Читать книгу Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast - Страница 13

6

Оглавление

Eine halbe Stunde später saß Horst trübsinnig vor sich hinstierend vor einer Tasse Pfefferminztee am Wohn­wagentisch. Ihn fröstelte, ihm war kalt – durch die fehlende Scheibe des Wagens wehte ein unangenehm kühler, feuchter Wind. Aber das passte im Grunde genommen genau zu seinen Gedanken, die so gar nicht zu der Urlaubsstimmung dazugehören wollten, auf die er sich doch so sehr gefreut hatte.

Immer wieder grübelte er darüber nach, was ihm an dem gestrigen Abend nicht gefallen hatte. War es die ungewohnt aggressive Verhaltensweise, die Thomas Grund­ler der Bedienung gegenüber an den Tag gelegt hatte, waren es die trübsinnig-pessimistischen Gedanken, die Thomas gegen Ende des Abends geäußert hatte? Oder machte ihm Kummer zu erfahren, dass es mit der Ehe seines Kollegen nicht zum Besten stand, dass man offensichtlich im Hause Grundler mittlerweile getrennte Wege ging. So manche unschöne Szene war da in den letzten Wochen anscheinend zwischen Thomas und seiner Frau Susanne passiert und so, wie es Thomas geschildert hatte, standen die beiden nun vor den Trümmern ihrer Beziehung. Dazu kam – ausgerechnet – auch noch ein heftiger Streit mit dem Nachbarn der Grundlers, einem ewig nörgelnden Privatier und Besserwisser namens Helmut Speiser, der anscheinend den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun hatte, als die Straße vor seinem Haus zu kontrollieren und jeden Fahrzeuglenker, der seinen Wagen vor dem Speiser’schen Haus geparkt hatte, mit aggressiven Gesten zu vertreiben. Der Platz vor dem Haus (auf der öffentlichen Straße!) gehöre ganz allein zu seinem Anwesen und niemand sonst hätte hier etwas zu suchen. Thomas hatte es anscheinend schon mehrfach im Guten versucht, aber vergeblich: Der Nachbar hatte sich nicht von seinem Herr-auf-der-Straße-Standpunkt abbringen lassen, ganz im Ge­gen­teil sogar. Der Kerl hatte ihn sogar vor zwei Wochen angezeigt, wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und versuchter Körperverletzung. Thomas sei neulich beim Einparken mit seinem Wagen absichtlich schnell, mit aufheulendem Motor und schleifender Kupplung auf den Nachbarn zugerast, sodass dieser sich nur noch durch einen Sprung über den Gartenzaun habe in Sicherheit bringen können. »Völliger Blödsinn natürlich, der Kerl lügt wie gedruckt, da ist kein Fünkchen Wahrheit dran an dieser Story – aber ich habe jetzt den Salat!«, hatte Thomas gemeint und dabei sorgenvoll die Stirn in Falten gelegt. »Das hat der mit vollster Berechnung angezettelt, der Spinner! Kannst du dir vorstellen, wie das am nächsten Tag auf der Direktion war, als mich der Striebel«, dabei handelte es sich um den Chef der Polizeidirektion, »plötzlich zu sich zitiert und mir eröffnet hat, es läge eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen mich vor? Und als ich gelacht habe, wo er mir erzählt hat, um was es sich handelt, da hat er gemeint, ich solle die Sache ja nicht auf die leichte Schulter nehmen! Im Gegensatz zu diesem Psychopathen nämlich habe ich keine Zeugen, die meine Unschuld beweisen könnten, während der seine ganze Familie gegen mich hat aussagen lassen! Du – das kann ein Disziplinarverfahren von der übelsten Sorte geben, das sag ich dir! Und das alles wegen diesem Penner! Ich hätte da schon lange etwas unternehmen sollen, der wird ganz allmählich nämlich zu einer Gefahr für die Allgemeinheit, das ist ganz langsam immer schlimmer geworden mit dem, den müsste man mal auf seinen Geisteszustand hin überprüfen, aber das hab ich verschlafen, das kann ich jetzt grade natürlich nicht mehr bringen – jetzt bin ich in der Defensive! Mist!«

Horst hatte nur allzu gut verstanden. Das war tatsächlich eine bescheuerte Situation für einen Polizeibeamten: Thomas war eindeutig in der Defensive und seine Verteidigung stand ohne Zeugen für seine Unschuld auf ganz wackligen Füßen. Und überdies: Egal, wie die Geschichte ausgehen würde – ganz ohne Blessuren würde Thomas da auf keinen Fall herauskommen –, der Nachbar würde jetzt natürlich auf dem Fundament des über Thomas errungenen Sieges erst recht weitermachen mit seinen Schikanen! Wenn es sich bei dem tatsächlich um einen Psychopathen handelte, na dann – Prost Nachbarschaft!

