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Vorwort

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Das Verständnis des Internets, der dort angebotenen Plattformen und der dort vorzufindenden sprachlichen Handlungen hat sich in den letzten 20 Jahren grundlegend gewandelt: Die Auffassung des Netzes als virtuelle Welt wurde in den 2000er Jahren durch das Bild des Resonanzraums sozialer Realitäten abgelöst. Zuletzt hat sich die Haltung verbreitet, dass im Social Web durch Interaktion verschiedenster Akteure soziale Wirklichkeiten konstruiert und verändert werden. Internet-Phänomene wie Shitstorms und Trolling, Cybermobbing oder Memes, z.B. #lovewins und die Spendenkampagnen IcebucketChallenge, sind Ausgangspunkte für digitale Diskurse, die hohe Reichweiten erlangen und auch in nicht-digitalen Medien verhandelt werden. Diese Entwicklungen haben digitale Interaktion in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. In einer Zeit, in der weltweit Fundamentalismen und radikaler Populismus sowie alternative Fakten im Netz enorme Verbreitung finden und diskursive Dynamiken auf Twitter wahlentscheidende Effekte haben, ist eine große Verunsicherung gegenüber digitalen Plattformen spürbar.

Auch gegenüber der Wikipedia werden Vorbehalte laut. Oftmals werden Diskussionen zur Wikipedia jedoch relativ uninformiert geführt und bleiben auf Themen wie deren Zitierfähigkeit oder einzelne inhaltliche Mängel beschränkt. Mit dem vorliegenden Buch möchte ich eine neue Sicht auf die Online-Enzyklopädie vorstellen und diese im Sinne der Diskurslinguistik als diskursiven Raum präsentieren. Diskurse werden in diesem Buch als Text- und Aussagenformationen zu einem bestimmten Thema verstanden (z.B. der Diskurs zum Brexit). Im Gespräch mit StudentInnen, LehrerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen habe ich erfahren, dass mit erweitertem Grundlagenwissen zur Struktur und Verfasstheit der Wikipedia diese ganz neu wahrgenommen und genutzt wird. Dieses Grundlagenwissen habe ich im Folgenden zusammengefasst und möchte den LeserInnen eine neue – überwiegend sprachwissenschaftliche und diskursanalytische – Sicht auf die Online-Enzyklopädie eröffnen.

Dass mein Beitrag in der Reihe mit dem Titel „DIALOGE“ erscheint, hat für mich zwei Bedeutungen: Zum einen erhoffe ich mir, dass er den Ausgangspunkt für den Dialog verschiedenster Personengruppen darstellt, die sich mit digitalen Plattformen und vor allem mit der Wikipedia beschäftigen. Mein Ziel ist es, detaillierte Informationen zum großartigen Projekt der Online-Enzyklopädie zu vermitteln, um all jene zu begleiten, die die Möglichkeiten und das Potential der Wikipedia voll ausschöpfen möchten. Der Fokus liegt dabei auf einer (diskurs-)linguistischen Herangehensweise, bei der – den medialen Unkenrufen zum Trotz – auf der Grundlage sprachwissenschaftlicher Erkenntnisse Sprachwandel und sprachliche Variation durch Digitalisierung nicht als „Sprachverfall“, sondern als „Normalfall“ verstanden werden.

Zum anderen kann dieser Beitrag zur Reihe „DIALOGE“ aber auch selbst als Ergebnis eines solchen Dialogs verschiedenster Personengruppen verstanden werden. Während meiner Arbeit an diesem Buch habe ich vom Austausch mit vielen verschiedenen Personen profitiert: An erster Stelle danke ich Prof. Dr. Angelika Storrer und Dr. Ziko van Dijk sowie den Mitgliedern des DFG-geförderten Netzwerks „Diskurse – digital: Theorien, Methoden, Fallstudien“ für die ausführlichen Diskussionen zu digitalen Diskursen und Wikipedia. Neben den vielen einschlägigen Fachtagungen waren auch die Wikipedia-Tagungen WikiCon und WikiDACH eine große Bereicherung für meine Arbeit: Rudolf Simon hat mir mit seiner Einladung zur WikiCon 2017 erstmals ermöglicht, an einer der Wikipedia-Tagungen als Referentin teilzunehmen. Ein weiterer Höhepunkt meiner Beschäftigung mit der Wikipedia war die Organisation der WikiDACH 2017, bei der ich zusammen mit Sebastian Wallroth rund 50 Wikipedia-Autoren und Wikipedia-Begeisterte an der Universität Mannheim begrüßen konnte. Als sehr wertvoll habe ich auch den Austausch mit den Lehrerinnen und Lehrern im Workshop „Wikipedia: Wissensformat zwischen freiem Wissen und Fake News im digitalen Zeitalter“, den ich an der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an Schulen in Esslingen leitete, empfunden. Zu Dank bin ich außerdem den Studierenden meiner Hauptseminare im Frühjahrssemester (Wikipedia aus text- und diskurslinguistischer Perspektive) und Herbstwintersemester 2017 (Linguistische Wikipedistik) an der Universität Mannheim verpflichtet, die sich engagiert und wissensdurstig in die Seminare eingebracht haben.

Digitale Diskurse und Wikipedia

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