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Zigeunerkind – PROLOG

Erwachen

Ich wurde in einer Raunacht geboren, der kältesten Zeit des Jahres. Ein Kind der Sünde, wie mein Großvater sagte, Vater des Vaters, ein Fremder für mich. Sein Fluch war gesprochen, der Bann meines Namens, ausgelöscht in seiner Sippe, doch nie vergessen, niemals verschwunden. Den Namen der Menschenmutter trug ich, Eva, das Leben und zugleich die Versuchung, die Erkenntnis bringt, aber auch die Schuld. Meine einzige Sünde war, da zu sein, obwohl es mich niemals geben sollte. Sie waren nicht füreinander bestimmt, meine Mutter und der Zigeunerbaron, der große Magier der Gefühle. Eine andere war es, der er gehörte. Er jedoch erwählte Eos und legte seinen Zauber auf sie, dem sie sich ergab, bevor sie erkannte, welcher Dämon in ihm schlief.

Meine Augen öffneten sich und sahen hinein in die Welt, tief wie das Meer und so hell wie Feuer. Mit Glasmurmelaugen sah ich sie an, Eos, die mich geboren hatte. Sie war mir so nah und unendlich fern, von sich selbst, vom Leben, das zu viel von ihr nahm. Sie kämpfte gegen den Mann, den sie liebte, dessen Wahn ihn selbst und auch sie verletzte. Mein Vater Proteus, der Herr der Gezeiten, der sie in sein Reich der Leidenschaft holte und mit ihr in die Finsternis sank. Er wurde die Angst in ihr, die blieb, Schriftzug der Seele, bleiern, versteinert. Dennoch wuchs die Kraft, die sie trieb, fort von ihm, von seiner Macht, aus der Dunkelheit ins Licht. Schon bevor ich ihren Leib verließ, widerstand ich dem Zorn, der sie traf, doch auch mich. Die Schläge, die Tritte, die Schreie: „Ich bring dich um!“, während sie verzweifelt versuchte, sich selbst und das Leben in ihr zu retten vor dem Monster, das Besitz von ihm nahm und plötzlich wieder verschwand. Ganz klein wurde ich in ihrem Bauch, zog mich zurück in einen Panzer, wie eine Schildkröte schützte ich mich, bis der Sturm da draußen vorüber war. Danach ihre Tränen und sein Flehen: „Verlass mich nicht, sonst bin ich verloren!“ Die ersten Worte, die mich empfingen, sie waren erfüllt von Wut und Leid.

Proteus mit den vielen Gesichtern, der Meister der Gestaltenwandlung, er war die Finsternis in mir, die ich nicht begriff – bis ich ihm begegnet bin. Der Schatten, der mir lange folgte, war Fleisch und Blut, vertraute Fremdheit und zugleich unheimliche Nähe. Das Glück, meine Wurzeln zu finden, war stärker als meine Furcht. Flüchtling war ich, Gefangene einst in ihrem Krieg, der sie beide zerstörte. In dem ihr Herz brach, der ihn zurückließ, allein auf den Trümmern seiner Schlacht. Ich bin das Kind, das er ihr entriss, um festzuhalten, was ihm nicht gehörte. Das Kind, in dem er Erlösung suchte, das sein Leben erhellen sollte und ihm doch nicht seine Angst nahm, seine unendliche Traurigkeit. So setzte er alles, auch mich, aufs Spiel. Er verlor - meine Mutter, sich selbst, sein Kind. Tochter der Liebe, Tochter des Schmerzes, eine bittersüße Frucht. Kind der Sturmflut. Zerbrechlich und stark. Das bin ich.

