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Minutenlang sagte keiner ein Wort, dann räusperte sich der Kommissar namens Hofer von der Polizeidirektion aus Konstanz verlegen. Horst blickte auf. »Also, Herr Meyer, jetzt wissen Sie, weshalb wir hier sind!«

Horst nickte nachdenklich. »Aber – was ich absolut nicht verstehe: Sauerstoffflaschen sind doch grundsätzlich blau, wie kann denn der Thomas an solch eine Flasche geraten sein?«

Schlotterbeck mischte sich ein und schüttelte energisch den Kopf: »Ist er nicht! Auf gar keinen Fall! Sie haben es doch vorhin gehört, es war ganz eindeutig die Flasche von Herrn Grundler, an der die Pressluft abgelassen und der Sauerstoff hineingefüllt worden ist. Daran gibt es nicht den geringsten Zweifel! Das war eiskalt kalkulierter Mord – und zwar begangen von jemandem, der sich bestens ausgekannt haben muss!«

»Und der auch die Möglichkeit hatte, sich reinen Sauerstoff zu besorgen und noch eine Druckleitung samt Anschlussventil, um den Sauerstoff in die Flasche hinein­zupumpen. Beziehungsweise einen Kompressor, falls er die Flasche von Thomas heimlich mitgenommen, sie umgefüllt und danach wieder zurückgestellt hat«, warf Hofer dazwischen.

Forschend blickte er in Horsts Gesicht. »Herr Meyer: ganz offen! Haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung, wer das getan haben könnte und weshalb?«

Horst schüttelte energisch den Kopf, gab ansonsten aber keinen Ton von sich.

Hofer schob die nächste Frage nach: »Wissen Sie aber wenigstens, wo Thomas Grundler seine Flasche gelagert hatte? Wie viele Personen wussten Ihrer Meinung nach, wo er sie deponiert hatte? Und noch etwas: Hatte er Sie in der vergangenen Nacht überhaupt zu Hause aufbewahrt, oder hat er sie eventuell am Abend vorher zu Ihnen gebracht?«

Überrascht sah Horst auf. Das war ja eine ganz neue Variante! »Wollen Sie damit etwa andeuten, dass der Anschlag vielleicht gar nicht Thomas, sondern mir hätte gelten sollen?« Entschieden schüttelte er den Kopf. »Nein, tut mir leid, das kann nicht sein!«

Hofer wiegte, nachdenklich dreinschauend, den Kopf. »Nein, andeuten will ich in diesem Fall überhaupt nichts. Und dennoch: Irgendjemand muss hier seine Finger im Spiel gehabt haben!« Forschend sah er Horst an – unruhig wanderten seine Augen dabei von links nach rechts und von rechts nach links. »Herr Meyer – Herr Kollege – noch einmal: Was wissen Sie über die Recherchen von Thomas Grundler und über seine dienstlichen Probleme und Schwierigkeiten?«

Aha – daher wehte der Wind! In Horst begannen sämtliche noch vorhandenen Alarmglocken gleichzeitig zu schril­len! Trotz seines angespannten Gesundheitszustandes brach sich der kriminalistische Spürsinn in ihm unaufhaltsam seine Bahn! Vorsicht! Äußerste Vorsicht! Nur ja jetzt nicht irgendeinen Fehler machen und irgendetwas sagen, was du später bitter bereuen wirst! Was war da los? Was wollten sie in Wirklichkeit von ihm wissen? Im kurzen Moment eines Wim­pern­schlags fühlte er sich gefangen in einem dicht gewobenen Spinnennetz von Intrige, Lüge und Betrug! Irgendwas war faul im Staate Dänemark! Hamlet? Ja, genau – Shakespeare, Hamlet! Geradezu irrwitzige Gedanken fegten jetzt in Sekundenbruch­teilen durch sein angespanntes Gehirn.

Also: Sie wollten wissen, auf welchem Kenntnisstand er sich befand – und dann? Was war danach? Auf welche Seite gehörten sie? Was wollten Sie eigentlich von ihm?

»Welche Schwierigkeiten?« Horst gab sich genauso leutselig wie ahnungslos. »Ich weiß von nichts!« Und mein Name ist Hase, setzte er im Stillen in Gedanken für sich hinzu.

»Na, kommen Sie, halten Sie uns doch bitte nicht für blöd!«, auch der so jovial wirkende Schlotterbeck vom LKA schien sich an seine Bundeswehreinzelkämpfer­ausbildung zu erinnern. Seine Miene zumindest war mit einem Schlag zu einem einzigen Eisblock gefroren!

