Читать книгу Make it a game! Der Fall Kolletzki - ein literarischer Adventskalender - FABULA VIER - Die vier Schriftgeleerten - Страница 3
ОглавлениеMake it a Game! Der Fall Kolletzki, ein literarischer Adventskalender
Don’t Panic! Keine Angst vor dem Schreiben, wir wollen doch nur spielen!
Die meisten von uns spielen gerne. Und was wir alle kennen, sind Gruppenspiele! Die allermeisten dieser Spiele haben eins gemein: Der eine tut etwas. Dann ist der nächste dran. In der Folge formt sich ein einzigartiger Spielfortschritt, ein Erlebnis, ein Prozess, ein Ergebnis. Dabei ist es so, dass jeder Spielzug im Rahmen der Spielregeln improvisiert wird - jeder Zug erfolgt immer spontan auf Basis der aktuellen Spielsituation, die man selbst, zuletzt aber eben ein anderer zuvor herbeigeführt hat. Egal, für wie berechnend sich nun ein Spieler hält, entscheiden muss er sich immer wieder von Neuem, um einen neuen, ihm zuträglichen Spielstand zu erreichen - sprich: man muss kreativ sein und ist es auch! Bei jedem Zug! …Warum also nicht auch mal das Schreiben zum Gruppenspiel machen?
Kurz erklärt (und vielmehr braucht es nicht): Jeder von uns Vieren war alle vier Tage dran, den gemeinsamen Text fortzuschreiben. Einzig und allein wichtig: Was geschrieben wurde, zählt! …Und so ergab sich der Plot wie von schreibender Geisterhand. Das kann man sich in etwa so vorstellen wie beim Improvisationstheater. Die wohl wichtigste Grundregel lautet dort: „Ja, genau! Und…“ (nicht: „Ja, aber…“!). Mit „Ja, genau!“ bestätigt (im besten Falle: würdigt sogar) der Entgegennehmende das, was ihm übergeben wird. Und mit „Und…“ bringt er sich selbst mit ein. Da auch der Nächste dieser Regel verpflichtet ist (schließlich zählt alles bis dahin Geschriebene), wird der eigene Beitrag von diesem mit „Ja, genau!“ aufgenommen (egal, ob ihm der Fortschritt nun passt oder nicht).
Was die meisten wenig schreiberfahrenen Mitspieler hemmen dürfte, sind wohl Befürchtungen oder Erwartungen an sich selbst, gut sein zu müssen (Ein kurzer Vorgriff: Wir hatten das auch und es kam dennoch etwas Wunderbares, viel Freude, gegenseitige Anerkennung und Bestätigung heraus!) Auch Fragen, wie „Gebe ich mir mit Rechtschreibfehlern die Blöße?“ stehen dem Impuls, mitmachen zu wollen, erst mal im Wege. Aber - und hier kommen auch wieder die Regeln ist Spiel - alles ist erlaubt! Also auch Fehler. Schlicht alles, was die Form betrifft, steht hinten an. Da bereits am nächsten Tag ein anderer weiterschreibt, galt es vor allem, heute fertig zu werden und der Geschichte eine kleine Weiterentwicklung hinzuzufügen (gerade so viel, wie man auch wollte). Zum Planen hatten wir uns absichtlich keine Zeit gelassen: Der Zeitdruck wurde gleichermaßen zum Impuls, es einfach fließen zu lassen, als auch zur Entschuldigung, nicht alles perfekt machen zu können. Und da dies jedem so ging, war es kein Problem, mit sich und den anderen gnädig umzugehen.
Am Ende stand nicht nur ein Ergebnis, sondern auch der Rückblick auf ein tolles Gruppenerlebnis und das Gefühl, „über sich hinausgewachsen“ zu sein.
