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KAPITEL 5

Von Hollabrunn nach München: Alabas Wechsel zum FC Bayern

Hermann Gerland eilt vom Trainingsplatz. Die U17 trainiert beim FC Bayern etwas außerhalb, nicht auf dem Hauptplatz, wo sich Woche für Woche die Zuschauer drängen, um einen Blick auf die Stars zu erhaschen. Gerland hat keine Zeit zu verlieren, was er gerade gesehen hat, ist schon fast sensationell. Da ist einer, aus dem muss einfach etwas werden. Der hat alles, was richtig gute Fußballer brauchen. Das muss er dem Kern sofort erzählen. Er stößt die Tür auf und stürmt in das Büro, in dem Poster von Thomas Hitzlsperger und Zvejzdan Misimović die Wände zieren. Fast jeder, der hier an der Wand hängt, ist irgendwann auch in diesem Raum gesessen. „Werner, wir haben einen genialen neuen Spieler“, ruft Gerland enthusiastisch. Werner Kern, gelassen wie eh und je, blickt mit einem Lächeln auf den Lippen auf: „Schön, dass du das jetzt auch mitbekommen hast, Hermann.“

David Alaba hatte in München einen besonderen ersten Eindruck hinterlassen. Kein Wunder, könnte man sich jetzt denken, wenn man ein blutjunger, dunkelhäutiger Österreicher ist. Doch Äußerlichkeiten zählten nicht, vor allem nicht bei Hermann Gerland. Wenn seine fast schon legendäre Spürnase etwas wittert, dann muss das schon etwas Besonderes sein. Den Satz, „Wir haben da einen“, hat der kantige Bochumer, der in München „Tiger“ genannt wird, schon einmal gesagt, im Jahr 2002. Damals empfahl Gerland einen gewissen Philipp Lahm.

Doch wie die Anekdote von David Alabas erstem Trainingstag bereits zeigt: Hermann Gerland entdeckte den Österreicher erst, als er schon an einem der Außenplätze an der Säbener Straße trainierte. Viel früher dran war da Werner Kern. Der Oberbayer aus Berchtesgaden hat von 1998 bis 2012 die Nachwuchsabteilung des FC Bayern geleitet. Die Zeit vor der Jahrtausendwende war in Deutschland aus Jugendfußballsicht eine Katastrophe: Fußballschulen waren ein Fremdwort, Talentförderung sowieso. Kern erkannte das, er hatte exakte Vorstellungen davon, wie aus talentierten Nachwuchsfußballern Bundesligaspieler, Nationalmannschaftsanwärter und irgendwann vielleicht Weltmeister werden könnten.

Drei Jahre lang entwickelte man beim FC Bayern eine neue, eigene Philosophie vom Jugendfußball. Man erarbeitete sich einen gewissen Vorsprung, denn erst nach der enttäuschenden EM 2000 erkannte der Rest Deutschlands, dass Handlungsbedarf bestand. Kern war da längst der Leiter eines Dreigestirns, das den FCB und Fußballdeutschland in den nächsten Jahren prägen sollte. Neben Kern waren da die zwei Hermanns. Zum einen Gerland, der schon von 1990 bis 1995 in München gearbeitet hatte. Zum anderen Hermann Hummels, Vater von Mats Hummels und ab 1995 in verschiedenen Funktionen am Giesinger Bayern-Gelände tätig.

Jede Woche traf sich das Nachwuchs-Triumvirat mindestens einmal in Kerns Büro, um über den Status der Talente zu sprechen. Wer hatte gut gearbeitet, bei wem zeigte sich, dass es doch nichts werden würde mit der Bundesliga? Wer hatte sich vielleicht schon eine Empfehlung nach ganz oben verdient? Berichtet wurde direkt an Uli Hoeneß, der auf Hinweis seiner Nachwuchsleiter die Kopiervorlage für den Profivertrag aus dem Aktenschrank holte – oder eben nicht. Die Liste der Jugendspieler, die in der Ära Kern den Sprung zu den Bayern-Profis oder einem anderen Bundesligaverein schafften, ist lang: Owen Hargreaves, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Christian Lell, Piotr Trochowski, Andreas Ottl, Mats Hummels, Sandro Wagner, Diego Contento, Holger Badstuber, Thomas Müller, Toni Kroos, Emre Can, Alessandro Schöpf.

