Читать книгу Rolling Stones. 100 Seiten - Ernst Hofacker - Страница 5

Exil im Führerbunker

Оглавление

Lässt man die Geschichte der Rolling Stones Revue passieren, stößt man auf Legenden zuhauf: der Bahnsteig in Dartford, auf dem sich Richards und Jagger zuerst getroffen haben, die Bruchbude in Edith Grove, die Redlands-Drogenrazzia, Altamont, der Cocksucker Blues, nicht zu reden von den vielen großen und kleinen Zwischenfällen, die in der Bandchronik verzeichnet sind.

In keinem der vielen Mythen aber bündeln sich Geschichte, Haltung und Seele der Rolling Stones stärker als in dem, der mit der Entstehung des Doppelalbums EXILE ON MAIN ST. im Jahr 1971 zusammenhängt. Tatort: Nellcôte, die von Keith Richards im französischen Villefranche-sur-Mer an der Côte d’Azur gemietete Jugendstilvilla. Während des Zweiten Weltkriegs sollen sie die Nazis als Quartier genutzt haben. Richards: »Es war, als würden wir versuchen, im Führerbunker ein Album aufzunehmen.« Heraus kam dabei das Meisterwerk der Band.

Kurz vor Weihnachten 1971 ahnte ich das so wenig wie die Tatsache, dass Nellcôte schon wieder Geschichte war: Richards und seine Entourage hatten das Anwesen im Oktober fluchtartig verlassen müssen – die örtliche Polizei hatte den Hausherrn im Visier. EXILE ON MAIN ST. wurde zu Beginn des Folgejahres in den Sunset Sound Studios in Los Angeles fertiggestellt und erschien am 12. Mai 1972.

Die Sessions in Nellcôte jedoch wurden zu einem der langlebigsten und faszinierendsten Mythen in der Ära der klassischen Rockmusik. Sie markieren den Moment, als die Rolling Stones die coolste Gang des Planeten waren. Für ihre Fans sowieso. Doch auch sie selbst begannen das nun zu glauben. Der geradezu monarchische Pomp, mit dem sie sich auf ihrer 1972er-US-Tournee selbst feierten und feiern ließen, hat die bis heute gültigen Maßstäbe für das gesetzt, was man unter einem Rockstar versteht. Dass die Stones diese Phase ihrer Karriere überlebten, als sie gottgleichen Status genossen, dionysische Exzesse zelebrierten und jegliche Bodenhaftung verloren zu haben schienen, erstaunt. Daran sind schließlich genug große Musiker, die mit weniger Ruhm und Reichtum auskommen mussten, zerbrochen. Die Erklärung gab Keith Richards selbst, als er einmal bemerkte: »Sex, Drugs, Rock ’n’ Roll? Haben wir alle drei erfunden!« Um dann grinsend zu ergänzen: »Wenn du das glaubst, glaubst du jeden Scheiß!« Immer schon wussten die Stones, dass der Begriff Showbusiness eben aus zwei Worten besteht – Show und Business.

Fans brauchen Helden, Images, Träume und Emotionen. Plus Rock ’n’ Roll. Der 14-jährige Teenager fand all das an jenem tristen Dezembertag des Jahres 1971 an einem Sehnsuchtsort namens Nellcôte. Von diesem Moment an waren die Rolling Stones meine Lieblingsband. Sie sind es geblieben.

Rolling Stones. 100 Seiten

Подняться наверх