Ich erhielt die Gabe mit meiner Geburt. Es war das Erbe meiner Ahnen, das die Ursitory, die Schicksalsengel der Zigeuner, mir prophezeiten. Drei Tage, nachdem ich geboren war, kamen sie zu mir, wie die Sage es will und der erste Engel trat vor, um zu sprechen: „Du wirst in die Herzen der Menschen sehen und ihre verborgene Geschichte erzählen. Du wirst den Schmerz von anderen nehmen, mit deinen Worten, mit deiner Berührung. Doch hüte dich vor der Verführung der Macht, denn sie wird dich zerstören, wenn du ihr verfällst. Die Kraft, die dich leiten soll, ist allein die Liebe. Du wirst das Buch der Geschichten füllen, um es ans Feuer des Lebens zu tragen, das die Welt erhellt, das uns Hoffnung schenkt. Das uralte Feuer, nach dem ihr stets sucht, das dennoch in jedem von euch wohnt.“ Dann sprach der zweite Engel zu mir: „Die Götter bringen ihre Botschaft durch die Menschen zu dir. Diese Menschen berühren deine Seele und zugleich wirst du ihnen Antwort geben, denn ihr Schicksal ist stets mit deinem verwoben. So wie wir alle verbunden sind, so wie wir uns nur im anderen erkennen, getrennt voneinander und doch eins.“ Der dritte legte ganz sanft seine Hand auf meine Brust, als wollte er mir seinen Segen schenken, weil er wusste, dass meine Reise lang und meine Einsamkeit groß sein würde: „Dein Leben wird eine Suche sein, nach dir selbst und nach dem Geheimnis der Welt, nach deinen Wurzeln, nach deinem Blut, bis du dort ankommst, wohin dein Herz dich trägt. Es ist deine Bestimmung, die Wahrheit zu finden, auch wenn du selbst durch die Dunkelheit gehst. Du wirst Schmerz erleben und doch viele Wunder, du wirst dich verlieren und neu beginnen. Widerstehe dem Abgrund in dir, der dich ruft, denn der Tod ist dir immer nah. Du wirst ihm in die Augen sehen, doch du kehrst zurück, um dein Schicksal zu erfüllen. Suche stets das Licht, denn es leuchtet in dir, wie das Feuer deiner Ahnen.“

Die Gabe lenkte meine Hände, wenn ich die Schmerzen der Menschen sah. Meine Berührung drang durch ihre Haut, hinein in ihr Fleisch, weit hinab in die Tiefe. In ihren Seelen verschloss ich die Wunden und zog die Trauer in mich hinein. Bevor ich begriff, dass ihr Schmerz mich verbrannte, dass in mir tausend Geschichten wohnten, war ich auf der Flucht vor mir selbst, vor dem Leben. Ich löste mich los von der Wirklichkeit und versank im schimmernden Glas der Kugel, die ich stets bei mir trug wie einen Schatz, als suchte ich in der gläsernen Tiefe nach der Wahrheit, der Antwort auf meine Träume, die mir Angst machten, die mich doch führten, in meine Zukunft, auf meinen Weg.

Allein

Schon damals hatte ich keine Heimat, denn mein Zuhause ist überall. Die Kinder des Feuers wandern einsam, aber meine Reise begann nicht allein. Geboren in derselben Raunacht und in der gleichen Stunde, wurde ein Junge mein Freund und Verbündeter. Er war wie mein Zwilling und mein Begleiter durch den zeitlosen Raum ohne Grenzen. Wir waren ein Geist und eine Seele, zur Welt gekommen mit der Sehnsucht, die Wunder in allen Dingen zu sehen. Deshalb teilten wir diese wortlos, waren verschworene Gefährten. Wir erkundeten verbotene Orte, ohne Angst und voller Glauben an die geheimnisvolle Kraft, die uns miteinander fest verband. Wir erzählten uns Geschichten am Feuer, das nur wir beide kannten - entzündet als Zeichen der Helligkeit, die wir ineinander sahen, auch wenn es um uns dunkel war.

Das Leben trennte uns, bevor wir bereit dazu waren. Die schmerzliche Einsamkeit war uns vertraut und wir beklagten sie nicht mehr. So nahmen wir hin, was uns keine Wahl ließ, ich ging fort und er blieb zurück. Aus meinem Herzen verschwand er nie, damals nicht und auch nicht später, als er sich abwandte vom Leben. Als er zerbrach und ins Dunkle fiel, in Morpheus‘ Arme, für immer. Der Verlust war ein Schnitt mitten durch mein Herz, ein tiefer Abgrund in meinem Inneren. Ich habe ihm einen Engel gewünscht, auf dem Weg hinaus durch das Tor, durch das er trat, um das Licht zu finden. Seinen Tod hatte ich zuvor geträumt, doch es gab nichts, das ihn am Leben hielt. Er hatte sein Sterben schon längst gewählt, ist gegangen, bevor ich ihn festhalten konnte.