Ein paar Aspekte:
würdigender Umgang mit allem Geschriebenen und den anderen Mitspielern
Vorfreude auf den täglichen Fortschritt
Flexibilität: sich spontan auf Neues einstellen und sich einlassen
sich überraschen lassen (vieles ist derart unterwartet, wenn andere weiterschreiben)
das just Geschriebene loslassen und die anderen überraschen
Gruppenrollen ergeben sich (immer) von selbst fortlaufend neu: wer schreibt mehr, wer weniger, wer führt zusammen, wer vervollständigt
Selbstwert-Momente: Sich von den eigenen kreativen Impulsen überraschen lassen
tägliche Unterhaltung durch die Beiträge der anderen
rätseln, wie es wohl weitergeht, wenn die anderen schreiben
viel Lachen („Ha, krasse Idee. Lustig!“)
einige „Verdammt noch mal! So ein Mist!“-Momente („Nein, jetzt geht es anders weiter, als ich wollte! Aber: Ja, genau! Und…“)
„dem anderen ein Ei legen“: Eine Tatsache übergeben, mit der die nachfolgenden Schreiber umgehen müssen (überlebt die Katze das?)
verselbständigte Überhöhungen jeglicher Art: Kaum fängt mal einer an, so wird aus der Erwähnung einer politischen Gesinnung ein T-Shirt und dann ein Tattoo
Spielanleitung:
Vorgaben:3 Seiten (Normseiten) sollten es schon sein je TagAbgabeintervall: bei uns täglich! Am nächsten Tag liegt das Vortagesergebnis allen per Email vor, aber nur der Tagesschreibende schreibt weiterWas geschrieben wurde zählt! (nachfolgende Kapitel sollen dem zuvor geschriebenem Inhalt nicht widersprechen)Fokussierung auf Inhalt; Form ist absolut zweitrangigalles ist erlaubt bis… es (falls es nötig ist) eingreifende Verabredungen gibt (zum Beispiel zu: neuen, überraschenden Wendungen, neuen Charakteren, aufgetauchten Logikfehlern…)dem ersten Schreiber (wir haben die Reihenfolge ausgelost) kommt zu, dass er Setting, Charaktere und eine erste Initialhandlung, ein Geschehen vorgibt (solches kann auch in der Runde besprochen werden. Aber Achtung: zu viel Diskussion kostet Überraschung)
Gut wäre (war):sich klar zu machen, dass man sich nicht den ganzen Tag freihalten muss, um einen kurzen Handlungsfortschritt zu tippen. Alles ist erlaubt und manchmal ist eben ganz wenig schon alles. 15 Minuten vom Alltag runterkommen und los!ein kleines Notizbuch bei sich zu haben, um schnell mal eine spontane Idee festzuhalten. Ideen kommen eben, wenn sie kommen.sich zum Schreiben in eine ruhige Umgebung begeben. Fernseher aus, Ablenkung raus und je nach Flow die Zeit nehmen, die das „Tages“-Werk braucht bzw. die man maximal hat. Menge und Qualität bestimmt man eben selbst (und wird per Spielregel gewürdigt;)).ein Treffen zur Mitte des Schreibzeit: Zur Verständigung auf die Restphase / Konzentration aufs Fertigwerden. Es kann zum Beispiel beschlossen werden, dass……keine neuen Charaktere mehr eingeführt werden. Es sei denn sie sind begründet nötig und als solches dann von allen befunden.…bestimmte Auflösungen erforderlich sind und wichtige Handlungsstränge zusammengeführt werden müssen.…sich abzeichnende dramaturgische Höhepunkte oder eine Eskalation der Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen müssen, damit das Werk ein passendes und nicht zu abruptes oder zu ausgelutschtes Ende findet (nicht zwingend inhaltlich was passiert, sondern dass etwas z.B. um das 20te Türchen passieren sollte, damit am 24ten Schluss ist).…kausale Probleme gelöst werden sollten (z.B. dass ein Charakter zur internen Zeit früher hier oder dort sein müsste, damit dieses oder jenes stimmig ist. Auch: tageszeitliche Inkonsistenzen oder solche bzgl. Aussehen bzw. Beschreibung von Charakteren etc.. identifizierte Probleme dieser Art können und sollten durch den für betroffene Passagen zuständigen Schreiber korrigiert werden. Oder auch nicht (siehe Anmerkung 2))ein allwissender Erzähler vereinfacht das Schreiben (einfach mal im Internet danach suchen, wer nicht genau weiß, was das ist. Versprochen: Es ist gerade für Einsteiger genau die Art des Erzählens, die logisch und einfach zu handhaben ist). Beispielsweise können alle Charaktere nach Wunsch springend verwendet und deren Motivationen und Erleben beschrieben werden. Dies führt dazu, dass dem Leser das Wissen um das Geschehen aus vielen Perspektiven nahe gebracht werden kann.
