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WAS FÜR EIN EUROPA IST DAS?

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Zwei Tage später landete ich in einer Hauptschule. Ich hätte in Wien ein Gymnasium besuchen können. Doch mein Vater kannte sich mit dem österreichischen Schulsystem nicht aus. In der Schule erlebte ich den nächsten Schock. In der Türkei trugen wir in der Schule einheitliche Schuluniformen. Hier trugen alle, was sie wollten.

Ich landete zwei Klassen höher als daheim. Das lag an meiner Geburtsurkunde. Früher war es üblich, die Buben jünger zu machen, damit sie später zum Militär mussten, die Mädchen hingegen älter eintragen zu lassen, damit sie früher heiraten konnten. So geriet ich in einen Haufen älterer pubertierender Kinder, die mich für meinen Namen verspotteten.

Ich war hoffnungslos und traurig. Aus »Rechtsanwältin Fatma« wurde hier in Österreich die sprachlose Fatma. Ich weinte tagelang und beschwerte mich bei meinen Eltern darüber, dass sie mich hierhergeholt hatten. Nicht nur unsere Wohnsituation und meine Schwierigkeiten in der Schule belasteten mich. Auch die türkische Bevölkerung, die in Österreich lebte, und ihre Sitten waren anders, als ich es aus der Türkei gewohnt war. Hier gab es in konservativeren Kreisen Geschlechtertrennung. Es gab traditionelle Familien, wo die Frauen zu Hause blieben, während die Männer in die Gasthäuser gingen.

Mit der Zeit konnte ich das nicht mehr ertragen. Seit ich 15 Jahre alt war, hatte ich das alles kritisiert.

Die meisten Türken, die in den frühen 1990er-Jahren in Österreich lebten, wollten innerhalb von zwei bis fünf Jahren in die Türkei zurückkehren. Heute sind sie immer noch in Wien. Die Integration ist auf beiden Seiten gescheitert. Selbst die, die Deutsch lernen wollten, wie meine Mutter, mussten fünf Jahre warten. Erst dann hätte das für die Eingewanderten zuständige Arbeitsmarktservice einen Kurs finanziert. Aber innerhalb von fünf Jahren wurde meine Mutter Staatsbürgerin. Dann hieß es, das Arbeitsmarktservice könne einer Österreicherin wohl kaum einen Deutschkurs finanzieren. Somit blieben die Türken vorwiegend unter sich, auch weil sie Angst hatten, ihre Traditionen zu verlieren. Dadurch blieben sie in religiöser und gesellschaftlicher Hinsicht stecken und entwickelten sich nicht weiter. Das traf auch auf meine Familie zu. Meine Großmutter in der Türkei ist in ihrer Lebenseinstellung fortschrittlicher als mein Vater.

»Die Türken, die nach Europa gingen, sind wie ein vakuumverschlossenes Marmeladeglas«, sagte mir einmal ein türkischer Historiker. »So haben sie die Türkei verlassen und jetzt ist es noch immer zu.«

Ein solcher Lebensentwurf drohte auch mir. Als ich mit der Hauptschule fertig war, meinte mein Vater, ich solle als Hilfsarbeiterin in einem Supermarkt arbeiten. Ich war enttäuscht. Erstens, weil ich mit der Schule weitermachen wollte und zweitens, weil ich ihn nicht verstehen konnte. Warum sprach mein Vater, der in der Türkei erwartet hatte, dass ich studiere und Rechtsanwältin werde, jetzt auf einmal von Arbeit statt von Weiterbildung?

»Du bist erst seit zwei Jahren in Österreich. Sogar die Türken, die hier geboren sind, schaffen es nicht in weiterführende Schulen. Wie willst du das schaffen?«, fragte er. Zumindest durfte ich dann doch die Berufsschule für Einzelhandel besuchen.

Nur vor Allah werfe ich mich nieder

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