Sterben

Als Kind war ich so leuchtend lebendig, aber das Fremde in mir machte mich verwundbar. Die finstere Zeit, die mich gebar, warf ihre Schatten auf mich, so als hätte der Hass zwischen meinen Eltern seine tödliche Saat in mich gelegt. Das Gift trug ich in mir, verborgen und dennoch gefährlich. Es machte mich schwächer, jeden Tag. Das Schicksal forderte seinen Preis, mich leben zu lassen nach all dem Entsetzen, nach meiner Geburt an der Schwelle des Todes. Das vergiftete Fleisch, das man aus mir schnitt, war leblos wie ein Teil meiner Wurzeln. So kämpfte ich ein weiteres Mal um mein Leben, um meinen Platz in dieser Welt. Die Ursitory behielten recht, ich sollte leben, mit aller Kraft - ich wurde gesund, denn ich war stark. Aber Ruhe konnte ich nicht finden, denn es gab keine Rast für meine Mutter und mich. Was vertraut war, verließen wir, ich war nicht willkommen, wohin ich auch kam. Die neue Stadt hatte keinen Raum für mich, die Nomadin, die nicht war wie sie. Eine Fremde, allein und verloren unter vielen, feindseligen Fremden. „Zigeunerin! Hexe!“ schrien die Kinder. „Du gehörst nicht hierher, geh weg von uns!“ Sie fürchteten mich, das konnte ich spüren, sie sahen das Dunkle, Verborgene. Auch später, als ich erwachsen war, wichen viele zurück vor mir, konnten mir nicht in die Augen sehen, als scheuten sie meinen Blick, der tief in ihre Gedanken drang. Ich kannte das Geheimnis noch nicht, das mich zu der machte, die ich war: Zigeunerin im Prinzessinnenkleid, aufgewachsen in einer Familie, die mir ein neues Zuhause gab und der ich dennoch immer fremd blieb, in der ich mich selbst nicht finden konnte.

Auch meine zweite Familie zerbrach und ich stand allein zwischen ihren Fronten. Meine Mutter und der, den ich Vater nannte, sie rissen an mir mit ihren Worten, ertränkten mich in ihrer Enttäuschung, bis nichts mehr von mir übrig war, bis ich beinahe verschwand, hinein kroch in meine Zauberkugel, winzig klein, kaum mehr zu sehen, während ich zuhörte und schwieg und meine Tränen vor ihnen verbarg. Ich verlor mich und die Kraft, die mich trug, im leeren Raum zwischen ihren Herzen. Ich war nicht mehr in mir selbst zuhause, denn ich lebte in einer Welt aus Glas, die mich schützte, bis sie in Scherben zersprang. Sie gruben sich in meine Gedanken, zerschnitten mein Leben, verletzten mein Herz. Die Narben blieben, nicht blutend, nicht sichtbar. Doch eine Macht, die ich nicht mehr kannte, wohnte tief unter meiner Traurigkeit.

Reise

Es war ein langer und steiniger Weg. Und er begann vor langer Zeit. Als die Fremdheit in meiner Seele begann. Als ich mich selbst verlassen hatte. Ich lernte zu leben nach den Regeln der Welt, doch meine Wirklichkeit war fern. Schon damals war ich rätselhaft, im Inneren wie eine Muschel verschlossen. So wenig sie mich sehen konnten, so sehr studierte ich die Menschen, blieb immer Betrachter, las ihre Gedanken. Wie Glasmurmeln waren sie Spiegel und Tor zur Welt des Unsichtbaren. Wie ein Magier lebte ich schwebend im Raum, bewegungslos im Auge des Sturms, während die Erde sich um mich drehte. Die Zeit in mir jedoch stand still.

