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Jakob und Lilith

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Ohne Familienbande, versuchten Jakob und Lilith, einander Familie zu sein, so gut es ging. Lilith ohne ihre Mutter, die ihre Lebensbahn bestimmt hatte, und Jakob ohne seine Eltern und die jüdische Gemeinde, die für ihn stets die Kohlen aus dem Feuer geholt hatten. Beide waren nach dieser einen Nacht ganz auf sich selbst gestellt. Jakob und Lilith fanden ein kleines Zimmer mit Platz für ein Ehebett und einen Tisch mit vier Stühlen. Dusche und Toilette waren im Treppenhaus, ein Stockwerk höher. Warmes Essen gab es nicht, da eine Kochgelegenheit fehlte. Man ging für warmes Essen in eine Wirtschaft, was Jakob und Lilith nur recht war, hatten sie doch ausser ihren Saufkumpanen keine Freunde.

Jakob hatte als Tagelöhner nur wenig Geld zur Verfügung, und manchmal gab es für ihn keine Arbeit. Doch er wollte Lilith beweisen, dass er als Mann für sie sorgen konnte. Lilith gefiel es, dass sie nun keiner Arbeit nachgehen musste, dass sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Am Tag schlief sie, und die Nacht schlug sie sich mit Trinken um die Ohren. Damit sie beide genug zu trinken hatten, musste aber auch genügend Geld durch ihre Hände fliessen. Sie sparten beim Essen, weil sie beim Alkohol nicht sparen konnten, da er ihnen das Leben erträglicher machte.

Es kam der Zeitpunkt, da Jakob nicht mehr für Lilith sorgen wollte und sie bedrängte, sich eine Arbeit zu suchen. Er verbot ihr jedoch, sich zu prostituieren. Lilith versuchte, mit Putzen Geld zu verdienen. Doch sie hatte bald keine Lust mehr, diese Arbeit für andere zu verrichten. Sie sah auch nicht ein, weshalb die Menschen es so sauber haben wollten, und verlor immer wieder ihre Arbeit. Lilith trieb sich lieber in den Kneipen herum und liess sich von anderen aushalten. Das war nicht anstrengend und an keine Zeit gebunden. Sie konnte zu Bett gehen und aufstehen, wann sie wollte. Und ausserdem war Lilith zum ersten Mal schwanger und sollte sich schonen, nicht arbeiten.

Je runder Lilith wurde, desto mehr musste sie an so manches denken. Aber Denken und Nachdenken war für Lilith und Jakob eine anstrengende Sache und gehörte nicht in ihre Welt. Jakob und Lilith tranken lieber Bier, und je mehr sie tranken, desto ausgelassener und entspannter waren sie. Nur so konnten sie vergessen, was am Tag zuvor gewesen war. Und nur so liess es sich einigermassen miteinander leben. Lilith und Jakob wurden abhängig voneinander, denn sie hatten beide ihre Familien verloren. Sie glaubten, zusammen zu sein sei nun ihr Schicksal für den Rest ihres Lebens.

Jakob wusste, dass man den Bund der Ehe eingehen sollte, wenn man Kinder in die Welt setzte. Lilith brauchte keinen Altar, denn ihr genügte ein Gebet vor der schwarzen Madonna, die ihre Schutzpatronin war. Jakob war dieser Schutz zu wenig. Am liebsten wollte er eine jüdische Hochzeit, die ihm jedoch verwehrt blieb. So beschlossen Lilith und Jakob, katholisch zu heiraten. Nur – mit welchem Geld und welchen Gästen? Das Geld, das sie hatten, reichte ja kaum bis zum Ende des Monats.

Sie begannen am Stammtisch über ihren Heiratswunsch zu reden und hofften auf einen Weg, damit die Hochzeit doch stattfinden könnte. Sie versuchten es mit Lotto und anderen Spielen, bei denen sie auch das wenige Geld, das Jakob verdiente, verloren. Schulden wurden gemacht und häuften sich an. Und weil der Schuldenberg immer höher wurde, schauten Lilith und Jakob immer tiefer in ihre Gläser.

Lilith und Jakob sahen bald nicht mehr über den Berg hinaus. Sie hatten keine Ahnung mehr, wem sie was schuldeten, und lange Zeit war es ihnen auch egal. Doch unter den Stammtischfreunden regte sich Unmut, sie wollten ihr Geld zurück und übten Druck aus auf Jakob und Lilith. Jakob sah, dass er auf dem Weg ins Verderben war, wenn er sich nicht um eine feste Arbeit bemühte. Er suchte wie ein Verrückter. Doch man konnte seine Neigung zum Alkohol meilenweit riechen und wollte ihn nicht haben.