Horst spielte weiter den Ahnungslosen (als der er sich im Grund genommen ja auch fühlte!): »Ja, was meinen Sie denn? Dann werden Sie in Gottes Namen doch endlich konkreter, dann kann ich Ihnen auch eine klare Antwort auf eine klare Frage geben!«

Die beiden hatten sich offensichtlich vor dem Besuch im Krankenhaus sorgfältig miteinander abgesprochen. Ein Blick des LKA-Beamten genügte und schon übernahm Hofer wieder die Initiative: »Also ich bitte Sie, Herr Meyer! Sie sind Polizist, wir sind Polizisten! Alle sind wir Polizisten!« Er machte dabei eine ausladende Handbewegung, die selbst noch Protnik mit einbezog, der bisher eingeschüchtert und nachdenklich am Rande des Geschehens auf seinen Einsatz gewartet hatte. »Also«, fuhr der Kom­missars­kollege aus Konstanz fort, »machen wir uns doch bitte nichts vor, Herr Meyer! Sie wissen es und ich weiß es: Thomas Grundler hatte Schwierigkeiten, massive nachbarschaftliche Schwierigkeiten. Sogar ein Disziplinarverfahren haben die Nachbarn gegen ihn in die Wege geleitet! Die ganzen Eheprobleme lassen wir jetzt wohl besser außer Acht! Sagen Sie bloß, das wissen Sie nicht!«

Überrascht blickte Horst auf. Das war es also, wo­rauf die beiden hinauswollten! Entweder dem psychisch gestörten Nachbarn kräftigst an den Karren zu fahren oder – das schien die zweite Möglichkeit zu sein – einen gut geplanten Selbstmord anzutäuschen, dem er, Horst, zufällig als nichtsahnender Zeuge hatte zusehen müssen! Er überlegte fieberhaft, welche Antwort auf diese Frage wohl am unverfänglichsten klingen würde. »Also gut, Kollegen. Das mit dem Ehekrach, das war ja wohl beim besten Willen kein Geheimnis mehr. Und auch die Geschichte mit dem doofen Nachbarn – die kennt ihr ja besser als unsereiner! Ihr – beziehungsweise Sie«, und damit deutete er mit dem Zeigefinger auf Hofer, »Sie wissen ja schließlich viel besser als ich, was da abgegangen ist.«

Hofer schien noch nicht völlig von der Ahnungslosigkeit seines Gegenübers überzeugt. Dennoch wiegte er zustimmend-abschätzend den Kopf. »Gut – einverstanden! Halten wir also fest: Sie wissen demnach nichts über berufliche Schwierigkeiten.« Forschend fixierte er nach dieser Bemerkung sein Gegenüber. »Richtig oder nicht richtig?!«

Horst nickte. »Richtig! Und außerdem …« Doch weiter kam er nicht mit seiner Aussage. Sein auf dem Tischchen neben dem Bett liegendes Handy klingelte unüberhörbar und störte – zumindest für den Augenblick – den weiteren Fortgang des Verhörs. Ein Geschenk des Himmels! Hofer zog ärgerlich die Augenbrauen zusammen und runzelte die Stirn.

Doch bevor irgendjemand eingreifen und das Handy womöglich in Beschlag nehmen konnte, hatte Horst es ergriffen und meldete sich mit klarer, lauter Stimme: »Meyer! Grüß Gott – mit wem habe ich das Vergnügen?!«

Die Stimme kam genauso klar und überdies auch noch ziemlich fröhlich zurück: »Na, mit wem wohl? Mit deiner dich – warum auch immer – ewig liebenden und genauso reizenden Ehefrau Claudia! Wo steckst du Kerl denn eigentlich? Seit einem geschlagenen lieben langen Tag versuche ich schon, dich zu erreichen!«

Der Tadel, der in Claudias Stimme mitschwang, war ganz eindeutig rein rhetorischer Art. Claudia! Tatsächlich ein Geschenk des Himmels! »Hallo, Claudia!« Miss­trauisch glotzten die beiden Vernehmungsbeamten in Richtung Handy, als Horst seine Begrüßung in den Hörer hauchte. »Wie geht es dir, mein Schatz?«, flötete er weiter.

Horst sah, wie die beiden Polizisten die Augen verdrehten. Sei’s drum, sollten die doch grade denken, was Sie wollten.