Als ich erwachte aus meinem Traum, war alles in endloser Ferne. Ich stand allein am Rande des Abgrunds mit ausgebreiteten Armen. Ich blickte hinab in die endlose Tiefe, aus der es keine Rückkehr gibt, so wie der dritte Engel mir sagte. Ich sah ihm ein weiteres Mal in die Augen, dem Tod, meinem mächtigen Lehrer. Zwei Jahre, bevor mein Zwilling fort ging, hinaus aus dem Leben, fort von mir. Er ließ mich zurück, doch ich bin noch hier, ruhelos und erfüllt von Geschichten. Ich weiß, dass ich die große Kraft, die ihm entglitt, die ihn zerstörte, nun für uns beide trage. Ich bin geblieben, um zu erzählen.

Auch in den dunklen und traurigen Jahren, auf der langen Reise zu mir selbst, fand ich Begleiter und suchte die Hoffnung. Melpomene, die Muse der Dichtung, schenkte mir ihre Gabe, durch die Kraft der Kunst meine Schmerzen zu heilen. Ich malte Bilder von finsteren Türmen und Mauern, die mich gefangen hielten, die ich doch eines Tages sprengte. Die Verlorenheit, in der ich aufwuchs, sie hat mein Herz fest umklammert. Meine Stimme fand den Weg, hinaus aus dem Kerker der Einsamkeit, die mich verfolgte wie all meine Ahnen, die wir für immer in uns tragen. Was ich nicht mit Worten sagte, das konnte ich singend erzählen. Ich tanzte, atemlos, um zu überleben, tanzte den Schmerz aus meiner Seele. Wenn ich im Inneren der Menschen las, fühlte ich Musik, hörte Melodien. Ich schritt durch die Pforten der Wahrnehmung und sah die Farben ihrer Gedanken. Ich hörte das Rauschen der Worte, die durch sie rannen, lauter und leiser, immerzu trommelnd im Takt der Vernunft und tanzend im Rhythmus des Herzens. Die Geschichten der Menschen flossen zu mir, in mich hinein, wurden Teil von mir. Jene Welten, die ich in ihnen fand, gaben mir Mut, nach mir selbst zu suchen.

Auf Reisen war ich glücklich und frei, ich ließ mich erfüllen vom Weltenklang. Ich meditierte in Tempeln und Klöstern, durchstreifte Städte, flog über den Ozean. Doch selbst der Dschungel, das karibische Meer, die Quellen der Berge waren nicht genug, um mir Frieden zu bringen, mich ruhen zu lassen. Ich hörte das Flüstern der Bäume und die Stimmen der Tiere, das Rauschen der Wellen und fand doch keine Antwort. Ich folgte dem Mann, dem mein Herz gehörte dorthin, wo er zuhause war. Ich ging mit ihm, auf der Suche nach Heimat, doch als wir zurückkehrten, war er mir fremd, war ich mir selbst noch ferner geworden. So erwachte die Nomadin in mir, wie unzählige Male zuvor. Sie zog mich fort, weg von ihm, fort von dem Leben, das wir hatten. Wieder einmal suchte ich die Liebe, die ich doch nie erkannte, wenn sie vor mir stand. Etwas in mir trieb mich weiter, auf der Suche nach jemandem und etwas. Stets wollte ich alles oder nichts, die große Macht der Gefühle – doch ich fand niemals Frieden, in keinem Land, bei keinem Mann. Schließlich habe ich alles verloren, ich bin tief gefallen, doch ich stand wieder auf. Ich hielt mein Gesicht der Sonne entgegen und suchte weiter mit brennendem Durst das Leben.

Ich habe die Wüste des Zweifels durchquert und fand die Oase der Erkenntnis. Ich war Zauberin auf dem Jahrmarkt des Schicksals und ließ die Geschichten vor mir schweben. Ich malte ein buntes Bild aus Gefühlen, mit dem ich verschmolz, in dem ich verschwand. Die Flut der Geschichten wurde zu mächtig, sie ertränkte meinen Verstand. So baute ich einen Damm aus Worten, um zu erzählen was in mir war. Doch alles floss zugleich heraus, bis ich leer war und all die Begegnungen wie ein Meer ineinander verschwammen. Dann schloss ich die Augen, saß ganz still und bat den Regen, mir Klarheit zu bringen. Träumend durchwanderte ich die Flüsse, sank hinab auf den Wassergrund. Ich lauschte dem dunklen Singen der Steine, während Jahrtausende mich durchdrangen und mit dem Strom der Geschichten vereinten. Ich ließ das Raunen des Wassers erzählen, es sprach für mich. Ich hörte zu.