Alle oben genannten Spieler waren oder sind hervorragende, erfolgreiche Fußballer. Sieben von ihnen haben die Champions League gewonnen, fünf von ihnen wurden Weltmeister – und in ihre Reihe gehört auch David Alaba. Alaba ist ein Aushängeschild der Bayern-Jugend, eine Art Paradebeispiel. Er ist kein spektakulärer Südamerika-Import, sondern kommt aus derselben Zeit- und Kulturzone. Er hat von der U17 bis zur U23, die in München „Bayern Amateure“ genannt wird, alle Jugendteams durchlaufen. Und er war eines der vielen Talente, die dem guten Ruf der Münchner Schule folgten und nicht etwa nach London, Barcelona oder Mailand gingen.

Um die Entdeckung von Talenten der Kategorie Alaba gibt es immer wieder Diskussionen. Jeder Scout will ihn zuerst gesehen haben, der eine hatte bereits geahnt, dass aus „dem Jungen“ mal ein Bundesligaprofi wird, als der sich noch gar nicht die Schuhe alleine binden konnte. Von derlei Heldensagen hält Werner Kern nichts. Wenn er erzählt, wie David Alaba zum FC Bayern wechselte, dann tut er das, ohne sich selbst als „Alaba-Entdecker“ in den Fokus zu rücken.

Wenn man schon eine Person nennen will, die den Namen Alaba zum ersten Mal in München unterbrachte, dann wäre es Heiko Vogel. „Der ist nach einem C-Jugend-Turnier in Bremen zu mir gekommen und meinte, dass Austria Wien dieses Turnier gewonnen habe, sei kein Zufall. Die hätten zwei überragende Spieler im Kader“, erzählt Kern. Der eine war Christoph Knasmüllner, der andere David Alaba. In den nächsten Wochen traten immer mehr Leute an Kern heran mit der dringlichen Empfehlung, diesen Alaba zu holen, der sei fantastisch. Also setzte er sich an einem Sonntag Anfang April 2008 mit seinen Mitarbeitern Hermann Hummels und Stephan Beckenbauer, dem Sohn von Fußballkaiser Franz, ins Auto nach Tirol. Die zweistündige Fahrt nach Axams, einer kleinen Gemeinde ein paar Kilometer außerhalb von Innsbruck, sollte sich lohnen.

Um zwölf Uhr absolvierte die U19 der Wiener Austria ein Testspiel gegen eine Tiroler Landesauswahl. Der Tiroler April ist kein freundlicher Monat: Bei ein paar Grad über null und Schneeregen postierten sich Kern und seine Kollegen rund um das Spielfeld. Ein Poet würde sagen, dass Alabas Leistung die Herzen der drei an diesem kalten Spätwintertag erwärmte. Doch Kern ist kein Poet und fasst den Ausflug nach Tirol trocken zusammen: „Wir waren uns einig: Den mussten wir holen.“ Leichter gesagt als getan. Dieselben Leute, die Kern eingeflüstert hatten, was für ein großartiges Talent Alaba sei, hatten auch im Rest Europas Bescheid gesagt – effizientes Scouting war im Jahr 2008 das Kerngeschäft eines jeden europäischen Spitzenklubs. Eine Entwicklung, die Kern selbst um die Jahrtausendwende mitinitiiert hatte und die heutzutage langsam ins Absurde abdriftet: 2008 beobachtete man die U17-Teams, 2017 wird bereits bei der U11 der nächste Lahm gesucht.

Heranwachsende Fußballer haben jedoch ihre ganz eigenen Argumente für oder gegen einen Klub. Alaba zum Beispiel fand die Bayern nicht wirklich attraktiv – weil die Jugendmannschaften bei den Turnieren immer im elegantesten Bus vorfuhren und als verwöhnte Talente galten. England war viel spannender, und Manchester United, der FC Arsenal sowie der FC Liverpool hatten ebenfalls Interesse. Doch Kern ist ein geschickter Verhandlungsführer, das bewies er schon bei Toni Kroos zwei Jahre zuvor: Kern lud Kroos 2006 mitsamt Familie nach München ein und brachte sie im Luxushotel Vier Jahreszeiten unter, wo gerade die Mannschaft des FC Arsenal zu Gast war. Der junge Kroos war tief beeindruckt: „Als wir uns am Abend mit Uli Hoeneß getroffen haben, meinte Toni mit leuchtenden Augen, dass er unbedingt zu Bayern möchte“, erzählt Kern, nicht ganz ohne Stolz.