Claudias ahnungslose Replik kam rasch. »Gut natürlich. Wenn so ein wundervolles freies Wochenende am Bodensee vor mir steht: Das Wetter soll ja toll werden, der See dürfte einigermaßen erträgliche Temperaturen haben – ich freue mich auf jeden Fall schon riesig darauf – genauso wie die Kinder sich auf die Oma freuen! Ich habe gedacht, ich sag dir heute schon, dass ich morgen einen früheren Zug nehmen kann. Ich habe nämlich jetzt doch keinen Mittagsdienst mehr, das heißt, ich könnte die Bahn von Heilbronn nach Stuttgart um 12.45 Uhr nehmen, die müsste ich eigentlich schaffen. Dann wäre ich um 13.30 Uhr ungefähr in Stuttgart und könnte dann um 13.40 Uhr weiterfahren Richtung Singen. Und von dort ist’s ja eh bloß noch ein Klacks! Also, ich such die Verbindungen noch mal ganz genau heraus, aber ich denke, so gegen halb drei könntest du mich am Überlinger Bahnhof abholen – falls du mich noch haben willst!«, fügte sie kokett hinzu. »Aber jetzt sag endlich, wie geht’s dir eigentlich?«

Oje! Wenn Claudia wüsste! Glücklicherweise hatte auch Protnik den Rand gehalten und Claudia gegenüber keinen Ton von der ganzen Malaise verlauten lassen! Andererseits: wie brachte er das alles – einigermaßen eheverträglich – wieder auf die Reihe? Wie sollte er seiner Frau erklären, dass er da zwei Tage im Überlinger Krankenhaus hatte zubringen müssen, weil er beim Tauchen im Bodensee verunglückt war – bei einem Tauchgang, auf dem sein Freund und Partner ums Leben gekommen, ermordet worden war?!

»Ach, mir geht es einfach blendend«, flötete er ins Telefon, was ihm natürlich irritierte Blicke der drei anderen im Krankenzimmer einbrachte. Wahrscheinlich überlegten die jetzt, ob er beim raschen Auftauchen an die Oberfläche nicht doch irgendwie psychisch durchgeknallt war – alle drei, selbst Protnik; das konnte er ihren Gesichtern deutlich ansehen. »Der Tauchgang war so weit ganz okay.« Wieder konsternierte Mienen der anderen! »Aber am besten, ich erzähle dir alles, wenn du dann endlich da bist!«

»Alles klar, so machen wir’s!« Claudia schien – dank der Vorfreude auf das verlängerte Wochenende zu zweit am Bodensee – bester Laune. »Gut, dann holst du mich also um halb drei am Bahnhof in Überlingen ab! Einverstanden?«

Horst nickte am Telefon: »Alles roger – genauso machen wir’s! Also dann bis morgen! Tschüss – und viele Grüße an die Kinder!« Zufrieden lächelnd legte er auf und ließ sich entspannt in das Kissen zurücksinken. Für einen Moment schloss er die Augen. Dann begann er, sich auf den Fortgang des Gespräches zu konzentrieren. Eigentlich gar nicht so schlecht, dass die Ärzte ihn dazu verdonnert hatten, noch ein paar Tage zur Beobachtung im Krankenhaus zu bleiben, denn als Kranker genoss man bei einem solchen Verhör zumindest das Privileg der erschöpften Pause, die man einem Menschen in seiner Situation einfach zugestehen musste.

Als er die Augen wieder öffnete, sah er die Ungeduld in den Gesichtern der beiden anderen. Doch ganz offensichtlich hatten sie für sich beschlossen, die Situation nicht mit einer zu frühen Fortsetzung ihrer Diskussion zu verschärfen. Protnik dagegen hielt sich weiter im Hintergrund und blinzelte Horst verstohlen mit einem Zwinkern des rechten Augenlides zu.

»Gut, meine Herren! Wir können wieder!« Mit neuer Energie versehen blickte er die beiden Polizisten entschlossen an. »Also, ich fasse zusammen: Eheprobleme, Nachbarschaftsstreit, Disziplinarverfahren. Sie tippen mit anderen Worten auf Selbstmord! Sehe ich das richtig?«

Hofer wiegte bedächtig den Kopf: »Wie sollen wir es denn sonst sehen? Also, an die Geschichte von der von irgendeinem mysteriösen Dritten manipulierten Press­luft­flasche glaubt in Wirklichkeit doch nur der Doktor, oder? Es sei denn«, und damit fixierte er Horst mit strengem Blick, »es sei denn, Sie hätten etwas mit der Manipulation zu tun! Sie könnten ruckzuck zu unserem Hauptverdächtigen werden!«

In diesem Moment explodierte Protnik! »Also das ist doch …! Das ist ja wohl das Hinterletzte, was ich jemals gehört habe! Sie sprechen hier von einem Kollegen! Für den lege ich meine Hand ins Feuer!« Protniks Gesicht war hochrot angelaufen. Außer sich vor Empörung schnaub­te er wütend und glotzte Hofer missbilligend an.