Neubeginn

Die Worte tanzten mit mir. Sie erweckten all die Menschen und Orte, die mein Herz, meine Augen jemals sahen. Ich hatte die Kraft des Erzählens aus der Weissagung der Ursitory empfangen, ich verstand die Sprache der Seelen. Doch die Geschichten derer, die mich berührten, wurden mächtig, wurden stärker als ich, sie wurden zu meinem Selbst. Ich habe mich in ihnen verloren und dennoch meine Bestimmung gefunden. Ich bin die unendliche Geschichte, ein Buch, dessen Seiten nicht enden. So kamen sie aus der Dunkelheit, die Verlorenen und die Verwundeten, aber auch jene, die mir so ähnlich sind. Wir brauchen einander und haben doch Angst vor der hellen, der dunklen Tiefe, der niemals endenden Rastlosigkeit, die wir im anderen erkennen, die Teil unseres eigenen Wesens ist. So blieb ich einsam, trotz aller Menschen, trotz der Freunde, die mich umgaben. Die Abgründe, denen ich entkam, sie sind immer noch da, in meinem Inneren: Lolita, Objekt und Konkubine – die junge Frau, die für den Preis, den sie boten, beinahe ihre Seele verkaufte. Die Schatten, die mich jagten, sie griffen nach mir in der Dunkelheit, bis ich ihnen willig folgte, ihrer süßen Verlockung des Nichts – kein Schmerz, kein Gefühl, kein Körper. Es kam näher, das Licht, ich konnte es sehen. Doch das Jenseits war nicht bereit für mich. Ich kehrte zurück zur Erde, ins Leben.

Erst als ich dem Tod begegnet bin, lernte ich, wieder lebendig zu sein. Als ich starb und wurde, wie Phoenix aus der Asche stieg, fühlte ich zum ersten Mal, dass ich das Recht habe, hier zu sein. Ich habe die Sicherheit gewählt, um Frieden zu finden, um Mutter zu sein. Aber noch immer suche ich ihn, den Seelengefährten, der mich erkennt. Eines Tages werde ich ihn finden, den, der meinen Weg mit mir teilt, der mich ohne Worte versteht, der sich nicht abwendet von mir, wenn er hinter all der Stärke meine Wunden und Narben sieht. Doch die meisten sehen mich nicht. Noch immer bin ich undurchdringlich. Noch immer blickt niemand in mein Herz. Einsam bin ich und verborgen, für immer reisend im Niemandsland. Die Nähe der Menschen suche ich dennoch, ohne sie kann ich nicht sein. Selbst wenn ich mich nach Stille sehne, kann ich sie hören, überall, ihr stummer Schmerz, ihre Sehnsucht nach Freiheit, ihr Schicksal, von dem sie lautlos sprechen, mit ihren Blicken, ihrem Atem, der Art ihrer Schritte auf dem Asphalt. Ich werde ihre Geschichten erzählen. Die Offenbarung, deren Teil ich bin. Meine Geschichte. Eines Tages. Heute. Der Tag ist gekommen.

Ich trage die Fackel meiner Ahnen und suche das Feuer, ich suche die Antwort, stelle all meine Fragen nach dem Leben, dem Sinn. Ich suche die vergessene Wahrheit, die Flamme, die uns am Leben erhält. Ich suche das Licht, um das Gute zu finden hinter den eisernen Toren der Angst. Das Licht ist es, wofür wir leben, auch wenn wir dafür durch die Dunkelheit gehen. Wir Feuerkinder sind voll Sehnsucht nach Liebe, doch unsere Reise zu ihr ist lang. So wandern wir weiter, niemals müde, manchmal verzweifelt, doch immer aufrecht. Wir gehen unseren Weg bis zum Ende, bis wir unsere Glut ins Feuer tragen. Das Feuer, es ruft uns – es bringt uns heim. Dahin, wo alles begonnen hat. Dorthin, wo alles endet.

Zigeunerkind

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