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Prolog

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Sind wir wirklich unseres Glückes Schmied? Wir können in einem bestimmten Maße unser Leben steuern, aber haben wir tatsächlich Einfluss darauf? Können wir unserem Schicksal entrinnen oder steht es von Anfang an fest?

...

Marie Thomas‘ schwarze Locken hüpften und ihre mandelförmigen Augen waren voller Angst. Die Beklommenheit und die Furcht der Menschen waren nahezu greifbar in der Flugzeugkabine der Boeing, die wieder und wieder kräftig durchgeschüttelt wurde. Alle Passagiere, selbst die Flugbegleiter, saßen vorschriftsmäßig angeschnallt auf ihren Plätzen und versuchten das Ruckeln unbeschadet zu überstehen.

Unzählige Male war Marie bereits geflogen, aber solch einen Flug hat sie noch nie erlebt. Sie befanden sich auf Kurs Richtung Stuttgart und der Großraum Londons lag gerade hinter ihnen, als sie in das Gewitter hineingeraten waren. Vor einigen Minuten hatten sie eine starke Fallböe durchquert, worauf der Flieger abrupt und gewaltig an Höhe verlor, was zur Folge hatte, dass die Sauerstoffmasken aus der Decke fielen und zur einer allgemeinen Hysterie unter den Leuten führte. Erst als sich der Pilot über die Bordsprechanlage gemeldet hatte, den verängstigten Passagieren bestätigte, dass kein Grund zur Panik bestünde und es nur ein kleines Gewitter sei, das dem Flugzeug nichts anhaben könne, waren die Schreie verstummt. Hier und da hörte man noch leises Wimmern und Heulen, aber sonst war nur ein beunruhigendes Gemurmel zu vernehmen. Nachher würde sie mit ihrer deutschen Freundin darüber lachen, aber im Moment hatte sie die Hosen voll und zwar gestrichen.

Einige Sitzreihen hinter Marie saßen Mark und Garrett nebeneinander. Die beiden Männer, die von der Statur gleich groß und kräftig waren, unterhielten sich im Flüsterton. Sie waren Berufsfeuerwehrmänner von der Londoner Feuerbrigade.

„Seien wir ehrlich, das Problem ist, dass noch kein Flugzeug oben geblieben ist. Bisher sind alle runtergekommen. Die Frage ist nur wie?“

Garrett schüttelte seinen braunen Haarschopf. Marks komödiantische Ader trat insbesondere dann zu Tage, wenn sie in einer bedrohlichen Situation waren. Seine goldbraunen Augen verengten sich, als er versuchte seinen Freund zu beruhigen. „Nun können wir sowieso nichts mehr daran ändern.“

Marks Lider schlossen sich für einen kurzen Moment. „Ja, jetzt auszusteigen bringt auch nichts mehr.“

Ein leichtes Zucken umspielte Garretts Mundwinkel. Marks Fähigkeit alles mit Humor zu betrachten stand in krassem Widerspruch zu seinem eigenen Charakter. Er war eher ein ernsthafter Typ, der allem und jedem kritisch gegenüber stand, vielleicht vertrugen sie sich deswegen so gut.

In der Spitze der Boeing war der Pilot äußerst angespannt. Dass bei seinem Copilot gerade eine Darmgrippe einsetzen musste und der sich auf der Toilette ohne Ende übergab, war sein kleinstes Problem. Viel mehr machte ihm das TCAS, das Kollisionswarnsystem, zu schaffen, das jetzt erst ein anderes Flugzeug auf gleichem Kurs gemeldet hatte, was an der Reichweiteneinstellung lag, die eindeutig zu kurz war. Das TCAS befahl ihm zu steigen, doch der Fluglotse von der Flugsicherung, wies ihn an zu sinken. Trotz mehrmaligem Nachfragen, was wegen der schlechten Funkverbindung aufgrund des Gewitters, gerade noch möglich war, hatte dieser ausdrücklich darauf bestanden.

Selbst auf die Sicht, die gleich Null war, konnte der Pilot sich nicht verlassen. Zu stark waren die Dunkelheit und das Unwetter. Er verließ sich auf den Fluglotsen und brachte die vom Sturm geschüttelte Boeing in den Sinkflug.

*

Der verspätete Landeanflug des Airbus hatte ihn erst jetzt in der Flugsicherung erreicht, deswegen war sein Kollege, der zweite Fluglotse, in seiner Ruhepause. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn.

An manchen Tagen kam einfach alles zusammen. Nicht nur, dass heute Wartungsarbeiten am System ausgeführt wurden, weswegen die Warnsysteme nur beschränkt einsatzfähig waren, sondern wegen des Sturms waren auch die Telefonleitungen seit einiger Zeit ausgefallen.

