Der einzige Fremde, an den wir in drei Wochen näher rankamen, war Lils Irish Setter.

Der Bus rollte weiter, und am einundzwanzigsten Tag der Reise fand sich unsere Gruppe im Restaurant des weltberühmten Eiffelturms beim obligatorischen Gala-Abschiedsessen wieder.

Ich schaute mir diese Menschen an, die ich öfter gesehen hatte als meine Mutter und die mir nähergekommen waren als mein Frauenarzt. Wir hatten einige außergewöhnliche Erlebnisse miteinander geteilt.

Wir hatten in einem schottischen Schloß bei einem mittelalterlichen Bankett zusammen diniert. (Das Ehepaar Kennen-wir-schon bemängelte allerdings, der Räucherlachs sei zu kalt gewesen, und der Fasan habe mehr nach Wild geschmeckt, als sie es in Erinnerung hatten.)

Wir hatten auf dem Petersplatz den Papst in seinem Fenster winken gesehen. (Die Greiners sagten, sie glaubten nicht, daß er es wirklich selbst war. Sie wollen jemand gesehen haben, der an seinem Rücken einen Startknopf drückte.)

Susanne und ihre Mutter hatten bei unserem Schweizer Trachtenfest in Luzern auf der Bühne gejodelt. Wir waren im London Palladium gewesen und in der Sixtinischen Kapelle.

Als wir jetzt den französischen Wein tranken, begann mein Mann ein Brötchen zu buttern. Plötzlich sprang er auf und hielt das Brötchen dramatisch über den Kopf gestreckt wie Kunta Kinte in »Roots«, der der Welt seinen neugeborenen Sohn darbietet. »Wußte ich’s doch!« rief er. »Das ist ein Brötchen aus Dublin. Hier sind meine Initialen und das Datum!«

Die Greiners erklärten, das überrasche sie nicht.

Das Ehepaar Kennen-wir-schon blickte gelangweilt auf und sagte, er solle sich wieder hinsetzen.

»Wo-bleibt-Babcock?« blendete ihn mit seinem Blitz, als er den Augenblick auf Film bannte.

Susanne und ihre Mutter erklärten es für ein Wunder.

Mr. Dimple hatte einen Trinkspruch und eine Kurzversion von »Pigalle, Pigalle, das ist die große Mausefalle mitten in Paris« parat.

Unsere Gesundheitsfee warnte: »Essen Sie das nicht. Das gibt Blähungen.«

Nach meiner Rückkehr habe ich meine Reisegarderobe in die Altkleidersammlung gegeben. Das war für mich ein symbolischer Akt – wie damals bei den Umstandskleidern. Wenn ich sie weggebe, muß ich nie wieder da durch.

Unsere Gruppenreise hatte uns ein paar nette Kostproben von Europa vermittelt, aber wir fühlten uns von festgelegten Plänen und Routen eingeschränkt und obendrein beaufsichtigt wie eine bedrohte Spezies in der Paarungszeit.

Nach der Rundreiseerfahrung träumten wir von einem Mietwagen, mit dem wir uns ganz allein auf den Weg machen würden. Wir sahen uns in einem kleinen roten Sportwagen eng umschlungen wie ein Liebespaar in der Badewanne. Wir stellten uns vor, wie uns der Wind durch das Haar fahren würde, während wir dahinbrausten und malerische kleine Gasthäuser auf abgelegenen Landstraßen entdeckten. Wir würden auf einer idyllischen Berghütte Rast machen, Wein bestellen und auf die berauschende Aussicht anstoßen.

»Wir könnten unser eigenes Tempo bestimmen«, sagte ich zu meinem Mann. »Kein Streß ... keine Reisebusse ... keine Reiseleiter.«

»Du hast vollkommen recht«, sagte er.

»Kein Gepäck rausstellen um fünf Uhr früh, kein Mittagessen mit zwanzig Personen am Tisch, keine schwerwiegenden Entscheidungen mehr wie: Verwende ich meine Viertelstunde jetzt darauf, den Louvre zu besichtigen oder nach einer Toilette zu suchen?«

Im Grunde war doch alles so einfach. Wenn wir Auto fahren konnten, dann konnten wir im Ausland auch einen Mietwagen fahren, stimmt’s?

Klar doch.

Hilfe, ich habe Urlaub!

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