Dies alles – Nachbarschaftsstreit, Anzeige, Ehekrise – waren aber nur die privaten Probleme, mit denen Thomas Grundler momentan schwer genug zu kämpfen hatte. Dazu gesellte sich noch eine offenbar furchtbar verzwackte Er­mittlungsgeschichte in seinem eigentlichen Arbeitsfeld, dem Wirtschaftskontrolldienst. Er war da im Laufe des Frühjahrs auf die Spur einer Umweltschweinerei allererster Güte geraten, und je mehr er in dieser Richtung recherchiert hatte, desto größere Kreise hatte sie gezogen. Und das Schlimme dabei war, das hatte er recht bald erkennen müssen, dass sich das Problem als ungeheuer vielschichtig darstellte und dass die Strippenzieher im Hintergrund offenbar über glänzende Kontakte bis in die Kommunal- und Landespolitik hinein verfügten, ja sogar in der Polizeidirektion selbst schienen Leute zu sitzen, die – zumindest in diesem Fall – die Fronten gewechselt hatten!

»Ja, komm schon, jetzt spuck’s schon aus, wo du da dran bist!«, hatte Horst seinen Kollegen aufgefordert, nachdem der ihm endlich sein Herz ausgeschüttet und die Ursache aufgezeigt hatte, weshalb er auf sein Gegenüber so merkwürdig gedrückt und verändert gewirkt hatte.

»So ein bisschen im Nebel rumstochern und da ein Wort fallen zu lassen und dort was anzudeuten, das bringt doch nix! Du brauchst doch ganz eindeutig Hilfe und solltest die ganze Geschichte mal richtig durchsprechen, und zwar von A bis Z, sonst kommst du da nie auf einen grünen Zweig. Und nachdem du in der Direktion keinem mehr traust, ja, da ist es sowieso vielleicht ganz gut, wenn du das mit einem Außenstehenden mal durchkaust, der einen völlig unverstellten Blick in dieser ganzen Chose hat. Also komm – schieß los!«

Doch Thomas hatte nur traurig gelächelt und andeutungsweise den Kopf geschüttelt. »Du hast doch Urlaub, Hotte! Ich will dir doch deine paar schönen Tage am See nicht versauen – und außerdem glaube ich irgendwie, dass es besser wäre, wenn ich dich nicht da mit reinreite!«

»Blödsinn!«, hatte Horst geantwortet. »So weit kommt’s noch, dass wir den Beamten raushängen lassen und unser Hirn abends an der Pforte abgeben! Du sagst mir jetzt, was Sache ist, oder es setzt was!«

Zögernd hatte der Hauptkommissar danach einige Fakten angedeutet. Und wenn von den Vermutungen und Anhaltspunkten, die Thomas Grundler mit seiner gewohnt sorgfältigen und vorsichtigen Arbeitsweise in den letzten Monaten gesammelt hatte, auch nur die Hälfte zutraf, dann hatte er offensichtlich einen Volltreffer gelandet. Horst hatte staunend die Luft eingesogen und sich nachdenklich zurückgelehnt: »Dann stehst du ja praktisch mit beiden Beinen mitten auf dem Wespennest! Mein lieber Mann, das gibt aber ein mittleres Erdbeben, wenn du die Geschichte erst mal wasserdicht gemacht hast!« Und mit einem sorgenvollen Blick auf Thomas fügte er leise hinzu: »Da muss man bloß gewaltig aufpassen, dass man von den Wespen vorher nicht gestochen wird!«

Wie recht er doch mit dieser Feststellung behalten sollte …

Tatort Bodensee

Подняться наверх