Da Lilith schwanger war und Jakob der Überzeugung, für sie sorgen zu müssen, koste es, was es wolle, schloss er einen Pakt mit dem Teufel. Er wusste, dass Lilith nichts dagegen haben würde, denn sie war glücklich, bei ihm zu sein. Sie sah in Jakob ihren Befreier, der ihr ein kleines Haus bot, ohne dass sie einen Finger krümmen musste. Als Gegenleistung dafür hätte er ihren Körper also ganz für sich allein haben können.

Lilith wusste nicht, dass Jakob einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war. Und Jakob wusste nicht, dass Lilith mit dem Teufel schon längst einen Pakt hatte. Wenn er allein auf Kneipentour ging, traf er nicht selten ihre ehemaligen Freier. Lilith lachte oft mit ihnen und Jakob glaubte, sie hätten einfach noch immer ein gutes Verhältnis. Zudem offerierten sie Lilith laufend Getränke. Und so machte Jakob sich zu Liliths Zuhälter, weil er dachte, so könnte man einige Probleme lösen. Jakob machte nun die Preise und versprach, der Meistbietende dürfe nach der Geburt der Erste sein, noch bevor er, Jakob, Lilith wieder anrühre. Die Freier gingen auf sein Angebot ein. Jene, bei denen er keine Schulden hatte, mussten im Voraus bezahlen. Bei den anderen bezahlte er seine Schulden ab, indem er seine Lilith vergab.

Was Jakob nicht wusste, war, dass Lilith wegen der Geldsorgen schon seit einiger Zeit ihre Dienste wieder zur Verfügung stellte. Sie erlebte, wie sehr es die Männer reizte, dass sie sich ihnen schwanger anbot, und das brachte ihr viel Geld ein. Lilith hielt es gut versteckt, damit sie am Ende doch noch vor den Traualtar kämen. Denn wenn Jakob sich dies so sehr wünschte, wollte sie, Lilith, auch etwas beitragen. Ihre Freier hatte sie gebeten, Jakob nichts zu verraten, denn sie wolle ihn überraschen. Wenn sie den Mund halten konnten, würde sie dafür mit dem Preis heruntergehen, oder ihre Dienste durften dann ein wenig länger dauern.

Am Stammtisch machte man sich lustig darüber, dass Jakob so blauäugig war. Diejenigen, die im Voraus bezahlten, machten zur Bedingung, dass sie zum Hochzeitsfest eingeladen würden. Das war Jakob nur recht, da sonst kaum jemand kommen würde, und feiern tat man ja in Gesellschaft. Auch Lilith hatte ihren Freiern eine Einladung versprochen.

Jakob dachte, er hätte einen guten Handel gemacht. Er hatte im Sinn, nach der Heirat umzuziehen, in eine andere Stadt, wo er einer Arbeit nachgehen konnte. Auch hatte er den Wunsch, viele Kinder zu haben. Und wenn Lilith immer schwanger wäre, dann hätte keiner mehr Lust auf ihre Dienste. Doch Jakob hatte nicht bedacht, dass Lilith über das Kinderkriegen anderer Ansicht war. Lilith und Jakob redeten nicht viel über die Zukunft, und so träumten sie ihren Traum vom Leben zu zweit in verschiedene Richtungen. Nur in einem trafen sie sich genau und gleichermassen ausschweifend: in ihrem Durst nach Sex und Alkohol. Was sie ebenso verband, war die Einsamkeit, die sie auch in der Zweisamkeit fast nicht aushalten konnten, denn beide hatten Sehnsucht nach ihren Familien.

Lilith wusste, dass ihre Mutter kleine Mädchen liebte, weil sie in ihnen eine Geldquelle sah. Würde sie ein Mädchen gebären, dachte sie sich, könnte die Mutter ihren Ungehorsam vergessen. Doch bevor die Geburt anstand, musste sich Lilith nun um die Hochzeit kümmern. Sie bat Jakob darum, die Vorbereitungen dafür allein treffen zu dürfen. So fiel ihm nicht auf, wie viel Geld sie dafür beiseitegelegt hatte.