Auch die Alaba-Delegation ließ er nach München einfliegen. Am Flughafen empfing Kern am Pfingstmontag 2008 den jungen David, seinen Vater George und Berater Jeannot Werth. Papa Alaba verkündete umgehend, dass sein Sohn heute keinen Vertrag unterschreiben werde, das hätte man mit den Vertretern der Austria abgesprochen. Die Säbener Straße war an jenem Montag komplett verlassen, nur in Kerns Büro wurde diskutiert. Den ganzen Tag über trug er dem Alaba-Gremium seine Argumente für den FC Bayern vor und erhielt dafür in der Abflughalle des Flughafens Franz Josef Strauß einen Handschlag. Die Formalien wurden in den nächsten Tagen mit der Austria geklärt. „Der Deal war komplett sauber“, fasst Kern zusammen. Dass Transfergeschäfte geregelt abliefen, war Kern immer wichtig. Üble Nachrede kann man sich im Jugendfußball nicht leisten.

Dennoch rief zwei Tage nach dem Besuch der Alabas eine österreichische Nummer auf Werner Kerns Diensthandy an. Es war Ernst Neumann, engster Vertrauter von Austria-Mäzen Frank Stronach und einer der Leiter der Akademie in Hollabrunn. Kern, gerade auf dem Weg nach Hause, fuhr rechts ran: „Ich habe mir in Ruhe angehört, wie er mich beschimpft hat. Ich hätte doch keine Ahnung, was ich dem Jungen antun würde, wenn ich ihn von zuhause wegholte und so weiter.“ Kern antwortete ruhig und erklärte Neumann, warum sich Alaba für einen Wechsel nach München entschieden hatte. Selbstverständlich kannte der Nachwuchskoordinator die Akademie in Hollabrunn und wusste daher auch um ihre Schwäche. Alaba musste dort eine technische Schule besuchen, die ihm nicht wirklich zusagte. Kern lockte also nicht mit Geld, nicht mit Einsatzgarantien, nicht einmal mit Luxushotels – sondern mit Schulbildung. Die Wirtschaftsschule, die David in München besuchen sollte, in Kombination mit Nachhilfe von Vereinsseite, war letztendlich das entscheidende Argument für den Wechsel. Neumann legte verdutzt auf, Kern setzte den Blinker und fuhr zufrieden nach Hause.

Schulbildung war Kern immer mindestens so wichtig wie die Ausbildung auf dem Platz: „Wenn ein junger Mann mit 15 Jahren schon sagt, er wird Profi und sonst nichts, ist das ein enormes Risiko.“ Dass es Kern um den Menschen ging, wenn ein Nachwuchsprofi ihm gegenübersaß, und nicht um den zukünftigen Star, ist keine leere Floskel, sondern eine Philosophie. „Die Wahrscheinlichkeit, dass du in deiner Karriere weit kommst, wenn du es in der Jugend schaffst, Schule und Fußball unter einen Hut zu bringen, ist groß“, sagt Kern. Es mag eine klassische Ansicht von Talentausbildung sein, aber Kern ist eben ein klassischer Typ. So wie er sich in den 1970er Jahren als Co-Trainer von Dettmar Cramer um ein Bayern-Talent namens Karl-Heinz Rummenigge kümmerte und ihn zum Weltstar machte, sorgte er sich im Juli 2008 um David Alaba.

Zum Beispiel, als Vater George ihn an der Wiener Handelsakademie für ein E-Learning-Programm angemeldet hatte, kurz vor dem Trainingsstart bei seinem neuen Verein. „David ist im Juli mit so vielen Unterlagen bei uns angekommen, die Lehrer meinten, der wäre komplett überfordert.“ Kern überlegte, wie er das Schlamassel lösen könnte, und griff schließlich zum Telefon, um George Alaba anzurufen. Der wiederum war überrascht: Ausgerechnet der Mann, der immer Schulbildung propagiert hatte, riet ihm jetzt, David aus der Schule zu nehmen. Der Jugendexperte hatte inzwischen erkannt, dass Alaba einer der ganz wenigen war, die von schulischen Tätigkeiten eher aufgehalten werden, und beschlossen, ihn von der Schulpflicht zu befreien. Doch Werner Kern verriet seine Prinzipien nicht, ohne seinen jungen österreichischen Schützling anderweitig abzusichern: „Weil ich mir so sicher war, dass David als Profi Erfolg haben würde, habe ich seinem Vater gesagt, er soll eine Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer Prämie von einer Million Euro abschließen.“ Gesagt, getan: Alaba musste in München nicht zur Schule gehen.