Wie immer musste er Ruhe bewahren, die Piloten des Jets und der Boeing würden sich an seine Anweisung halten, alles würde reibungslos verlaufen. Schließlich hatte er noch zig andere Flüge außer dem Airbus, die er überwachen und koordinieren musste.

*

Ohne darüber nachzudenken hielt er das Trinkglas automatisch fest, damit es nicht aus der Vertiefung der Konsole, die neben ihm angebracht war, herausspringen und der Inhalt sich nicht über seine Unterlagen ergießen würde.

Genervt strich sich Tim Bradley durch seine blonden Wellen. Er hatte schon seinen Laptop eingepackt, obwohl er viel zu arbeiten hatte, aber dieser Flug war dermaßen holprig, dass es immerzu vom Tisch abgehoben hatte. Ein Tippen oder Lesen war ein Ding der Unmöglichkeit. Abgesehen davon, war die Internetverbindung eine Katastrophe, was vermutlich ebenfalls auf den Sturm, der da draußen tobte, zurückzuführen war. Er kam aus den Staaten, hatte in Paris eine Zwischenlandung eingelegt um dort ein Unternehmen zu besichtigen, in das er möglicherweise investieren würde. Bald würde er in London landen, aber bis dahin wollte er wenigstens die Statistiken durchgehen. Doch selbst das gelang ihm nicht, das ständige Ruckeln und Schaukeln ließ ihn die Zahlen nicht richtig erkennen.

Frustriert legte Tim die Blätter zur Seite und streckte sich. Seine grünblauen Augen wurden schmal, als er durch das kleine Flugzeugfenster etwas zu erkennen versuchte. Er sah jedoch nur Dunkelheit, die ab und zu durch einen Blitz erhellt wurde. Ganz kurz zeigte sich ihm immer wieder die dichte, undurchdringliche Gewitterfront.

Am besten würde es sein, wenn er seine Piloten fragte, ob sie das Unwetter umfliegen könnten. Weswegen hatte er sich denn einen Jet zugelegt? Um fliegen zu können, wie und wann er wollte.

Sich an den Sesseln, Barhocker und Theke festhaltend gelangte der blonde Mann zum Cockpit. Seine Piloten wirkten nicht gerade hysterisch, aber als gelassen konnte man sie keineswegs bezeichnen.

„Gibt‘s Probleme?“ Tims Augenbrauen zogen sich zusammen, denn so hatte er die zwei Männer noch nie gesehen.

Der Copilot versuchte vergeblich Kontakt mit dem Fluglotsen aufzunehmen, während der ältere Pilot mehrere Schalter drückte und immerzu irgendwelche Instrumente ablas. Dieser war es, der ihm antwortete.

„Probleme insofern, dass wir den Fluglotsen nicht mehr erreichen können und das letzte, was wir verstanden war ‚höher steigen‘, aber das TCAS, das mit dem anderen Flugzeug kommuniziert, welches auf Kollisionskurs mit uns ist, sagt, wir sollen sinken.“

Tim, der sich breitbeinig in die Tür gestellt hatte, um den Turbulenzen zu trotzen, erwiderte darauf in ruhigem Ton: „Was sagt Ihnen Ihre langjährige Erfahrung als Pilot?“

Der Pilot hatte keinerlei Zweifel und zögerte keinen Moment. „Dass wir auf das TCAS hören und in den Sinkflug gehen sollten.“

Tim Bradley nickte. „Gut, dann sinken wir.“

*

Der kranke Copilot der Boeing nahm ermattet in seinem Sitz Platz, als ihn sein Kollege fragte.

„Das TCAS zeigt immer noch das andere Flugzeug an. Wo ist es, ich kann es nicht sehen?"

„Scheiße, hier rechts von uns ..."

Doch es war zu spät, der Jet krachte in die Seite der Boeing und wurde sofort zu einem riesigen Feuerball. Das größere Flugzeug ging sofort in Flammen auf und zerbrach in mehrere Teile. Grelle Explosionen erfüllten den finsteren Nachthimmel. Die brennenden Trümmerteile stürzten zu Boden und beschädigten mehrere HäuHHauser Häuser einer kleinen Siedlung, die in einem bewaldeten Gebiet lag.

...

In dieser Nacht wären über zweihundert Menschenleben vernichtet worden, wenn unser Schicksal unumstößlich wäre. Aber was wäre, wenn es nicht vorherbestimmt ist, wenn es ... veränderbar wäre?

Zu gern glauben wir Menschen, unser Leben lenken oder gar bestimmen zu können und vergessen dabei, dass alle unsere Leben miteinander verbunden sind, verwoben wie ein Netz.

Einige Wochen zuvor...


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