»Ist ja schon gut!«, wehrte der mit erhobenen Händen beschwichtigend ab. »Ich meine ja nur … Schließlich wissen Sie ebenso gut wie wir, dass wir alle Möglichkeiten durchgehen müssen, zumindest rein theoretisch!«

Protnik war immer noch auf hundertachtzig. »Rein theoretisch! Ich bin Praktiker und wie gesagt, ich kenne den Kollegen seit Jahren sozusagen in- und auswendig!«

»Aber wir nicht, Herr Protnik!«, schaltete sich nun Schlot­ter­beck mit einer scharfen Erwiderung in den Disput ein. »Und deshalb lassen Sie uns bitte in aller Ruhe unsere Arbeit erledigen, einverstanden?« Er musterte den Ulmer Kollegen streng, bevor er sich zu Horst herumdrehte. »Also, Herr Meyer! Natürlich wollen wir Sie da in nichts hineinreiten, ganz im Gegenteil, aber nun wieder zum Thema vor der Unterbrechung zurück: War das alles, was Sie uns zu sagen haben? War da sonst nichts mehr, rein gar nichts?« Wie der Fuchs vor dem Kaninchenstall, schoss es Horst durch den Kopf! Dieser lauernde Blick, diese knisternde Atmosphäre mit einem Mal – war das noch derselbe Beamte, der vorher noch so jovial gelächelt hatte?

Horst schüttelte stumm den Kopf.

Doch bevor Schlotterbeck zu einer weiteren Frage ansetzen konnte, mischte sich nun wieder Hofer in die Diskussion ein: »Also keine Andeutungen bezüglich dienstlicher Probleme, irgendwelcher Ermittlungen, bei denen der Herr Grundler eventuell nicht so recht vorangekommen ist, irgendwelche Namen, Verdächtigungen oder so etwas? Da spricht man doch abends beim Bier schon mal drüber, oder?« Aufmunternd zwinkerte er Horst zu.

Doch der schüttelte neuerlich den Kopf, obwohl hinter seiner Stirn ein ganzes Dutzend Alarmglocken auf einmal schrillten. »Wir haben Wein getrunken, Weißherbst, wenn Sie’s genau wissen wollen!«

Genervt grunzte Hofer. »Nein, will ich nicht!« Verärgert fuhr er fort: »Also, ich rekapituliere: mit Ausnahme der bereits erwähnten – privaten – Schwierigkeiten gab es nichts, was auf ein Tatmotiv und somit auf die Manipulationen eines Dritten hinweisen könnte? Rein gar nichts? Richtig oder falsch?«

Horst hatte begriffen: Die wollten auf Selbstmord hi­naus und den unangenehmen Fall so schnell wie möglich zu den Akten legen! So gingen die also mit dem Tod eines Kollegen um: unfassbar! Es sei denn … Aber diese These vertrug das Atmen nicht, die musste er hinterher sorgfältig mit Protnik angehen. Jetzt ging es erst mal darum, die beiden Typen vor ihm schnellstmöglich loszuwerden! Er nickte entschieden: »Genauso ist es! Keine weiteren Pro­bleme, nur ein ganzer Haufen von privaten Schwierigkeiten, von denen Thomas allmählich erdrückt worden ist, richtig!«

Misstrauisch fixierte ihn Schlotterbeck. »Sie sind sich ganz sicher? Sie bleiben bei dieser Aussage?«

Noch einmal nickte Horst – aus den Augenwinkeln konnte er die verblüffte Miene von Protnik erkennen – aber dem konnte er später alles erklären. »Richtig!«

»Gut! Dann ist die Vernehmung hiermit beendet!« Schlotterbeck sprang auf und drückte auf die Stopp-Taste seines Diktiergerätes.

Auch Hofer machte eine abschließende Handbewegung. »Dann sind wir vorerst fertig miteinander! Vielen Dank und weiterhin gute Besserung!« Damit wandte er sich um und öffnete die Tür des Krankenzimmers.

