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Einführung

des amerikanischen Herausgebers

Dies ist Ernies Geschichte über das Leben seines Urgroßvaters. Am Anfang zögerte er, die mündlichen Überlieferungen in schriftlicher Form wiederzugeben. Erst nach reiflicher Überlegung und nachdem er von einer Reihe von Menschen (einschließlich mir) dazu ermutigt wurde, stimmte er zu. Das Argument, das ihn von meiner Seite her am meisten überzeugte, war die Beständigkeit dieses Mediums. Seit tausenden von Jahren sind Bücher ein kontinuierlicher Bestandteil menschlichen Lebens. Schriftliche Aufzeichnungen überdauern für immer.

In vielerlei Hinsicht ist dies keine gewöhnliche Biographie, es ist eine schriftliche Form der mündlichen Überlieferung, die Vorteile, aber auch Schwierigkeiten mit sich bringt. Mündliche Tradition funktioniert innerhalb ihres eigenen Rahmens von Übereinkünften und Rhythmen, von denen sich nicht alle leicht übersetzen lassen. Eine gesprochene Erzählung kann eine Reihe von dramaturgischen Hilfsmitteln nutzen, die in schriftlicher Form nicht zur Verfügung stehen.

Das Sprechen ermöglicht dem Erzähler, ein Tempo und einen Tonfall zu wählen, die den Hörer direkt in die Handlung der Geschichte führen. Eine leichte Veränderung des Tempos erzeugt Stimmung, schneller werden schafft Spannung oder langsames Sprechen führt zu Behaglichkeit. Der Tonfall drückt gefühlsmäßig so viel aus, dass weitere Erläuterungen überflüssig werden. Die Veränderung des Tonfalls kann entweder Verachtung und Trotz, oder Bescheidenheit zum Ausdruck bringen.

Auch Körpersprache kommt zum Einsatz. In der mündlichen Tradition der Lakota werden Geschichten von Angesicht zu Angesicht erzählt. Indem der Erzähler seinen Körper vollkommen ruhig hält, kann er die Aufmerksamkeit auf seine Worte lenken, oder aber durch seine Gesten die Aussage dessen, was er ausdrücken will, verstärken und erweitern. Ein Meister der mündlichen Überlieferung – und Ernie ist ein solcher Meister – ist ein wahrer Performance-Künstler, der die Zuhörer in seinen Bann zieht.

Mündliche Überlieferung unterscheidet sich auch vom Inhalt her von einer schriftlichen Standardbiographie. Die konventionelle Biographie stützt sich auf eine chronologische Entfaltung der wichtigsten Ereignisse im Leben ihres Protagonisten. Es wird ein hohes Maß an Anstrengung aufgewendet, um einen Überblick über das Leben des Individuums in seinem geschichtlichen Kontext zu einer Chronik zusammenzufassen. Ursache und Wirkung, Reiz und Reaktion werden zu Kriterien, nach denen die Hauptfigur eingeschätzt, erklärt und am Ende bewertet wird.

Bei der mündlichen Überlieferung ist die Absicht etwas anders. Chronologie ist nicht so wichtig, und es wird weniger Wert darauf gelegt, jede Einzelheit detailliert wiederzugeben. Statt-dessen rückt die episodische Erzählung in den Mittelpunkt, und jede dieser Episoden hat eine Pointe. In diesen intensiven, Wert beladenen Geschichten geht es um die Moral. Im Grunde genommen kann eine Standardbiographie ihren Lesern das Bild eines sorgfältig gewebten Wandteppichs vermitteln, wo jeder Faden straff und präzise platziert ist, um durch diese Genauigkeit in der Gesamtdarstellung ein sachliches Bild zu gewährleisten. Eine mündliche Geschichte hingegen ist mehr mit einem gut gearbeiteten Quilt vergleichbar, deren einzelne Flecken aus leuchtenden Farben zusammenarbeiten, um ein warmes, impressionistisches Muster zu schaffen.

Eine der Herausforderungen beim Schreiben dieses Buches war es, beide Formen zu verschmelzen, den Fluss gesprochener Überlieferung in die Struktur der schriftlichen Form einzubinden. Ernie bestand darauf, dass nichts in diesem Buch, das nicht absolut und unbedingt die Wahrheit ist, und zwar so wie er sie kennt und persönlich erlebt hat, mit einbezogen werden durfte.

Dies brachte das zweitwichtigste Problem bei der Erstellung dieser schriftlichen Erzählung hervor: Die Wahrheit, die Ernie in dieser Arbeit zu vermitteln versucht, ist eine Lakota Wahrheit.

Ernie ist wirklich ein zweisprachiger Mensch. Trotzdem gibt es Übersetzungsprobleme, die zwischen der Lakota Sprache und dem Englischen aufkommen. Es ist ein konzeptionelles Problem, eine Frage von sehr unterschiedlichen Weltanschauungen. Die Sicht der Lakota über unseren Platz als Menschen im Universum steht im krassen Gegensatz zu den Vorstellungen, wie sie in den Vereinigten Staaten gelebt werden. Diese Unterschiede sind grundlegend und prägen die Form der gesamten Kultur.

Das Verständnis der Natur unseres Seins und der Zweck unserer Existenz sind Werte, mit denen wir alle tief verwurzelt sind, und die uns vom ersten Aufblitzen unseres Bewusstsein an gelehrt wurden. Sie bilden die zentrale Basis für unsere Weltanschauung und wie wir mit anderen umgehen. Aber was sind ehrenwerte Ziele, und wie sollten wir Erfolg definieren?

In der Kultur der Vereinigten Staaten wird uns beigebracht, unsere unveräußerlichen Rechte auf „Leben, Freiheit und dem Streben nach Glück“ zu schätzen. Dieses sind jedoch kulturelle Wertvorstellungen, die zwar von entscheidender Bedeutung für unsere Gesellschaft sind, vielleicht aber eine weniger große Rolle in Bezug auf die Werte in anderen Kulturen spielen könnten.

Ich könnte zum Beispiel nicht aufzählen, wie oft ich gehört habe, dass Ernie Werte wie Ehre, Respekt, Demut und Mitgefühl hervorgehoben hat. Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie diesen Kern-Werten immer wieder begegnen. Wenn Sie auch ein Angehöriger der Lakota Kultur sind, haben diese Werte wahrscheinlich ebenfalls eine grundlegende persönliche Bedeutung für Sie.

Wenn Sie wie in meinem Fall kein Lakota sind, dann wird Ihr Verständnis, so einfühlsam und gut gemeint es auch sein mag, durch die Wertvorstellungen der Kultur geprägt sein, die Ihnen Ihre Grundeinstellung über das Leben gelehrt hat. Es ist diese unausweichliche Tatsache der Existenz, die zu so vielen unserer interkulturellen Missverständnisse führt. Kommunikation über kulturelle Grenzen hinweg ist oft außergewöhnlich kompliziert.

In der Entstehungsphase dieses Werkes traf ich mich regelmäßig mit Ernie und seiner Frau Sonja und hatte mit ihnen Kontakt. Ich konnte beobachten, wie Ernies Vertrauen in seine Fähigkeiten, die Geschichte seines Urgroßvaters schriftlich wiederzugeben, Früchte trug. Dies ist das Produkt seines Geistes – oder noch wichtiger – das seines Herzens.

Es ist mir eine große Ehre und ein Privileg, an diesem Unternehmen beteiligt gewesen zu sein.

Pilamaya.

DR. LANI VAN ECK Professor für Anthropologie und Mitbegründer von Wounded Knee: Das Museum

Sitting Bull, sein Leben und Vermächtnis

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