Kern bezeichnet das heute im Blick zurück als „totale Sondersituation“. Keinem anderen Talent hat er je erlaubt, die Schule abzubrechen. Gleichzeitig hatte er bei keinem anderen jemals dieses Gefühl, dass es hundertprozentig zu einer Profikarriere reichen würde. Eine der vielen Prognosen, mit denen der heute über 70-Jährige richtiglag. „Davids Vater George kann bis heute nicht du zu mir sagen. Er meint immer, er habe zu viel Respekt, weil ich ihm immer vorausgesagt habe, wie die Dinge laufen würden – und dann alles so eingetreten sei“, meint Kern und muss schmunzeln. Auch wenn er sich nie selbst als großen Entdecker herausheben würde und er dieses große österreichische Talent, das da 2008 bei der Austria spielte, vielleicht tatsächlich nicht als Erster gesehen hat: Wenige Menschen haben die Karriere von David Alaba so entscheidend beeinflusst wie Werner Kern.

Zu diesen wenigen Menschen gehört auch Gerland. Auch wenn Alaba in seiner ersten Saison 2008/09 hauptsächlich bei den U-Mannschaften zum Einsatz kam, trainierte er häufig mit den Amateuren unter Gerland, den Wegbegleiter als den „perfekten Nachwuchstrainer“ beschreiben. Einerseits ist er extrem kritisch und fordert eine exakte Umsetzung seiner Vorgaben – andererseits weiß Gerland genau, wann er Spieler etwas sanfter anpacken und ihnen unter die Arme greifen muss. Wer beim Tiger hart arbeitet, wird belohnt, und Alaba war einer dieser harten Arbeiter. An heißen Sommertagen ließen die Jugendtrainer gerne eine Übung trainieren, bei der eine Mannschaft in Unterzahl gegen eine in Überzahl spielt. Alaba hatte es auf seiner Seite mit drei Gegnern zu tun und spielte sie in Grund und Boden.

Es waren diese kleinen Situationen, die Kern und seinen Mitentscheidern bewiesen, dass der junge Österreicher zu höheren Aufgaben berufen war. Das Niveau der U17, bei der er anfangs im Kader stand, war für den 16-Jährigen zu niedrig. Im Oktober wechselte er in die U19, die von Kurt Niedermayer trainiert wurde, der von 1977 bis 1982 selber gemeinsam mit Rummenigge und Co. 178-mal als Abwehrspieler für den FC Bayern auflief. Am 9. November 2008 hatte Alaba seinen ersten wirklich großen Auftritt außerhalb des Trainingsgeländes: Das U19-Derby gegen 1860 München entschied er mit seinem Tor zum 3:2 in der letzten Spielminute. Angesichts der Tatsache, dass die Sechziger und die Bayern sich damals wie heute nicht in der Bundesliga begegnen, sind die Nachwuchs-Derbys eines der jährlichen Highlights für die lokale Rivalität. Und nebenbei war der TSV zu diesem Zeitpunkt einer der härtesten Konkurrenten um die A-Jugend-Meisterschaft. Dank Alaba nicht mehr.

Er blieb für den Rest der Saison bei der U19 und spielte dort jedes Wochenende eine wichtige Rolle. Zu seinen Teamkollegen zählten damals schon Spieler wie Diego Contento oder Nicola Sansone, der heute für den FC Villareal stürmt. Doch Alaba stach hervor, auch weil er sich abseits des Platzes hervorragend verhielt. Der große Spaßvogel, als den ihn heute viele kennen, war er in der Jugend nicht. Fokussiert, ehrgeizig und zielgerichtet arbeitete er an seiner Profikarriere. Solange ein Fußball involviert war, war Alaba dabei. Wie sehr er bereits die Führungsrolle verinnerlicht hatte, zeigte sich im Juni 2009. Seit einigen Monaten hatte Alaba nicht mehr bei der U17 gespielt, doch als die Saison der U19 am 14. Juni endete, fuhr er nicht etwa in den Urlaub, sondern half bei seinen ehemaligen Kollegen von der U17 in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft aus. Im Halbfinale schlugen Alaba und seine Jungs den VfL Wolfsburg, im Finale wartete der VfB Stuttgart. Drei Tage nach seinem 17. Geburtstag erlebte Alaba jedoch seine erste Finalniederlage im Bayern-Trikot: 1:3 verloren die kleinen Bayern nach Verlängerung gegen die Konkurrenten aus Schwaben. Minutenlang musste Werner Kern den komplett am Boden zerstörten und in Tränen aufgelösten Alaba trösten.