Geheiratet wurde in einer grossen Kirche, und die geladenen Gäste waren ihre Stammtischfreunde. Es waren nur wenige, aber sie tranken viel und assen gerne. Lilith trug ein weisses Kleid, das sie eigens für sich zugeschnitten hatte. Nach dem Trinken hatte sie sich in der Kneipe oft an den Tisch gesetzt und noch daran genäht. Als Lilith hochschwanger an dem grossen Tag neben Jakob vor dem Altar stand und gerade ihr Jawort «bis dass der Tod euch scheidet» geben wollte, platzte die Fruchtblase.

Lilith schrie vor Schreck, sodass alle, die versammelt waren, erschraken. Der Pfarrer staunte über die grosse, nasse Pfütze, die er auf seinem heiligen Boden erblickte. Plötzlich redeten alle durcheinander, und jeder wollte etwas tun, nur Jakob behielt die Ruhe und meinte, nun sei es an der Zeit, ins Spital zu fahren, damit Lilith gebären könne. Doch Lilith wusste, dass sie ihr Kind in der Kirche zur Welt bringen würde.

Liliths Mutter war während der Hochzeit vor der Kirche ge­standen. Sie hörte Liliths Schrei und eilte mit heftigen Schritten herbei, denn sie war die Einzige, die wusste, was zu machen war. Der Pfarrer hatte keine Freude, dass ein Kind in seiner Kirche zur Welt kommen sollte. Wie angewurzelt stand er auf dem nassen, heiligen Boden. Lilith spreizte ihre Beine im Stehen und schrie ihren Schmerz in die kirchliche Stille hinaus. Die geladenen Gäste standen rund um Lilith, stützten sie oder hielten ihre Hände zwischen Liliths Beine, um das Kind aufzufangen, wenn es denn kommen sollte.

Andächtig wartete man auf den Kopf des Kindes. Alle halfen Lilith beim Atmen, als beteten sie gemeinsam. Auch gepresst wurde gemeinsam, bis das Kind in ihre Mitte kam, aufgefangen von Jakobs Händen. Alle waren erleichtert und erstaunt, wie schnell es doch gegangen war. Nur Lilith war noch nicht am Ende und schrie noch einmal laut. Mit Zwillingen hatten Jakob und Lilith nicht gerechnet. Der Zweite kam fast noch schneller als der Erste. Fast wäre er auf dem harten Steinboden aufgeschlagen, wäre da nicht Liliths Mutter gewesen, die schnell und flink zur Stelle war.

Da der Krankenwagen auf sich warten liess, wollte Lilith die Kinder gleich taufen. Und obwohl das dem Pfarrer gar nicht passte, hob sie den Holzdeckel vom Taufbecken und bat Jakob, die Kinder ins geweihte Wasser zu tauchen. Die von der Käseschmiere noch glitschigen Wesen hatten keine Wahl. Sie mussten aus der Wärme direkt ins kalte Nass und wurden so für diese Welt abgehärtet. Namen gab man ihnen nicht. Das war wohl zu hart für die Kleinen, denn ihnen war nur ein ganz kurzes irdisches Leben beschieden.

Lilith erholte sich schnell und war bald nicht mehr müde und erschöpft. Jakob hingegen war es sehr. Ihn plagte der Gedanke an seinen teuflischen Handel, dass er Lilith, die ihm das Jawort am Ende nicht hatte geben können, an andere Männer verkauft hatte. Jakob suchte nach einer neuen Bleibe und nach Arbeit. Lilith war damit einverstanden, denn ihrer Arbeit konnte sie noch nicht wieder nachkommen.

Jakob fand schliesslich Arbeit auf einem Bauernhof, nicht allzu weit weg von der Stadt. Die Bleibe war ein Stöckli mit mehreren Räumen, Toilette, Dusche und einer Küche. Für Lilith war das ein Luxus, und am Anfang lief alles sehr gut. Jakob ging regelmässig zur Arbeit, und Lilith half der Bauersfrau im Garten, wenn sie Lust dazu verspürte. Doch schon nach einer Weile hatte der Alkohol die beiden wieder fest im Griff. Man vertrieb sie vom Hof und aus dem Stöckli. Sie fanden abermals eine neue Bleibe, die aber mehr schlecht als recht war.

Lilith nahm ihre Arbeit wieder auf, und die Herren lösten nun bei Lilith ein, was sie schon im Voraus bezahlt hatten. Lilith und Jakob feierten immer verruchtere Feste. Würde und Moral gab es in ihrem Leben nicht mehr. Die Liebe oder das, was Liebe hätte sein können, hatten sie beide vergessen. Lilith wurde wieder schwanger, und wieder zogen sie um, diesmal mit Kind. Arabat hiess es.

Kreuz Teufels Luder

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