Читать книгу Im Tempel des Amun-Re - Eva Hauser - Страница 5
Prolog
ОглавлениеSiaspiqa,
dies alles habe ich aufgeschrieben im Vertrauen darauf, dass meine Zeilen Dich erreichen, sobald der richtige Zeitpunkt gekommen ist und Deine Zeit des Vergessens vorbei ist.
Was würdest Du tun, wenn Du wüsstest, Du hast schon einmal gelebt? Du erinnerst Dich an die Gegebenheiten, die Orte, die Personen, an alles, was geschah, und in manchen Menschen, die Dir begegnen, erkennst Du die wieder, die damals mit Dir waren.
Es mag sein, dass sie eine augenblickliche Sympathie für Dich empfinden, so, als ob Deine Augen sie schon einmal angeblickt haben könnten. Doch wer weiß – gehen nicht so viele Menschen tagtäglich an einem vorbei.
Was aber nun, wenn Du tief in Deinem Herzen weißt, dass es jemand ist, mit dem Du nah verbunden bist. Würdest Du ihn dann gehen lassen, oder würdest Du ihn ansprechen? Wenn es ein Freund aus Kindertagen wäre, den Du aus den Augen verloren hast, dann wäre es ohne weiteres möglich, sich nach Jahren an die gemeinsame Zeit zu erinnern.
Doch so einfach ist es in diesem Fall nicht. Vielleicht ist der andere überzeugt, nur ein einziges Mal hier auf dieser Erde zu leben, und er glaubt, da sei sonst nichts, es gäbe kein weiteres Leben außerdem. Wie würdest Du ihm sagen wollen, dass es anders ist, dass Du ihn gut kennst. Du möchtest es so gerne sagen, bist überwältigt von der Erfahrung des Wiedererkennens und willst den anderen daran teilhaben lassen, hoffst, dass auch er Dich sogleich erkennt, was der andere aber nicht kann oder vielleicht auch nicht will.
Als ich Dir wieder begegnet bin und Du mich angesehen hast – und ich glaubte, Du erkennst auch mich – sind in mir Erinnerungen aufgestiegen, von ganz weit her, wie aus einer fernen Kindheit, in der ich vielleicht in einem anderen Land gelebt hatte und dort einmal zuhause war, aber diesen Ort nun nicht mehr finden kann.
Es waren kleine Gedankenblitze zunächst, die sich, sobald mein Verstand sie fassen wollte, auflösten. Nach und nach haben sich Szenen gebildet, nicht in einer Reihenfolge des Zeitverlaufs, sondern nach der Intensität der erlebten Eindrücke, – leicht, aushaltbar, noch nicht aushaltbar – bis sich endlich die ganze Geschichte zusammenfügte.
So habe ich diese Geschichte aufgeschrieben, für Dich, für mich, für uns alle, die wir damals daran beteiligt waren. Die Auswirkungen der Ereignisse bestimmen noch heute unser Leben, auch wenn wir glauben, dass Vergessen sie ungeschehen machen kann:
Damals, als vermeintlich alles begann – obwohl es doch längst schon begonnen hatte – liebte ich es, den Berichten Tamkarus, des Kaufmannes, zu lauschen, wenn er von seinen weiten Reisen heimkehrte und erzählte, von Ländern, schön wie aus den Märchen Bel-shalti-Nannars, und Menschen so froh, dass ich mich danach sehnte, eines Tages ebenfalls dahin reisen zu können, ich, die ich Ur nicht verlassen durfte ...