Die Niederlage im Meisterschaftsfinale war Alabas letztes Spiel in einer Jugendmannschaft. Mit Beginn der neuen Saison spielte der Österreicher fest bei den Amateuren, der zweiten Mannschaft des FCB. Trainer dort war Mehmet Scholl, Hermann Gerland war als Co-Trainer zur ersten Mannschaft gewechselt. Es sollte nicht allzu lange dauern, bis er seinem wohl wichtigsten Jugendtrainer folgte, doch im Herbst 2009 hatte Alaba erst mal eine andere Aufgabe: Er galt als Jahrgangsbester und war bei den Amateuren als Führungsspieler gefordert. Mit der zweiten Mannschaft spielte er in der dritten Liga. Herrenfußball, auf einmal ging es nicht mehr gegen Jugendteams, sondern gestandene Profis und alte Traditionsvereine. Scholls Team reiste nach Dresden, Aue, Erfurt, Kiel und Burghausen. Der Drittligafußball war für Spieler des FC Bayern eine Schule auf hohem Niveau. Viele, die sich bei den Profis durchsetzten, waren einmal Führungsspieler bei den Amateuren. Werner Kern erzählt gerne die Geschichte, wie der junge Thomas Müller einmal bei einem Auswärtsspiel in Paderborn nach einer Schwalbe das gesamte Spiel von rund 10.000 Zuschauern ausgepfiffen wurde: „Selbst Thomas war da beeindruckt.“

Auch David Alaba ging durch diese Schule, spielte im Mittelfeld und als Linksverteidiger und schoss trotzdem das ein oder andere Tor. Die jungen Münchner starteten mit Schwierigkeiten in die Saison, doch arbeiteten sich langsam, aber sicher vom letzten Tabellenplatz nach vorne. Die Reisen mit den Amateuren hielten den aufstrebenden Youngster Alaba, den „Rohdiamanten“, wie ihn sogar der sonst sehr dezente Standard in Österreich nannte, auf dem Boden. Drei Tage nach seinem Debüt für die österreichische Nationalmannschaft gegen Frankreich spielte er wieder vor ein paar Hundert Zuschauern im betongrauen Grünwalder Stadion gegen den VfL Osnabrück und verteidigte gegen Thomas Reichenberger statt gegen Thierry Henry. Seine Flanke auf Stürmer Maximilian Haas führte zum 1:1, ein Punkt gegen die starken Osnabrücker war viel wert.

Im Jugendmagazin des FC Bayern prangte David Alaba im Dezember 2009 auf der Titelseite. „So viele junge Spieler sind schon hochgejubelt worden und dann abgestürzt“, meinte Alaba im Interview und sagte einen Satz, den die wenigsten jungen Spieler nach ihrem ersten Jahr beim FC Bayern sagen: „Noch habe ich nichts erreicht.“ Alaba erkannte schon damals, dass in ihm ein enormes Potenzial steckt. Bislang war er gut genug gewesen, um es von Austria Wien nach München zu schaffen. Er hatte sich von der U17 zur U19 und weiter zu den Amateuren hochgearbeitet. Die Cheftrainer Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal hatten ihn sogar schon das ein oder andere Mal mit den Profis trainieren lassen. Doch die ganz großen Ziele – Bundesliga, Champions League und Profivertrag – musste er erst noch erreichen.

Was Alaba Anfang Dezember 2009 noch nicht wusste: Sein erstes Trainingslager mit den Profis stand kurz bevor, seine Premiere in der Champions League war knapp drei Monate entfernt, und in weniger als einem halben Jahr würde er die Meisterschale in den Händen halten.

David Alaba

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