»Wiedersehen!« Schlotterbeck versuchte die Andeutung eines Lächelns. »Und passen Sie auf, mit wem Sie das nächste Mal Tauchen gehen!« Damit folgte er Hofer nach und schloss hinter sich die Tür.

»Arschloch!«, stieß Horst hervor, kaum dass die beiden verschwunden waren. »Was glauben die eigentlich, wer sie sind?!«

Protnik zog sich den Stuhl in die Nähe von Horsts Nachttisch. Missbilligend zog er die Stirn in Falten. »Na, du hast es denen ja auch einfach genug gemacht! Sag mal«, und damit blickte er seinem Gegenüber forschend in die Augen, »bist du eigentlich tatsächlich von dem Selbstmordquatsch überzeugt, den die zwei da abgeseiert haben?!«

Horst schnaubte verächtlich. »Glaubst du doch selber nicht! Außerdem: Da wüsste ich als Polizist aber schnellere und effektivere Methoden, um mich um die Ecke zu bringen als ausgerechnet mit Sauerstoff in einer Press­luftflasche!« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Das ist doch völlig idiotisch!«

Protnik schüttelte den Kopf: »Ja, aber wenn du das mit dem Selbstmord nicht glaubst, wieso hast du denen dann plötzlich überhaupt nicht mehr widersprochen?« Nachdenklich fixierte er Horst. »Oder gibt es da etwas, was ich noch nicht weiß und was du den beiden Superbullen nicht hast auf die Nase binden wollen?« Plötzlich war die Spannung in dem kleinen Zimmer mit den Händen greifbar.

Der so Angesprochene nickte heftig. Gleichzeitig legte er den Zeigefinger auf die Lippen und deutete anschließend bedeutungsvoll im Raum umher. Protnik schien eine Sekunde lang erstaunt, dann verstand er, zuckte die Achseln und nickte ebenfalls. Vielleicht hast du ja recht, sollte das heißen. Horst hielt nämlich inzwischen alles für möglich. Unter Umständen litt er zwar unter Verfolgungswahn, konnte gut sein! Aber was, wenn doch irgendwo eine Wanze in seinem Zimmer angebracht worden war? Was, wenn der schreckliche Verdacht, der in ihm innerhalb der letzten Stunde aufgekeimt war, doch zutraf und seine Protnik gegenüber laut geäußerte Vermutung abgehört und an die falschen Stellen weitergeleitet würde? Die Gedanken rasten in seinem Kopf! Wem konnte man eigentlich überhaupt noch trauen, war er umgeben von Verrat und Betrug? Hatte auch er sich schon in dem Spinnennetz verstrickt, in dessen Fäden Thomas Grundler seiner Meinung nach längst gefangen gewesen war, als vorgestern dann das schlimme Unglück passierte?

Eines auf jeden Fall war klar: Irgendwie musste er raus aus diesem Zimmer, und zwar so schnell wie möglich! »Protnik, komm!«, sagte er und schlug die Bettdecke zurück. »Schau mal nach, ob du in dem Schrank da drüben meine Kleider findest. Die wollten sie eigentlich gestern Abend noch aus dem Wohnwagen holen.«

Verständnislos glotzte Protnik ihn an. »Ja, und dann?«

»Dann geht’s auf und davon, das verspreche ich dir!«

»Aber du bist doch krank! Du sollst doch noch ein paar Tage zur Beobachtung hierbleiben!«

»Ich bin topfit und kerngesund! Außerdem sterben im Bett die meisten Leute, also komm, lass uns abhauen!« Und damit schwang er sich mit einer energischen Bewegung aus dem Bett und stand – zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder – auf seinen Füßen. Im selben Moment durchlief Horst ein wellenartiges Schwindelgefühl, als ob der Boden unter seinen Füßen davonschwimmen würde. Gerade noch schaffte er es, sich mit dem Arm am Nachttisch abzustützen und sich mit der anderen Hand daran festzuklammern. Vorsichtig schielte er in Protniks Richtung hinüber. Nein, der hatte glücklicherweise nichts von seinem Schwächeanfall mitbekommen, der war voll und ganz mit dem Kleiderschrank beschäftigt, in dem er Horsts Sachen zusammensuchte. Sehr gut, dann brauchte er es dem Kollegen auch gar nicht erst auf die Nase zu binden! Das war sicher ganz normal, wenn man zwei Tage lang nur im Bett gelegen hatte, das würde schon vorübergehen. Und außerdem hatte er verdammt noch mal Urlaub und dachte nicht im Traum daran, den im Krankenhaus zu verbringen!

Tatort Bodensee

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