Читать книгу Seemann, deine Heimat ist das Meer – Teil 1 - Ernst Steininger - Страница 5
Vorbemerkungen des Autors
Оглавление1968, ich stand im 28. Lebensjahr, da hatte ich die Seefahrt – nach zehnjähriger Praxis – gründlich satt. Mit der Absicht, von nun an ein gediegenes bürgerliches Leben zu führen, wurde ich sesshaft. (Sesshaft – wie sich das anhört: so wie „Sitzen“ und – „Haft“). Ich trat also, nicht nur, um meine Mutter zu unterstützen, in die von meinem just verstorbenen Stiefvater gegründete Eisenhandlung ein. Trotz all der unliebsamen Pflichten, die ich mir dadurch aufgehalst hatte – oder vielleicht gerade deswegen – beschäftigte mich der Gedanke, meine Seefahrtserlebnisse literarisch zu verarbeiten. Kurz entschlossen reagierte ich auf ein Zeitungsinserat, das um Schreibinteressierte warb. Wenige Tage danach stand auch schon ein seriös aussehender Herr im Hausflur, der sich als ein Vertreter der Schreibkunst ausgab. Kurz gesagt: Der sehr vertrauenswürdig wirkende Herr schmeichelte meinem Ego ungemein und landete einen vollen Erfolg. Einnehmend bekundete er sein Interesse an meinen bisherigen Arbeiten – holprige Gedichte, zu lange Kurzgeschichten – lobte mein Erzählertalent über den grünen Klee und – und ich Esel nahm es für bare Münze.
Bare Münze, das war es dann auch, was ich ein Jahr lang Monat für Monat an die Hamburger Autorenschule zu blechen hatte. Nicht, dass ich den Lehrern dort etwas Konkretes vorzuwerfen hätte. Es war nicht ihre Schuld, dass alsbald mein Frust wegen des pingeligen „Schriftdeutschs“, der schwer durchschaubaren Rechtschreibung und der leidigen Interpunktion über meine Fabulierlust siegte. Und überdies und außerdem hatte ich in jenen Jahren der „Sesshaft“ wahrlich und wahrhaftig ganz andere Sorgen…
Jetzt, ca. vierzig Jahre danach, halte ich einige der damaligen Aufzeichnungen in meinen Händen: Sven Ebeltoft: „Lehrbrief Werkstattgespräche“, Aufgabe 6: „Ich lerne schreiben“, Aufgabe 7: „Streichen Sie überflüssige Textstellen der Hausaufgabe 6“. Das tat ich gründlich – hier also die Nummer 7, die gekürzte Fassung von Nr. 6:
Ich dachte: man setzt sich hin, denkt – und was man denkt, schreibt man. So wie der „Papillon-Autor“ Henri Charriére.
So einfach: Zack, Kugelschreiber; zack, Papier; zack Bestseller!
„Heiliger Bimbam“, die paar kleinen Fehlerchen. – Für was werden eigentlich Lektoren bezahlt? So dachte ich. Man sollte das Denken vielleicht doch besser den Pferden überlassen…
Aber schade ist es doch, dass ich nicht zum Schreiben tauge. Ja es ist fast ein Verrat an der ganzen Menschheit. Sowohl an jenen, welche an meinen Abenteuern teilgenommen, als auch an allen übrigen, aber leider unwissenden Mitmenschen. Von der Nachwelt ganz zu schweigen…
Denn wer anders als ich hat dem stolz gleitenden Sturmvogel ins blanke Auge gesehen? Wer sonst wohl hat mit Hans Buhmann im „Bouillon-Keller“ gezecht? Wer schon weiß von der wilden Liebe Rosarias? Weiß, wie schön und beschissen das Leben eines Matrosen sein kann…
Sicher: Dieser Seemannsschmarrn ist ein arg strapaziertes Thema. Jedoch die wenigsten Bücher
darüber entsprechen der profanen Wirklichkeit. Darum ist es mir ein Bedürfnis, unverlogen und ohne Pathos darüber zu berichten…
Kommentar des Lehrbeauftragten: Von unnützem Ballast befreit, wirkt – gestrichen, gestrichen, gestrichen – Hausaufgabe 7 wesentlich besser. Allerdings gäbe es auch hier noch einiges zu streichen… Ja, zum Teufel mit allen Schriftgelehrten! Was bleibt denn dann noch von meinem, mit so viel Verve geschriebenem Text?
Nun, inzwischen ist viel Wasser die Elbe hinunter geflossen. Was aus der Hamburger Autorenschule geworden ist weiß ich nicht. Eines aber scheint mir sicher zu sein: Die althergebrachten Lehrmethoden dürften sich von selbst erledigt haben. Dafür sorgen wohl nicht nur die neuen Kommunikationsmittel, auch die Rechtschreibreform – wie auch immer man dazu stehen mag – scheint ihren Beitrag zum „Niedergang“ der deutschen Sprache zu leisten. Für einen Dilettanten wie mich, der immer wieder einmal ein x für ein u hält, geradezu eine willkommene Ermutigung! Allerdings gibt es auch häufig Grund zum Ärgern. Zum Beispiel spätestens dann, wenn mir der klugscheißerische PC, den ich als Schreibmaschine benutze, sowohl die natürlich gewachsenen als auch die von mir erzwungenen zusammengesetzten Wörter wieder auseinander reißt. Z. B. „klugscheißerisch“ – gefällt ihm auch nicht!
Zum Thema: Während des Niederschreibens meiner Erlebnisse wurde mir doch sehr schnell klar, dass zwischen dem Einst und Jetzt viel Zeit verronnen ist. Erstaunlicherweise lassen sich aus dem tiefen Brunnen der Vergangenheit zwar immer noch einzelne Brocken heben, aber… Aber – abgesehen vom Wahrheitsgehalt – die gehobenen Schätze verlieren, bei Licht besehen, schnell ihren Glanz. Man muss sie, wie trockene Kieselsteine, erst einmal wieder mit Feuchtigkeit benetzen, um sie zum Glänzen zu bringen. Und weil ich befürchtete, dass das bisschen Glanz für ein ganzes Buch nicht ausreicht, habe ich mich dazu hinreißen lassen, auch noch Geschichten einzufügen, die mit meiner Person rein gar nichts zu tun haben. Dafür aber umso mehr mit allem, was die christliche wie auch die unchristliche Seefahrt betrifft. Die Schicksale einzelner Schiffe, berühmter Entdecker und berüchtigter Seefahrer hatten es mir schon immer angetan. Und so habe ich mich also bemüht, mehr oder weniger bekannte Geschichten darüber mit einzubauen. Dass mir dabei, einem Seemann aus Österreich, die Erinnerung an maritime Abenteuer der längst verblichenen Donaumonarchie besonders am Herzen lag – darum bitte ich, bittschön, um Nachsicht…