Korrekturphase - Nach Ende und nur, wenn gewollt: Wer nun stolz auf sein Werk ist, möchte es vielleicht anderen Freunden zeigen oder drucken lassen und deswegen noch mal korrigieren. Jeder Schreiber kann seine Kapitel überarbeiten und Fehler berichtigen oder auch korrigieren lassen. Immer noch gilt, dass alles zusammenpassen sollte. Hierfür lohnt eine gemeinsame Absprache, bei der man sich gegenseitig Tipps und Hinweise geben kann.
Anmerkungen:
1) Es hat bei uns nicht immer geklappt, dass am kommenden Tag weitergeschrieben werden konnte (Alltag lässt grüßen!). Es hat sich aber immer eine Lösung gefunden: entweder ist ein anderer eingesprungen oder ein längerer Beitrag wurde in zwei Kapitel aufgeteilt. Wir haben das nicht eng gesehen, sondern als Teil des gruppendynamischen Prozesses verstanden. Schließlich wurde die Geschichte so zu aller Zufriedenheit fertig und keiner musste sich „schuldig“ fühlen, weil er nicht geliefert hat.
2) In unserer Geschichte „Der Fall Kolletzki“ sind auch nach Abschluss des Schreibspiels Ungereimtheiten enthalten, die sich an dem Prozess des autorenübergreifenden Schreibens (ohne Lektorat) ergeben haben. Wir haben diskutiert, ob wir diese nachbessern, uns letztendlich aber doch dagegen entschieden, eine übergreifende „Regie“ walten zu lassen. Und so kommt es durchaus einige wenige Male vor, dass beim Anknüpfen, Zitieren, Rückblenden kleine Inkonsistenzen erhalten geblieben sind – jedoch schaden sie nicht der Verständlichkeit der Handlung und werden wahrscheinlich nur besonders aufmerksamen Lesern überhaupt auffallen. Wir wollen durch den Erhalt dieser „Fehler“ den Prozess der Arbeitsteilung, aber auch das erlaubte Fehlermachen sichtbar lassen.
Über uns:
FABULA VIER - Die vier Schriftgeleerten – sind: J. Wolfgang v. G., Angela Joanne Rohling, Umberto Steffen Schrecko und Jane-Susanne Osten.
Sie sind mal ganz klar keine Profis, sondern stinknormale Typen wie du und ich und Hinz und Kunz mit beknackten Künstlernamen (diese vielleicht, weil sie Angst vor dem Erfolg haben). Da sie den Spaß am Schreiben bereits entdecken durften, treffen sie sich in der Regel alle zwei Wochen, um dem gemeinsamen Schreibhobby zu frönen, ihre letzten Entleerungen zu begutachten, zu befeedbacken und sich mit neuen Impulsen wieder aufzuladen. Wenn’s fruchtbar gelaufen ist, finden Hinweise der anderen Geleerten sogar Einzug in eine Überarbeitung. Ansonsten wird weitergeschrieben, rausgeknallt und sich erneut getroffen. Und erstmals ist etwas bei rausgekommen, dass du vielleicht jetzt lesen wirst