Читать книгу David Alaba - Felix Haselsteiner - Страница 5
ОглавлениеProlog: Die Verleihung
Marcel Hirscher nickt zwar anerkennend und applaudiert, doch so richtig kann er seine Enttäuschung nicht verbergen. Er hat die beste Saison seiner Skikarriere abgeliefert, ist in Schladming, bei der Heim-WM, Weltmeister im Slalom geworden. In einem unglaublichen Rennen hat er seine Konkurrenten auf die Plätze verwiesen – diesmal jedoch scheitert er an einem Gegner aus einer anderen Sportart. Nicht Österreichs größter Skifahrer gewinnt die Auszeichnung als Sportler des Jahres 2013, sondern David Alaba, als erster Fußballer seit Toni Polster 1997.
In der 64-jährigen Geschichte des Awards wurde er unter anderem 27-mal an Skifahrer vergeben, zehnmal an Skispringer, viermal an Leichtathleten, dreimal an Judoka. Es gewannen zudem ein Kajakfahrer, ein Bergsteiger, ein Eisschnellläufer und ein Eishockeyspieler, aber nur viermal ein Fußballer: Walter Zeman, Ernst Ocwirk und Gehard Hanappi in den 1950er Jahren und eben Toni Polster. Andreas Herzog ist nie Sportler des Jahres geworden, Herbert Prohaska und Hans Krankl auch nicht, selbst Bruno Pezzey, Josef Hickersberger oder Hans Krankl haben es nicht in die Elitehalle des österreichischen Sports geschafft. David Alaba hingegen schon.
Um einen Einblick in Alabas Welt zu bekommen, schaut man sich am besten den knapp vierminütigen Ausschnitt von der Preisverleihung an. Alaba selbst ist nicht anwesend, er ist aus München zugeschaltet. Dort sitzt er in einem kleinen Studio mit seinem Kollegen und besten Freund beim FC Bayern, Franck Ribéry. Der Franzose überreicht ihm auch den Pokal, den der ORF bereits nach Bayern geschickt hat. München ist seit 2008 Alabas zweite Heimat neben Wien, hier hat er die großen Schritte seiner Karriere gemacht. Er hat sich unter Louis van Gaal zu den Profis hochgespielt und es über den Umweg Hoffenheim unter Jupp Heynckes zum Stammspieler geschafft. Weil er mit dem FC Bayern 2013 das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League gewonnen hat, erhält er überhaupt die Auszeichnung.
Am Abend des 31. Oktober kann Alaba nicht in Wien sein, weil er drei Tage nach der Verleihung ein Bundesligaspiel zu bestreiten hat. Dabei hätte er es nicht weit nach Hause gehabt. Der Award wird im Austria Center Vienna in der Wiener Donaustadt verliehen, ein paar Kilometer weiter stadtauswärts ist Alaba aufgewachsen. In Aspern hat er das Fußballspielen gelernt, an der Akademie von Austria Wien in Hollabrunn hat er sich später zu einem der größten Talente der Vereinsgeschichte entwickelt. All das wäre nicht möglich gewesen ohne seine Familie. Papa George und Mama Gina Alaba sitzen im prunkvoll geschmückten Saal und strahlen vor Stolz über die Auszeichnung ihres Sohnes.
Alabas Reaktion auf den nächsten Titel in seiner Sammlung zeigt seine zwei Gesichter. Da wäre der Medien-Alaba, der in der Öffentlichkeit schüchtern und zurückhaltend auftritt und nur selten seine Gefühle zeigt. „Ja, das ist unglaublich, wirklich eine Riesenehre für mich“, beschreibt ein leicht überfordert wirkender Alaba, was ihm die Auszeichnung bedeutet. Er lobt in fast dialektfreiem Hochdeutsch seine Konkurrenten Marcel Hirscher und Skispringer Gregor Schlierenzauer, er bedankt sich bei allen, die ihn gewählt haben – kurz: er gibt ein relativ klassisches Fußballerinterview.
Doch kurz darauf fragt Moderator Rainer Pariasek bei Franck Ribéry nach, ob er noch einmal erzählen könne, was sein Freund ihm beigebracht hat. Als der Franzose die Frage zunächst nicht versteht, wendet Alaba sich ihm zu und meint in perfektem Wienerisch: „Naaa, welches Wort?“ Jetzt kapiert Ribéry, was von ihm verlangt wird: Grinsend sagt er mit dezent französischem Akzent: „Bist du deppat?“, und umarmt seinen Kompagnon. Es sind diese kleinen Momente, in denen der echte Alaba hervortritt, der so viel mehr ist als nur ein sehr guter Fußballer.
Doch seit der Galanacht im Herbst 2013 ist viel passiert in Alabas Leben. Er hat den Talentstatus langsam, aber sicher abgelegt und ist unter Pep Guardiola endgültig zu einem der besten Linksverteidiger der Welt gereift. Er hat sich in der österreichischen Nationalmannschaft ausgezeichnet, hat sie gemeinsam mit Marcel Koller zur Europameisterschaft 2016 nach Frankreich geführt. Doch er hat auch schon erste Rückschläge einstecken müssen: Bei der EM hat er die bislang größte Niederlage seiner Karriere einstecken müssen. Alaba wird kritischer betrachtet als jemals zuvor. Er polarisiert, obwohl er sich so gut wie nie öffentlich äußert. Die große Mehrheit seiner Weggefährten beschreiben Alaba als unheimlich talentierten, aber auch fleißigen Sportler und als gut aufgelegten Typen mit einem herausragenden Wiener Schmäh. Trotzdem wird er heute vor allem in Österreich häufig kritisiert und gilt als das Gesicht einer goldenen Nationalmannschaftsgeneration, die kurz davor ist zu scheitern. Selbst beim FC Bayern geht es nicht mehr nur steil bergauf. Er steht nun an einem wichtigen Punkt in seiner Karriere, an dem sich entscheiden wird, ob er wirklich mit den Legenden des Austro-Fußballs auf einer Stufe steht.
So oder so ist David Alaba einer der facettenreichsten Sportler in der Geschichte seines Landes. Und auch wenn der Ausschnitt von der Verleihungszeremonie 2013 einen guten Einblick in seine Persönlichkeit ermöglicht – Alabas Geschichte ist es wert, in einem ausführlicheren Rahmen erzählt zu werden.