Читать книгу Tatort Bodensee - Eva-Maria Bast - Страница 14
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Оглавление»Also – alles roger? Ja?« Thomas warf einen weiteren prüfend-skeptischen Blick auf Horsts Ausrüstung.
Horst nickte. »Alles okay! Alles an Bord: Flasche, Anzug, Flossen, Maske, Handschuhe, Lampe, Blei. Und auf geht’s!«
Thomas warf den Kopf ins Genick und verdrehte vielsagend die Augen. »Also gut. Nur sag ja nicht hinterher, es hätte dich keiner gewarnt! Also ich an deiner Stelle würde schlichtweg erfrieren, ohne Trockentauchanzug. Und selbst mit dem Trocki ist es noch lausig kalt. Und da nimmst du den 7-mm-Nasstauchanzug, also ich weiß nicht! Lass dir’s noch mal sagen: Da unten ist es stockdunkel und es hat grade mal 6 Grad – wenn’s hoch kommt!«
Horst zuckte wegwerfend die Schultern. »Weiß ich doch! Haben wir jetzt doch schon 150 Mal durchgekaut! Du weißt doch: Ich bin ein Warmblüter – das klappt schon! Im Baggersee war ich mit meiner Ausrüstung auch schon auf 25 Metern – da kommt’s auf die paar Meter mehr oder weniger auch nicht mehr an!«
Thomas deutete auf Horsts Flossen: »Aber was ist damit? Das ist doch wohl nicht dein Ernst, mit den Dingern da runterzutauchen?«
»Natürlich ist es das! Jetzt zerbrich dir mal nicht meinen Kopf!« Horst fühlte sich allmählich wie im Kindergarten. »Ich bin schließlich alt genug und hundert Tauchgänge habe ich auch auf dem Buckel. Genug, um einschätzen zu können, was geht und was nicht geht!«
Thomas unternahm einen weiteren Anlauf: »Aber der Bodensee ist anders als irgendein popeliger Baggersee. Der Bodensee ist der Bodensee!«
Horst spielte den Überraschten. »Was du nicht sagst!«
»Jetzt werd nicht läppisch! Ich meine es ernst! Ich hab schon Dinger erlebt, sag ich dir … Also komm – jetzt probier wenigstens, ob dir meine gebrauchten Füßlinge mit den Flossen passen. Ich geb sie dir gerne. Also – ich habe Schuhgröße 40/41, das müsste eigentlich gehen.« Prüfend musterte er Horsts Füße.
»Na gut – dann hat die arme Seele Ruh! Ich hab zwar Größe 43, aber bitte schön, quetsch ich halt meine Zehen in deine Fußpilzbomber rein! Zu Risiken und Nebenwirkungen beklagen Sie sich bei ihrem Freund und Tauchpartner!« Insgeheim musste er zugeben: die Hartnäckigkeit von Thomas war in diesem Fall durchaus angebracht. Denn auch Horst schauderte es ehrlich gesagt bei der bloßen Vorstellung, ohne Neoprenfüßlinge mit quasi bloßen Füßen sich in eiskaltem 6-Grad-Wasser auf fast 40 Meter Tiefe hinunterzuzittern. Aber der Schwabe in ihm hatte mal wieder die Oberhand über alle taucherischen Vernunftmaßregeln gewonnen: Um nichts in der Welt hätte er sich im Vorfeld dazu bewegen lassen, sich in einem der zahlreichen Tauchshops am Bodensee mit Füßlingen und dazu passenden offenen Flossen einzudecken. Das hätte ja immerhin runde 200 Mark gekostet – nein danke! Zu viel war eben zu viel!
Bei diesem Stand der Diskussion – und sie hatten sie im Vorfeld bereits mehr als nur einmal miteinander geführt – hatte Thomas wie immer in einer Geste der schieren Verzweiflung die Hände zusammengeschlagen und den Blick in stummer Verzweiflung gen Himmel gerichtet: »Nicht zu fassen! Deutschland, deine Schwaben!!«
Und Horsts Replik war programmgemäß so gekommen, wie sie in jenen Gesprächen pflichtschuldigst immer kam: »Wir sind halt Schwaben und keine solchen Verschwender wie ihr Badenser! Der Schwabe als solcher …«
»… lebt, um zu arbeiten, während der Badener arbeitet, um zu leben!«, wurde er an dieser Stelle – wie immer – von Thomas unterbrochen.
»Eben – sag ich doch! Was würdet ihr auch anstellen, ohne unser Geld aus Stuttgart! Typisch Badenser: Immer über uns schimpfen, aber unser Geld, das nehmt ihr, ohne Danke zu sagen!«
»Ist ja auch immer noch zu wenig«, hieb Thomas weiter in seine Anti-Schwaben-Kerbe. »Aber dafür bekommt ihr ja schließlich unser Bodensee-Wasser. Ganz Stuttgart würde ja auf dem Trockenen sitzen, wenn wir euch nicht das gute Bodensee-Trinkwasser liefern würden, in das wir vorher noch mal schnell reinpinkeln! Aber für die Schwaben langt’s auch so: Hauptsache, viel, und Hauptsache, billig!«
In der Zwischenzeit hatte sich Horst in die ausrangierten Füßlinge von Thomas gezwängt und ihm zu verstehen gegeben, dass sie zwar mehr schlecht als recht, aber ihm dennoch irgendwie passten. Das war das Zeichen zum Aufbruch. Thomas, der sich parallel zu ihrem üblichen Baden-kontra-Württemberg-Disput seinen fast noch nagelneuen Trockentauchanzug übergestreift hatte (ein Teil, das sich Horst, davon war er felsenfest überzeugt, niemals anschaffen würde – gut und gerne 2.000 Mark hatte das Ding mit allem Drum und Dran gekostet!), zog die Starterleine am Außenborder ihres Leihbootes und schon nach dem zweiten Versuch gab der Motor nach ein, zwei holprig spuckenden Stottergeräuschen ein tiefes gleichmäßiges Brummen von sich.
Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich auf Thomas’ Gesicht. Horst atmete innerlich durch: Wenigstens am heutigen Nachmittag schien sein Kollege deutlich ruhiger und ausgeglichener als am Abend zuvor. So ein Gespräch, bei dem man einem Freund endlich mal das Herz ausschütten konnte, war offenbar doch immer noch Gold wert. Also dann – Horst blickte über die im diffusen Licht der letzten sich gerade verziehenden Regenwolken schwarzgraublau schimmernde Fläche des Bodensees hinüber in Richtung Meersburg. Immer wieder eine schöne Kulisse, dieses Meersburg mit der alten Burg, dem riesigen Schloss, dem Fährhafen und der Schifflände – selbst vom relativ weit entfernten Schweizer Ufer bei Bottighofen aus.
Sanft schaukelte das Boot mit den beiden Tauchern, als sie ablegten. Rund einen Kilometer in Richtung Nordosten würden sie zurücklegen müssen, bis sie an der Stelle Anker werfen konnten, an der im Februar des Jahres 1864 der Raddampfer »Jura« im dichten Nebel von der »Stadt Zürich« gerammt und in den eisigen Fluten des Bodensees versenkt worden war. In wenigen Minuten würden sie ankommen und sich dann so schnell wie möglich auf die gut 36 Meter Tiefe »fallen lassen«, in der die »Jura« seit fast 140 Jahren im Schlick des Bodensee-Untergrunds ihr dunkles Grab gefunden hatte. Das Abenteuer konnte beginnen!